Wer nicht gerade von der ersten Klasse an Musterschülerin oder Einser-Streber war, die bzw. der erinnert sich bestimmt noch sehr gut daran, dass eine Fünf oder noch schlimmer, die „glatte Sechs“ im Zeugnis für so richtig dicke Luft gesorgt hat: Nicht nur zu Hause, wenn das Pamphlet zur Unterschrift vorgelegt werden musste, sondern bereits lange zuvor, wenn Englischtests, Mathearbeiten oder eine Physikklausur anstanden und der Kopf im Klassenzimmer rauchte, weil man sich zu spät oder gar nicht darauf vorbereitet hatte.
Dieser typische Geruchscocktail aus zu viel Kohlendioxid, noch mehr Angstschweiß und vielen weiteren pennäleralen Ausdünstungen war der olfaktorische Beweis schlechthin, welche gesundheitliche Konsequenzen das exzessive Kontemplieren in unbelüfteten Klassenzimmern früher hatte: Mit der sich einstellenden Müdigkeit fiel die Konzentrationsfähigkeit ebenso rapide ab wie der Antrieb, sich aktiv am Unterricht zu beteiligen, und am Ende stellten sich Kopfschmerzen bis hin zu Wahrnehmungsstörungen ein, weil man in dem Kirchläuten die Pausenglocke zu vernehmen glaubte. Schuld war allein das überdosierte natürliche Abbauprodukt der menschlichen Atmung, sprich das CO₂ in der „verbrauchten“ Raumluft.
Was keine Erkenntnis der Neuzeit ist, denn schon 1858 hatte der Hygieniker Max Pettenkoffer festgestellt, dass die Konzentration von Kohlendioxid in Schulen nicht mehr als ein Promille (entspricht 1.000 ppm) betragen sollte. Zum Vergleich: Draußen in der Natur schwanken diese Werte um 400 ppm CO₂. Doch wirklich gekümmert hat diese Erkenntnis lange Zeit kaum jemand – zumindest hat es sehr lange gedauert, bis man sich ernsthaft um ganzjährig funktionierende Lüftungskonzepte in Schulen gekümmert hat.
Lüftungskonzepte früher und heute
Von Messungen an Schulen weiß man, dass bereits innerhalb der ersten zwei Unterrichtsstunden in ungelüfteten Klassenzimmern häufig eine CO₂-Konzentration von 2.000 parts per million überschritten wird. Das Umweltbundesamt stuft Werte dieser Größenordnung als „hygienisch inakzeptabel“ ein. Die lange Zeit propagierten Gegenmittel waren, sommers über den Tag die Fenster aufzureißen, während man im Winter in den Pausen der Stoßlüftung gefrönt und die mit durchs Klassenfenster abziehenden Kilowattstunden an Wärmeenergie in Kauf genommen hat. Energie war einfach viel zu lange – ganz bildungsuntypisch – weder ein Kosten- noch ein Ressourcenthema, weshalb am Ende auch automatisierte Lüftungskonzepte mit Wärmerückgewinnung nur vereinzelt umgesetzt wurden.
Das hat sich zum Glück längst geändert, zumal heutzutage auch die Raumlufthygiene – gerade in Bildungsbauten, Kinderhorten, Senioren- und Studentenwohnheimen sowie Gesundheitsbauten – mit an oberster Stelle der Planungsagenda steht. So auch bei der Maicklerschule in Fellbach, die eindrücklich zeigt, wie Schule zeitgemäß und zukunftsfähig gedacht werden kann. Und zwar in architektonischer, pädagogischer und anlagentechnischer Hinsicht gleichermaßen.

