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Arbeiten trotz Krankmeldung

Malochen auf Rezept

Gebäude-Energieberater sind oft Freiberufler mit überschaubarer Bürogröße. Angestellte Mitarbeiter sind selten – und wenn, sind es in der Regel nur wenige. Deshalb kommt es bei den alltäglich zu erbringenden Leistungen auf jeden Arbeitnehmer an. Fällt jemand krankheitsbedingt aus, wirkt sich das unmittelbar auf die Arbeitsplanung und Projektarbeit aus. Doch krankheitsbedingte Ausfälle gehören wie der verdiente Urlaub zum ganz normalen Berufsleben.

2024 erreichte die Krankenrate in Deutschland neue Rekordzahlen von sechs Prozent. Bei 220 Arbeitstagen im Jahr fällt jeder Arbeitnehmer im Schnitt über zwei Wochen aus. Kranke Mitarbeiter können ermessen, was an zusätzlicher Arbeitsbelastung auf ihre Kollegen zukommt. Entsprechend ist die Bereitschaft bei Einzelnen groß, vor Ende der ärztlich attestierten Krankmeldefrist die Arbeit wieder aufzunehmen.

Sicherlich stellt das im Einzelfall kein großes Problem dar. Andererseits kann ein erkrankter Mitarbeiter seine Arbeit nicht ohne Einschränkungen ausführen, zumindest nicht in der üblichen und erwarteten Qualität. Daneben besteht immer das Risiko, sich selbst gesundheitlich zu gefährden oder Kollegen und Kunden im Falle einer Infektionskrankheit anzustecken. Wer durch eine zu frühe Wiederaufnahme seiner Tätigkeit die Krankheit verschlimmert oder einen Rückfall erleidet, verzögert die Genesung – womit am Ende niemandem geholfen ist.

Der Arbeitgeber kommt in dieser Situation rasch in einen Interessenskonflikt. Zwar ist jede Hand willkommen, andererseits ist Fürsorgepflicht kein leeres Wort, sondern gelebte Verpflichtung gegenüber den Mitarbeitern. Vielleicht muss der übereifrige Mitarbeiter vor sich selbst geschützt werden.

Formale Krankschreibung

Der Sachverhalt ist klar: Ist ein Arbeitnehmer krankgeschrieben, reicht er seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an seiner Arbeitsstelle ein und bleibt zuhause. Gibt es keine Bescheinigung, muss er arbeiten. Schließlich kann von keinem Arbeitgeber erwartet werden, auf Grundlage seiner medizinischen Kenntnisse die Arbeitsfähigkeit des Angestellten zu beurteilen.

Mit der Krankschreibung erklärt der behandelnde Arzt, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Arztbesuches arbeitsunfähig ist. Die zeitlich befristete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthält eine Prognose über den voraussichtlichen Verlauf und die Dauer der Krankheit. Für den angegebene Zeitraum ist der Betroffene von der Arbeit freigestellt.

Der Arbeitnehmer steht nicht in der Pflicht, seinen Arbeitgeber über die Krankheit zu informieren oder Gründe darzulegen, ob sich die Symptome aus der Krankschreibung gebessert haben und eine Arbeitsaufnahme früher möglich ist. Der Arbeitgeber kann, falls der Angestellte seine Arbeit vorzeitig aufnehmen möchte, lediglich eine Einschätzung des Gesundheitszustands vornehmen, um seiner Fürsorgepflicht zu entsprechen.

Arbeiten trotz Krankschreibung? Hierfür braucht der Arbeitnehmer die Einwilligung des Chefs.

Bild: Jertam2567 - stock.adobe.com

Arbeiten trotz Krankschreibung? Hierfür braucht der Arbeitnehmer die Einwilligung des Chefs.

Arbeit trotz Krankschreibung?

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist eine Urkunde und somit ein wichtiges Indiz, dass der Mitarbeiter für die darin angegebene Dauer arbeitsunfähig ist. Im Umkehrschluss schließt die Bescheinigung nicht aus, dass seine Arbeitsfähigkeit früher als in der eingetragenen Frist wiederhergestellt sein kann – sie ist kein Arbeitsverbot. Es liegt im Ermessen des Angestellten, bei vorzeitiger Genesung seine Arbeitskraft während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit wieder anzubieten. Es bedarf keiner ärztlichen Bescheinigung, die die vorherige Krankschreibung aufhebt. Eine „Gesundschreibung“, also eine Attestierung der Arbeitsfähigkeit, ist nicht erforderlich, wenn er selbst seine Arbeitsleistung vorzeitig anbietet. Die Kosten für ein solches Attest würde die gesetzliche Krankenkasse zudem nicht erstatten.

