Licht und Schatten – so hat der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) sein Statement zum Koalitionsvertrag überschrieben. Und damit trifft er den Tenor, der insgesamt bei den Expertinnen und Experten herrscht, wenn es um die Pläne der neuen Regierung hinsichtlich Bau und Energie geht. Egal, mit wem man aus der Branche spricht – die Stimmung gleicht einem Gemisch aus Erleichterung und Enttäuschung.
Positiv gesehen wird vor allem, dass sich an der grundsätzlichen Ausrichtung in Sachen Klimaschutz zunächst nichts ändert. Der BSW begrüßt die Übereinkunft von Union und SPD, an den Klimazielen festhalten zu wollen und erneuerbare Energien sowie Speicher weiter auszubauen. Genauso sehen das auch andere Organisationen, wie etwa der Bundesverband Erneuerbare Energie oder die Energieberatenden-Vertretungen DEN und GIH.
Doch wie die neue Regierung zu den Zielen gelangen will, bleibt unklar. Insgesamt sind die Formulierungen im Koalitionsvertrag unkonkret. „Wir vermissen große Linien und klare Ziele“, sagt DEN-Vorstandssprecherin Stefanie Koepsell. „Man beschreibt zwar, wie man bisherige Regelungen entschärfen und akzeptabler gestalten will. Aber es wird an vielen Stellen nicht klar, was man wie erreichen will. Am Ende steht der Kunde ratlos im Heizungskeller.“
Als Beispiel nennt DEN-Vorständin Marita Klempnow die Stellen im Koalitionsvertrag zum schnellen und effizienten Bauen. „Was bedeutet das in der Praxis?“, fragt Klempnow. „Ist damit gemeint, möglichst schnell geförderten Wohnraum zu erstellen mit verminderten Qualitätsanforderungen? 400.000 neue Wohnungen waren das Ziel der alten Regierung. Im jetzigen Koalitionsvertrag wird keine Zahl genannt. Sollen die Neubauanforderungen aufgeweicht werden? Wie wird man mit der Umnutzung und Modernisierung von Bestandsgebäuden umgehen?“ Alle diese Fragen würden unbeantwortet bleiben.
Die Passage zum GEG sorgt für Verunsicherung
Wenig konkret sind auch die Pläne hinsichtlich des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Denn im Koalitionsvertrag steht lediglich: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen.“ Nicht nur die Verwendung des irreführenden Begriffs „Heizungsgesetz“ stößt auf breite Kritik.
Klempnow fragt: „Was bedeutet diese Ankündigung praktisch? Sie sorgt zunächst einmal für Verunsicherung bei Industrie, Handwerk und Endkunden.“ Der GIH sieht das genauso: „Wir kritisieren die große Verunsicherung bei Eigentümern von Wohn- und Nichtwohngebäuden in Bezug auf das GEG.“ Es sei noch unklar, welche Regelung wann, wie und in welchem Ausmaß überarbeitet und gültig wird. „Dies wird einen Attentismus bei der Bevölkerung auslösen. Eine verlässliche Beratung ist so lange noch nicht möglich. Wir fordern eine zeitnahe Klarstellung inklusive einer zeitlichen Umsetzungsplanung.“
Ein neues GEG soll technologieoffener, flexibler und einfacher werden, so das Ziel, das im Koalitionsvertrag formuliert ist. Doch es stellt sich die Frage, wie viel mehr Offenheit überhaupt möglich und sinnvoll ist. Schließlich erlaubt das aktuelle GEG mehrere Wege, um die Anforderung zu erfüllen, 65 Prozent erneuerbare Energien zur Wärmerzeugung zu nutzen. In der Öffentlichkeit sei der Eindruck entstanden, dass damit eine Einbaupflicht für Wärmepumpen einhergehe, sagt GIH-Geschäftsführer Benjamin Weismann. „Aber das ist mitnichten so, auch wenn Wärmepumpen häufig die richtige Wahl sind.“ Seiner Meinung nach sei das GEG schon jetzt sehr technologieoffen. „Daher ist der Paragraph 71 ja so umfangreich.“
Nach Meinung von Koepsell versucht die neue Regierungskoalition, sich mit dieser Formulierung vor klaren Aussagen im Koalitionsvertrag zu drücken – aus Angst, den Bürgern möglicherweise zu viel zuzumuten. „Aber aus der Praxis wissen wir, dass den meisten Eigentümern klar ist, dass es künftig stärker in Richtung Wärmepumpe gehen wird. Ein klares Bekenntnis zu dieser Technologie wäre für die Wärmewende wichtig gewesen.“ Stattdessen wird der Begriff „Wärmepumpe“ kein einziges Mal in der Vereinbarung zwischen Union und SPD erwähnt.

