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Photovoltaik auf Mehrfamilienhäusern

Es hakt bei der Kommunikation

Das Interesse ist da: Photovoltaik wird zunehmend auch auf Mehrfamilienhäusern installiert. Laut Datenanalysen des Ökostromanbieters Naturstrom gingen im vergangenen Jahr 1.970 entsprechende PV-Anlagen ans Netz. Auch wenn dies im Verhältnis zu den 477.000 Anlagen auf klassischen ­Eigenheimen nur eine kleine Zahl ist – der Anteil der Systeme auf Mehrfamilienhäusern ist im Vergleich zum Vorjahr gewachsen.

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) berichtet, dass acht von zehn Wohnungsunternehmen Pläne für den Bau von P-Anlagen auf Dächern von vermieteten Gebäuden oder zumindest grundsätzlich Interesse daran haben, Mieter mit selbst erzeugtem Solarstrom zu versorgen. Dies ist Ergebnis einer Umfrage des BSW und des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen unter mehr als 350 seiner Mitgliedsunternehmen und dessen Regionalverbänden.

Mit Plänen zur Installation von Solaranlagen rennt die Wohnungswirtschaft offensichtlich offene Türen bei den Mietenden ein. Eine klare Mehrheit von ihnen – 59 Prozent – würde es begrüßen, Solarstrom vom Dach des Wohngebäudes zu beziehen, wie eine Yougov-Befragung im Auftrag des BSW unter 1.056 Mietenden ergeben hat.

Grundsätzlich ist also ein großes Potenzial für Mieterstrom – also dem Konzept, dass Eigentümer zum Stromversorger für die Mietenden werden – gegeben. Das bestätigt auch das Institut der deutschen Wirtschaft (DIW). Laut einem DIW-Bericht aus dem vergangenen Jahr könnten von den insgesamt 19 Millionen Mieterhaushalten in deutschen Mehrfamilienhäusern bis zu 14,3 Millionen von dem Konzept profitieren.

Klassischer Mieterstrom ist zu bürokratisch

Trotzdem kommt das Thema in Deutschland nicht voran. ­Mieterstrom-Modelle werden kaum umgesetzt, obwohl sie rein rechtlich schon seit Jahren möglich sind. „Das Problem beim Mieterstrom war in den vergangenen Jahren, dass die Regelungen extrem bürokratisch und kompliziert sind“, sagt Jörg Sutter, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie im Podcast Gebäudewende #28: Solarpaket.

Was das bisherige Mieterstromkonzept speziell für die Vermietenden so unattraktiv macht, ist die Regelung, dass diese dabei zum Vollstromversorger werden. Das heißt: Sie müssen den kompletten Strombedarf der beteiligten Haushalte decken. Sie liefern somit nicht nur den Strom aus der eigenen PV-Anlage, sondern stellen den Mietenden darüber hinaus auch den Reststrom aus dem Netz bereit. So fungieren sie also als Stromversorger – mit allen Pflichten, die mit dieser gewerblichen ­Tätigkeit einhergehen.

Diese Probleme sollen mit der gemeinschaftlichen Gebäude­versorgung (GGV) gelöst werden, die im vergangenen Jahr von der damaligen Ampel-Regierung im Solarpaket 1 verabschiedet wurde. Das Konzept sieht vor, dass ein Vermietender, der eine PV-Anlage auf einem Mehrfamilienhaus betreibt, die Vermietenden mit dem selbst erzeugten Strom beliefert und dafür einen entsprechenden Vertrag mit diesen schließt. Für den Bedarf, der nicht mit diesem Strom gedeckt wird, kann jeder Haushalt seinen Lieferanten frei wählen. Der Reststrom muss nicht über den Vermietenden bezogen werden. Die ­Mietenden haben also zwei Verträge: einen so genannten Gebäudestromnutzungsvertrag für den PV-Strom und einen klassischen ­Liefervertrag für den Netzstrom.

Mieterstrom kann Renditen von acht bis zwölf Prozent bringen

Für die Verbraucher bedeutet dies mehr Freiheit bei der Wahl ihres Energielieferanten, für die PV-Anlagen-Betreiber die Befreiung von bürokratischen Zwängen. Für letztere könnte das Konzept, Mietende mit selbst produziertem Strom zu versorgen, somit attraktiver werden. Immerhin sei mit Mieterstrom für die PV-Betreiber eine Rendite von acht bis zwölf Prozent zu erreichen, verspricht Energiedienstleister Techem. Knapp die Hälfte aller Vermietenden befassen sich laut einer Umfrage von ­Techem bereits mit der GGV.