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Die Fürsorgepflicht des Arbeitsgebers ist in §§ 611, 241 Abs. 2 BGB fest. Sie verpflichtet ihn, Rechtsgüter, Rechte und Interessen des Arbeitnehmers zu wahren. Nimmt dieser während einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit seine Tätigkeit vorzeitig wieder auf, begegnet seine frei verantwortliche Entscheidung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Beim Abwägen von sich möglicherweise widersprechenden Interessen ist das Abhängigkeitsverhältnis des Angestellten zu berücksichtigen, der seine vorzeitige Arbeitsfähigkeit unter Umständen fälschlicherweise anzeigt, weil er befürchtet, ansonsten seine Arbeitsstelle zu verlieren.

Im Rahmen der Fürsorgepflicht ist nicht nur der Gesundheitszustand zu berücksichtigen, sondern es müssen auch die Rechte weiterer im Büro tätiger Kollegen und sonstiger Dritte in Überlegungen und Entscheidungen einfließen. Der Arbeitgeber befindet sich damit in einem Spannungsfeld zwischen Fürsorgepflicht und Annahmeverzug, wenn er die angebotene Arbeitsleistung zurückweist und auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verweist. In der Praxis ist dieses Problem durch ein Gespräch zu lösen, um herauszufinden, ob eine vorzeitige Rückkehr an den Arbeitsplatz vertretbar ist.

Beschweren sich andere Mitarbeiter über die frühzeitige Rückkehr des Erkrankten, besteht das Spannungsfeld zwischen der Fürsorgepflicht den anderen Mitarbeitern gegenüber und dem Risiko des Annahmeverzuges dem (vermeintlich) gesundeten Arbeitnehmers gegenüber. Gelangt der Arbeitgeber zu der Einschätzung, dass die Wiederaufnahme möglich ist, besteht für die übrigen Mitarbeiter keine Rechtfertigungsgrundlage, die Zusammenarbeit abzulehnen. Sie müssten im Zweifel nachweisen, dass die Entscheidung auf einer Fehleinschätzung beruht.

Bei Arbeiten an gefährlichen Maschinen oder der geschäftlichen Teilnahme im Straßenverkehr besteht eine erhöhte Fürsorgepflicht, insbesondere wenn die Gefahr existiert, dass auch weitere Mitarbeiter respektive Verkehrsteilnehmer zu Schaden kommen können. Eine Voraussetzung, die in der alltäglichen Energieberatung eher die Regel, denn die Ausnahme darstellt.

Im Krankheitsfall hat der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht.

Bild: nmann77 - stock.adobe.com

Im Krankheitsfall hat der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht.

Haftung des Mitarbeiters bei Arbeitsfehlern

Unterlaufen dem Arbeitnehmer Fehler, bleiben die allgemeinen Regelungen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs bestehen. Entscheidend ist, welche Form der Fahrlässigkeit bei einem Schadenseintritt vorliegt: Bei leichter Fahrlässigkeit hat allein der Arbeitgeber den Schaden zu tragen, bei mittlerer Fahrlässigkeit kommt es zu einer quotalen Verteilung des Schadens und bei grober Fahrlässigkeit kann eine alleinige Schadenstragung des Arbeitnehmers die Folge sein. Bei der Beurteilung der Fahrlässigkeitsstufen und der entsprechenden Handhabung kommt es auf den Einzelfall und die Schadenshöhe an. Bei einem innerbetrieblichen Schadensausgleich muss sich der Arbeitgeber aufgrund eines Verstoßes gegen seine Fürsorgepflicht möglicherweise ein erhöhtes Mitverschulden anrechnen lassen.

Umfang der frühzeitig aufgenommenen Tätigkeit

Außerhalb einer gesetzlich geregelten Wiedereingliederungsmaßnahme sollte ein stunden- oder tageweiser Einsatz ohne ärztliche Begleitung nicht erfolgen. Zwar wäre denkbar, dem betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen des Direktionsrechts eine andere Tätigkeit zuzuweisen. Jedoch sollte dies nicht ohne (betriebs-)ärztliche Aufsicht geschehen, da der in der Regel medizinisch nicht vorgebildete Arbeitgeber die Folgen eines solchen geänderten Arbeitseinsatzes kaum einschätzen kann.

Das Arbeitsrecht kennt keine Teilarbeitsunfähigkeit. Ein Arbeitnehmer ist entweder arbeitsunfähig oder er ist arbeitsfähig. Was im Rahmen des Direktionsrechts angewiesen wird, muss er unabhängig von einer Erkrankung grundsätzlich ausführen. Bietet er aufgrund seiner Erkrankung nur eine teilweise Arbeitsleistung an, sollte sie der Arbeitgeber im Zweifel mit dem Hinweis auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gänzlich ablehnen. Durch das erneute Anbieten der Arbeitsleistung wird der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entkräftet und die ausgestellte Bescheinigung wirkungslos. Wird der Arbeitnehmer erneut arbeitsunfähig, muss sein Arzt eine neue Bescheinigung ausstellen.

