Steht bei einem Mietshaus eine Sanierung bevor, wird die Vorfreude auf mehr Wohnkomfort und niedrigere Heizkosten von zwei Vorbehalten überschattet: Ach, dieser Lärm und Dreck! Und danach gehen die Mietkosten an die Decke! Deshalb ist es für Wohnbaugesellschaften längst üblich, die Mieter rechtzeitig über das Vorhaben zu informieren, sie in die Planung einzubeziehen und viel Zeit und Mühe in die Aufklärung eines jeden einzelnen Aspekts zu investieren. Trotzdem bleibt bei konventionellen Modernisierungen auf beiden Seiten die Angst, dass es zu Verzögerungen kommt, dass alles teurer wird als geplant, dass die Handwerker sich einen Dreck um ihren Dreck scheren und dass vielleicht am Ende alles schlechter ist als es vorher war.
Die Erfahrungen vieler Wohnbau-
gesellschaften mit ihren Sanierungsprojekten und Mietern gehen genau in diese Richtung, weshalb das EnergiesprongKonzept, also die serielle Sanierung mit vorgefertigten Bauteilen, sich mehr und mehr in der Branche zu etablieren beginnt. Fanden sich anfangs nur wenige Unternehmen, die bereit waren, die Idee aufzugreifen und sie in die Praxis umzusetzen, so haben die Vermieter und Wohnbaugesellschaften inzwischen eine weitaus größere Auswahl an Generalunternehmern, die sich auf die Vorfertigung von Fassadenelementen mit integrierten Fenstern und anderen Bauteilen spezialisiert haben.
75 Jahre Erfahrung im geförderten Mietwohnungsbau
Auch die Kommunale Wohnungsbaugesellschaft Rheingau-Taunus (KWB) entschied sich im vergangenen Jahr erstmals dafür, die Sanierung von drei viergeschossigen Mietshäusern nach dem Energiesprong-Konzept zu sanieren. Es ist indes nicht das erste Mal, dass sich die KWB in ihrer 75jährigen Firmengeschichte offen für neue Technologien zeigt. Im Jahr 1949 als „Gemeinnützige Wohnungsbau GmbH Untertaunus“ mit einem Stammkapital von 290.400 DM gegründet, hat sie sich als verlässlicher Partner der Kommunen in der Region für den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau etabliert. Auf die ersten „Systembauten“ für Wohnungslose und Heimatvertriebene folgten neue Mietwohnungen, aber auch Altenwohnheime und Sozialbauten gehören längst zum Portfolio. Nach Aufhebung der Gemeinnützigkeit änderte sich 1990 der Name in KWB, die heute etwa 2.600 Wohnungen in rund 340 Gebäuden besitzt, verwaltet und instand hält. Erstmals 1979 kam bei einer Modernisierung eine Außendämmung ins Spiel, in Geisenheim-Marienthal entstand 1998 das erste Passivhaus. Ein Jahr später wagte sich die KWB an den ersten Geschosswohnungsbau in Holztafelbau in Hessen, genauer in Idstein-Wörsdorf, der – nebenbei bemerkt – heute die aktuellen Anforderungen des GEG erfüllt. Im Jahr 2007 zeigte sich die KWB aufgeschlossen, bei Sanierungen auf kontrollierte Lüftungsanlage und Wärmerückgewinnung zu setzen. Und nun: die serielle Sanierung in Idstein.

