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Luftdurchlässigkeitsmessung an einem Hochhaus

Turmhoch dicht

In Wien führte ein Messteam im Februar 2021 erstmals in Europa eine Luftdurchlässigkeitsmessung in einem 125 Meter hohen Gebäude durch. Die Messung orientierte sich an dem Leitfaden zur Luftdichtheitsmessung von Hochhäusern des Passivhaus Instituts Darmstadt. Zusätzlich wurden Differenzdruck-Messstellen an der gesamten Gebäudehülle verteilt, um ein möglichst genaues Bild der Druckverteilung während der Messung zu erhalten.

Bei dem Gebäude handelt es sich um einen der drei Triiiple-Türme im Wiener Stadtbezirk Leopoldstadt. Er umschließt ein Volumen von ca. 77 000 Kubikmetern und besteht aus 38 Geschossen mit 670 Wohnungen inklusive zwei Untergeschossen. Mittig im Gebäude befinden sich ein Treppenhaus sowie vier Aufzüge. Das Gebäude soll eine Luftwechselrate n₅₀ ≤ 1,5 h-1 bei 50 Pascal Gebäudedruckdifferenz aufweisen. Die Gebäudepräparation erfolgte nach Verfahren 1 der ISO 9972:2015.

Die besonderen Herausforderungen der Messung stellten unter anderem die Herstellung einer gleichmäßigen Druckverteilung im Gebäude – maximaler Druckabfall ≤ 10 % der erzeugten Gebäudedruckdifferenz zwischen innen und außen über die gesamte Höhe – und der Umgang mit den hohen und schwankenden natürlichen Druckdifferenzen an der Gebäudehülle durch Thermik und Wind dar.

1 18 Blower-Door-Messgebläse wurden über die Gebäudehöhe verteilt. Um einen gleichmäßigen Aufbau des Differenzdrucks über die gesamte Gebäudehöhe zu erzeugen, war es in diesem Gebäude notwendig, neben den neun Gebläsen im Erdgeschoss zusätzliche Messgebläse im 12., 22. und 34. Geschoss einzubauen. Einbauort war jeweils eine Balkontür bzw. im 34. OG die Tür zur Dachterrasse.

Bild: Blower Door

1 18 Blower-Door-Messgebläse wurden über die Gebäudehöhe verteilt. Um einen gleichmäßigen Aufbau des Differenzdrucks über die gesamte Gebäudehöhe zu erzeugen, war es in diesem Gebäude notwendig, neben den neun Gebläsen im Erdgeschoss zusätzliche Messgebläse im 12., 22. und 34. Geschoss einzubauen. Einbauort war jeweils eine Balkontür bzw. im 34. OG die Tür zur Dachterrasse.

Vorbereiten der Luftdurchlässigkeitsmessung

Durch die sorgfältige Planung und Vorbereitung konnte die Messung im Februar 2021 erfolgreich durchgeführt werden. Dazu beigetragen hat der fachkundige Austausch zwischen Expertinnen und Experten aus drei Ländern. Das Projekt leitete
die österreichische Bauingenieurfirma Mischek ZT in Zusammenarbeit mit der Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle der Stadt Wien. Beratung und Messunterstützung boten der deutsche Messtechnikspezialist Blower Door aus Springe und der US-amerikanische Messgerätehersteller The Energy Conservatory  aus Minneapolis.

Bereits einige Wochen vor dem Termin maß das Team zur Vorbereitung ausgewählte Musterzimmer in dem Hochhaus, um die Leckageströme über die vorhandenen 670 Zuluftelemente in den Außenwänden abzuschätzen und sie in die Kalkulation der erforderlichen Messgebläse einfließen zu lassen. Bei weiteren Baustellenterminen protokollierte es Windgeschwindigkeiten sowie Innen- und Außenlufttemperaturen. Außerdem führte es Differenzdruckmessungen an der Gebäudehülle durch, um einen Überblick über den Einfluss von Wind und Thermik zu erhalten.

Auch prüfte es vor Ort, wie sich ein Luftverbund innerhalb des gesamten Gebäudes herstellen lässt, damit die Leckageströme von der Gebäudehülle bis zur Messeinrichtung fließen konnten. Als Nachströmwege kamen neben dem Treppenhaus die Fahrstuhl- und Brandschutzschächte in Betracht. Die Einbauorte für die Messgeräte wurden in Augenschein genommen, um eventuell notwendige Hilfskonstruktionen für den Messaufbau planen zu können. Das Messkonzept umfasste folgende Inhalte:

  • Bestimmung der zu messenden Gebäudeteile und Räume
  • Kalkulation des erforderlichen Volumenstromes
  • Planung der Nachströmwege und -öffnungen zur Herstellung eines Luftverbunds
  • Planung der Messgebläse hinsichtlich Anzahl und Verteilung im Gebäude
  • Planung zusätzlicher Differenzdruckmessstellen an der Gebäudehülle zur Kontrolle während der Messung
  • Planung der „Messzentrale“ im Erdgeschoss
  • Planung der Stromversorgung und -anschlüsse
  • Aufstellung der Blower-Door-Messgeräte planen

    Zunächst sichtete das Team vom zweiten Untergeschoss bis zum Dachgeschoss die Luftdichtheitsebene. Anschließend zeichnete es sie in Schnitten und Grundrissen ein, um die Gebäudepräparation zu planen und festlegen zu können, welche Türen zu angrenzenden Gebäudebereichen außerhalb des Prüfobjektes geschlossen werden müssen. Besonders herausfordernd war es, einen ausreichend großen Luftverbund im gesamten Gebäude herzustellen, damit in jedem Geschoss während der Messung der gleiche Differenzdruck erzeugt werden konnte.