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Nachfrage nach Wärmepumpen wächst
Der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) berichtet unterdessen von einer gestiegenen Nachfrage. Der Absatz von Wärmepumpen sei im ersten Quartal dieses Jahres um 35 Prozent angestiegen. Das kann sich allerdings auch wieder ändern. Der Markt reagiere sehr sensibel, wenn sich Rahmenbedingungen abrupt ändern würden, meint BWP-Geschäftsführer Martin Sabel. Zu einer möglichen Änderung beim GEG sagt er: „Angesichts der europäischen Gebäuderichtlinie und der klimapolitischen Ziele ist völlig klar, dass das GEG auch weiterhin Anforderungen an den Einsatz erneuerbarer Energien bei neuen Heizungen stellen wird. Die Branche erwartet, dass diese Vorgaben noch im Laufe dieses Jahres feststehen. Eine sich über Jahre hinziehende Überarbeitung ist zu vermeiden.“ Die Politik stehe auch weiterhin in der Pflicht, Orientierung zu geben. „Die Bürger in die Kostenfalle steigender CO2-Preise laufen zu lassen, kann nicht der Plan der kommenden Regierung sein.“
Auch Weismann weist darauf hin, dass es gar nicht möglich sei, den Paragraphen 71 im GEG komplett abzuschaffen, weil Deutschland die Anforderungen der europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) erfüllen muss. Diese sind bis Mai 2026 in nationales Recht umzusetzen. „Wir treten klar dafür ein, dass es in der neuen Legislatur nur eine Novelle geben wird, die die weitreichenden EPBD-Umsetzungsanpassungen schon enthält.“
Laut Koepsell vom DEN sollte dies aber mit Bedacht und Fokus auf die Umsetzbarkeit in der Praxis erfolgen.. „International wird das deutsche GEG hoch gelobt“, stellt sie fest. „Wir sollten ein im Grundsatz gutes Gesetz deshalb nicht zerreden und unsere Standards bei den Klimazielen womöglich relativieren.“
Trotz des fehlenden Bekenntnisses zur Wärmepumpe könnte ein Vorhaben von Union und SPD die Nutzung der Technologie vorantreiben. Durch die Absenkung der Stromsteuer und eine zusätzliche Minderung der Netzentgelte soll sich der Preis pro Kilowattstunde um fünf Cent reduzieren. Besonders der BSW und der BWP sehen dies positiv. „Damit setze die Regierung ein wichtiges Zeichen für die Elektrifizierung“, sagt Sabel vom BWP. Auch Weismann hofft, dass dies die Verbreitung der Wärmepumpe fördert, weil sich so die Technologie im Vergleich zur Gasheizung schneller amortisiert.
Auf der anderen Seite befürchtet er jedoch, dass die Motivation zu energetischen Sanierungen sinken könnte, wenn Energie wieder günstiger wird: „Energieeffizientes Handeln wird dann nicht mehr so stark belohnt wie bisher.“ Energiepreise sollten seiner Meinung nach nicht pauschal gesenkt werden, sondern nur dort, wo Unternehmen im Wettbewerb mit ausländischen Firmen stehen und Effizienzmaßnahmen nicht wirtschaftlich sind.