Bild: kwb Rheingau Taunus
Worst Performing Buildings
Die drei Wohngebäude – alle viergeschossig und unterkellert – stammen aus den Jahren 1977, 1979 und 1984. Wie bei so vielen Wohngebäuden aus dieser Zeit ist zwar die Bausubstanz solide, aber die Hülle war vor der seriellen Sanierung unzureichend gedämmt und die fossile Heiztechnik weitaus maroder als nur „in die Jahre gekommen“. Nicht nur die Außenwände und Fenster waren anzupacken, auch das Flachdach, die Kellerdecke und die Balkone mit ihren thermisch nicht getrennten Betonplatten offenbarten schon ohne thermografische Untersuchungen erhebliche wärmetechnische Defizite.
Dass eine so umfassende Sanierung ins Geld geht, war allen Beteiligten klar. Die Herausforderung war nun, die Kosten so gering zu halten, dass der Wohnraum weiterhin bezahlbar bleibt, sich der Komfort aber trotzdem deutlich verbessert. Außerdem sollten die Wohnungen während der Bauzeit bewohnbar bleiben – alles Randbedingungen, die im Grunde zwingend auf eine serielle Sanierung mit vorgefertigten Bauteilen hinauslaufen mussten. Und so geschah es dann auch. Wie gut, dass die KWB sich schon frühzeitig als Partner bei der Deutschen Energie-Agentur für die Energiesprong-Initiative hat listen lassen.
Holz – es kommt darauf an, was man daraus macht!
Als Partner für die serielle Sanierung wählte die KWB das Unternehmen Holzbau Kappler aus Gackenbach-Dies, das ebenfalls auf der Dena-Homepage als regionaler Partner für die Ausführung von Energiesprong-Projekten zu finden ist und über entsprechende Expertise verfügt. Ein Betrieb in dritter Generation, gegründet 1924, in dem zwar noch Handarbeit mit Hammer und Stemmeisen gepflegt wird, der aber technologisch absolut auf der Höhe der Zeit ist, getreu dem Firmenmotto: kompromisslos logisch und technologisch. Eine durchaus passende Philosophie für das noch vielen unbekannte Feld der seriellen Sanierung.
In der Kapplerschen Produktionshalle wurden dem Konzeptgedanken entsprechend lange vor dem geplanten Montagetermin die neuen Wandelemente aus Holz samt eingebauter Fenster und Jalousien vorgefertigt – nach penibler digitaler Bauaufnahme mittels 3D-Laserscan. Alles aus einer Hand, sozusagen – und ganz ohne Gewerkekollision und Bauzeitverzögerung. Auch das neue Schmetterlings- oder Trogdach wurde in den Hallen vorgefertigt, musste später auf dem Flachdach nur noch gefügt und mit Zellulose ausgeblasen werden. Am Vortag der Montage wurden die Fassaden- und Dachelemente auf den Tieflader verfrachtet und zur Baustelle chauffiert. Nach und nach wurden sie mit dem Kran zwischen Gerüst und Außenwand eingehoben und montiert.

Bild: kwb Rheingau Taunus
Sanierungszirkus: volles Programm mit Publikum!
Währenddessen wurden an den Außenfassaden der drei Mehrgeschosshäusern neue Steigstränge für die Raumheizung montiert, die alten Garagen an der Stirnseite von Haus 41 abgerissen, die Balkone mit der Betonsäge am Kran hängend abgeschnitten und zum Baustoffrecycler verbracht. Auch die massiven Betonschürzen vor den Rollläden wurden mit der Säge geschlitzt, sodass sie vor der Montage der Wandelemente an der Sollbruchstelle nur noch abgeschlagen werden mussten. Zeitgleich machten sich Handwerker daran, die Kellerdecke zu dämmen, die alten Öl- und Gaskessel durch Luft/Wasser-Wärmepumpen zu ersetzen, in allen 24 Wohnungen Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung zu installieren und die Gebäudekommunikation und Beleuchtung zu erneuern.
Kein Mieter musste zu keiner Zeit aus seiner Wohnung ausziehen – alles war minutiös geplant, vorab kommuniziert und lief quasi in einer Art voll betreuten Bauphase ab. Zu jeder Zeit fanden Mieter bei Fragen, Sorgen oder Problemen Ansprechpartner, niemand wurde übergangen, überfordert oder nicht gehört. Während der Bauphase erfolgten regelmäßige Mieterinformationen über Aushänge in den Häusern, E-Mails sowie über die Projektseite auf der Unternehmenswebseite. Zusätzlich fanden Vor-Ort-Termine statt, bei denen der aktuelle Stand der Arbeiten erläutert und auf mögliche Unannehmlichkeiten hingewiesen wurde.
So konnte der Sanierungsprozess transparent, verständlich und mieterfreundlich gestaltet werden. Natürlich wurde es auch mal laut und staubig, aber die alten Fenster blieben so lange in der Fassade und schützten vor Lärm und Dreck, bis die neuen Wandelemente montiert waren. Erst dann wurden sie hinter den neuen Fenstern ausgebaut. So waren die Mieter maximal zwölf Stunden ohne eine komplett geschlossene Fassade.
Viel besser, viel schneller, aber nicht teurer
Alle drei Wohnblöcke waren binnen drei Monaten komplett saniert, die Baukosten mit roundabout 1.900 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche deutlich günstiger als bei einer konventionellen Bauweise. Der Heizwärmebedarf sank im Mittel bei den drei Gebäuden auf weniger als ein Zehntel, es wurde deutlich CO₂ eingespart und trotzdem stiegen die Mieten lediglich um zwei Euro pro Quadratmeter, was die eingesparten Heizkosten nahezu auffangen.
Aufgrund seines innovativen Ansatzes und der perfekten Umsetzung wurde das Projekt für den „Tag der Architektur 2025“ ausgewählt und nimmt offiziell an der Veranstaltung teil. Es steht damit exemplarisch für modernes, zukunftsfähiges Sanieren im Bestand.