    Eine gleichmäßige Druckverteilung hängt von der Dichtheit der Gebäudehülle und der Größe der Öffnungen ab, die alle Geschosse miteinander verbinden. Je undichter die Hülle ist, desto größer sind die Luftströmungen und desto größere Nachströmöffnungen zu den Messeinrichtungen sind erforderlich. Der Druckabfall sollte weniger als zehn Prozent der erzeugten Gebäudedruckdifferenz im Erdgeschoss zwischen innen und außen betragen.

    Basierend auf der angestrebten maximalen Luftwechselrate betrug der erforderliche Volumenstrom bei 50 Pascal Gebäudedruckdifferenz ca.105 000 Kubikmeter pro Stunde, zuzüglich 19 000 Kubikmeter pro Stunde für die 670 Zuluftelemente als Sicherheit. Es schien zu riskant, den Luftverbund über das enge Treppenhaus ohne Treppenloch und mit nur je drei Türen zu den Geschossen herzustellen. Daher wurde ein 130 Meter hoher Fahrstuhlschacht als verbindende Öffnung über die Gebäudehöhe hinzugenommen. Zur Sicherheit war nur ein Teil der Fahrstuhltüren während der Messung geöffnet: 1. UG bis 1. OG, 11. bis 13. OG, 21. bis 23. OG sowie 33. bis 35. OG.

    Insgesamt 18 Blower-Door-Messgebläse wurden auf vier Etagen verteilt (Abb. 1): Neun in der Messzentrale im Erdgeschoss sowie jeweils drei Gebläse im 12., 22. und 34. OG. Der Einbau in Balkontüren in den höheren Geschossen erfolgte, um sie bei einem möglichen Druckabfall dazuschalten zu können.

    2 Gebäudedruckdifferenzen der Überdruckmessreihe im Erdgeschoss sowie im 12., 22. und 34. Obergeschoss

    Bild: Blower Door

    2 Gebäudedruckdifferenzen der Überdruckmessreihe im Erdgeschoss sowie im 12., 22. und 34. Obergeschoss

    Messen und Gebläse schalten

    Am Messtag herrschte eine Windstärke von etwa drei Beaufort. Die Schwankungshöhe der Druckdifferenzen an den Gebäudeseiten sowie die Unterschiede zwischen den Seiten waren insgesamt im Erdgeschoss am geringsten und nahmen mit der Gebäudehöhe deutlich zu. Das Messprogramm zeigte die Messwerte im Sekundentakt auf dem Laptop an. Im Livediagramm konnte das Messteam die Kurven für die Gebäudedruckdifferenzen, für die Einzelvolumenströme der Gebläse sowie für den Gesamtvolumenstrom verfolgen. Dadurch war es ihm möglich, Gebläse bei einem zu hohen Druckabfall hinzuzuschalten.

    So konnte es nach dem Messstart mit zunächst neun Gebläsen im Erdgeschoss und einem Fördervolumen von ca. 65 000 Kubikmetern pro Stunde zwar die gewünschten Messpunkte ansteuern, doch der Druckabfall im oberen Gebäudeteil fiel deutlich höher aus als zehn Prozent. Mit den Messgebläsen im 22. OG ließ sich der Druckabfall ausgleichen. Der Mittelwert des Leckagestroms aus der Unter- und Überdruckmessreihe bei 50 Pascal betrug letztlich knapp 60 000 Kubikmeter pro Stunde.

    Aufgrund der Gebäudehöhe und einer Temperaturdifferenz von 17 Kelvin zwischen Innerem und außen zeigte das Gebäude hohe Druckdifferenzen aufgrund von Thermik. Die Messstellen im obersten Geschoss wiesen eine natürliche Druckdifferenz von ca. 70 Pascal und im Erdgeschoss von ca. minus zehn Pascal aus. Basierend auf diesen Werten wurden die Messpunkte der Unterdruckmessreihe so gewählt, dass im gesamten Gebäude ein konstant negativer Druck herrschte, entsprechend bei der Überdruckmessreihe ein konstant positiver (Abb. 2).

    Es zeigte sich, dass die druckneutrale Zone nicht wie oftmals erwartet in der Mitte des Gebäudes lag, sondern zwischen dem vierten und fünften Obergeschoss. Das bedeutete, dass sich ein Großteil der Leckagen im unteren Gebäudeteil befand.

