Die Energieberatungsbranche ist im Vergleich zu anderen Berufsgruppen vergleichsweise klein. Derzeit sind gerade mal 22.000 Expertinnen und Experten bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena) registriert und rund 20.000 über die Suchfunktion verfügbar. Gemessen an dieser Zahl haben mit 779 Teilnehmern etwa 3,5 Prozent aller registrierten Energieberatenden an der diesjährigen Sommerumfrage teilgenommen. Zwar stehen acht Prozent der Befragten nicht auf der Dena-Liste, aber trotzdem kann man davon ausgehen, dass das Ergebnis der Sommerumfrage repräsentativ für die Branche ist.
Dass die Beteiligung so groß war, geht auch auf die mediale Unterstützung durch die Partnerorganisationen zurück – die Energie- und Umweltzentren Allgäu und am Deister, den GIH Bundesverband, das Ökozentrum NRW, Zebau in Hamburg und Zukunft Altbau in Baden-Württemberg. Von einigen der Partner kamen auch Rückmeldungen zum Ergebnis, die in die nachfolgende Analyse eingeflossen sind. Die GEB-Redaktion bedankt sich ausdrücklich fürs Mitmachen und die Unterstützung!
Energieberater sind sehr erfahren – und am Aussterben
Angefangen bei den Fragen zu beruflicher Qualifikation, Erfahrung und Alter zeigt sich ein stabiler Trend: Die Ausbildung im „Erstberuf“ basiert zu knapp drei Viertel auf akademischen Säulen – die meisten Energieberater sind studierte Ingenieure (55 %), Architekten (16 %) und Quereinsteiger/Sonstige wie zum Beispiel Physiker. Ein Viertel kann mit einem baupraktisch orientierten Hintergrund aufwarten – darunter Handwerker (13 %), Techniker (13 %) und Schornsteinfeger, die mit vier Prozent die kleinste Gruppe im Reigen sind. Mehr als die Hälfte kann 15 und mehr Jahre Erfahrung in der Energieberatung vorweisen.
Das Problem dabei: Es fehlt an Nachwuchs – Einsteiger, die seit einem bis fünf Jahren „an Bord“ sind, machen zwar etwas mehr als ein Drittel aus (36 %), allerdings sind darunter nur wenig „unter-40-Jährige“ (14 %). Das Gros der Energieberater ist 51 bis 70 Jahre alt (64 %). Der Anteil der rentenberechtigten Nimmermüden liegt mit sieben Prozent also etwa doppelt so hoch als bei den Berufsstartern zwischen 20 und 30 Jahren (3 %). Will man die Zahlen positiv bewerten, kann man sagen, dass die Energieberater zwar sehr berufserfahren sind, aber die Branche steuert auf einen kritischen Punkt zu: Die Experten in der Energieberatung sterben förmlich aus. Das ist höchst alarmierend – hier besteht akuter Handlungsbedarf.
Umsätze sinken, die Erwartungen sind miserabel
Sucht man der Ursache, warum es an Nachwuchs in der Energieberatung fehlt, finden sich gleich mehrere Erklärungen. Eine liegt in den sinkenden Verdienstmöglichkeiten: Gaben bei der Umfrage von 2019 noch 26 % an, dass dieser über 100.000 Euro liegt, schrumpfte dieser Anteil nun auf 16 %; bei der Angabe bis 20.000 Euro stiegt hingegen der Anteil von 32 auf 35 %. Bedeutet: Der Umsatz insgesamt sinkt, wohingegen aber der Anteil der Energieberatung am Gesamtumsatz im oberen Bereich (76 bis 100 %) binnen sieben Jahren von 31 auf 41 % gestiegen ist.
Dazu passt, dass 40 % der Befragten für die kommenden Monate von sinkenden Umsätzen ausgehen, nur 15 % rechnen mit steigenden Aufträgen. Auch der GIH sieht diese Entwicklung mit Sorge: „Diese Skepsis ist alarmierend. Wenn erfahrene Energieberatende ihre wirtschaftliche Zukunft infrage stellen, droht ein Engpass an Beratungskapazitäten – genau zu einem Zeitpunkt, an dem die Energiewende im Gebäudebereich an Fahrt aufnehmen muss.“
Auch Zukunft Altbau attestiert, dass der Branche von Jahr zu Jahr immer mehr eine Überalterung und eine Lücke beim Fachpersonal droht. Es ist offensichtlich, dass die Energieberatung für den Nachwuchs nicht attraktiv genug ist – die baden-württembergische Landesagentur vermisst spürbare Impulse vonseiten der aktuellen Bundesregierung, „um die Energieberatung attraktiver zu gestalten, obwohl die Branche sich das dringend wünscht“.
