Luftdichtes Bauen und Sanieren wird in Normen geregelt (vor allem: DIN 4108-7), ein Luftdichtheitskonzept [1] ist seit 2014 Förderbedingung der KfW, doch immer noch nehmen viele Hauseigentümer:innen und sogar Planende und Ausführende, die es besser wissen sollten, die Abdichtung der Gebäudehülle auf die leichte Schulter. Über die Basics dieser für die Energieeffizienz und besonders für die Schadensfreiheit so wichtigen Maßnahme, vom Luftdichtheitskonzept bis zum Blower-Door-Test, hatte sich der GEB im letzten Frühjahr mit Oliver Solcher unterhalten, dem Geschäftsführer des Fachverbandes Luftdichtheit im Bauwesen (FLiB) (GEB 03-2024, Energieeffizient und schadensfrei).
Dieses Mal standen der Redaktion zwei ebenfalls ausgewiesene Fachleute Rede und Antwort, beide seit langem ebenfalls im FLiB aktiv. Wilfried Walther arbeitet als Dozent und Sachverständiger für Bauphysik am Energie- und Umweltzentrum (e.u.z.) im niedersächsischen Springe-Eldagsen und ist unter anderem Mitorganisator des internationalen Buildair-Symposiums zu Fragen der Luftdichtheit in Hannover am 16. und 17. Mai 2025. Helmut König ist Abteilungsleiter Ingenieurbau und Gutachter im Planungsbüro Herz & Lang im bayrischen Weitnau. Sie sprechen darüber, wie man die Bedeutung der Luftdichtheit im Bewusstsein von Laien und Ausführenden verankern könnte, worauf Energieberatende achten und worauf sie ihre Kund:innen hinweisen sollten, aber ebenso über aktuelle Entwicklungen, die in der Branche diskutiert werden. Und sie stellen klar, was sie bei ihren Vor-Ort-Terminen in Zukunft auf keinen Fall mehr sehen wollen.
Herr Walther, immer noch denken offenbar viele Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer, eine undichte Hülle sei eine Versicherung gegen Schimmel. Wie könnten Energieberatende ihnen die Vorteile einer luftdichten Bauweise näherbringen?
Wilfried Walther: Für die Luftdichtheit gibt es viele gute Gründe, darunter Minimierung der Energieverluste und Sicherstellung der Behaglichkeit. Und der Hausbesitzer möchte es ja behaglich haben, dass es nicht zieht. Er möchte auch, dass alles fachgerecht und nach dem Stand der Technik gemacht wird, dass die Normen eingehalten werden, dass er seine Förderung bekommt. Daran denkt er wahrscheinlich zuerst.
Herr König, zu den Aufgaben von Energieberatenden gehört es ebenso, über die tatsächlichen Zusammenhänge zwischen dem Zustand der Gebäudehülle und etwaigen Feuchte- und Schimmelproblemen aufzuklären. Wie und was sollte man an dieser Stelle kommunizieren?
Helmut König: Man sollte vermitteln, dass nur das Gesamtpaket aus einer sowohl dichten als auch gut gedämmten, wärmebrückenarmen Gebäudehülle inklusive der richtigen Baumaterialien das Risiko eines Schimmelpilzbefalls wirksam reduziert. Aber am Ende auch nicht ohne das richtige Lüftungs-, das richtige Nutzerverhalten.
Wo im Gebäudebestand lauern in puncto Luftdichtheit die größten Schadensrisiken?
König: Man muss hier unsanierte, teilsanierte oder komplett sanierte Gebäude unterscheiden, zudem Gebäude in massiver Bauweise und in Holzbauweise. Historische Gebäude sind gesondert zu betrachten. In unsanierten, massiven Gebäuden aus den 1990er Jahren und davor sind es gerade in Erd- und Obergeschoss meist die Rollladenkästen und Fensteranschlüsse. Im Dachgeschoss finden sich die Leckagen oft an Bauteilübergängen zwischen Dach und Wand oder Dach und Kniestock sowie an Einbauten und Durchdringungen wie zum Beispiel Dachfenstern, Kaminen und Entlüftungsrohren. Auch im Bereich unverputzter Wandzonen und Mauerkronen. In Holzrahmenhäusern oder vergleichbaren Gebäuden verteilen sich die Leckagen ähnlich. Zusätzliche Leckagen können an Elementstößen innerhalb der Wandfläche vorhanden sein oder im Bereich der Deckenauflager in den Außenwänden. Allerdings halte ich die teilsanierten Gebäude für die kritischsten. Oft auch, weil sich vor der Maßnahme niemand Gedanken gemacht hat über das Thema Luftdichtheit oder über die Verlagerung der Undichtheiten.
