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Digitalisierung für Energieprofis

Algorithmen bringen Tempo ins Energiekonzept

„Der Bedarf an Energiekonzepten wächst stetig“, sagt Bernd Petraus, Gründer und technischer Vorstand des Start-ups Digital Building Industries (DBI). „Gleichzeitig wird ihre Berechnung zunehmend komplexer. Es gibt eine Vielzahl von Variablen wie dynamische Strompreise, Integration von Photovoltaikanlagen oder Speicher-Auslegung.“ Die Lösung dafür sieht er in der Digitalisierung. „Unsere Software setzt genau hier an.“

Die Software, von der er spricht, heißt Berta & Rudi. Genau genommen handelt es sich dabei um zwei Programme. Mithilfe von Berta lässt sich eine Energieprognose für ein Gebäude erstellen. Rudi berechnet auf dieser Basis dann die optimale Energieversorgung. Die eher ungewöhnlichen Namen stehen nicht etwa für die Entwickler der Software oder haben einen anderen naheliegenden Hintergrund. Sie sind das Ergebnis einer Marketing-Sitzung, in der zwei griffige Bezeichnungen für die neue Lösung gesucht ­wurden.

Doch überzeugen sollen die Nutzer vor allem die Funktionen, die Berta & Rudi bieten. Mit dem Software-Angebot sei es möglich, in wenigen Minuten belastbare Energiekonzepte für Gebäude aller Art zu erstellen, so Petraus. Großen Anteil daran hat künstliche Intelligenz (KI). Denn Berta nutzt maschinelles Lernen, um anhand der Informationen eines Gebäudes die Energieprognose zu erstellen.

Software fügt Klimadaten hinzu

Nutzer müssen dafür relativ wenig Daten eingeben. Dazu zählen etwa die Bauart des Gebäudes, das Baujahr, die Effizienzklasse, die Nutzungsart, die Nutzfläche und die Standortadresse. Weitere Informationen wie zum Beispiel Klimadaten fügt das Programm selbstständig hinzu. „Als Ergebnis erhält der Anwender eine präzise Prognose der Lastgänge – und zwar in einem hohen Detaillierungsgrad und aufgelöst nach Stunden, ­Tagen, Wochen oder Monaten“, berichtet Petraus.

Danach beginnt der Job von Rudi. Auf Basis der Lastgänge, die Berta errechnet hat, ermittelt das zweite Programm die für das Gebäude optimale Anlagentechnologie und deren Dimensionierung. Rudi wählt dafür selbstständig aus den verschiedenen Energietechnologien die passende aus und kombiniert diese auch miteinander. Dabei orientiert sich die Software an vorab definierten Zielvorgaben – abhängig davon, ob das Konzept zum Beispiel bezüglich Anfangsinvestition, Gesamtkosten oder CO2-Ausstoß optimiert sein soll.

Rudi schlägt dem Nutzer mehrere Varianten vor, die dieser miteinander vergleichen kann. Doch die Arbeit der Software ist damit noch nicht erledigt: „Das Spannende ist, dass der Anwender nun in einen Dialog mit Rudi tritt.“ Das bedeutet: Der Nutzer kann die vorgeschlagenen Varianten verändern und die Berechnung neu starten. Er kann zum Beispiel fragen, wie das Konzept ohne Geothermie aussehen würde, weil Geothermie am Standort beispielsweise nicht erlaubt ist. Dann erhält er ein neues Ergebnis, das ohne Geothermie auskommt und in dem sich die Software eigenständig für eine neue Variante entscheidet – zum Beispiel für eine Luft-Wasser Wärmepumpe mit Pelletskessel als Spitzenlast. Daneben erfährt der Nutzer auch, warum das Programm genau diese Technologie ausgewählt hat.

KI hat auch Grenzen

Im Gegensatz zu Berta handelt es sich bei Rudi laut Petraus um kein klassisches KI-System. Trotz der großen Vorteile der Technologie sei man sich auch der Grenzen der künstlichen Intelligenz bewusst: „Egal über welche Art von KI man spricht – es liegt in ihrer Natur, dass diese keine exakten Ergebnisse liefert.“ Für die Energieprognose, bei der man ohnehin mit einer gewissen Unsicherheit leben müsse, sei dies akzeptabel. Für die Berechnung der Energieanlage verlassen sich die Softwareentwickler dagegen auf klassische Optimierungsverfahren. Doch auch mit diesen Algorithmen ist die Software lernfähig und kann die komplexen Wechselwirkungen berücksichtigen, wie etwa volatile Energiemärkte oder dynamische Wirkungsgrade.

