Unter den Preisträgern der niedersächsischen „Grünen Hausnummer“ 2022 und 2023 für energieeffizientes Sanieren und Bauen finden sich gleich drei Gebäude, deren Eigentümern es gelungen ist, Photovoltaik und Denkmalschutz miteinander in Einklang zu bringen. Den ersten Preis erhielt Familie Tjaden aus Großefehn im Landkreis Aurich. Sie hat gemeinsam mit Architekt Johann Busker den unter Denkmalschutz stehenden und energetisch unsanierten Gulfhof von 1914 mit viel Eigenleistung zu einem Plusenergie-Mehrgenerationen-Hof umgebaut.
Das Ziel – der KfW-Standard Effizienzhaus 70 – wurde mit Einblas- und Innendämmung, zentraler Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, innen stehender Wärmepumpe mit Erdkollektoren und einem intelligenten Energiemanagement erreicht. Eine 15-Kilowattpeak-Photovoltaikanlage samt Batteriespeicher deckt nahezu die Hälfte des Strombedarfs im Gebäude. „Die rundum sehr gelungene Sanierung des denkmalgeschützten Gulfhofs in Verbindung mit dem neuen Wohnkonzept der Hofgemeinschaft hat uns sehr beeindruckt“, heißt es in der Jury-Begründung. Das Projekt sei nicht nur insgesamt ästhetisch sehr ansprechend, sondern auch ein gutes Beispiel für die nachhaltige Weiternutzung großer landwirtschaftlicher Gebäude.
Photovoltaik sichert die Rente
In Sachen Photovoltaik hat Familie Tjaden mittlerweile viel Erfahrung. „Wir haben zunächst 2006 auf dem Laufstall-Anbau eine 24-Kilowattpeak- und 2010 auf dem Hauptgebäude des Hofes eine etwas größere 28-Kilowattpeak-Anlage installiert“, erzählt Tjarko Tjaden, der den elterlichen Hof mittlerweile übernommen hat. Er ist Ingenieur für regenerative Energien. Dieser fachliche Hintergrund hat seiner Einschätzung nach die Gespräche mit der Denkmalbehörde sehr erleichtert. „Letztlich konnten wir unseren Milchviehbetrieb nur mit den zusätzlichen Einnahmen aus der Einspeisung aufrechterhalten. Nachdem ich den elterlichen Hof übernommen habe, sichern die Gewinne aus der PV-Anlage den Großteil ihrer Rente.“
Die dritte PV-Anlage kam 2021 nach Abschluss einer Kernsanierung des Hofes dazu. Die Genehmigung durch die Denkmalschutzbehörde glich in etwa dem Prozedere 2010. „Das lag sicherlich daran, dass wir eine relativ kleine Anlage auf einem straßenabgewandten Nebengebäude geplant haben“, sagt Tjaden. „Außerdem hat die Behörde erkannt, dass die PV-Anlage einen Grundstock für den wirtschaftlichen Betrieb des Hofes liefern wird. Der Einbau der Fenster in das neu eingedeckte Dach des Haupthauses hat im Vergleich zu deutlich mehr Diskussionen geführt.“
Der Gulfhof – auch Gulfhaus oder Ostfriesenhaus genannt – ist eine Bauernhausform, die in Norddeutschland im 16. und 17. Jahrhundert aufkam. Charakteristisch bei dieser Bauweise ist, dass sich der landwirtschaftliche Betrieb mit Arbeitshalle, Speicher, Viehstall und Wohntrakt unter einem Dach zusammenfindet. Noch heute prägen Gulfhöfe die ländlichen Regionen im Norden Deutschlands. Viele von ihnen stehen deshalb unter Denkmalschutz. Allein im Denkmalatlas Niedersachsen sind 95 Gulfhöfe verzeichnet. Für sie ist Photovoltaik aus zwei Gründen spannend: Sie besitzen große Dachflächen und haben oft einen hohen Eigenverbrauch.