Walther: Also darüber, wo die Luftdichtheitsebene liegt, beziehungsweise, ob überhaupt eine vorhanden ist, ob die vorhandene OK ist, nachgebessert werden kann oder neu erstellt werden muss.
König: Es wird beispielsweise nur die oberste Geschossdecke gedämmt, aber der Fußpunkt am Übergang Außenwand – Decke – Dach nicht beachtet. Resultat ist dann häufig eine Leckage, die zu Tauwasserausfall in der Konstruktion und Eisbildung an Traufe und Ortgang führen kann. In komplettsanierten Gebäuden sollten Anzahl und Größe der undichten Stellen deutlich geringer sein. Sofern die luftdichte Ebene auch geplant und entsprechend ausgeführt wurde.
Walther: Wir haben im Zuge unserer Messungen festgestellt, dass die Holzbauten dichter waren als die Massivhäuser, weil die Holzbauer wussten, dass sie Probleme bekommen können. Die sind also meistens nicht so unbedarft rangegangen. Die Massivhausbauer dagegen vergaßen häufig, dass sie ja ein Holzdach haben, dessen Anschluss an den mineralischen Teil ordentlich und dicht ausgebildet sein muss. Die hatten die meisten Probleme mit Feuchte im Übergangsbereich.
König: Positiv fallen vereinzelt ältere Gebäude aus der ersten Wärmedämmverbundsystem-Phase auf, bei denen man damals schon auf Luftdichtheit geachtet hat. Andererseits gibt es Neubauten, typische „billige“ Bauträgergebäude, die gerade so mit der zweiten Kommastelle noch das energetische Niveau des Neubaustandards erreichen. Mit denen haben wir sehr viele Probleme mit Schimmel und Feuchtigkeitsausfall in unserer Region im Allgäu aufgrund des kälteren und feuchteren Klimas.
Wie sollte man bei der Feststellung beziehungsweise Ortung der Leckagen vorgehen, etwa im Zuge des Blower-Door-Tests?
König: Für die Standardsuche nutzen die meisten Messdienstleister Hand, Feder oder Rauchstift. Ich arbeite relativ viel mit der Thermokamera, weil es schnell geht und ich die Bilder speichern kann, die Unterschiede zwischen vorher und nachher und zwischen mit und ohne Differenzdruck nachvollziehen kann. Wenn es gerichtsfest sein muss, können das Thermoaneometer, also das Luftgeschwindigkeitsmessgerät, Ultraschall oder Sonderanwendungen der Thermografie erforderlich werden.
Walther: Ich bevorzuge das Thermoaneometer, da es die gefühlte Wahrnehmung „es zieht“ in eine Zahl übersetzen kann, die Meter pro Sekunde.

Bild: Thomas Kupas
Als ungleich komplexere Angelegenheit gilt die Leckagebewertung. Gibt es hierbei ein einheitliches System?
König: Zum Auftrag der Luftdichtheitsmessung gehört nur die Leckagefeststellung, die Bewertung ist gesondert zu beauftragen. Nun zum Thema: Ganz klar nein. Der FLiB arbeitet seit Jahren an einer vereinheitlichten Bewertung. Für die sind zwingend auch Kenntnisse über Konstruktion, Baustoffe und Bauteile erforderlich. Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen.
Walther: So ganz ohne stehen wir aber auch nicht da. Was es immerhin gibt, ist die Unterscheidung in primäre Leckagen, die in der Luftdichtungsschicht liegen, dann sogenannte sekundäre Leckagen oder Luftein- beziehungsweise -austrittsstellen, an denen ein Luftzug spürbar ist, die jedoch nicht Ursache der Leckage sind. Der Luftstrom aus der Spültaste eines WCs in der Vorwandinstallation wäre so ein Fall. Die Leckage befindet sich ja verdeckt irgendwo in der Luftdichtheitsschicht dahinter, meist in Form einer fehlenden Putzschicht auf dem rohen Mauerwerk.
