Was wir uns heute verantwortungsbewusst vornehmen – eine möglichst nachhaltige und suffiziente Lebensweise zum Schutz des Klimas und der Ressourcen – war vor 200 Jahren eine aus der Not geborene Tugend. Insbesondere in den Bergregionen wie den Alpen, aber auch den Mittelgebirgen hierzulande.
Wer spüren und nachvollziehen möchte, wie die Menschen in der Kulturregion Schwarzwald einst ihren Lebensunterhalt verdienten und wie sie mit ihren Familien und Tieren über die strammen Winter kamen, der oder dem sei ein Besuch des G Schwarzwälder Freilichtmuseums Vogtsbauernhof in Gutach ans Herz gelegt. Hier kann man hautnah das Leben, Wohnen und Arbeiten der Menschen auf sich wirken lassen und ahnt, wie es einmal war. Auf dem 5,5 Hektar großen Gelände finden sich neben dem großen Vogtsbauernhof, der seit 1612 an Ort und Stelle steht, auch viele weitere Hofgebäude, die am ursprünglichen Ort ab- und im Museum wieder aufgebaut wurden.
Viele dieser traditionellen Schwarzwaldhöfe wurden schon aufgegeben und verfallen oder sie werden zum Feriendomizil umgebaut – meist sehr unsensibel und wenig respektvoll gegenüber der jahrhundertealten Substanz. Dass so eine Rettung und Weiternutzung aufgelassener Höfe auch vorbildlich vonstattengehen kann, zeigt die denkmalgerechte Sanierung des Farnrainhofes auf dem Yacher Zinken bei Elzach im Landkreis Emmendingem, rund 30 Kilometer von Gutach entfernt.

Bild: Markus Schwer
300 Jahre Hofgeschichte – vom Stolz zur Ruine
Wie viele Kleinbauernhöfe in der Region wurde die Schille-Bernharden – so der ursprüngliche Hofname – in ihrer bald 300-jährigen Geschichte von den Bewohnern mehrmals umgebaut, angepasst, erweitert, zum Teil auch wieder abgerissen und von einem der Vorbesitzer gar in Farnrainhof umgetauft. Der zweigeschossige und in Ständerbohlenbauweise errichtete Holzbau aus dem 18. Jahrhundert wurde um 1850 um einen Anbau aus Mauerwerk ergänzt, das typische Vollwalmdach wurde später durch einen Krüppelwalm ersetzt.
Noch bis vor wenige Jahre gab der Hof ein tristes Zeugnis verfallender Bauernhofkultur ab: Abgesägte Stützen und Balken sowie waghalsige Aushilfskonstruktionen ließen Zweifel an der Tragfähigkeit der Holzstruktur aufkommen, ein dickschichtiger, bräunlicher Acryl-Überstrich verbarg in der Stube sämtliche Holzoberflächen, morsche Fußböden drohten einzubrechen. Die Befürchtung war groß, dass die bauzeitliche Substanz und somit der historische Wert des Anwesens im Laufe der Veränderungen unwiderruflich verloren geht.
Rettung in letzter Minute – und belohntes Engagement
Quasi in letzter Minute kam die nicht mehr für möglich gehaltene glückliche Wendung des Schicksals: Die Familie Kunze – ein Ärzteehepaar aus Villingen-Schwenningen – war schon länger auf der Suche nach einem unter Denkmalschutz stehenden Schwarzwaldhof, den sie zunächst als Wochenenddomizil nutzen wollten und der später Alterswohnsitz werden sollte. Schon seit der Jugend vertraut mit den schönen Seiten heutigen Wohnens in alten Mauern, scheuten sie sich nicht, sich auch auf dieses schwer sanierungsbedürftige Objekt einzulassen.
In höchster Eile und mit Unterstützung der Denkmalbehörden wurde der Farnrainhof zunächst notdürftig statisch ertüchtigt und über den nächsten Winter gerettet. Es begann eine gewissenhafte, mühevolle und manchmal auch nervenaufreibende Suche nach den wertvollen Überbleibseln der historischen Schille-Bernharden. Hin und wieder kamen tatsächlich kleine Schätze aus der Vergangenheit ans Licht: Hier unter der abblätternden Acrylfarbe eine schwarze Rußfassung und Stempelmalereien, da ein historischer Gratsparren im Dach, eine vergessene Ofenkachel im Keller oder kunstvoll verzierte Kalkputze.
Im Zusammenspiel zwischen der leidenschaftlichen Bauherrschaft, dem Architekten Yacha Jornot von Hardy Happle Architektur aus Wolfach sowie den denkmalerprobten Handwerken und Restauratoren gelang es, diese wertvollen Fragmente durch präzise Eingriffe wieder zusammenzufügen und zu einem harmonischen Ganzen zu sublimieren.

