„Im Energiesektor hat die Koalition richtige Weichen gestellt und die Grundlage für Unabhängigkeit, Versorgungssicherheit und Preisstabilität geschaffen.“ Dies ist das Fazit von Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE), zur Arbeit der Regierungskoalition, die am 5. November auseinandergebrochen ist. Mit dem Gebäudeenergie- und dem Wärmeplanungsgesetz sei ein Fahrplan für die Dekarbonisierung des Wärmesektors in Gebäuden und Netzen in Verbindung mit umfangreichen Förderprogrammen festgelegt worden. „Branche, Handwerk, Banken, Kommunen, Energieversorger und Bürgerinnen und Bürger beginnen, sich auf die neuen Konditionen einzustellen.“
Doch die kommende Neuwahl könnte ihrer Meinung nach diese Entwicklung gefährden. „Eine im Wahlkampf zugespitzte Diskussion um das sogenannte Heizungsgesetz würde zu neuer Verunsicherung und Investitionszurückhaltung führen.“ Damit gefährdet man laut Peter nicht nur die Einhaltung der Klimaziele im Wärmebereich, „sondern auch den nachhaltigen Schutz vor steigenden Preisen aufgrund geopolitischer Verwerfungen und die Planungssicherheit einer mittelständischen Branche, die in Vertrauen auf die neuen Rahmenbedingungen in hohe Vorleistungen gegangen ist.“
Unsicherheit in der Branche
Dabei dürfte Peter auch die sehr wahrscheinliche Beteiligung der Unionsparteien an einer neuen Regierung ab Februar Kopfzerbrechen bereiten – zumindest was dieses Thema betrifft. Denn diese wollen das Heizungsgesetz zurücknehmen, wie aus einem Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hervorgeht. Für den BEE ist dies nicht nachvollziehbar. „Schon die Debatte darüber schadet der Heizungsbranche massiv, da sie die gerade erst erreichte Planungssicherheit durch Gebäudeenergie- und Wärmeplanungsgesetz sowie entsprechende Förderprogramme zunichtemacht“, sagt Peter. „Alles andere führt zwangsläufig zu weiteren Investitionszurückhaltungen und damit zu erheblichen Verwerfungen in der erneuerbaren Wärmebranche.“
Peter ist mit ihrer Kritik nicht allein. Auch der Energieberatendenverband GIH sieht die Ankündigung im Positionspapier skeptisch. Er befürchtet ebenfalls eine Verunsicherung bei allen Akteuren. „Eine Abkehr von der Verpflichtung zu mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien im Heizbereich ist daher unbedingt zu vermeiden“, sagt der GIH-Vorsitzende Stefan Bolln.
BEE-Präsidentin Peter erkennt zwar auch Positives in den Plänen der Unionsfraktionen. So lobt sie das klare Bekenntnis zur Klimaneutralität bis 2045. Und es sei gut, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien als Grundvoraussetzung für den Industriestandort anerkannt wird. Doch grundsätzlich befürchten viele Verbände, dass der eingeschlagene Weg zur Energiewende durch die vorgezogene Wahl und einer neuen Regierung nun nicht zügig und entschlossen, sondern eher im Stop-and-Go-Modus fortgeführt wird.
Trotz aller nationalen und internationalen politischen Ungewissheiten dürfe es nicht sein, dass wesentliche Elemente einer nachhaltigen Politik im Baubereich infrage gestellt werden, mahnt Marita Klempnow, Vorstand des Energieberaternetzwerks DEN. „Bauherren und Unternehmen brauchen vor allem Verlässlichkeit und Planungssicherheit, wenn sie in Sanierungen und energieeffiziente Maßnahmen investieren sollen.“ Bolln vom GIH appelliert an die Politik, „die Energiewende langfristig und verlässlich zu gestalten und nicht mit jeder neuen Regierung infrage zu stellen“.