Dann noch die Durchblickleckage, die feuchtetechnisch nicht relevant ist, sowie Umlenkleckagen, mit größerem räumlichem Abstand zwischen Austritts- und Eintrittsstelle. Wenn die Luft schnell von innen nach außen durchströmt, wie bei der Durchblickleckage, ist das Schadensrisiko durch Kondensation gering, weil hierbei auch Wärme mittransportiert wird. Bei der Umlenkleckage ist das anders, da strömt die Luft langsamer, mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass diese auf der Außenseite der Konstruktion Tauwasser bildet. Ein Beispiel: Schrägdach – eine Leckage an der Fußpfette, wo die Abklebung fehlerhaft ist, und eine Luftaustrittsstelle oben am First. Auf dem Weg vom Ein- zum Austritt kann die in der Luft enthaltene Feuchtigkeit komplett auskondensieren, zum Beispiel an der Unterdeckbahn. So tropft es irgendwann an den Bahnen herunter, auf die Fußpfette, und man fragt sich, wo es denn hereingeregnet hat. Hat es aber gar nicht.
Wie könnte man denn die Ausführenden für die Bedeutung einer lückenlos luftdichten Gebäudehülle sensibilisieren?
König: Unserer Erfahrung nach klappt dies am besten mit Praxisbeispielen und Erläuterungen auf der Baustelle, auch im Rahmen von Anwenderschulungen der Hersteller. Daher kann ich Energieberatenden nur empfehlen, beim ersten Fenstereinbau oder beim Einbau der Luftdichtheitsschicht im Dachgeschoss dabei zu sein, zu erklären, wie eine luftdichte Gebäudehülle funktioniert. Dazu müssen sie natürlich die einschlägigen Produkte kennen und wissen, wie sie anzuwenden sind. Viele Fensterbauer und Trockenbauer haben außerdem noch nie einen Luftdichtheitstest miterlebt. Wer aber bei einem korrekt ausgeführten Test dabei war, weiß danach meistens, auf was er achten muss.
Also der Blower-Door-Test als Weckruf. Auch bei Laien?
König: Beide haben ihren Aha-Effekt, wenn sie eine Luftdichtheitsmessung mitgemacht haben, wenn sie sehen, was eigentlich der Sinn dahinter ist. Dass es nicht nur darum geht, diesen n50-Wert zu erreichen. Der ist eigentlich fast ein Nebenprodukt, sondern es geht ganz klar darum, Schwachstellen aufzufinden, zu einem Zeitpunkt, an dem ich noch nachbessern kann, die luftdichte Ebene noch zugänglich ist.
Die Erstellung einer luftdichten Ebene muss geplant werden, was aber wohl eher selten geschieht. Wer kommt für diese Planung in Frage und wie geht man dabei vor?
König: Der Ausführende sollte sie beim Bauherrn einfordern. Wenn der ihn bittet, sie zu übernehmen, muss er ihn darauf aufmerksam machen, dass das eine Planungsleistung ist, die fachgerecht erfolgen muss und die kostet. Auch der Energieberater kann das unter Umständen machen, er muss nur die Erfahrung und das Können mitbringen.
Walther: Die Planenden brauchen handwerkliche Erfahrung, Praxiswissen und sie müssen die entsprechenden Produkte und Hilfsmaterialien für Durchdringungen und die Klebemittel für verschiedene Untergründe kennen. Dabei gehen sie von der Definition der Luftdichtungsebene zur Luftdichtheitsschicht, dann zur Definition der vorhandenen Materialien, dann zum Verklebungsmittel gleicher oder unterschiedlicher Materialien.

Bild: Herz & Lang
Und wenn man sich die Planung spart?
König: Aktuell habe ich so einen Fall, eine Dachsanierung mit Sub-und-Top-, also Berg-und-Tal-Verlegung der Bahn, ohne Planung. Komplett schiefgegangen, keine Verklebung passt, nachbessern unmöglich. Das muss alles noch einmal gemacht werden, mit Kosten von 30.000 Euro mindestens.