Tatsächlich gaben 34 % der Befragten an, dass die Zahl an Anfragen seit der letzten Bundestagswahl drastisch gesunken ist; nur fünf Prozent verzeichneten einen leichten Anstieg. Dass es an Impulsen fehlt, eine Energieberatung anzugehen, zeigt auch das Verharren bei den nachgefragten Themen (63 %). Vermehrt nachgefragt haben die Kunden lediglich Heizungstausch (29 %) und iSFP (12 %). Die Klassiker Gebäudedämmung und Fenstertausch finden aktuell mit einer lediglich fünfprozentigen Zunahme nur wenige Kunden attraktiv.
Mangelnde Verlässlichkeit und bürokratische Hemmnisse
Fragt man nach den Erwartungen der Energieberater an die Bundesregierung, wünschen sich knapp drei Viertel der Befragten eine Vereinfachung der Förderprogramme und bemängeln diesbezüglich eine fehlende Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit. Für Zukunft Altbau ein interessanter Punkt, „da gerade Energieberatende auch von der Förderberatung leben und daher nicht zwingend an einer Vereinfachung interessiert sein müssen“. Auch der GIH fordert vor dem Hintergrund dieser Aussagen „von der Politik verlässliche und langfristige Förderprogramme, Planungssicherheit für Energieberatende und Bauherren sowie den Abbau bürokratischer Hemmnisse“.
Dass letztere in der Praxis als überbordend und geradezu hinderlich für die Energieberatung empfunden werden, zeigt auch der Wunsch nach geringeren bürokratischen Hürden bei Anträgen und klareren gesetzlichen Rahmensetzungen für Sanierungspflichten. Die Branche ist – wie auch ihre Kunden – schlichtweg genervt von dem Hin und Her der Politik bei der energetischen Sanierung, dem Vor und Zurück bei den Förderprogrammen und dem Chaos bei der Antragstellung.
Diskrepanzen zwischen Rat und Tat
Nicht ganz eindeutig ist die Haltung der Energieberatenden bei der Frage, ob eine soziale Staffelung der Förderprogramme sinnvoll ist – dass 38 % dieser Überlegung kritisch gegenüberstehen, mag nach Einschätzung von Zukunft Altbau auch daran liegen, dass Energieberater in dem Zusammenhang „erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten und Bürokratierisiken“ befürchten.
Ein interessantes Ergebnis liefert die Frage nach den empfohlenen und von Kunden umgesetzten Energieeffizienzmaßnahmen: Die Lüftung landete weit abgeschlagen hinter Wärmedämmung und Fenster. Daraus lässt sich ableiten, dass eingesparte Energiekosten mehr zählen als Komfort und Raumluftqualität, wenngleich die Lüftungsverluste über Fenster und ohne Wärmerückgewinnung bei den Betriebskosten einen messbaren Anteil haben.
Dass der individuelle Sanierungsfahrplan (iSFP) Einzelmaßnahmen nur unwesentlich forcieren mag, überrascht hingegen wenig, denn hier geben schlicht das verfügbare Budget und private Situationen den Rahmen vor.
Verpflichtender Vor-Ort-Termin und EH55-Standard
Trotzdem sprechen sich 70 % der befragten Energieberaterinnen und Energieberater eindeutig für einen verpflichtenden Vor-Ort-Termin bei der Erstellung eines iSFP aus. Das bestätigt die langjährige Forderung des GIH: Nur wenn der Energieeffizienzexperte das Gebäude selbst begutachtet, kann eine qualitativ hochwertige und praxisnahe Beratung gewährleistet werden. Dass diese Forderung von einer so großen Mehrheit getragen wird, ist für den GIH „ein starkes Argument gegenüber der Politik, die Beratungsqualität verbindlich abzusichern“.
Nicht so ganz einhellig ist die Branche bei der Frage, ob der Effizienzhaus-55-Standard in der Neubauförderung wieder eingeführt werden soll: 45 % sind dafür, 38 % halten diesen Weg für falsch. Damit überwiegt die Zustimmung, und auch der GIH begrüßt die Wiedereinführung: „Sie setzt im Neubaubereich wichtige Anreize, um mehr energieeffizienten Wohnraum zu schaffen. Entscheidend ist dabei, dass der EH55-Standard nicht isoliert betrachtet wird, sondern Teil einer Gesamtstrategie bleibt, bei der die Sanierung des Gebäudebestands weiterhin im Vordergrund steht.“
Fachwissen und Weiterbildung hoch im Kurs
Bei der abschließenden Frage nach verlagsseitigen Weiterbildungsangeboten und redaktionell bevorzugten Inhalten beim GEB sehen wir uns auf richtigem Weg: Drei Viertel der Teilnehmer an der Sommerumfrage setzen auf Webinare und Fachveranstaltungen, um ihre Kenntnisse aufzufrischen oder zu erweitern. Gleiches gilt für die Lieblingsrubriken beim GEB: Schwerpunktthemen und Fachwissenbeiträge sowie News bei Produkten und Werkzeugen stehen höher im Kurs als die eher unterhaltsamen Heftteile. Doch würden Letztere fehlen, wäre das wie eine Arbeitswoche ohne Samstag und Sonntag – hin und wieder braucht’s auch mal bisschen Entspannung und Trash. GEBongt?