Förderung könnte das Geld ausgehen
Vor allem Förderprogramme könnten gefährdet sein, was aus Sicht vieler Verbände fatal wäre. Denn Fördersystematik und Gesetzgebung aus dieser Legislatur stellen laut Peter die Leitplanken dar, um die Wärmewende umzusetzen. „Die Förderprogramme zur finanziellen Unterstützung der Wärmewende in Gebäuden und Wärmenetzen müssen ohne Brüche und auskömmlich ausgestattet weiterlaufen“, fordert sie. Entsprechende Haushaltsmittel seien einzustellen, um eine weitere Verunsicherung bei Verbraucherinnen und Verbrauchern beziehungsweise Planungsunterbrechungen bei der Kommunalen Wärmeförderung zu verhindern.
Doch der Bauherren-Schutzbund (BSB) befürchtet, dass die nötigen Mittel ausbleiben könnten. Die Fortführung der Förderprogramme in den Bereichen privater Neubau und Gebäude-
modernisierung über den Jahreswechsel hinaus sei stark gefährdet, heißt es in der Pressemeldung des BSB. „Grund ist die Unsicherheit um den Bundeshaushalt 2025 nach dem Bruch der Ampelkoalition. Die vorläufige Haushaltsführung, die bei einem Scheitern der Haushaltsverhandlungen ab 2025 greift, könnte wichtige Fördermittel aus dem Klima- und Transformationsfond für private Bauvorhaben und energetische Gebäude-
modernisierungen zunächst einfrieren. Dies würde zu einem abrupten Stopp aller laufenden Maßnahmen führen und zahlreiche Verbraucher, die auf Förderungen angewiesen sind, vor erhebliche finanzielle Herausforderungen stellen.“
Verbraucher, die Förderungen als Voraussetzung für geplante Bau- und Modernisierungsmaßnahmen benötigen, sollten aufgrund der aktuellen Unsicherheiten keine Zeit bei der Antragstellung verlieren. „In Anbetracht der drohenden Förderlücke ist Eile geboten“, sagt BSB-Geschäftsführer Florian Becker.
Netzstabilität gefährdet
Schnelles Handeln ist laut BEE auch bei bestimmten Gesetzesvorhaben angebracht. Die geplante Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) müsse noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden, fordert der Verband. Dabei geht es um Maßnahmen, mit denen verhindert werden soll, dass die Stromnetze durch den verstärkten Zubau von PV-Leistung im Sommer überlastet werden.
Dem soll unter anderem durch eine Neuregelung der Vergütung von PV-Anlagen und einer Ausweitung der Anschlusskapazitäten entgegengewirkt werden. Neben dem BEE sieht auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft dringend Handlungsbedarf. „Ohne angemessene Möglichkeiten der Steuerbarkeit droht eine Gefährdung für die Stabilität der Netze“, mahnt Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung.
Energieberatende brauchen Unterstützung
Klempnow vom DEN fordert außerdem speziell für die Energieberatenden mehr Unterstützung durch die Politik. Diese besäßen eine Schlüsselfunktion, um bei Gebäudesanierungen die nötige Energieeffizienz zu erreichen und gleichzeitig die Langlebigkeit der Gebäudehülle und der verbauten Technik sicherzustellen. „Zusätzlich sichern sie optimale Finanzierungsmöglichkeiten durch Förderungen der öffentlichen Hand“, fügt Klempnow hinzu. Von politischer Seite sei es deshalb unabdingbar, die Stellung und die Bedeutung von Energieberaterinnen und Energieberatern zu sichern und zu unterstützen.
Dabei weist sie auch auf eine Initiative des DEN hin, in der das Netzwerk zusammen mit Hochschulen ein Berufsbild für Energieberatende entwickelt, zu dem neben einer akademischen Ausbildung auch berufspraktische Teile gehören. Um dies schnell umzusetzen, sei man auf politische Unterstützung angewiesen. „Solche Unterstützung kostet keine Millionen. Sie verlangt nur Mut und Entscheidungsfreudigkeit.“