Je mehr Wohneinheiten es in einem Mehrfamilienhaus gibt, desto besser ist die Aussicht auf Wirtschaftlichkeit, schreibt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen auf ihrer Internetseite. Eine pauschale Aussage, ab welcher Gebäudegröße sich die gemeinschaftlichen Gebäude­versorgung lohne, sei kaum möglich. Bei weniger als sechs Wohneinheiten sei es aber vermutlich schwierig, die Anlage wirtschaftlich zu betreiben.

Eine Pflicht für einen Mietenden, sich an der gemeinschaftlichen Gebäude­versorgung zu beteiligen, gibt es nicht. Er kann frei entscheiden, woher er seinen Strom bezieht und auch, wann er einen Gebäudestromvertrag gegebenenfalls wieder kündigt. In diesem legt der Anlagenbetreiber neben dem Strompreis auch fest, wie der PV-Strom auf die teilnehmenden Haushalte aufgeteilt wird. Dies kann statisch erfolgen – der Ertrag der Anlage wird zu festgelegten, immer gleichen prozentualen Anteilen aufgeteilt.

Eine dynamische Aufteilung richtet sich danach, wie hoch der Anteil eines Haushalts am gesamten Stromverbrauch im Zeitintervall ist. Dieses Zeitintervall umfasst in beiden Fällen 15 Minuten. Ziel sei es, möglichst viel PV-Strom direkt im Gebäude zu nutzen, so die Verbraucherzentrale. „Dies wird mit der dynamischen Verteilung besser erreicht, weil die Verteilung am tatsächlichen Verbrauch ausgerichtet wird.“

Auch ein Jahr später fehlen Standards

Im Podcast äußert sich DGS-Geschäftsführer und PV-Experte Sutter positiv über die gemeinschaftlichen Gebäude­versorgung. Das Modell könne helfen, die Energiewende auch in die Mehrfamilienhäuser zu tragen, weil es viel Bürokratie außen vorlasse und einfach umsetzbar sei. Allerdings, so seine Aussagen in der Folge aus dem vergangenen Sommer, müssten für die Umsetzung noch einige Fragen beantwortet werden.

Ein Jahr später sind diese Antworten aber leider noch immer nicht gegeben, wie Sutter im Gespräch mit dem Gebäude-Energieberater feststellt. Das betrifft etwa die Frage, in welchem Umfang und in welchen Formaten die Daten zwischen Anlagen-, Netz-, Messstellenbetreiber und externem Stromversorger ausgetauscht werden sollen.

Es fehlt an einer klaren Standardisierung. In einem Leitfaden zur gemeinschaftlichen Gebäude­versorgung des BSW heißt es, dass noch unklar sei, ob die nötigen Prozesse der Marktkommunikation für den Datenaustausch zwischen involvierten Partnern bereits ausreichend geregelt worden sind. Sollte die Bundesnetzagentur weitere Prozesse festlegen, werde der Leitfaden aktualisiert.

Laut Sutter sind die ungeklärten Fragen in Bezug auf die Kommunikation zurzeit die größte Herausforderung für die Umsetzung der gemeinschaftlichen Gebäude­versorgung. Je mehr verschiedene Parteien in entsprechenden Projekten involviert sind, desto mehr Schnittstellen gibt es und desto schwieriger wird eine reibungslose Kommunikation. Heißt im Umkehrschluss: Wenn möglichst viele Funktionen, die auf Anlagen-, Netz-, Messstellenbetreiber und Stromversorger aufgeteilt sind, in einer Hand liegen, ist es auch einfacher, eine gemeinschaftliche Gebäude­versorgung umzusetzen.

Daneben gibt es aber noch ein paar weitere Hürden. Zur Umsetzung brauchen Gebäudeeigentümer einen Dienstleister, der sie bei Vertragserstellung und der energiewirtschaftlichen Kommunikation unterstützt. Dieser kann außerdem als Messstellenbetreiber fungieren. Es habe zu Beginn Gebäudeeigentümer gegeben, die davon ausgegangen sind, die gemeinschaftlichen Gebäude­versorgung selbst umsetzen zu können, berichtet Sutter.

Doch schon bei der Datenübermittlung an die Stromversorger würden solche Vorhaben dann an ihre Grenzen stoßen. „Wenn ein GGV-Betreiber den Strombezug eines teilnehmenden Haushalts an den Stromversorger meldet, dann kann er dies nicht einfach per E-Mail tun, sondern das läuft über eine energiewirtschaftliche Marktkommunikation, für die man spezielle IT-Systeme benötigt. Das macht kein Privatmensch. Und auch keine Bürgerenergie.“

Virtueller Summenzähler reduziert die Kosten

Um die Haushalte eines Mehrfamilienhauses mit selbst erzeugten PV-Strom zu versorgen, müssen Anlagenbetreiber außerdem zunächst in intelligente Messsysteme investieren – sofern solche noch nicht installiert sind. Alle Wohneinheiten sowie die Erzeugungsanlage müssen mit solchen Smart Metern ausgestattet sein. Diese sind notwendig, um den Stromverbrauch und die Erzeugung in 15-Minuten-Intervallen zu erfassen und zu verteilen.