Bild: Hardy Happle Architektur
Zurückhaltung und Respekt: Neu trifft Alt
In den historischen Stuben und Kammern hielten sich die Architekten mit ihren Veränderungen bewusst zurück, um die restaurierten Oberflächen zur Geltung kommen zu lassen. Unter dem Acryl kamen nach behutsamster Arbeit der Restauratorin Sabine Grimmig verloren geglaubte Ölfassungen, Stempelmalereien und Vergoldungen wieder zum Vorschein und konnten zu altem Glanz aufgearbeitet werden. Lehm- und Kalkaufträge hat der Stuckateurmeister und Restaurator Günter Kaiser Schritt für Schritt gereinigt und befestigt, Farbrezepturen nach historischem Vorbild gemischt und Fehlstellen präzise ergänzt. Die noch erhaltenen Bruchsteinwände wurden neu verfugt und stehen nun im spannungsvollen Kontrast zu den neuen Holzoberflächen.
Modernes Wohnen inmitten bauzeitlicher Epochen
Zum Tal hin bilden drei aufeinanderfolgenden Stuben, jede in Ihrem Ausdruck einzigartig, das neue alte Herzstück des Farnrainhofes. Die sogenannte „große Stube“ gewann durch die tiefschwarze Dielendecke und den Einbau der für den Schwarzwald typischen Kastenfenster ihre unverwechselbare Gemütlichkeit zurück. Der vergoldete Herrgottswinkel und der nach historischem Vorbild wiederaufgebaute Grundkachelofen bilden dabei zwei Blickfänge zwischen Tradition und Funktionalität.
Durch eine verzierte Holztür gelangt man in das – durch die Erweiterung des Hofes entstandene – mittlere Stüble: ein barockes Gelenk zwischen den Bauepochen. Im heute zum Schreibzimmer umfunktionierten Raum treffen Holz, Lehm und aufwendig verzierte Kalkputze aufeinander. Ein in der rückseitigen Bruchsteinwand eingelassener Wärmestein aus Granit - die Rückwand des Küchenherdes - lässt erahnen, wie schwierig die Beheizung des Hofgebäudes früher war.
Den visuellen Abschluss dieser Raumfolge bildet schließlich die weiße Eckstube: ein getäfelter, großzügig befensterter Raum. Hier wurde mit großer Sorgfalt das aus dem 19. Jahrhundert stammende Holztäfer abmontiert, restauriert und wiedereingebaut.