Noch vor einigen Jahren mussten viele Interessierte mühsam für ihr Anliegen kämpfen. „In den Jahren 2020 bis 2022 kamen sehr viele Eigentümer mit Beschwerden zu mir, weil sie eine PV-Anlage auf ein denkmalgeschütztes Gebäude setzen wollten und an den Einschränkungen des Denkmalschutzes scheiterten“, berichtet Ingo de Vries, Klimaschutzmanager des Landkreises Aurich. „Seither ist es deutlich einfacher geworden, eine Genehmigung zu erhalten.“
Gesetze wurden angepasst
Den Anstoß dazu hat die Bundespolitik mit der Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gegeben. In Paragraph 2 ist nun die besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien verankert: „Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.“
Die meisten Bundesländer haben darauf reagiert, ihre Denkmalschutzgesetze überarbeitet, Verordnungen angepasst, Runderlasse und Richtlinien erarbeitet (siehe auch GSonne bewilligt und zugelassen, GEB 10-2022). „In diesem Bereich bewegt sich gerade eine ganze Menge“, sagt Susanne Jung, Geschäftsführerin des Solarenergie-Fördervereins Deutschland. Sie sieht neben den Veränderungen in der Gesetzgebung auch Impulse durch die Rechtsprechung. „Besonders in Niedersachsen haben mehrere Gerichte bahnbrechende Urteile gesprochen, die der Photovoltaik die Tür in den Denkmalschutz geöffnet haben.“

Bild: Privat
Viele Denkmäler eignen sich für die Solartechnik
Immerhin 660.000 Baudenkmäler gibt es laut Statistischem Bundesamt in Deutschland. Nicht alle, aber viele von ihnen eignen sich für PV-Anlagen. „Auf Mehrfamilienhäusern in städtischen Randlagen oder auch auf landwirtschaftlichen Gebäuden wie einem Vierkantenhof mit Milchviehanlage und hohem Strombedarf sehen wir durchaus Potenzial“, erklärt Jung. Das An- und Aufbringen einer Photovoltaikanlage auf einem Baudenkmal bedarf nach wie vor einer Genehmigung durch die untere Denkmalschutzbehörde. Die muss zum einen sicherstellen, dass die authentisch erhaltene Bausubstanz nicht beeinträchtigt wird. Die Tragfähigkeit des Daches muss statisch nachgewiesen sein. Auch ein Brandschutzkonzept ist erforderlich.
Zum anderen muss die Behörde bewerten, ob die geplante PV-Anlage das Erscheinungsbild zu stark beeinträchtigen wird.
An diesem Punkt ist in der Vergangenheit manch ein Projekt gescheitert. Mit der gesetzlich verankerten Vorrangstellung der erneuerbaren Energien gibt es jedoch nun ein gewichtiges Argument pro PV in diesem Abwägungsprozess. Nach Einschätzung von
Monika Loddenkemper, Oberkonservatorin am Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, sind PV und Denkmalschutz „grundsätzlich vereinbar“, wenn ein bestimmter Rahmen eingehalten wird.
Module müssen sich harmonisch integrieren
Ein „bestimmter Rahmen“ – das heißt in Bezug auf Baudenkmäler, dass nach Möglichkeiten gesucht wird, die Module möglichst harmonisch in das Gebäude zu integrieren. Diverse Länder haben aktuelle Broschüren und Leitfäden veröffentlicht, in denen sie anhand von Grafiken und Best-Practice-Beispielen darstellen, welche Lösungen denkbar sind. Sie empfehlen weitgehend übereinstimmend mehrere Prinzipien.
Diese betreffen zunächst die Standortwahl: Auf den Dächern von Nebengebäuden oder Anbauten, sowie auf untergeordneten oder aus dem öffentlichen Raum nicht einsehbaren Flächen beeinträchtigen die Module das Aussehen eines Baudenkmals weniger als auf einem gut einsehbaren Hauptdach. Für die Gestaltung schlagen die Behörden vor, die Module an das vorhandene Dach anzupassen. Beispielsweise können sie parallel zu prägenden Gebäudelinien angeordnet werden. Die PV-Fläche kann die Geometrie der Dachfläche aufnehmen, die Farbe der Module die des Daches. Großflächig verlegte matte Module fallen weniger ins Auge als glänzende.
