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Erneuerbare-Energien-Branchentag in Hannover startet kommunale Offensive

Die Acht-Punkte-Erklärung solle ein Aufschlag sein, dem sich mehr und mehr Kommunen in der Wirtschaftsregion des Landesverbandes Erneuerbare Energien für Niedersachsen und Bremen (LEE Niedersachsen Bremen) anschließen, sagte LEE-Vorsitzende Bärbel Heidebroek am Mittwoch auf der Tagung in Hannover. Dort stellten der LEE Niedersachsen Bremen und die Bürgermeisterin und Bürgermeister der drei ersten Unterzeichnergemeinden das dreiseitige Papier und dessen Forderungen vor. Sie zielen durchgängig auf eine Gestaltung der Energiewende zum Nutzen und mit der Teilnahme der Kommunen und der anwohnenden Bürgerinnen und Bürger. Die acht Forderungen wolle der LEE nach und nach teils an die Landesregierung und Landespolitik herantragen, um von dort Unterstützung zu erhalten, sagte Heidebroek. Zum Teil beziehen die Forderungen zusätzlich aber auch bundesgesetzliche Rahmenbedingungen und bundesweite Marktregeln mit ein.

Im Einzelnen verlangt das Papier sieben sich ergänzende Erleichterungen für Kommunen, um sich und ihre Einwohnenden an neuen Wind- und Solarparks zu beteiligen oder auch an anderen Anlagen, die grüne Energie erzeugen, verteilen, speichern oder umwandeln. So sollen die Kommunen gemäß der ersten Forderung in der Erklärung die dem niedersächsischen Beteiligungsgesetz vom April vergangenen Jahres zu verdankenden Einnahmen flexibel und unbürokratisch einsetzen können. Das Beteiligungsgesetz sieht eine Abgabe aus neuen Wind- und Solarparks von 0,2 Cent pro Kilowattstunde (kWh) tatsächlich eingespeisten Stroms der Kommunen vor, und außerdem eine zusätzliche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger im Umkreis einer Kommune mit 0,1 Cent pro kWh oder einer anderweitigen Beteiligung an der Anlage selbst. Zweitens drängt die Initiative auf mehr Anreize für eine Eigenversorgung örtlicher Industriebetriebe, Wohnviertel oder der Gemeinden. Eine bundesweit geltende Regelung, Strom immer lieber und am besten am Erzeugungsort zu nutzen, statt dessen Erzeugung bei knapp gewordenen Leitungskapazitäten des Stromnetzes abzuregeln, sei bislang wenig brauchbar, sagte Heidebroek.

Speziell für die Nutzungen in Wohn- oder Gewerbe- und Wohnquartieren solle es Förderprogramme geben, um „Lösungen vor Ort propagieren“ zu können und weniger Netzausbau zu verursachen, heißt es außerdem in der Erklärung. Hierbei werde der Verbrauch von Strom auch günstiger, betonte Heidebroek.

Die anderen konkreten Forderungen des Papiers sind: die Wärmewende in innovativen Pilotprojekten gemeinschaftlich ausprobieren, generell mehr finanzielle Mittel von Bund und Land für eine Digitalisierung und eine höhere personelle Ausstattung der Genehmigungsbehörden sollten mehr Freiräume für Projekte schaffen und Bürokratie abbauen, regionale Konzepte auch unter Einbindung von Speichern sollten die Versorgungssicherheit zu erhöhen, und eine faire Beteiligung der Kommunen müsse auch deren Teilhabe an der dezentralen Nutzung von Strom in Speichern und Elektrolyseuren für die Erzeugung grünen Wasserstoffs einbeziehen. Grüner Wasserstoff, erzeugt durch eine mit überschüssigem Wind- oder Solarstrom betriebene Elektrolyse, gilt als sehr flexibler Energieträger, um erzeugte Energie auch für Industrieprozesse oder für Verkehrsantriebe emissionsfrei zu nutzen.

Abschließend fordert die kommunale Erklärung auch ein, dass sich Kommunen zusammen mit dem LEE für „mehr Mut und Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren“ einsetzen.