In der Regel wird für die notwendige Messtechnik ein sogenannter Summenzähler benötigt. Dieser führt alle Verbrauchswerte aus den intelligenten Messsystemen am Netzübergabepunkt zusammen. Bisher ist dafür ein Wandlermesser notwendig, der für ein normales Mehrfamilienhaus mit mehreren tausend Euro zu Buche schlagen kann, wie ­Sutter berichtet.

Doch immerhin diese Kosten kann man sich sparen. Mittlerweile benötigt man sowohl für klassische Mieterstrom- als auch für GGV-Modelle keinen Summenzähler mehr, der an einem festen Ort installiert wird. Stattdessen kann dessen Funktion auch digital erfolgen. Ein solcher virtueller Summenzähler ist ein Messkonzept, bei dem die Zählpunkte digital aggregiert und dann an den Dienstleister zur Abrechnung weitergeleitet werden. Statt einem physischen Wandlermesser braucht man also nur eine Software. Das macht das Messtechnikkonzept nicht nur kostengünstiger. Es vereinfacht auch die Installation, weil weniger technische Komponenten benötigt werden.

Trotz solcher Erleichterungen gibt es bisher nur wenige GGV-Projekte. Viele Interessierte werden die noch offenen Fragen bei diesem Modell verunsichern. Sutter rät jedoch davon ab, darauf zu warten, bis diese geklärt sind: „Man sollte jetzt schon damit beschäftigen, mit einem Berater die Wirtschaftlichkeit durchrechnen und eventuell Mieterstrom und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung gegeneinander abwägen.“ Denn ein entsprechendes Projekt könne bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen. Daher sei es ein guter Zeitplan, jetzt damit zu beginnen.

Zwingende Voraussetzung für die GGV: intelligente Messsysteme, welche Stromverbrauch- und -erzeugung in 15-Minuten-Intervallen erfassen.

Bild: Robert Poorten - stock.adobe.com

Zwingende Voraussetzung für die GGV: intelligente Messsysteme, welche Stromverbrauch- und -erzeugung in 15-Minuten-Intervallen erfassen.

Photovoltaik zur gemeinschaftlichen Gebäude­versorgung

Auch wenn noch einige Fragen beim Thema gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV) offen sind, gibt es schon Projekte, die umgesetzt werden. Dazu zählt ein Projekt, das die Peiner Heimstätte Wohnungsgesellschaft gemeinsam mit dem Solarenergie-Dienstleister Marcley realisiert hat. Im Rahmen einer energetischen Dachsanierung wurden auf sechs benachbarten Gebäuden in Peine Photovoltaikanlagen installiert, die im GGV-Modell betrieben werden. Diese verfügen über eine Gesamtleistung von circa 60 Kilowatt und sollen jährlich bis zu 60.000 Kilowattstunden an grüner Energie erzeugen. So können 47 Wohnungen und die dazugehörigen Gebäude mit dezentral erzeugtem Strom direkt vom Dach versorgt und jedes Jahr rund 25,3 Tonnen CO₂ eingespart werden.

Im Rahmen eines Lease-Back-Modells pachtet Marcley die Photovoltaikanlagen von der Wohnungsgesellschaft. Das bedeutet, dass der Dienstleister für die Nutzung der Solaranlagen zahlt und sich um deren Betrieb kümmert. Marcley übernimmt den Verkauf des Stroms vom Dach, die Abrechnung der Stromverträge sowie alle energiewirtschaftlichen Prozesse wie den Messstellenbetrieb. „Für uns als kommunale Wohnungsgesellschaft ist es wichtig, unseren Mietern eine nachhaltige und zukunftsorientierte Energieversorgung anzubieten, die sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch Sinn macht, ohne hierbei als Konkurrent der Stadtwerke Peine aufzutreten“, sagt Sven Gottschalk, Geschäftsführer der Peiner Heimstätte.

Laut eigener Aussage hat Marcley bereits mehrere GGV-Projekte erfolgreich realisiert. Weitere rund 20 Projekte mit Genossenschaften, Wohnungseigen-
tümergemeinschaften und Wohnungsunternehmen befänden sich aktuell in der Umsetzung.

PV-Anlage der Peiner Heimstätte Wohnungs­gesellschaft

Bild: FMN/Heimstätte

PV-Anlage der Peiner Heimstätte Wohnungs­gesellschaft

Weiterführende Infos

Weitere Informationen zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung liefern unter anderem:

  • die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie:
    https://t1p.de/geb250505
  • die Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz NRW.Energy4Climate:
    https://t1p.de/geb250506
  • ein Leitfaden des Bundesverbands Solarwirtschaft:
    https://t1p.de/geb250507
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