    Empfehlungen

  • Eine sorgfältige Vorbereitung ist notwendig, um eine gleichmäßige Druckverteilung über die Gebäudehöhe zu erhalten. Je undichter die Hülle, desto größer müssen die Öffnungen über das Treppenhaus oder Schächte sein, um eine gleichmäßige Nachströmung in alle Gebäudeteile zu erreichen.
  • Die Zentrale mit der Steuerung der Messeinrichtungen und einem Großteil der Messgebläse kann im Erdgeschoss eingerichtet werden. Druckschwankungen durch Wind sind im Erdgeschoss am geringsten und steigen mit zunehmender Gebäudehöhe an. Um eine stabile Grundlage zur Regelung der Messgebläse auch bei Wind zu haben, empfiehlt sich der Einbau im Erdgeschoss.
  • Besteht die Gefahr, dass die Nachströmöffnungen innerhalb des Gebäudes nicht ausreichen könnten, müssen zusätzliche Gebläse in höher gelegenen Etagen möglichst auf der windabgewandten Seite eingebaut werden. Diese Gebläse können bei Bedarf nacheinander zugeschaltet werden.
  • Die Windgeschwindigkeit während der Messung sollte kleiner oder gleich drei Beaufort sein. Es wird empfohlen, dass die Temperaturdifferenz zwischen dem Inneren und außen acht bis zehn Kelvin nicht überschreitet.
  • Werden Wind und Thermik erwartet, unterstützen zusätzliche Messstellen für die Druckdifferenz die Messaufnahme.
  • Vier Messstellen, eine an jeder Gebäudeseite, im Erdgeschoss und im obersten Geschoss, geben ein aussagekräftiges Bild der Druckverteilung über die Höhe.
  • Die Steuerung der Messeinrichtung kann auf den Mittelwert der Druckdifferenzen im Erdgeschoss eingestellt werden. Er fließt in die Ermittlung der Leckagekurve ein. Die Aufnahmezeiten für die Messpunkte können bei böigen Windverhältnissen auf 60 bis 120 Sekunden verlängert werden, um die Streuung der Messpunkte zu verringern.
  • Die Messstellen für den Gebäudedruck in der obersten Etage dienen der Kontrolle. Sie zeigen während der Einstellung der Messpunkte, ob sich bei der Unterdruckmessreihe im Gebäude über die gesamte Höhe ein negativer Druck und bei Überdruck ein positiver Druck einstellt.
  • Literatur

    Peper, S; Schnieders, J. (2019): Luftdichtheits-Messung von Hochhäusern. Passivhaus Institut, September 2019

    Rolfsmeier, S (2015).: Luftdurchlässigkeitsmessung großer Gebäude. In: Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen e. V. (Hrsg.): Gebäude-Luftdichtheit, Band 2, Berlin 2015

    Wie sich Wind und Thermik auf ein Gebäude auswirken

    Wind sowie Temperaturunterschiede zwischen Gebäudeinnenluft und Außenluft verursachen Druckunterschiede an der Gebäudehülle, die sogenannten natürlichen Druckdifferenzen.

    So drücken die Luftströmungen durch Wind auf der windzugewandten Seite Außenluft über Leckagen in ein Gebäude hinein. Der Druck auf der Außenseite der Gebäudehülle ist an dieser Seite höher als auf der Innenseite. Auf der windabgewandten Seite ist es genau umgekehrt. Dort wirkt ein Sog. Der Außendruck ist niedriger und Innenluft strömt über Leckagen nach außen.

    Thermik in einem Gebäude entsteht, wenn sich die Lufttemperatur im Gebäude und die Außenlufttemperatur unterscheiden. Grund: Warme Luft ist aufgrund ihrer geringeren Dichte leichter als kalte. In der Heizperiode steigt die Luft im Gebäude nach oben und strömt über Leckagen nach außen, während kalte Außenluft über Undichtheiten im unteren Gebäudeteil nachströmt. Sind die Leckagen gleichmäßig über die Gebäudehöhe verteilt, bildet sich in der oberen Gebäudehälfte ein Überdruck und in der unteren Hälfte ein Unterdruck. Dazwischen liegt die druckneutrale Zone.

    GEB Edition

    Fachbeiträge zur Luftdichtheit in Gebäuden bietet unsere EDITION „Luftdichtheit“:

    https://www.geb-info.de/luftdichtheit/edition-luftdichtheit

    GEB Dossier

    Grundlegende Informationen zum -Thema -finden Sie auch in -unserem Dossier Luftdichtheit mit -Beiträgen und News aus dem GEB:

    https://www.geb-info.de/themen/luftdichtheit

    Stefanie Rolfsmeier
    arbeitet als Diplom-Ingenieurin bei der Blower Door GmbH in Springe. Sie ist außerdem im Vorstand des Fachverbands Luftdichtheit im Bauwesen.

    Bild: Blower Door

    Emanuel Mairinger
    hat als Mitarbeiter der Mischek ZT GmbH das Messprojekt geleitet.

    Thomas Gayer und Johannes Neubig

    sind Mitarbeiter der Prüf-, Inspektions- und ­Zertifizierungsstelle, Magistratsabteilung 39, der Stadt Wien.

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