Bild: Lothar Rehermann

Bild: kwb Rheingau Taunus

Bild: kwb Rheingau-Taunus

Bild: kwb Rheingau-Taunus

Bild: kwb Rheingau-Taunus

Bild: kwb Rheingau Taunus

Bild: kwb Rheingau Taunus

Bild: kwb Rheingau Taunus

Bild: kwb Rheingau Taunus

Bild: kwb Rheingau Taunus

Bild: kwb Rheingau Taunus

Bild: Holzbau Kappler

Bild: kwb Rheingau Taunus
Interview mit KWB-Geschäftsführer Ditmar Joest
Herr Joest, was spricht aus Ihrer Sicht dafür, den Wohnungsbestand nicht herkömmlich, sondern in serieller Bauweise zu sanieren?
Ditmar Joest: Eindeutig die deutlich reduzierte Bauzeit – wir haben bei drei Gebäuden mit je acht Wohneinheiten unseren Mietern etwa acht Monate lang Dreck, Lärm und Ärger erspart. Ein weiterer Vorteil ist die hohe handwerkliche Qualität der vorgefertigten Wandbauteile. Außerdem spart man sich die Abstimmung mit einzelnen Gewerken, weil die Aufnahme, Vorfertigung, Logistik und Montage durch ein Unternehmen erfolgt. Wir haben mit der Firma Holzbau Kappler sehr effizient und erfolgreich zusammen-
gearbeitet.
Welche Erfahrungen nehmen Sie aus dem Projekt in Idstein mit? Es war ja Ihr Pilotprojekt für die serielle Sanierung.
Die serielle Sanierung halte ich für ein ausgereiftes Verfahren. Wie zufriedenstellend so ein Projekt vom beauftragten Unternehmer umgesetzt wird, mag von Auftragnehmer zu Auftragnehmer unterschiedlich sein. Wir sind jedenfalls glücklich mit unserem Partner.
Planen Sie weitere Projekte dieser Art? Würden Sie beim nächsten Projekt etwas anders machen?
Wir planen tatsächlich, weitere unserer Wohnungsbauten seriell zu sanieren. Allerdings werden wir dabei auch die Aspekte Aufstockung und Nachverdichtung einbeziehen.
Sie haben PV-Anlagen auf den Dächern der drei Mehrfamilienwohnhäuser installieren lassen. Wie stehen Sie zu dem Thema Mieterstrom?
Wir haben grundsätzlich keine Vorbehalte gegen Mieterstrom, allerdings sind die geltenden Rahmenbedingungen für die Wohnungswirtschaft immer noch mit Hürden verbunden. Mit unserem aktuellen Partner haben wir aber eine gute Lösung gefunden, weil wir hier neben der Photovoltaikanlage und dem Smart Metering auch eine Software zur rechtssicheren Abrechnung des PV-Stroms bekommen.
Haben Sie durch das serielle Sanieren auch Kosten eingespart?
Ja – und vor allem auch während der Bauphase weiterhin Miete eingenommen. Wir konnten auch die Mieterhöhung aus Modernisierung früher umsetzen als bei konventionellen Sanierungen mit vielen Gewerken und langer Bauzeit.
Ihre Empfehlungen an andere Wohnbauunternehmen?
Einfach machen! Und unbedingt alle Bedarfe bei einer Preisabfrage konkret formulieren. Wir haben zum Beispiel ein neues geneigtes Dach, eine Vordachkonstruktion mit Briefkasten und Gegensprechanlage sowie neue Vorstellbalkone gemeinsam mit dem Auftrag zur seriellen Sanierung beauftragt.

Bild: kwb Rheingau Taunus
Bautafel
Projekt: Serielle Sanierung von drei Mehrfamilienhäusern mit jeweils acht Wohneinheiten pro Gebäude in 65510 Idstein
Bauherr: Kommunale Wohnungsbau GmbH Rheingau-Taunus,
65307 Bad Schwalbach, www.kwb-rheingau-taunus.de
Planung und Ausführung: Holzbau Kappler, 56412 Gackenbach-Dies,
www.holzbau-kappler.de
Bautyp: drei Wohngebäude mit jeweils vier Vollgeschossen, unterkellert, Flachdach
Wohnfläche gesamt: 1.931 m²
Baujahre: 1977, 1979 und 1984
Sanierungszeitraum (gesamt): 4. März bis 1. Oktober 2024
Fassadensanierung: 18. März bis 14. Juni 2024
Baukosten (KG 300+400): 1.877 €/m2 Wohnfläche (brutto)
Reduktion des Primärenergiebedarfs: Faktor 12,
von vormals 430 kWh/(m²a) auf 37 kWh/(m²a) nach der Modernisierung
Heizwärmebedarf, CO₂-Einsparung, Mietkosten
Heizwärmebedarf vor der Sanierung:
Heizwärmebedarf nach der Sanierung:
jähliche CO₂-Einsparung:
Mietkosten vor der Modernisierung:
Mietkosten nach der Modernisierung:
GEB Dossier
Grundlegende Informationen zum Thema finden Sie auch in unserem Dossier Wohnungsbau mit Beiträgen und News aus dem GEB:
www.geb-info.de/wohnungsbau