Die kommunalen Wärmepläne zeigen auf, wie die Wärmeversorgung des Gebäudebestandes in Baden-Württemberg spätestens bis zum Jahr 2040 klimaneutral gestaltet werden kann. Künftig wird es neben der städtebaulichen Planung also auch eine energetische Stadtentwicklung auf kommunaler Ebene geben. Fachleute aus Energieberatung und Planung können hierauf mit ihrer technischen Detailplanung in Quartieren und Gebäuden aufsetzen.
Die Wärmeplanung beginnt konkret mit einer systematischen Analyse des heutigen und zukünftigen Wärmebedarfs vor Ort, beziffert die Potenziale einer klimaneutralen Energieversorgung und weist Eignungsgebiete für Wärmenetze sowie eine dezentrale Wärmeversorgung aus. Außerdem werden Maßnahmen erarbeitet, durch die sich der Wärmebedarf anschließend komplett mit erneuerbaren Energien, Abwärme und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen decken lässt.
Die Pflicht zur Wärmeplanung in Baden-Württemberg gilt für Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Kosten entstehen für sie keine, das Land stellt die Finanzierungsmittel bereit. Für kleinere Gemeinden gibt es keine verpflichtende Vorgabe, doch auch für sie lohnt sich eine systematisch gemeindeweite Wärmeplanung. Dafür steht ein Förderprogramm des Landes zur Verfügung.
Finanziell unterstützt werden Ausgaben, die durch fachkundige Dritte entstehen. Dazu gehören Kosten von Ingenieurbüros zur Erstellung eines Wärmeplans oder für eine Akteursbeteiligung. Die Förderung erfolgt als nicht rückzahlbarer Zuschuss. Der Zuschuss beträgt bis zu 80 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben. Das Kompetenzzentrum Wärmewende der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) unterstützt als erste Anlaufstelle alle Kommunen in Baden-Württemberg beim Einstieg in die kommunale Wärmeplanung.
Wärmeplanung in Kommunen ist eine Voraussetzung für die Wärmewende
Rund ein Drittel aller Treibhausgasemissionen in Kommunen fällt im Sektor Wärme an. Die Energiewende in Deutschland wird daher ohne eine Wärmewende nicht gelingen. Aus diesem Grund wird die Wärmeversorgung bei allen Klimaschutzstrategien eine zentrale Rolle spielen. Will Deutschland bis spätestens 2045 keine Treibhausgase mehr ausstoßen, muss der Wärmebedarf in Wohnhäusern und Nichtwohngebäuden drastisch sinken und der Restbedarf auf klimaneutrale Weise gedeckt werden. Baden-Württemberg will die Klimaneutralität sogar schon 2040 erreichen.
Der Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien gehört daher die Zukunft. Um Fortschritte zu erzielen, ist die kommunale Wärmeplanung ein unabdingbares Planungsinstrument für Städte und Gemeinden. Mit ihr verfügen sie über einen wirksamen Hebel, um die Energiewende in ihrer Gemarkung voranzubringen.
Für mehr Klimaschutz im Wärmesektor ist es notwendig, die Energieeffizienz der Gebäude zu verbessern, also Einsparmöglichkeiten zu identifizieren und die Gebäude energetisch zu sanieren. Dadurch sinken der Energieverbrauch und die Systemtemperaturen. Für Heizungsanlagen mit erneuerbaren Energien ist das entscheidend, denn sie arbeiten bei einem niedrigen Energiebedarf zumeist wesentlich effizienter. Kurzum: Nur wenn Gebäude „fit“ gemacht werden für erneuerbare Energien, gelingt es, sie mit niedertemperierter Umweltwärme und Abwärme zu versorgen.
