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Alu, Glas und Polymere

Zertifizierungssysteme wie BREEAM, DGNB, LCA LEED oder QNG stellen Ansprüche an Nachhaltigkeit, die von Architekt:innen und Planer:innen erfordern, über Ästhetik, Energiebedarf und Technik eines Gebäudes hinauszudenken. Es geht darum, den kompletten Lebenszyklus eines Objektes im Blick zu haben – eine Anstrengung, die sich auf Dauer bezahlt macht und mit Fördermaßnahmen belohnt wird. Der der Lebenszyklusaspekt erstreckt sich auf alle Baustoffe und Bauteile, inklusive Fenster.

Deren Produzenten müssen sich – wie andere Baustoffhersteller schon seit längerem – rechtfertigen, welchen Einfluss ihre Produkte auf Klima und Umwelt ausüben. Auf der Plus-Seite neuer Fenster stehen Komfort- und emissionsfreien Energiegewinne sowie ihre Langlebigkeit, wenn intelligent mit Sonnen- und damit Hitzeschutz kombiniert. Negativ zu Buche schlagen Energieverbrauch und CO2-Ausstoß, die mit der Herstellung von Aluminium- und PVC-Profilen sowie von Flachglas verbunden sind, dazu der Verbrauch an Rohstoffen.

Teils, um das Energie- und das Ressourcenproblem nicht zum Produktionshemmnis werden zu lassen, teils, weil die deutsche und europäische Gesetzgebung verlangen, hat die Fensterbranche Initiativen gestartet, um die Kreislaufwirtschaft anzukurbeln. Vor allem die Rahmen und die Verglasung alter Fenster sollen wieder in den Kreislauf zurückgeholt werden. An welchem Punkt auf dem Weg zur Circular Economy die Unternehmen stehen und welche Herausforderungen noch auf sie warten, darüber informiert Daniel Mund, Chefredakteur unserer Schwesterzeitschrift GLASWELT.

Schlüsselkategorien der Kreislaufwirtschaft sind Downcycling, Wiederverwendung und Wiederverwertung. Wiederverwendung von Fenstern, in gleicher oder vergleichbarer Funktion, heißt die Kür, dürfte aber in der Regel schwer umzusetzen sein. Die Collage aus alten Fensterrahmen am Brüsseler Europagebäude kann kaum als Beispiel durchgehen, oder?

Das stimmt natürlich, dass Fenster selbst sehr selten in ihrer fertigen Form wiederverwertet werden. Macht ja auch keinen Sinn, da das Niveau eines alten Fensters wohl kaum mit dem moderner Fensterkonstruktionen mithalten kann. Allerdings kann die Fenster- und Fassadenbranche als Vorreiterin in Sachen Kreislaufwirtschaft gelten. Denn Fenster werden nach ihrem Gebrauch mittlerweile wieder komplett in all ihre Bestandteile zerlegt. Es bleibt kaum etwas übrig, außer etwas Schmutz und Bindemittel. Dabei gibt es Materialien, die eher ein Downcycling erfahren, zum Beispiel Glas oder Dichtungen. Aber es gibt auch viele Materialien, die der Fensterproduktion eins zu eins wieder zugeführt werden können, etwa PVC oder Metalle.

Zu Fenstern allgemein: Ein wie großer Teil der bei Abriss, Rückbau oder Austausch anfallenden Altfenster wird aktuell in Deutschland, in Europa dem Kreislauf wieder zugeführt?

Ziemlich exakte Zahlen liegen für PVC-Fenster vor. Die Recyclingquote liegt hier bei stolzen 88 Prozent.

-Unsere Aufgabe als Fachmedium ist es, das Greenwashing vom echten Nachhaltigkeits-Booster zu trennen.

Daniel Mund, Chefredakteur GLASWELT

Bild: GLASWELT

Wie ist die Infrastruktur für Rücknahme und Wiederverwertung von Aluminium-, Holz- und Kunststofffenstern derzeit ausgebildet? Wer organisiert in Deutschland beziehungsweise in Europa die Sammlung und Wiederverwertung?

