Springe zum Hauptinhalt Skip to main navigation Skip to site search
Politische Äußerungen im Arbeitsumfeld

Rhetorisches Minenfeld

An Pfingsten 2024 ging ein Video viral: Zum Party Hit „L’ amour toujours“ grölten junge Menschen vor einem Lokal auf Sylt ausländerfeindliche Parolen. In dem Zusammenhang wurden zahlreiche Klischees bedient: Die Insel der Reichen, schnöselige Müßiggänger, welche sich auf Kosten ihrer Eltern ein gutes Leben machen. Die Reaktionen erfolgten unverzüglich und bestanden fast einhellig in der deutlichen Verurteilung der Beteiligten – ob durch Politiker, die Netzöffentlichkeit oder die Presse. Dabei blieb es jedoch nicht. Einzelnen Beteiligten wurde von ihren Arbeitgebern aufgrund der Geschehnisse gekündigt.

Es ist zwar wenig wahrscheinlich, dass Energieberater beziehungsweise deren Mitarbeiter Partys auf Sylt feiern. Wird jedoch zum Beispiel ein vergleichbares Verhalten auf einem Dorffest in Videos festgehalten und in sozialen Netzwerken geteilt, sind ähnliche Reaktionen erwartbar. Schnell ist der Arbeitgeber identifiziert und der Öffentlichkeit bekannt.

Meinungsfreiheit hat Grenzen

Jeder Inhaber eines Energieberaterbüros würde in so einem angenommenen Fall anders reagieren, entscheidend ist jedoch die rechtliche Situation. Sind Kündigungen zulässig? Würden diese vor Arbeitsgerichten Bestand haben? Welche Möglichkeiten besitzen Arbeitgeber, wenn sie politische Äußerungen und Ansichten von Mitarbeitern nicht teilen, vielleicht sogar grundsätzlich ablehnen? Welche Reaktion ist angemessen, wenn sich Kunden kritisch äußern, weil sie in einem Beratungsgespräch von einem Mitarbeiter ungefragt mit politischen Äußerungen konfrontiert werden, die sie nicht teilen, in der Folge mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehung drohen oder negative Kommentare in sozialen Medien verbreiten?

In seinem Betrieb verfügt der Arbeitgeber über das Direktionsrecht, woraus ein Spannungsverhältnis resultieren kann. Das Wesen einer Demokratie ist es, dass Menschen politische Ansichten besitzen, welche denen anderer Menschen widersprechen und dass sie diese frei äußern oder anders mitteilen dürfen. Es gibt keine arbeitsrechtliche Einschränkung, politische Äußerungen im Betrieb zu unterlassen. Mitarbeiter dürfen ihre politische Meinung kundtun, nicht aber Diskussionen und politische Streitigkeiten anzetteln oder gar rassistische Provokationen äußern. Eine provozierende politische Aussage kann dem Betriebsfrieden schaden und arbeitsrechtliche Schritte rechtfertigen. Gleiches gilt für Signets von Parteien oder Symbole politischer Ansichten auf der persönlichen Kleidung oder dem Eigentum des Betriebs, beispielsweise Aufkleber auf Arbeits-
geräten oder Firmenfahrzeugen.

Wann darf ein Arbeitgeber gegenüber seinem Mitarbeiter die rote Karte ziehen, sprich eine Kündigung infolge öffentlichen Drucks aussprechen, den dieser durch sein Gerede oder Verhalten ausgelöst hat?

Bild: shoot4u - stock.adobe.com

Wann darf ein Arbeitgeber gegenüber seinem Mitarbeiter die rote Karte ziehen, sprich eine Kündigung infolge öffentlichen Drucks aussprechen, den dieser durch sein Gerede oder Verhalten ausgelöst hat?

Smalltalk sollte unpolitisch ­bleiben

Besondere Vorsicht gilt diesbezüglich beim Besuch und Umgang mit Kunden. Wie kontrovers die Ansichten insbesondere beim Thema Energiesparen sein können, hat die Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz einmal mehr verdeutlicht. Da Energieberater viel Zeit bei beziehungsweise mit dem Kunden verbringen, kommt dieses Thema nicht selten auf und wird diskutiert. Zwar gehört ein Smalltalk zum menschlichen Miteinander, allerdings sollten im Kundengespräch andere, unpolitische Themen gewählt werden.

Der Kunde kann darauf hingewiesen werden, dass politische Diskussionen die sachliche Ebene der Beratung schnell beeinträchtigen können und das gemeinsame Finden bestmöglicher Lösungen erschweren. Selbst wenn das Gegenüber meint, politische Themen anschneiden zu müssen, sollte auf das Spannungsfeld verwiesen werden, in dem sich Betroffene während ihrer Arbeit befinden. Mitarbeiter, die meinen, sich gegenüber Geschäftspartnern politisch positionieren zu müssen, sollten bedenken, dass sie im Konfliktfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.

Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps

Grundsätzlich endet das Arbeitsrecht allerdings am Betriebseingang beziehungsweise zum Feierabend. Was ein Mitarbeiter außerhalb des Betriebsgeländes macht, geht den Arbeitgeber nichts an, sofern dabei kein Bezug zum Arbeitsverhältnis besteht. Dies gilt auch für leitende Angestellte im arbeitsrechtlichen Sinne. Prinzipiell darf bei Auftritten außerhalb des Betriebs kein inhaltlicher oder optischer Bezug zum Arbeitgeber entstehen.

Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Mitarbeiter in einem Video Dienstkleidung trägt, vor dem Betriebsgelände für ein Bild posiert oder in einem Post seinen Arbeitgeber benennt. Dabei spielt es keine Rolle, ob Aussagen vor wenigen Menschen in der Dorfkneipe oder in einem vielfach aufgerufen beziehungsweise geteilten Post in einem sozialen Netzwerk erfolgen. Darauf sollten insbesondere junge Mitarbeiter hingewiesen werden, die ihr Handeln oft im Internet posten. Bei mehreren täglichen Meldungen kann es leicht zu einem unbedachten Schritt kommen, der – eindeutig dokumentiert – nicht mehr korrigiert werden kann.

In dem Zusammenhang sei auf die sogenannte Druckkündigung verwiesen. Wird öffentlich Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt, eine bestimmte Person zu kündigen, so kann dieser Druck allein bereits eine Kündigung rechtfertigen, wobei allerdings hohe Anforderungen vorliegen. Grundsätzlich muss sich der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht schützend vor seinen Mitarbeiter stellen. Weiterhin müssen erhebliche wirtschaftliche Folgen erwartbar sein.

Ein Shitstorm in sozialen Medien, Äußerungen von Politikern oder Demonstrationen, die sich (auch) gegen den Arbeitgeber eines Protagonisten richten, reichen nicht zu einer Druckkündigung aus. Selbst die ultimative Drohung eines einzelnen Kunden, die Geschäftsbeziehung zu beenden, ist kein zulässiger Kündigungsgrund, sofern dieser nicht von großer wirtschaftlicher Bedeutung für den Betrieb ist.

Kündigungsschutz schützt vor Dummheit nicht

Zwar gilt das Kündigungsschutzgesetz erst ab einer Betriebsgröße von mehr als zehn Mitarbeitern und nachdem die vertragliche Probezeit beendet wurde. Aber auch kleine Betriebe sollten die Rechtslage kennen und beachten, um willkürlich wirkende Entscheidungen – sprich eine rechtlich nicht haltbare Kündigung – zu vermeiden.

Im Fall des eingangs erwähnten Sylt-Videos hatten weder außerordentliche noch ordentliche Kündigungen vor einem Arbeitsgericht Bestand, da bei dem Vorfall trotz vieler Medienberichte und öffentlicher Empörung kein Bezug zum Arbeitsverhältnis bestand. Auch die Immatrikulation bei einer Bildungsanstalt, beispielsweise einer Hoch- oder Meisterschule, darf in so einem Fall nicht entzogen werden.

Selbst wenn es nach dem Vorfall auf Sylt zu einer zivilrechtlichen Verurteilung gekommen wäre, ließen sich daraus keine Kündigungen ableiten, da aus arbeitsrechtlicher Sicht einem straffällig gewordenen Mitarbeiter nur gekündigt werden darf, wenn sich die Straftat unmittelbar gegen den Arbeitgeber gerichtet hat oder im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit erfolgte.

Selbst bei einer Haftstrafe sind Grenzen gesetzt. Bleibt das Strafmaß unter zwei Jahren oder sitzt der Arbeitnehmer in Untersuchungshaft, darf der Arbeitgeber dem Inhaftierten nicht kündigen. Ausnahmen betreffen Verurteilungen, die im direkten Bezug zur Tätigkeit stehen – also, wenn zum Beispiel ein Buchhalter wegen Unterschlagung verurteilt wird.

Bild: AdobeStock / durantelallera

Thomas Schneider
ist Diplom-Kaufmann und als freiberuflicher Berater im Bereich Interne Revision und Compliance tätig.

Bild: Thomas Schneider

Jetzt weiterlesen und profitieren.

Mit unserer Future Watt Firmenlizenz top informiert und immer auf dem neuesten Wissenstand in ihrem Fachgebiet.

+ Unbegrenzter Zugang zu allen Future Watt Inhalten
+ Vergünstigte Webinarteilnahme
+ E-Paper Ausgaben
+ Sonderhefte zu speziellen Themen
+ uvm.

Wir haben die passende Lizenz für Ihre Unternehmensgröße!

Mehr erfahren