Die Erstellung eines kommunalen Wärmeplans gliedert sich in vier Schritte:
Darauf aufbauend entwickeln Fachleute aus Kommunen oder eines externen Dienstleisters die Umsetzungsstrategie: Wie lassen sich Potenziale ausschöpfen und die Nutzung erneuerbarer Energien ausbauen? Welche Flächen werden dafür benötigt? Wie hoch sind die Wärmeverbräuche in der Zukunft? In welchen Gebieten werden effiziente Wärmenetze gebaut? Und in welchen Bezirken kommen stattdessen CO₂-neutrale Einzelheizungen zum Einsatz?

Bild: KEA BW
Das Landesklimaschutzgesetz sorgt für belastbare Daten und ein gutes Planungswerkzeug
Die Energieeinsparpotenziale im baden-württembergischen Gebäudebestand zu identifizieren, ist inzwischen mit dem Ende 2020 und 2021 novellierten Landesklimaschutzgesetz deutlich einfacher. Kommunen können nun auf belastbare Daten von Bezirksschornsteinfegermeistern, Energieunternehmen, Netzbetreibern sowie Gewerbe- und Industriebetrieben zugreifen. Unter anderem ist es ihnen möglich, Auszüge aus den elektronischen Kehrbüchern und Verbrauchsdaten der Netzbetreiber auszuwerten. Damit bleibt der kommunale Wärmeplan keine grobe Abschätzung, sondern wird zu einem qualitativ hochwertigen Planungswerkzeug. Denn nur wenn Wärmeverbräuche und die Wärmeinfrastruktur bekannt sind, lassen sich passgenaue Versorgungskonzepte entwickeln.
Auch kleinere Kommunen können eine kommunale Wärmeplanung erfolgreich durchführen. Für sie lohnt sich ein Zusammenschluss mit anderen Gemeinden zu einem sogenannten Planungskonvoi. Aus einem Konvoi heraus können lohnenswerte Stadt-Land-Partnerschaften entstehen, etwa für die Erschließung großer Potenziale erneuerbarer Energien oder Abwärme. Von einem solchen Konvoi profitieren auch die zur Wärmeplanung verpflichteten großen Kommunen, die einen höheren Flächendruck und Wärmebedarf aufweisen als das weniger dicht besiedelte Umland.
Zusammenschlüsse auf kommunaler Ebene erleichtern die Arbeit für kleinere Kommunen
Ein herausragendes Beispiel für einen interkommunalen Planungsansatz ist der Landkreis Lörrach. Der Landkreis erstellt aktuell in einem Pilotprojekt eine interkommunale Wärmeplanung für alle 35 Städte und Gemeinden des Landkreises. Damit ist er der erste Landkreis, der dies in Baden-Württemberg umsetzt. „Der Landkreis Lörrach engagiert sich seit vielen Jahren intensiv im Klimaschutz“, sagt Landrätin Marion Dammann. „Wir sind unserem Ziel der Klimaneutralität in vielen Bereichen bereits ein gutes Stück nähergekommen. Insbesondere bei der Wärmewende besteht jedoch noch ein akuter Handlungsbedarf. Mithilfe eines gemeinsamen Impulses durch den Kreistag haben wir deshalb das Pilotprojekt ‚unternehmensunabhängige interkommunale Wärmeplanung‘ ins Leben gerufen, um im Konvoi mit allen Gemeinden des Landkreises den Wärmesektor in unserer Region bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Eine gute Planung, die Nutzung verschiedener Quellen erneuerbarer Energien, Abwärme und der Ausbau von Wärmenetzen werden uns dieses Ziel erreichen lassen.“
Das Projekt ist am 1. Januar 2021 gestartet und läuft über einen Zeitraum von 20 Monaten. Im Sommer 2022 soll der Wärmeplan stehen. In der ersten Projektphase wurden gebäudescharfe Daten gesammelt. Dazu gehören Wärmeverbräuche, Wärmeversorgungseinrichtungen, Abwärmepotenziale, Heizungsalter, Wärme- und Gasnetze und weitere Informationen, die über öffentliche Stellen – insbesondere Bezirksschornsteinfeger – Energieversorger, Kommunen, Netzbetreiber und Unternehmen erfasst werden.