Da gibt es verschiedene Konzepte und Organisationen. Den wichtigsten Kreislauf in Deutschland bildet die Rewindo im Bereich der Kunststofffenster. Auf über 70 ist die Zahl der regionalen Annahmestellen für Kleinstmengen an PVC-Altfenstern, -Türen und -Rollläden angewachsen. Ein weiterer wichtiger Player beim Einsammeln von Altfenstern ist das Unternehmen Biotrans. Der überregional auftretende Entsorger übernimmt den Fensterschrott, wie er demontiert wurde. Größere Hersteller bieten aber mittlerweile sogar diesen Dienst für Ihre Händlerkunden an. Auch für Fenster aus Metall gibt es mit der Recycling-Initiativen A|U|F eine Organisation, um den geschlossenen Wertstoffkreislauf von Aluminiumprodukten im Bau zu fördern und abzuwickeln. Sie umfasst an inzwischen rund 200 Mitglieder.

Betreffs Aluminium: Es scheint in Sachen Wiederverwertung beziehungsweise Recycling ein recht unkompliziertes Material zu sein, im Prinzip unendlich oft wieder nutzbar. Oder?

Das stimmt – das trifft aber auch für PVC so zu. Beide Wertstoffe lassen sich ziemlich einfach dem Produktionsprozess, der Extrusion, wieder zuführen.

Betreffs PVC: Man liest öfter, der Kunststoff könne immerhin bis zu sieben Mal ohne Qualitätseinbußen wiederverwertet werden, das heißt geschreddert, eingeschmolzen und zu neuen Profilen verarbeitet werden. Was ist da dran?

Diese Prozesse laufen bereits wie erwähnt in sehr erfolgreicher Form. Die Aussage, dass das bis zu sieben Mal stattfinden kann, wurde mir gegenüber auch schon häufiger gemacht. So recht nachvollziehen kann ich sie allerdings nicht, denn einerseits heißt es immer, dass das PVC unter der Wiederverwertung qualitativ kaum leide und andererseits stelle ich mir ein Aussortieren von sehr altem PVC-Wertstoff auch recht schwierig vor. Aber wenn PVC „nur“ bis zu sieben Mal wiederverwertbar ist und wir von einer durchschnittlichen Fensterlebensdauer von mehr als 35 Jahren ausgehen können, dann ist das auch ein ziemlich langer Zeitraum.

Das PVC alter Fensterprofile enthält Blei-basierte Stabilisatoren.

Im letzten Jahr hat die EU-Kommission Blei-basierte Stabilisatoren auch für Importe verboten. Für europäische Hersteller gilt das „Verbot“ aufgrund einer freiwilligen Selbstverpflichtung bereits seit 2015.

Altfenster sind wertvolles Recyclingmaterial, stehen allerdings noch nicht im großen Umfang zur Verfügung.

Bild: Rewindo

Altfenster sind wertvolles Recyclingmaterial, stehen allerdings noch nicht im großen Umfang zur Verfügung.

Wie geht man bei der Herstellung von neuen PVC-Fenstern aus bleihaltigem Alt-PVC mit dieser Belastung um?

Alt-PVC-Profile, die dem Kreislauf wieder zugeführt werden und Blei enthalten könnten, sind nach Einschätzung der Experten für die Produktion von neuen Fenstern unproblematisch. Das hat so auch im vergangenen Jahr die EU-Kommission entschieden: Der Verkauf von bleihaltigen PVC-Artikeln auf dem europäischen Markt ist verboten worden – mit Ausnahme der PVC-Produkte mit einem geringen Bleianteil, die in einem geschlossenen Kreislauf recycelt werden können. Der Grund liegt auf der Hand: Das im PVC enthaltene Blei ist fix gebunden.

Zum Recycling von Holzfenstern: Die Holzforschung Austria untersucht die Belastung von alten Holzfenstern und Türen durch toxische Anstrichmittel. Finden vergleichbare Forschungen auch in Deutschland statt?

Nein, meines Wissens nicht. Bei dem von dir angesprochenen Forschungsbericht der HFA ging es um die Frage, ob man Holzfenster auch wiederverwerten kann und was dagegenspricht. Problematisch sind ja immer die Holzschutzmittel. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich werden ähnliche Fensterkonstruktionen hergestellt und vertrieben. Die Untersuchung der HFA ist somit auch gut auf den deutschen Markt übertragbar und wurde im Übrigen auch im kompletten Umfang in der GLASWELT publiziert.

