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Nahwärme für ein Baudenkmal

Wärme, die sich errechnet

Bis 2045 soll der Gebäudebestand in Deutschland klimaneutral sein. Das ist zu schaffen, ist sich die Fachwelt sicher, auch auf eine sozial gerechte Art und Weise. Mit den richtigen Maßnahmen: der Steigerung der Gebäudeeffizienz und einer Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien. Was die Gebäudeeffizienz angeht, so bringt ein Update des Wärmeschutzes den Mehrwert, dass sich damit unmittelbar die Behaglichkeit steigern lässt.

In der kalten Jahreszeit hält Dämmung die Wärme im Gebäude, die sie in der heißen Jahreszeit hingegen nicht hineinlässt. Steht das Gebäude allerdings unter Denkmalschutz, ist eine Außendämmung keine Option. Die Innendämmung wäre eine, bedeutet aber, dass Arbeiten im Gebäude anfallen, was bei bewohnten Denkmälern zum Problem werden kann.

Primärenergiebedarf senken – aber wie?

So war es auch im Fall des Pallasseums in Berlin-Schöneberg, einer Wohnanlage mit 514 Einheiten, 1977 im brutalistischen Stil errichtet, geplant von den Architekten Jürgen Sawade, Dieter Frowein, Dietmar Grötzebach und Günter Plessow. Die Denkmalpfleger haben etwas gebraucht, bis sie den Brutalismus als schützens- und erhaltenswert erkannten, beim Pallasseum passierte es 2017. Eigentümer ist seit 2018 die Gewobag, ein landeseigenes Wohnungsbauunternehmen. Das Gebäude fällt laut Pressesprecher Sebastian Schmidt in die Energieeffizienzklasse F. Der Nutzwärmebedarf liegt bei 7.030 Megawattstunden jährlich, die zu versorgende Nutzfläche beträgt 35.800 Quadratmeter. Die Wärmeversorgung basierte bis Anfang Dezember zu 100 Prozent auf dem Energieträger Erdgas und war damit das Gegenteil von zukunftstauglich.

Im Zuge der Überlegungen zur Dekarbonisierung des Gebäudes musste das Immobilienunternehmen einige Ideen verwerfen. Bei der Variante mit Innendämmung befürchtete es Feuchteschäden, sie hätte dazu zu einem Verlust von Wohnraum geführt. Außerdem hätten reihum die Mietenden vorübergehend ausquartiert werden müssen, angesichts der Zahl der Wohnparteien organisatorisch und finanziell extrem aufwendig. Blieb die Umstellung auf erneuerbare Energie. Allerdings ließ sich in Geothermiefeld im Nachhinein nicht mehr realisieren. Luft-Wärmepumpen schaffen die benötigten Vorlauftemperaturen nicht oder nur mit unvertretbarem Energieeinsatz.

Unvermeidbare Abwärme nutzen

Was es aber gab, war ein Rechenzentrum in der unmittelbaren Nachbarschaft. Die Firma Power and Air Condition Solution Management (PASM), eine Tochter der Deutschen Telekom, betreibt den ITK-Netzknoten. Seine Abwärme wurde an die Berliner Luft abgegeben. Nun müssen Betreiber neu errichteter Rechenzentren im Rahmen einer sogenannten Andienungspflicht Abnehmer für ihre unvermeidbare Abwärme suchen, sofern die elektrische Anschlussleistung der Anlage mehr als ein Megawatt beträgt. So schreibt es das 2023 in Kraft getretene Energieeffizienzgesetz (EnEfG) vor.