Landkreise haben es einfacher mit der Erhebung der Daten
Der Landkreis hat die Aufgabe der Datenerhebung für die Gemeinden übernommen und ein Firmenkonsortium damit betraut. Die Datenerhebung erfolgt nur zum Zweck der kommunalen Wärmeplanung. Die Veröffentlichung im Wärmeplan wird aufgrund des Datenschutzes ausschließlich in aggregierter Form (mindestens fünf Gebäude) erfolgen.
Aber nicht nur auf Ebene des Landkreises ist ein Konvoi zielführend. Bereits ab drei Kommunen kann ein Konvoi gebildet werden. Hierzu bieten sich bereits bestehende Zusammenschlüsse wie z. B. vereinbarte Verwaltungsgemeinschaften oder Gemeindeverwaltungsverbände an. Auch ein Planungskonvoi über Verwaltungsgemeinschafts- bzw. Verbandsgrenzen hinweg ist möglich.
Baden-Württemberg führt Wärmeplanung ein
Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg die verpflichtende kommunale Wärmeplanung eingeführt. Neben der Nachhaltigkeits- und Zukunftsorientierung bringt ein kommunaler Wärmeplan wichtige Planungssicherheit für die nächsten Jahrzehnte. Denn seine Ergebnisse und Handlungsvorschläge dienen dem Gemeinderat und den Ausführenden als Grundlage für die weitere Stadt- und Energieplanung.
Während des gesamten Prozesses gilt es, die Inhalte anderer Vorhaben der Kommune, etwa die der Bauleit- oder Straßenplanung, zu berücksichtigen. Um seine volle Wirkung zu entfalten, müssen die zentralen Ergebnisse des Wärmeplans in einen kontinuierlichen Planungsprozess fließen. Der fertige kommunale Wärmeplan muss drei Monate nach Erstellung den zuständigen Regierungspräsidien vorgelegt werden. Ab 2023 wird der Plan spätestens alle sieben Jahre fortgeschrieben, die Umsetzung überprüft und an aktuelle Entwicklungen angepasst. Das Land stellt jährlich Finanzierungsmittel zur Verfügung.

Bild: ifok
Die Wärmeplanung kann um das Thema Strom erweitert werden
Die Verpflichtung zur Fortschreibung macht deutlich, dass die Wärmeplanung nicht mit der Erstellung eines Wärmeplans abgeschlossen ist. Sie ist vielmehr als fortlaufender Prozess zu verstehen. Daher empfiehlt es sich, innerhalb der Kommune klare Zuständigkeiten für die Erstellung und Fortschreibung des kommunalen Wärmeplans festzulegen. Besonders gilt dies für kontinuierliche Aufgaben wie die Aktualisierung von Daten, das Berichtswesen und die Evaluation von Maßnahmen und Strategien.
Die Wärmeplanung kann auch zu einer integrierten Infrastrukturplanung wachsen, wenn die Planung über den Sektor Wärme hinaus um das Thema Strom erweitert wird. Für die sogenannten „smarten Quartiere“ der Zukunft mit einer klimaneutralen Energieversorgung hat das eine große Bedeutung: In ihnen ist die Versorgung mit Strom, Wärme und Kraftstoffen in hohem Maße dezentral, erneuerbar und sektorübergreifend. All dies muss sicher, effizient und möglichst kostengünstig erfolgen. Um das zu schaffen, braucht es eine gemeinsame Energiesystemplanung von Energieversorgern, Kommunen, Netzbetreibern sowie Gewerbe und Industrie.
Chance für Energieberatende und Planende
Die Wärmewende wird erhebliche Fördermittel in die Kommune lenken. Sie erfordert viel Planung und Handwerkerleistung. Da sie große Investitionen in die Dämmung von Gebäuden, neue Heizungen sowie den Bau von Wärmenetzen auslöst, wirkt das wie ein breit angelegtes Wirtschaftsförderprogramm. Das ist für Fachleute aus Architektur, Energieberatung und Ingenieurwesen gleichermaßen interessant.