Bild: Hardy Happle Architektur
Wohlige Wärme im gedämmten Schwarzwaldhaus
Den historischen baugeschichtlichen Relikten des Farnrainhofs auf die Spur zu kommen, sie in restauratorischer Feinarbeit freizulegen und kunstvoll wieder aufzuarbeiten, war die eine Seite der Sanierungsmedaille. Die andere war es, den Hof für die zeitgemäßen Wohnbedürfnisse umzubauen und anzupassen. Auch hier wurde auf eine behutsame Vorgehensweise geachtet, insbesondere was die wärmetechnische Sanierung des Hofes angeht, bei der jede erwogene Maßnahme auf Augen-
höhe gemeinsam mit dem Denkmalschutz abgestimmt wurde.
Die Isolieruung der Hülle erfolgte in einem Mix aus Innen- und Außendämmung. Wobei man – wo immer möglich – Holz als Baustoff treu blieb und auf Zelluloseflocken und Holzweichfaser-Dämmplatten setzte. Die Dämmdicken variierten zwischen sechs Zentimeter beim Dämmputz, 20 Zentimeter bei der Außendämmung hinter der Holzschindelfassade und 16 Zentimeter bei der Innendämmung.
Wo vormals ein Kachelofen die Stuben beheizte, sorgt nun eine Pellet-Zentralheizung für gemütliche Wärme, verteilt über fußwarme Strahlungsheizung im ehemaligen Stall und im Erdgeschoss, sowie andernorts über Röhrenradiatoren. Als verbliebenes und weiter genutztes Relikt vergangener Zeiten sorgt der alte, wieder instandgesetzte gusseiserne Holzofen in der Eckstube in der kalten Jahreszeit atmosphärisch passend für angenehme Strahlungswärme. Das Knistern des brennenden Holzes liefert die dazu passende Geräuschkulisse.
Neue Elektro-, Heizungs- und Sanitärinstallationen erfolgten allesamt in Vorwandmontage, um die Bausubstanz zu schonen und den Hof zeitgemäß zu ergänzen. Schwarze Drehschalter und Steckdosen im Retrodesign, Kabel, Kupferrohre oder Heizkörper, sie alle bilden durch die handwerkliche Sorgfalt, mit der sie installiert wurden, ein technisches Ornament, eine weitere Sedimentschicht in der langen Geschichte der Schille-Bernharden, die den Hof konsequent in unserer Zeit verankert.
Attraktiver Wohnraum – erstanden aus Ruinen
Architektonische Eingriffe erlaubte man sich nur dort, wo fehlende und verloren gegangene historische Substanz Freiraum ließ: Im vom Vorbesitzer ausgehöhlten Stall entstand ein großzügiger Empfangsbereich, im ehemaligen Schweinestall ein modernes Bad. Es wurden ausschließlich regionale Materialien wie Weißtanne und roter Sandstein verwendet, die sich noch aufgrund ihres jungen Alters von der historischen Substanz abheben, sich aber im Laufe ihrer Lebensdauer optisch annähern werden.
Die Geschichte des Hauses ist nun wieder nachvollziehbar und erlebbar. Die noch vorhandenen historischen Dachsparren, die in das hohe Bad hineinragen, verdeutlichen die Erweiterung des Hauses im Laufe der Jahrhunderte. Die Innenwand wird wieder als ehemalige Außenwand erkennbar. Die Verglasungen zur Bergwand und zur Matte verbinden den Raum mit seiner Umgebung und verdeutlichen wieder, dass der ehemalige Schweinestall nicht dazu bestimmt war, geschlossen zu werden.
Im Mittelgang hat eine moderne Küche den ursprünglichen Platz wieder eingenommen, Rußspuren an Wänden und Balken erinnern daran. Der einst einsturzgefährdete Dachstuhl wurde zu einem vollwertigen Wohnraum ausgebaut und großzügig verglast. Die Belichtung erfolgt talseitig über kleine Öffnungen, die als Lüftungsgauben ausgebildet sind. Diese nachhaltige und an moderne Wohnbedürfnisse angepasste Weiternutzung des Farnrainhofes als Wohnhaus bewahrt die Schwarzwälder Baukultur und ist ein nachahmenswertes Beispiel.
Dass dieses Projekt mit dem Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg 2024 ausgezeichnet wurde, ist mehr als verdient und sollte Mut machen, scheinbar unrettbar verlorene Baukulturgüter nicht vorschnell aufzugeben. Auch wenn die dafür aufzubringende Investition hoch ist und sich niemals im klassischen Sinn wirtschaftlich rechnet – der endgültige Verlust solcher Juwelen wäre umso schmerzlicher.

Bild: Hardy Happle Architektur

Bild: Hardy Happle Architektur

Bild: Hardy Happle Architektur

Bild: Hardy Happle Architektur

Bild: Hardy Happle Architektur

Bild: Markus Schwer

Bild: Hardy Happle Architektur

Bild: Hardy Happle Architektur
Bautafel
Objekt: Sanierung des Farnrainhofs (ehem. Schille-Bernharden) in 79215 Yach / Elzach
Bauherrschaft: Dr. Ute und Markus Kunze, 79215 Yach
Architekt: Hardy Happle Architektur, Yacha Jornot, 77756 Hausach, www.hardyhapple.com
Restauration: Holzbau Göppert, 78141 Schönwald, www.holzbau-goeppert.de, und Sabine Grimmig, 78144 Tennenbronn, www.restaurierung-schwarzwald.de
Stuckateur: Günter Kaiser und Sasha Hummel, 78098 Triberg, www.kaiser-stuckateur.de
Maurerarbeiten: Jürgen Hättich, 79274 St. Märgen,
www.restaurator-im-handwerk.de