Der ITK-Knoten bestand 2023 schon, doch schien das Konzept der energetischen Nachbarschaftshilfe den Verantwortlichen bei der PASM und der Gasag Solution Plus, die als Energieversorger die Verbindung herstellen konnte, sinnig und naheliegend. „Die Gasag Solution Plus hat die PASM und die Gewobag zusammengebracht“, erklärt Gasag-Pressesprecherin Ursula Luchner. Auf Seiten der Gasag Solution Plus ist Philip Zimmermann zuständig für Großprojekte, er übernahm die Leitung. Im Ergebnis kam die Gewobag um die Installation einer neuen Heizung und die entsprechenden Investitionen herum. Stattdessen entschied sie sich für das Modell Contracting. Dies erwies sich als die wirtschaftlichste Vorgehensweise, die noch dazu die Warmmietenneutralität sichern konnte.

Kurze Wege, kaum Verluste

Die aus der Kühlung gewonnene Wärme hat allerdings nicht ganz das Niveau, das benötigt wird. Es muss nachgeholfen werden. „Die Server des Netzknotenpunktes erzeugen Abwärme von knapp 25 Grad Celsius. Zwei Wärmepumpen erhitzen diese, angetrieben von grünem Strom, auf über 75 Grad. Eine 140 Meter lange Wärmetrasse führt das Heizwasser in die Übernahmestation im Erdgeschoss des Pallasseums“, erklärt Luchner. Die Wärmeverluste auf den 140 Metern von Nachbar zu Nachbar dürften minimal sein.

Und die Wärmepumpen müssen sich nicht überanstrengen: „Durch die konstante Quelltemperatur können sie mit deutlich höherem Wirkungsgrad arbeiten. Das schlägt sich in einer hohen Wirtschaftlichkeit der Wärmeerzeugung und am Ende in einem attraktiven Wärmepreis nieder.“ Im Endeffekt, so die Pressesprecherin, bleiben die Kosten für die Mieterinnen und Mieter für Heizung und Warmwasserbereitung trotz der Investitionen auf einem konstanten Niveau.

Seit dem Tag des offiziellen Anschlusses an das Rechenzentrum am 2. Dezember 2025 werden rund 65 Prozent des Wärmebedarfs aus der unvermeidlichen Abwärme des IKT-Knotens gedeckt. Für Spitzenlasten steht im zehnten Geschoss ein Erdgaskessel.

Rechenzentren als Wärmequellen

Die fortschreitende Digitalisierung, verbunden mit der immer intensiveren Nutzung von KI, verlangt nach Rechenleistung und entsprechend werden in Deutschland laufend neue Rechenzentren gebaut. Nach dem Data Center Impact Report 2024 [1] konnte man 2024 immerhin schon 1.994 mit einer Anschlussleistung von zusammen 1.955 Megawattstunden zählen (Zentren ab einer Anschlussleistung von 50 Kilowatt). Ihre Abwärme kann ein wichtiger Beitrag zur Energiewende sein.

Ein unter der Vorgängerregierung im Bundeswirtschaftsministerium erstelltes Gutachten besagt, dass 2030 zirka eine Terawattstunde an Wärme aus den Rechenzenten – eine Milliarde Kilowattstunden – von Endverbrauchern genutzt werden könnte. 2045 könnten es zehn Terawattstunden sein. Voraussetzung wäre allerdings, dass die Vorgaben des EnEfG eingehalten werden.

Um das Optimum herauszuholen, kommt es dazu auf die Art der Kühlung und auf das Vorhandensein eines Wärmenetzes vor Ort an. Wird mit Wasser gearbeitet, ergeben sich höhere Temperaturen als mit Luftkühlung [2]. Kühlung erhöht das Leistungsvermögen der Server, deswegen darf ein Interesse der Betreiber an einer effizienten Technik vorausgesetzt werden.

Anlagenüberwachung per KI

Beim Pallasseum ist die Entfernung zur Quelle vernachlässigbar, dafür muss die Temperatur stark angehoben werden, was allerdings mit dem schlechten energetischen Zustand des Gebäudes zu tun hat (Endenergieverbrauch vor der Maßnahme: 206 kWh/m²a), der sich unter anderem in einer sehr hohen Vorlauftemperatur des Heizsystems widerspiegelt. Die konnte gemäß Gasag immerhin um rund fünf Grad Kelvin gesenkt werden, was zu Effizienzgewinnen geführt habe.