Bürokratie in der Förderung soll abgebaut werden
Positiv sieht es Weismann, dass die Förderung weitergeführt werden soll. So steht im Koalitionsvertrag, dass die Förderprogramme der KfW zu zwei zentralen Programmen zusammengeführt und vereinfacht werden sollen. Geplant sind Programme für den Neubau und für die Modernisierung. Der GIH begrüße alle Maßnahmen, die Sanierung und klimafreundlichen Neubau stärken, so Weismann.
Ebenso lobt der Verband, dass in der Förderpolitik bürokratische Hindernisse abgebaut werden sollen. So ist geplant, dass Antrags- und Nachweisverfahren vereinfacht werden. Und Fördermaßnahmen sollen künftig vollständig standardisiert und elektronisch bearbeitet werden können.
Sollten diesen Worten auch Taten folgen, wird dies besonders die Energieberatenden freuen. Sie haben bei ihrer Arbeit oft unter der Bürokratie zu leiden. Explizit zu ihrer Rolle finden die Energieeffizienzexperten allerdings nichts in der Vereinbarung zwischen Union und SPD – was Weismann ausdrücklich bedauert. Im Koalitionsvertrag der letzten schwarz-roten Regierung sei das Wort „Energieberatung“ immerhin drei Mal aufgetaucht. „Im aktuellen Vertrag wird es leider kein einziges Mal erwähnt.“ Der GIH wird laut Weismann aber weiter darauf drängen, dass Energieeffizienzexperten bei der steuerlichen Förderung verbindlich zur Qualitätserhöhung und zusätzlicher ganzheitlicher Beratung einzubinden sind.
Gebäudesektor braucht klare und langfristige Regelungen
Die Energieberatenden bräuchten Planungssicherheit, so Weismann. Auch aus dieser Perspektive sei es daher bedauerlich, dass der Koalitionsvertrag so wenig Konkretes biete – etwa in Bezug auf das Gebäudeenergiegesetz. Genauso sieht dies auch DEN-Geschäftsführerin Koepsell: „Der Klimawandel wird nicht gelöst, nur weil wir die Augen zumachen. Wir müssen das Problem jetzt anpacken. Dafür brauchen wir klare Regelungen, um die Bauherren weiter gut beraten zu können.“ Und diese Regelungen müssten Bestand haben, statt ständig hinterfragt zu werden. „Langfristigkeit ist entscheidend im Gebäudesektor“, sagt Koepsell. „Und mir scheint, dass die Politik dies manchmal nicht auf dem Schirm hat.“

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Kommentar
„Wir wollen das Heizungsgesetz abschaffen.“ So steht es im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD auf Seite 24. Dieser Satz ist ein Armutszeugnis. Denn zu Zeiten der Ampel-Regierung machten unter anderem Bild-Zeitung und politische Opposition mit Begriffen wie Heizungsgesetz, Heizungshammer und ähnlichem jegliche sachliche und differenzierte Diskussion über das Gebäudeenergiegesetz unmöglich. Stattdessen wurde das Bild vermittelt, der Staat stürme in die Heizungskeller der Deutschen, um sie zur Installation von Wärmepumpen zu zwingen. Dieses Framing ist nun in das Grundlagenpapier der neuen Bundesregierung übernommen worden. Und die SPD, die ja die GEG-Novelle mitgetragen hat, stößt ebenfalls in das populistische Horn, wenn die Formulierung in einem Koalitionsvertrag steht, an dem sie beteiligt ist.
Dabei wäre es doch gerade bei diesem Thema so wichtig, die Dinge genau zu benennen. Es gibt eine Fülle an Daten, die den Klimawandel belegen. Und es gibt klare Strategien, um dagegen etwas zu tun. Doch im Wahlkampf spielten diese nur eine Nebenrolle. Ebenso im Koalitionsvertrag. Stattdessen ist dort von der Abschaffung eines Gesetzes die Rede, das es unter dieser Bezeichnung gar nicht gibt.

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Koalitionsvertrag
Den kompletten Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD finden Sie unter
www.koalitionsvertrag2025.de.