Der Anwender, der diese Softwarefunktionen nutzt, sollte allerdings kein Laie sein. Er benötigt Fachkompetenz, um mit den Ergebnissen arbeiten zu können. „Man kann sich nicht einfach bis zum Ende durchklicken, dann zum Anlagenbauer gehen und sagen: ‚Jetzt mach mal“, erklärt Petraus. „Wir richten uns mit unserem Angebot an Ingenieure, also an Energie­profis.“

Deren Arbeit wird seiner Meinung nach dank Berta & Rudi deutlich vereinfacht und beschleunigt. In der Regel dauere es mehrere Wochen, um ein Energiekonzept auf die übliche Weise auszuarbeiten. „Dann geht man mit diesem Konzept zum Kunden. In dem Gespräch stellt sich aber oft heraus, dass noch etwas revidiert muss - was bedeutet, dass es wieder zwei Wochen dauert, bis das überarbeitete Konzept vorliegt.“ Dieser Prozess könne nun dank der Software wesentlich verkürzt werden. „Und man kann das Konzept gemeinsam mit dem Kunden erarbeiten, weil es innerhalb weniger Minuten angepasst werden kann.“

Nur die Energieerzeuger im Fokus

Die mögliche Angst von Energieexperten, dass Berta & Rudi deren Job komplett übernehmen könnte, sei unbegründet, glaubt Petraus. Die Software sei nur ein Werkzeug, dass die Anwender bei einer komplexen Aufgabe – nämlich dem Erstellen eines Energiekonzepts – unterstützte. „Man erhält aber keine fertige Lösung.“ Zudem helfen Berta & Rudi nur, wenn es um die Vorplanung und die Kostenschätzung geht. „Mit dem Konzept, das man erhält, muss man schließlich weiterarbeiten und in die weiteren Prozesse wie etwa Genehmigungs- und Ausführungsplanung gehen.“

Die Kompetenz eines Fachexperten wird auch deshalb noch benötigt, weil sich Software-Hersteller DBI mit seinen Programmen nur auf die Energieerzeuger konzentriert. Die Leitungen im Gebäude sowie die Übergabesysteme wie Heizkörper oder Flächenheizungen werden nicht in die Varianten einbezogen, welche die Software ausspuckt. Auch die Gebäudehülle wird nicht berücksichtigt. Dabei spielen diese Faktoren eine wichtige Rolle bei der Erarbeitung eines Energiekonzepts.

Dass Berta & Rudi diesbezüglich quasi einen blinden Fleck haben, ist auch Petraus bewusst. „Es gibt ja den Grundsatz: Vermeiden vor Optimieren. Man sollte sich also zunächst die Hülle anschauen, bevor man sich an die Optimierung der Anlage macht.“ Diese Prämisse gelte auch bei der Nutzung von Berta & Rudi. „Wir gehen davon aus, dass die Hülle des Gebäudes schon optimiert ist, wenn ein Anwender die entsprechenden Daten in unsere Software eingibt.“

Vor allem für komplexe Projekte sinnvoll

Grundsätzlich lässt sich das Software-Bundle laut dem DBI-Chef für ein breites Spektrum an Projekten einsetzen – vom Einfamilienhaus bis zum Bürogebäude oder auch einem Automobilwerk. Je komplexer ein Projekt aber ist, desto besser können die Programme ihre Stärken ausspielen. Dann ergibt auch die Nutzung von KI einen Sinn, deren Unterstützung ja vor allem dann wertvoll ist, wenn es kompliziert wird. „Erst wenn ein Projekt eine gewisse Komplexität hat, werden auch Ingenieurbüros hinzugezogen. Und das ist ja die Zielgruppe unseres Angebots“, erklärt Petraus.

Wer dann mit Berta & Rudi arbeiten möchte, zahlt 50 bis 200 Euro pro Nutzer und Monat - abhängig vom Funktionsumfang und dem Nutzungszeitraum der Lizenz, die man bucht. Künftig soll zu den beiden Namen im Angebot von DBI noch ein weiterer hinzukommen. Das Start-up plant eine Software auf den Markt zu bringen, die bei noch komplexeren Projekten unterstützen soll – nämlich bei der Berechnung von Nahwärmenetzen. Zu Berta & Rudi wird sich dann noch Fiona gesellen.

Bei Berechnung der Varianten orientiert sich die Software an vorab definierten Zielvorgaben.

Bild: DBI

Bei Berechnung der Varianten orientiert sich die Software an vorab definierten Zielvorgaben.

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