Fachleute können die kommunale Wärmeplanung als Grundlage für ihre technische Umsetzungsplanung nutzen. Die kommunale Wärmeplanung fungiert ähnlich wie die Flächennutzungsplanung (vorbereitende Bauleitplanung) als Basis für die konkrete technische Ausgestaltung. Künftig wird sie als weitere Säule neben der städtebaulichen Planung eine wichtige Rolle spielen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Ausweisung von Eignungsgebieten. Dabei wird die Gemarkung in Bereiche aufgeteilt, die sich entweder für Wärmenetze oder für Einzelheizungen eignen. Das geschieht unter anderem abhängig vom Wärmeverbrauch der bestehenden Gebäude, von den Verteilkosten für Fernwärme und von den umliegenden Infrastrukturen. Diese Zonierung wiederum ist für die konkrete technische Planung im Quartier von großem Interesse. Perspektivisch werden also Quartiere nach energetischen Kriterien ausgewiesen werden, als Alternative zur rein städtebaulichen Betrachtung.

Bild links: Christine Schorer; Bild rechts: KEA BW Ellen Wurster
Für Fachleute: Wissen zur Wärmeplanung
Ein kommunaler Wärmeplan ist das zentrale Werkzeug, um den Wärmebedarf von Städten und Gemeinden nachhaltig gestalten zu können. Jede Kommune entwickelt dabei einen eigenen Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung, der die jeweilige Situation vor Ort bestmöglich berücksichtigt. Die KEA-BW bietet Fachleuten eine vielfältige Unterstützung an:
Materialien und Kontakt zu KEA-BW-Experten: bit.ly/geb4-2022_kea
Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg:
bit.ly/geb4-2022_klimaschutzgesetz
Umweltbundesamt erstellt Gutachten zur kommunalen Wärmeplanung
Das im Februar 2022 erschienene „Kurzgutachten Kommunale Wärmeplanung“ bietet einen guten Überblick. Im Fokus stehen die Chancen und Grenzen des Instruments. Zudem werden Umsetzungshemmnisse und Lösungsansätze auf kommunaler Ebene analysiert. Das Gutachten basiert auf der Auswertung von zehn Forschungs- und Pilotvorhaben und einem Fachworkshop.
Kurzgutachten des Umweltbundesamts: bit.ly/geb4_2022_uba
Leitfaden zur kommunalen Wärmeplanung
Das Umweltministerium Baden-Württemberg und die Landesenergieagentur KEA-BW haben einen Leitfaden zur kommunalen Wärmeplanung veröffentlicht. Er soll Kommunen bei der kommunalen Wärmeplanung unterstützen. Fachleute aus Architektur, Energieberatung, Ingenieurwesen und Planung können daran ihre technische Planung anknüpfen. Der kostenfreie Leitfaden umfasst 108 Seiten. Ihn gibt es als gedruckte Version und online.
Leitfaden für Baden-Württemberg: bit.ly/geb4_2022_leitfaden
Technikkatalog erleichtert den Einstieg
Ein im März 2022 erschienener Technikkatalog bietet Fachplanerinnen und Fachplanern Unterstützung bei der kommunalen Wärmeplanung. Sie finden hier wichtige Grundlagen zur Erstellung und Fortschreibung der Wärmepläne und der darin verankerten Maßnahmen. Die kostenfreie Veröffentlichung gibt einen Überblick über verschiedene Heiztechnologien, Wärmespeicher und die effiziente Verteilung von Wärme. Hinzu kommen Tabellen unter anderem mit Investitionskosten, Preisentwicklungen für unterschiedliche Energieträger sowie der künftigen Höhe der CO2-Bepreisung. Die KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) hat das Fachwissen im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg zusammengetragen.