Wie kann mit den festgestellten Belastungen in alten Holzfenstern umgegangen werden? Welche unbedenklichen Alternativen gibt es, um Holzprofile witterungsbeständig zu machen – auch in Anbetracht zukünftiger Wetterextreme?

Es geht immer um die Holzschutzmittel. Die Bestandteile sorgen dafür, dass das Holz langlebig ist und von der Biosphäre nicht so schnell angegriffen wird. Ein Oberflächenanbieter, Remmers, hat Imprägnierungen entwickelt, die einen physikalischen Holzschutz bieten. Damit lässt sich also der chemische biozide Holzschutz substituieren und das Holzfenster wiederverwerten. Ansonsten haben wir den Status quo, dass Holzfenster mit biozidem Holzschutz nicht recyclingfähig sind und der energetischen Verwertung zugeführt werden müssen.

Was muss mit den in den Profilen teils enthaltenen Dämmmaterialien passieren?

Wichtig ist vor allem, dass die Bestandteile eines Fensterprofils leicht wieder voneinander zu trennen sind. Ansonsten gilt auch für die in Fenstern enthaltenen Dämmstoffe die Frage nach der Möglichkeit des Recyclings.

Wie hoch ist der Energieaufwand bei der werkstofflichen beziehungsweise rohstofflichen Verwertung von Aluminium und PVC?

Ja, der ist vorhanden – aber immer deutlich niedriger als bei der Verwendung von Frischmaterial. Das gilt im Besonderen für den Wertstoff Aluminium.

Aluminium kann theoretisch unendlich oft wiederverwertet werden, die Recyclingquote liegt bei über 90 Prozent.

Bild: A/U/F

Aluminium kann theoretisch unendlich oft wiederverwertet werden, die Recyclingquote liegt bei über 90 Prozent.

Bei der Verglasung sieht es offenbar nicht so einfach aus mit der Wiederverwertung. Was macht das Recycling von Fensterglas beziehungsweise die Herstellung von hochqualitativem Flachglas aus Altglas so schwer – und teuer?

Es gibt quasi kein Recycling von Altglas – auch nicht aus alten Fenstern – für die Produktion von Flachglas. Der Grund liegt in der Verunreinigung: Bei der Flachglasherstellung dürfen keine Mikro-Einschlüsse mit Fremdkörpern auftreten, denn dann könnte die Floatwanne Schaden nehmen, die freie Sicht wäre gestört oder das Glas könnte schneller zu Bruch gehen. Das Einzige, was so langsam in Gang kommt, ist das Recycling von Produktionsabfällen – diese Wertstoffe sind ja quasi ohne Verunreinigungen und somit für die direkte stoffliche Wiederverwertung geeignet.

Ein wichtiges Kriterium in Sachen Nachhaltigkeit ist die einfache Zerlegbarkeit von Bauteilen, das heißt bezogen auf Fenster, die Trennbarkeit von Beschlägen, Dämmung, Profil und Verglasung. Wer in der Branche ist hier Vorreiter, wer hat positive Beispiele im Portfolio?

Tatsache ist, dass die Verwerter ein hochkomplexes Prozedere entwickelt haben, um so eine komplette Einheit wieder in ihre vielen Bestandteile zerlegen zu können. Ich selber habe mir Recyclingwerke angeschaut und mich von der Leistungsfähigkeit dieser Anlagen überzeugt. Die stoffliche Trennung erscheint mir unproblematisch, sofern die Bestandteile nicht auf molekularer Basis miteinander verbunden sind.

Zur Nachhaltigkeit eines Bauteils gehört neben der Schadstofffreiheit und der guten CO2-Bilanz die Dauerhaftigkeit. Wie wird heute dafür gesorgt, dass Glas und Profile den in Zukunft härteren klimatischen Beanspruchungen standhalten – extremer Hitze, starker UV-Strahlung, extremen Temperatursprüngen, Starkregen, Hagel, Sturm?