Angesichts der Entwicklung in der Solarbranche ist klar, dass es künftig immer mehr Gestaltungsmöglichkeiten geben wird. Nur: Selten ist die optisch verträglichste zugleich die wirtschaftlich günstigste Variante. „Rot eingefärbte Module sind zwar günstiger als noch vor ein paar Jahren, aber immer noch etwa doppelt so teuer wie schwarze. Bei PV-Ziegeln reden wir von einem Faktor vier bis sechs bei den Kosten und gleichzeitig deutlich schlechterer Leistung“, betont Tjaden. Das birgt nach wie vor Konfliktpotenzial. „Die Entscheidungen vor Ort sind immer auch von Personen abhängig. Und die Bedeutung von PV für uns, für alle Gebäude und damit auch für den Denkmalschutz ist noch nicht in allen Köpfen angekommen“, sagt Jung vom Solarenergie-Förderverein. Es sei ein mühsamer Prozess. Schließlich sei der Denkmalschutz jahrzehntelang gegen Störungen durch Photovoltaik verteidigt worden.
Davon sollten sich Eigentümer jedoch nicht abschrecken lassen, sondern vielmehr frühzeitig fachliche Unterstützung suchen. „Bei einem Sanierungsprojekt sollten Eigentümer einen Energieberater mit Zertifizierung für Denkmal hinzuziehen. Und bei der Auswahl des Installateurs ist wichtig, dass dieser nicht auch, sondern nur Solartechnik macht“, betont Tjaden.
Best-Practice-Beispiele liefern Argumente
Als ersten Schritt empfiehlt Klimaschutzmanager de Vries einen gemeinsamen Vor-Ort-Termin mit einem Vertreter der Denkmalschutzbehörde. Hilfreich ist, wenn dabei bereits über konkrete Ideen gesprochen werden kann. Eine Argumentationshilfe können Best-Practice-Beispiele sein. „Eigentümer, Energieberater und Handwerker sind mit offenen Augen unterwegs. Wenn ein Antrag auf Integration einer PV-Anlage abgelehnt wird, passiert es durchaus, dass jemand Fotos von einem Haus mit PV-Anlage auf den Tisch legt und hinterfragt, warum es dort ging und bei ihm nicht“, berichtet Oberkonservatorin Loddenkemper. „Wir sind als Anwälte des Denkmals gut beraten, unsere Entscheidungen gut zu begründen. In diesem Argumentationsgeflecht sind Best-Practice-Beispiele enorm hilfreich.“
Anregungen finden sich in den Publikationen und auf den Internetseiten der Denkmalschutzbehörden. Auch der Förderverein Solarenergie sammelt Best-Practice-Beispiele. Und für den einen oder anderen norddeutschen Gulfhof kann der von Familie Tjaden als Modell dienen. Die dortigen Eigentümer planen inzwischen die vierte PV-Anlage: „Aktuell überlegen wir, wenn die 28-Kilowattpeak-Anlage im Jahr 2030 aus dem EEG fällt, das Dach des Hofgebäudes in Reet-Optik oder einer Mischung aus Reet und schwarzen Photovoltaikmodulen zu sanieren.“

Bild: Privat

Bild: Hardy Happle
Leitfäden
Die einzelnen Bundesländer haben für Architekten, Energieberatende und Bauherren aktuelle Leitfäden zum Thema veröffentlicht. Eine Auswahl:
https://t1p.de/geb241001
https://t1p.de/geb241002
https://t1p.de/geb241003
https://t1p.de/geb241004
https://t1p.de/geb241005
https://t1p.de/geb241006
https://t1p.de/geb241007