Die Gewobag nimmt in ihren anderen Gebäuden neben dem Energieliefer-Contracting noch eine andere Dienstleistung in Anspruch, das Energieeinspar-Contracting (siehe Kasten). Sie lässt von dem Berliner Unternehmen Kugu Home den Betrieb ihrer Heizzentralen überwachen. Kugu sammelt die Daten, wertet sie mit KI-Unterstützung aus und kann damit Optimierungspotenziale identifizieren.

Weitere Projekte sind in Planung

„Die Investition liegt im unteren siebenstelligen Bereich“, sagt Luchner. Den Schwenk des Pallasseums in Richtung Dekarbonisierung unterstütz die öffentliche Hand. Das Projekt wurde von der Europäischen Union finanziert und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit einem sechsstelligen Budget gefördert.

Es bestehe reges Interesse an den Erfahrungen der Beteiligten. Aktuell plant die Gasag weitere Projekte dieser Art für große Neubauquartiere in Spandau und in Tempelhof-Schöneberg im dortigen Marienpark. Mit der Abwärme aus den Rechenzentren vor Ort werde man perspektivisch auch Quartiere mit Bestandsbauten versorgen können.

Dass die Maßnahme für die Bewohnerinnen und Bewohner kostenneutral bleiben sollte, hat schon 2024 die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienzbeeindruckt. Es gab den Real Green Award für die sozialverträgliche Dekarbonisierung nach den Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes.

Quellen

[1] Data Center Impact Report 2024: https://t1p.de/GEB251048

[2] GEB 08-2025, Heizen mit IT, https://t1p.de/GEB251047

Die Wärme hat es nicht weit vom Rechenzentrum der Telekom zum Pallasseum, 140 Meter Leitungsrohre braucht es.

Bild: Gasag

Die Wärme hat es nicht weit vom Rechenzentrum der Telekom zum Pallasseum, 140 Meter Leitungsrohre braucht es.
Die kontinuierlich anfallende Abwärme von Rechenzentren kann als Niedertemperaturquelle dienen. Um sie ökonomisch und ökologisch sinnvoll einsetzen zu können, sind kurze Transportwege zu den Verbrauchern unerlässlich.

Bild: Gasag Solution Plus

Die kontinuierlich anfallende Abwärme von Rechenzentren kann als Niedertemperaturquelle dienen. Um sie ökonomisch und ökologisch sinnvoll einsetzen zu können, sind kurze Transportwege zu den Verbrauchern unerlässlich.
Eine große Wärmepumpe auf dem Dach des Rechenzentrums erhöht die Wassertemperatur aus der Kühlanalage auf 70 bis 75 Grad Celsius.

Bild: Gasag Solution Plus

Eine große Wärmepumpe auf dem Dach des Rechenzentrums erhöht die Wassertemperatur aus der Kühlanalage auf 70 bis 75 Grad Celsius.

Energiedienstleistung Contracting

Grob unterscheiden kann man Energieliefer-Contracting (ELC) und Energiespar-Contracting (ESC). Beim ELC plant, errichtet, betreibt und wartet der Contractor die Anlage und liefert Wärme, Strom oder beides, bleibt Eigentümer der Anlagentechnik. ESC, auch Performance-Contracting genannt, bedeutet, dass der Contractor Effizienzpotenziale finden muss, für Energieeinsparung zu sorgen hat, was neben der Optimierung der Anlagentechnik auch Maßnahmen zur Verbesserung des Wärmeschutzes eines Gebäudes enthalten kann. Weitere Informationen bieten die folgenden Institutionen:

Kompentenzzentrum Contracting der Deutschen ­Energie-Agentur
https://t1p.de/GEB251043

Verband für Energiedienstleistungen, Effizienz und ­Contracting
https://t1p.de/GEB251044

Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg
­https://t1p.de/GEB251045

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