Auf dem Buildair-Symposium in Hannover wird es auch um Dauerhaftigkeit einer Luftdichtheitsschicht gehen. Wo liegen die Schwachpunkte einer luftdichten Ebene?
Walther: Die beiden Objekte, die ich nach 20 Jahren gemessen habe, Gebäude unseres Energie- und Umweltzentrums, zeigen diesbezügliche Schwächen an den Türdichtungen und den Dichtungen der Dachflächenfenster. Es sind damit eher die Schließfugen, die die Dichtheit mit den Jahren etwas verlieren.
Beim e.u.z. darf man ein gewisses Augenmerk auf penible Planung, Produktauswahl und auf Qualitätsarbeit voraussetzen. Aber was treffen Sie in der Praxis sonst an? Wie sichert man die Qualität und die Dauerhaftigkeit heute?
König: Es gibt namhafte Hersteller, aber, was ein bisschen erschreckend ist, auch viele Anbieter von Produkten zweifelhafter Qualität, die auf den deutschen Markt drängen. Wer deren Ware verwendet, kann Probleme bekommen, da er ja die Haftung für seine Arbeit übernimmt. Besser etwas mehr ausgeben, für Markenware. Bei Durchdringungen findet man für fast jeden Anwendungsfall entsprechende Manschetten, für einzelne Kabel, ganze Kabelbündel oder Lüftungskanäle, fast alles kann abgedeckt werden. Deswegen ist es nicht mehr zu akzeptieren, wenn mit viel, viel Schaum oder Klebeband improvisiert wird. Das ist ein Zeichen dafür, dass es entweder keine qualifizierte Planung gab oder Ausführung und Bauleitung versagt haben. Beachtet werden muss auch, dass die Produkte nicht beliebig kombinierbar sind und dass die Herstellerrichtlinien anzuwenden sind, etwa dass die Klebebänder spannungsfrei verarbeitet werden. Viele Mängel entstehen zum Beispiel durch unzulässige Belastung der Bänder auf Zug.
Walther: Ich will bei Ortsterminen nur Klebebänder von einer Farbe sehen, nicht von fünf Herstellern, ich will auch keinen Schaum sehen.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, hat mal jemand gesagt. Zu Letzterem würde dann auch der Blower-Door-Test gehören.
Walther: Am Ende gewinnt die Qualität am Bau in allen Bereichen. Wenn es heißt, „wir machen einen Test“, ist jeder am Bau ein bisschen alarmiert, Bauleiter schlafen dann schlechter, weil sie wissen, dass wir auch verdeckte Mängel entdecken können.
Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang den Gebäudetyp E? Als Chance oder als Risiko? Wird dort eventuell auch an der Luftdichtheit gespart?
König: Nach meiner Meinung bedeutet der Gebäudetyp E ein erhebliches Haftungsrisiko für Planer und Ausführende. In diversen Gesprächen wurde mir dies bereits von Rechtsanwälten und Versicherungen bestätigt. Wenn im Nachgang der Bauherr feststellt, dass er doch nicht zufrieden ist, greift immer das Argument der Aufklärungspflicht des Planers. Die Juristen sind sich bereits einig, dass bei den meisten Bauherren das Bewusstsein der Tragweite der Entscheidung nicht gegeben sein wird. Und, ja, irgendein Bauträger oder Planer kommt sicher auf die Idee, beim Gebäudetyp E auch an der Luftdichtheit zu sparen.
Apropos Vereinfachung – auf dem Buildair-Symposium wird es auch um die Zukunft der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ oder a.a.R.d. T. gehen, über deren Sinnhaftigkeit hier und da laut nachgedacht wird. Wie sehen Sie diese Diskussion?
König: Nachvollziehen kann ich sie zwar, Bauprodukte und Bauarten sind so schnelllebig geworden, dass die Forderung der Regel „erprobt, bewährt und durchgesetzt“ zu hinterfragen ist. Eine Abschaffung sehe ich aber kritisch, da Ausführende und Sachverständige etwas benötigen, nach dem gehandelt und bewertet werden kann. Die Sicherung der Dauerhaftigkeit ist ein wesentliches Argument für die a.a.R.d. T., Abdichtungen und Anschlüsse von Bauteilen sollten so langlebig sein wie die Bauteile selbst.
Die Fragen stellte Alexander Borchert.