Bild: löhle neubauer architekten
Cluster-Schule mit klarer Kante
Der dreigeschossige, quadratisch angelegte Neubau am Rande des Schulcampus bildet im städtebaulichen Kontext einen identitätsstiftenden Anker. Mit den zwei Haupteingängen im Westen und Osten des Grundstücks reagiert die Schule nicht nur auf die spezifische stadträumliche Situation in der Ecke des Campus, sie vermittelt gleichzeitig auch zwischen den umgebenden, recht spröde wirkenden Bestandsgebäuden und der benachbarten, skulptural anmutenden Kirche Maria Regina, erbaut in den 1960er Jahren.
Die offenen Gebäudetypologien des bestehenden Schulzentrums mit Realschule und Gymnasium stehen in klarem Kontrast zu dem kompakten und klaren Baukörper, entworfen von dem Augsburger Büro Löhle Neubauer Architekten BDA. Statt traditionell separierten Klassenzimmern mit auf Frontalunterricht ausgerichteten Lern-Arrangements ist der Neubau als Cluster-Schule konzipiert. Die Bauzeit betrug nur zwei Jahre, trotz Rohstoff- sowie Fachkräftemangel und erschwerten Lieferbedingungen während der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs.
Flexibel, offen und langlebig
Auf rund 4.000 Quadratmetern bietet die Grundschule Platz für bis zu 400 Schüler. Die Erschließung erfolgt über einen Vorplatz mit überdachtem Eingangsbereich, der aus den weit auskragenden beiden Obergeschossen resultiert. Im Erdgeschoss sind Verwaltungs- und Personalräume untergebracht. In das Auge des Betrachters fallen aber sofort das weitläufige Foyer und die Mensa, die sich über mobile Raumtrenner trennen und verbinden lassen – bei Veranstaltungen können sich hier bis zu 200 Personen einfinden. Das betont offen gehaltene Konzept mit raumhohen Verglasungen erlaubt zudem Blickbezüge zum begrünten Atrium, den Innenhöfen und überdachten Pausenflächen.
Die beiden oberen Geschosse werden durch eine vorgehängte Fassade aus insgesamt 1.950.000 Glasmosaik-Fliesen zusammengefasst. Die Mischung aus 2,5 x 2,5 Zentimeter kleinen, braunen und schwarzen Fliesen sind zu 93 Prozent mit einer matten und zu sieben Prozent mit einer glänzenden Oberfläche versehen.
Großzügig eingeschnittene Fensterelemente, mit einem absturzsichernden Lichtfilter aus eloxierten Gitterrosten im Bereich der Lüftungsflügel, gewährleisten eine natürliche Belichtung der Cluster. Die Fensterbänke der niedrigen Brüstungen sind eine beliebte Sitzgelegenheit und von den Planern gezielt dafür gedacht, daneben finden sich flexibel nutzbarer Stauraum und Hocker. Prägend für die Atmosphäre und innere natürliche Belichtung sind die beiden differenziert gestalteten Atriumhöfe.
Vier Häuser und ein Marktplatz
In den beiden oberen Stockwerken erschließt sich das Cluster-Prinzip in seiner Gänze. Lange Schulflure mit festen Klassenzimmern, hinter deren Türen jede Klasse nur für sich lernt, sucht man hier vergebens. Stattdessen bilden alle Schüler einer Klassenstufe ein Jahrgangscluster, das je einen gemeinsamen Bereich im Stockwerk nutzt. In diesen „vier Häusern“ sind alle Lernräume um den „Marktplatz“ – die Clustermitte als zentralen Treff- und Lernpunkt – gruppiert, ebenso die zugehörigen Gruppenräume, Differenzierungs- und Inklusionszimmer, Computer- und Ruheräume. Durch den baulichen Bezug zum Atrium ist auch hier die natürliche Belichtung gewährleistet. Je nach Bedarf können die Schüler differenzierte Lernangebote gemeinsam wahrnehmen oder individuell gefördert werden.
Um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, gibt es überdies keine störenden Durchgangszonen für „fremde“ Jahrgangscluster. Frank Gottschalk von der Stadt Fellbach ist überzeugt: „So eine flexible Architektur ist für eine Schule trotz breitem Umdenken in der Branche immer noch ungewöhnlich. In 20 Jahren wird das Gebäude immer noch so aktuell sein wie heute.“
Neben der durchdachten Innenarchitektur spielt für das schulische Wohlfühlklima – ganz im Pettenkofferschen Sinne – auch die technische Gebäudeplanung eine wichtige Rolle. Das Stuttgarter Unternehmen Kiefer Klimatechnik plante mit den Ingenieuren der Ebök GmbH aus Tübingen die Anlagenkomponenten und Bauelemente der Lüftungstechnik und war für deren Installation verantwortlich.

Bild: löhle neubauer architekten
Optimales Klima für konzentriertes Lernen
Das Anlagenkonzept der Schule baut auf zwei Säulen auf: So besteht die Lüftungsanlage aus zwei zentralen Lüftungsgeräten, die im Technikraum des Untergeschosses installiert sind und verschiedene Gebäudebereiche versorgen. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung via Rotor dient der Belüftung der Klassen- und Lernräume sowie von Mensa, Cafeteria und Foyer. Bei einem Volumenstrom von 18.000 Kubikmetern pro Stunde entspricht das einem etwa 3-fachen Luftwechsel. Der Volumenstrom ist zeitlich an die Raumnutzung angepasst: Während der Unterrichtszeiten ist er in Foyer und Mensa reduziert, läuft aber in den Cluster- und Nebenräumen bei voller Leistung. In den Pausen und während des Mittagsessens wird das Prinzip umgekehrt. Die Regelung erfolgt in den Geschossen selbst über variable Volumenstromregler, der Betrieb der Anlage ist dabei druckkonstant.
Die Frischluftzufuhr in den betreffenden Räumen erfolgt über Schlitzdurchlässe, die in den Klassenzimmern parallel zur Fensterfront verlaufen. Im Foyer sind sie kaum sichtbar in den schwarzen Rahmen der Treppenaussparung integriert. In der Cafeteria schließen sie oberhalb der raumhohen Küchen- und Ausgabetheke an.
Die Schlitzdurchlässe an der Fensterfront sind ein Kompromiss zwischen Architektur und Technik. Damit die rund sieben Meter tiefen Klassenzimmer möglichst gleichmäßig von Frischluft durchströmt werden können, ist der Schlitzdurchlass auf ein asymmetrischen Ausblasverhalten getrimmt. Dazu wird der Zuluftstrahl in viele Einzelstrahlen aufgeteilt – mit einem kleinen Anteil senkrecht nach unten und mit einem größeren Anteil 45 Grad schräg in den Raum hinein. Diesen Effekt verstärkt die Ablufterfassung an der gegenüberliegenden Raumseite. Die verbrauchte Luft strömt über Schattenfugen in die abgehängte Decke und wird dort mittels Tellerventilen sowie Gittern abgesaugt und nach draußen geführt. Im Ergebnis eine zugfreie Raumluftströmung ohne spürbare Luftbewegung mit guter Raumdurchspülung der Klassenzimmer.
Prima Klima in der Küche
Die zweite Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung via Kreuzstrom-Wärmetauscher ist zur Be- und Entlüftung der Schulküche ausgelegt. Hier beträgt der Volumenstrom 7.000 Kubikmeter pro Stunde und wird über die Drehzahl der Ventilatoren eingestellt. Die Luftabfuhr erfolgt über ein Kanal- beziehungsweise Rohrnetz aus verzinktem Stahl – sämtliche Komponenten im Fortluftkanal sind speziell auf fetthaltige Abluft ausgelegt. Über Dachventilatoren wird die Abluft direkt ins Freie geblasen, wodurch keine störenden Gerüche in die Zuluft geraten können. So bleiben die Lern- und Aufenthaltsbereiche zumindest seitens der Lüftungstechnik frei von „dicker Luft“.