Nils Neuhäuser, unterzeichnender Bürgermeister der Gemeinde Ilsede, erklärte die Notwendigkeit zu Handeln mit der konkreten Situation der Kommune zwischen Braunschweig und Hannover. Als ehemaliger Standort einer aufgegebenen Stahlhütte habe der Ort eine enorme Transformation zu leisten. Nach dem Wegfall der Industrie benötige die Gemeinde neue Einnahmen. Sie sei in Gesprächen mit mehreren Investoren, doch benötige sie dringende einen Bürokratieabbau, um schneller die benötigten Investitionen in Windkraft und vor allem auch einen ergänzenden Photovoltaikpark mit 50 Hektar Grundfläche zu verwirklichen. Außerdem sei unklar, wie die Gemeinde bei bereits im Bau befindlichen Windparks mit dem Geld aus den Kommunalabgaben des Windparks nach dem niedersächsischen Beteiligungsgesetz umgehen dürfe. Auch eine Regelung für die Nutzung von Batteriespeichern fehle unmittelbar. Ein Versuchsfeld für die Wärmeplanung, wie in der Erklärung gefordert, könnte die Gemeinde „super integrieren“.

Marcus Meyer, der Bürgermeister des Flecken Steyerberg, sieht sich ähnlich ausgebremst. Mit demnächst vor allem dank Repowering-Projekten – durch neue Hochleistungswindenergieanlagen ausgetauscht Altwindparks – 150 Megawatt Windkraft in einem 101 Quadratkilometer großen Gemeindegebiet sei die Gemeinde auch aus Überzeugung stärker am Windkraftausbau beteiligt, als vom Land für zumutbar erklärt. So habe die Gemeinde bereits auch ihre Wärmetransportnetze „so gut wie“ fertig gestellt. Dennoch könne Steyerberg die Energie selbst nicht in Erzeugungsnähe nutzen, weil dafür Regelungen fehlten oder dies sogar untergraben würden. Die Gemeinde wolle nun auf bis zu 60 Hektar Fläche auch Photovoltaik errichten lassen, um daraus Industrie und Gewerbe mit lokalem Strom zu versorgen. Doch die dafür notwendigen Arealnetze seien nicht machbar, weil Regelungen fehlten. Angebotene Investitionen für einen Speicher von mindestens 200 Kilowatt in Verbindung mit der Errichtung von vier Elektroauto-Ladesäulen mit nach dem Stromangebot sich ändernden und verbrauchssteuerndem flexiblem Stromtarif ließen sich nicht verwirklichen, weil dafür zu viele verschiedene Ausschreibungen notwendig wären.

Christina Jantz-Herrmann, die Bürgermeisterin der Gemeinde Schwanewe, erklärte, sie habe sich „sehr gefreut, dass die Kommunen nun im Zentrum“ der Branchenaufmerksamkeit angekommen seien. Wichtig in ihren Augen sei es insbesondere auch, dass die Erneuerbare-Energien-Unternehmen den Bürgerinnen und Bürgern möglichst viele flexible Formen einer Beteiligung einräumen.

Der niedersächsische Ministerpräsident Olaf Lies hatte zuvor bei einem Grußwort am Morgen begrüßt, dass die Tagung die Wichtigkeit der kommunalen Nutzung der Energien zum Thema mache. Doch stellte der Wirtschaftsminister sich auch gegen ungebremste Erwartungen an einen Erneuerbare-Energien-Ausbau gemäß möglichst weitreichenden Investitionsplänen. Die Systemdienlichkeit der Erneuerbare-Energien-Anlagen müsse künftig mehr Ziel des Ausbaus sein, statt die Verwirklichung individueller Investitionspläne überall im Land. Weiterer vorrangiger Bürokratieabbau sei zudem keine Notwendigkeit mehr: Nach beherzten Planungs- und Genehmigungsvereinfachungen in den jüngsten gesetzlichen Regelungen gelte nun: Ein angebliches grundsätzliches zu viel an Bürokratie „entspricht nicht mehr der Realität“. Nun brauche es vielleicht auch manchmal „mehr Regelung“, um den Erneuerbarenausbau und die Nutzung grüner Energie systemdienlich zu gestalten.