Schutz in Kranken- und Unfallversicherung

Wer trotz bestehender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung arbeiten geht, verliert weder den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung noch der Krankenversicherung. In der Unfallversicherung greift der Versicherungsschutz nicht, wenn die Erbringung der an sich versicherten Arbeitsleistung objektiv nicht möglich ist, beispielsweise bei einem gebrochenen Bein im Baustelleneinsatz oder bei einer erheblichen Alkoholisierung. Es bleibt letztlich eine Einzelfallbetrachtung, ob der Versicherungsschutz greift oder nicht.

Dokumentation der freiwilligen Arbeitsaufnahme?

Es besteht keine (gesetzliche) Verpflichtung, die vorzeitige Arbeitsaufnahme zu dokumentieren – eine schriftliche Erklärung des Arbeitnehmers würde im Zweifelsfall aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses die bestehende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht entkräften. Dennoch ist es für letzteren ratsam, sich das freiwillige Arbeiten trotz Krankschreibung quittieren zu lassen. Ist beispielweise ein Mitarbeiter wegen eines gebrochenen Beins krankgeschrieben, möchte jedoch an einer wenige Stunden dauernden betrieblichen Veranstaltung teilnehmen, so kann er das tun und die Zeit seiner Krankschreibung für diesen Zeitraum unterbrechen, soweit er dies ausdrücklich wünscht und die Teilnahme seine Genesung nicht gefährdet.

Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sichert dem Mitarbeiter für sechs Wochen unverändert sein Gehalt. Befindet er sich bereits im Krankengeldbezug und nimmt er mit Zustimmung seines Arbeitgebers die Arbeit vorzeitig wieder auf, sollten beide die Krankenkasse darüber informieren, um dem Sozialversicherungsbetrug keinen Vorschub zu leisten.

Das Arbeitsrecht kennt keine Teilarbeitsunfähigkeit – bietet ein Arbeitnehmer aufgrund seiner Erkrankung nur eine teilweise Arbeitsleistung an, sollte sie der Arbeitgeber ablehnen.

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Das Arbeitsrecht kennt keine Teilarbeitsunfähigkeit – bietet ein Arbeitnehmer aufgrund seiner Erkrankung nur eine teilweise Arbeitsleistung an, sollte sie der Arbeitgeber ablehnen.

Darf ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer zum Arzt schicken?

Hat ein Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsfähigkeit seines Mitarbeiters, möchte aber aufgrund des Annahmeverzugsrisikos das Angebot der Arbeitsleistung nicht ohne Weiteres ablehnen, kann er eine betriebsärztliche Überprüfung der Arbeitsfähigkeit fordern. Zwar besteht seitens des Betriebsarztes eine Schweigepflicht über die exakte Diagnose, jedoch kann er dem Arbeitgeber seine Einschätzung zur Arbeitsfähigkeit mitteilen. Auf Basis dieser Erkenntnisse kann der Arbeitgeber fundiert entscheiden, ob eine vorzeitige Arbeitsaufnahme trotz Krankschreibung zumutbar ist.

Entfernung vom Arbeitsplatz

Wann immer ein krankgeschriebener Arbeitnehmer nicht gesund wirkt und sich oder andere gefährden könnte – etwa, weil er Fahrten durchführen sollte –, muss ihm der Arbeitgeber das Arbeiten krankheitsbedingt verbieten. Auch dann, wenn Betroffene, beispielsweise aus Pflichtgefühl den Kollegen gegenüber, hartnäckig darauf bestehen, wieder einsatzfähig zu sein. Ansonsten könnten sie im Extremfall schadensersatzpflichtig werden, sollte tatsächlich etwas passieren und festgestellt werden, dass er das Risiko wissentlich in Kauf genommen hat.

Eine besondere Situation liegt vor, wenn alkohol- oder drogenabhängige Mitarbeiter im offensichtlich nicht arbeitsfähigen Zustand zur Arbeit kommen beziehungsweise am Arbeitsplatz angetroffen werden. Dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, ihn aus dem Betrieb zu verweisen. Unter Umständen muss ihm sogar der Schlüssel seines Fahrzeuges abgenommen und ein Taxi gerufen werden.

2024 erreichte die Krankenrate einen neuen Rekord von sechs Prozent. Demnach fällt bei 220 Arbeitstagen im Jahr jeder Arbeitnehmer im Schnitt über zwei Wochen aus.

Bild: WIdO / AOK

2024 erreichte die Krankenrate einen neuen Rekord von sechs Prozent. Demnach fällt bei 220 Arbeitstagen im Jahr jeder Arbeitnehmer im Schnitt über zwei Wochen aus.
Thomas Schneider
ist Diplom-Kaufmann und als freiberuflicher Berater im Bereich Interne Revision und Compliance tätig.

Bild: Thomas Schneider

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