Bild: löhle neubauer architekten
Smarte Kontrolle und Steuerung
Die gesamte RLT-Anlage ist über Modbus in eine komplexe Gebäudeautomation der Schule auf BACnet-Basis (Building Automation and Control Network) eingebunden. Hierüber erfolgt auch der Zugriff auf die Lüftungsanlagen. Auf jeder Etage kann deren Betriebszustand schnell und unkompliziert abgerufen werden, ohne die einzelnen Räume zu betreten. In der Technikzentrale im Untergeschoss laufen alle gebäudetechnischen Informationen zusammen und können über ein Touchscreen-Display zentral erfasst, kontrolliert und im Detail justiert werden.
Nachhaltigkeit und Energieeffizienz
Die Maicklerschule ist in ihrer Materialität auf Langlebigkeit und Flexibilität ausgelegt. Ersteres garantieren Fußböden und Türenelemente aus widerstandsfähigem Holz, Wände in Sichtbeton und 3-fach-Verglasungen. Sowohl die Nutzungsbereiche im Erdgeschoss als auch die Clustergrößen und Unterrichts-
typologien lassen sich flexibel anpassen. Der kompakte Baukörper mit günstigem A/V-Verhältnis und den auskragenden Obergeschossen minimiert die Flächenversiegelung – positiv wirkt sich diesbezüglich auch die 750 Quadratmeter umfassende Dachbegrünung aus.
Das durchdachte Tageslichtkonzept ist darauf ausgelegt, den
Kunstlichtbedarf soweit als möglich zu reduzieren. Die Nachtauskühlung sowie die Lüftung mit Wärmerückgewinnung und der Sonnenschutz erfordern keine aktive Gebäudekühlung.
Die energetische Versorgung erfolgt über ein Nahwärmenetz und die auf dem Dach installierte Photovoltaik-Anlage. Die Anforderungen der zum Zeitpunkt der Planung noch maßgeblichen EnEV wurden um 24 Prozent unterschritten.

Bild: löhle neubauer architekten

Bild: Brigida Gonzalez

Bild: Brigida Gonzalez

Bild: Kiefer Klimatechnik

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Bild: Brigida Gonzales

Bild: löhle neubauer architekten
GEB Dossier
Grundlegende Informationen zum -Thema -finden Sie auch in unserem Dossier Lüftung mit -Beiträgen und News aus dem GEB:

Bautafel
Objekt: Neubau der Maickler-Grundschule in Fellbach
Fertigstellung: Juli 2023
Baukosten: < 25 Mio. Euro
Bauherr: Stadt Fellbach, Amt für Hochbau und Gebäudemanagement, 70734 Fellbach, www.fellbach.de
Architekt: Löhle Neubauer Architekten, 86150 Augsburg, www.loehle-neubauer.de
Tragwerksplanung: Pfefferkorn Ingenieure, 70736 Fellbach, www.pfefferkorn-ingenieure. de
TGA-Planung: Eboek Planung und Entwicklung, 72072 Tübingen, www.eboek.de
Elektroplanung: Raible + Partner, 72770 Reutlingen, www.raible.de
Gebäude- und Energiekenndaten
- Heizung: 50,2 kWh/(m²a)
- Warmwasser: 13,4 kWh/(m²a)
- Heizung: 0,2 kWh/(m²a)
- Beleuchtung: 4,7 kWh/(m²a)
- Lüftung: 16,5 kWh/(m²a)