Allen in der Wertschöpfungskette beteiligten Stellen ist bewusst, dass die Resilienz von Fenstern und Fassaden weiter zunehmen muss. Die Branche ist schon jetzt in der Lage, passende Produkte zu liefern und entwickelt sich tatsächlich ständig weiter. Wichtig ist, dass der Kunde auch das richtige Produkt für seine Anforderungen wählt beziehungsweise angeboten bekommt. Es kommt also in dem Punkt besonders auf den Vertrieb und die richtige Beratung an.

Abgesehen von den Reishülsen, die Finstral für seine For Res-Profile verwendet – welche Ideen zum Einsatz von biobasierten beziehungsweise nachwachsenden Rohstoffen in Kunststofffenstern gibt es derzeit noch, welche werden erprobt?

Es gibt seitens einiger Systemgeber die Idee, das PVC-Frischmaterial, das neben dem Recyclingkern verwendet wird, aus so genanntem bio-attributed PVC herzustellen. Die Polymermatrix kann hierbei zu 100 Prozent aus pflanzlichen Rohstoffen erzeugt werden. Zum Beispiel dient als Basis beim „bio-attributed PVC by Kömmerling“ ein kiefernöl-basierter Rohstoff anstelle von Erdöl bei der Herstellung von Ethylen. Das erlaubt eine CO2-Reduktion von bis zu 90 Prozent im Vergleich zu konventionellem PVC.

Salamander bietet mit dem Greta-Fenster ein Produkt an, dessen Profil zu 100 Prozent aus Altfenstern und Produktionsresten bestehen soll. Gibt es inzwischen weitere Hersteller, die die 100 Prozent erreichen?

Ja, die gibt es. Auch hier kann ich exemplarisch den Anbieter Kömmerling nennen. Dort wird das Pilotprojekt „ReFrame“ genannt. Aber auch andere Anbieter wären sicher in der Lage, ein 100-Prozent-Fenster als Leuchtturmprojekt anzubieten – darauf kommt es aber insgesamt vielleicht gar nicht so sehr an. Viel wichtiger ist doch, dass die Recyclingmenge insgesamt weiter steigt und dass der Recycling-Gesamtanteil am Fenster steigt. Denn aktuell ist gar nicht so viel Recyclingmaterial vorhanden, um diese Quoten weiter zu erhöhen.

Wie verbreitet sind Zertifizierungen für die Kreislaufwirtschaft in der Fensterbranche?

Die Cradle-to-Cradle-
(C2C)-Zertifizierungen sind noch keine entscheidenden Kaufargumente. Die Glasbranche hat sich zwar vermehrt dieses Themas angenommen und bietet Cradle-to-Cradle oder Cradle-to-Grave-zertifizierte Produkte. Auch die Aluminiumprofilanbieter haben sich einiges C2C-zertifizieren lassen. Das Bedürfnis ist generell stark, seinen Kunden mitzuteilen, was man alles im Bereich der nachhaltigen Produktion und Entwicklung unternimmt. Unsere Aufgabe als Fachmedium ist es, bei solchen Informationen immer genau hinzuschauen und das Greenwashing vom echten Nachhaltigkeits-Booster zu trennen.

Die Fragen stellte Alexander Borchert.

Linktipps

Entsorgung von Altfenstern: www.biotrans-gmbh.de

Recycling von Aluminiumprofilen: https://a-u-f.com

Recycling von Kunststoffprofilen: https://rewindo.de

Das Fensterprofil ReFrame wird vollständig aus recyceltem Kunststoff gefertigt.

Bild: Profine

Das Fensterprofil ReFrame wird vollständig aus recyceltem Kunststoff gefertigt.
Schüco IoF ID: Eine smarten Plakette am Fenster informiert über Wartungshistorie, verarbeitete Materialien und Recyclingmöglichkeiten. Schüco nennt seine Nachhaltigkeitsvision Internet of Façades.

Bild: Schüco

Schüco IoF ID: Eine smarten Plakette am Fenster informiert über Wartungshistorie, verarbeitete Materialien und Recyclingmöglichkeiten. Schüco nennt seine Nachhaltigkeitsvision Internet of Façades.

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