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Energetische Sanierung in WEGS (1)

Viele Meinungen, ein Plan

Für die Transformation des Gebäudesektors spielen Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) eine wichtige Rolle. Während 58 Prozent der Wohneinheiten in Deutschland im Eigentum von Privatpersonen stehen, entfallen rund 21 Prozent auf WEGs. 45 Prozent der Eigentümer nutzen ihre Wohnung selbst, 51 Prozent vermieten sie.

Dabei sind die Sanierungspotenziale in Deutschland enorm: Bei der Wärmeerzeugung dominieren gerade im Bestand weiterhin fossile Energieträger wie Öl und Gas. Die meisten WEG-Gebäude wurden zwischen 1949 und 1978 errichtet – rund 60 Prozent werden mit Gas und etwa 22 Prozent mit Öl beheizt, nur zehn Prozent der deutschen Wohngebäude mit erneuerbaren Energien wie Biomasse, Wärmepumpen oder Solarthermie. Für Eigentumswohnungen liegt dieser Wert bei knapp sieben Prozent.

Sanierung trifft in WEGs auf besondere Hemmnisse

Technisch bestehen zwischen energetischen Sanierungen in WEGs und in Mehrfamilienhäusern mit anderen Eigentumsverhältnissen keine Unterschiede. In WEGs sind es viel eher die rechtlichen und formalen Besonderheiten, die potenzielle Stolpersteine mit sich bringen. Hinzu kommen finanzielle Hürden und technische Unsicherheiten. Sie erschweren es vielen Eigentümern zusätzlich, bauliche Maßnahmen zu beschließen.

Von besonderer Relevanz sind die unterschiedlichen Eigentumsformen in einer WEG: Das Wohnungseigentumsgesetz unterscheidet zwischen Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum. Das Sondereigentum ist einem WEG-Mitglied in der Teilungserklärung des Gebäudes zur alleinigen Nutzung zugeordnet. Das WEG-Mitglied kann es frei gestalten und muss die Kosten dafür selbst tragen.

Für die Verwaltung und den Erhalt des Gemeinschaftseigentums sowie die daraus entstehenden Kosten sind alle gemeinsam verantwortlich. Dies gilt insbesondere für bauliche Veränderungen, die über die ordnungsgemäße Erhaltung – früher: Instandhaltung und Instandsetzung – hinausgehen. Zum Gemeinschaftseigentum zählen neben dem Grundstück alle für den Bestand und die Sicherheit relevanten Gebäudeteile und -komponenten wie Außenfenster und -türen, Außenwände, das Dach oder der zentrale Wärmeerzeuger, aber auch der Schornstein, Versorgungsleitungen und gemeinschaftlich genutzte Räume.

Für Energieberatende gilt: Entscheidungen in WEGs werden in der Eigentümerversammlung getroffen. Dieses zentrale Beschlussorgan ist mindestens einmal jährlich einzuberufen und bildet den formalen Rahmen für sämtliche gemeinschaftsbezogene Entscheidungen.

Gesetzliche Novellierungen für bauliche Veränderungen

Seit der Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes im Jahr 2020, der WEMoG-Reform, erfordern Beschlüsse zu baulichen Veränderungen am Gemeinschaftseigentum nur noch eine einfache Mehrheit. Kommt der Beschluss mit der einfachen Mehrheit zustande, sind nur die Zustimmenden zur Nutzung berechtigt und tragen die Kosten. Nutzungseinschränkungen sind bei vielen energetischen Maßnahmen, wie beispielsweise bei einer Fassadensanierung, faktisch jedoch nicht umsetzbar.

Das Wohnungseigentumsgesetz sieht dafür folgende Lösungen vor: Amortisiert sich die Maßnahme innerhalb eines angemessenen Zeitraums, werden die Kosten auf alle verteilt. Allerdings sind auch Amortisationsberechnungen häufig Anlass für kontroverse Diskussionen und werden unterschiedlich eingeschätzt. In den meisten Fällen wird daher die zweite gesetzliche Möglichkeit angestrebt: Stimmt eine doppelt qualifizierte Mehrheit zu – mindestens zwei Drittel der abgegebenen Stimmen, die mindestens die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentieren –, müssen ebenfalls alle die Kosten tragen.

Helfen, gemeinsam Entscheidungen zu treffen

WEGs zeichnen sich durch ihre Vielfalt aus. In jeder WEG entscheiden Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Interessen, Lebenssituationen und aus unterschiedlichen Altersgruppen über das Gemeinschaftseigentum. Für Selbstnutzende stehen Wohnkomfort und laufende Kosten im Vordergrund, während Vermietende insbesondere die Wirtschaftlichkeit ihrer Immobilie im Blick haben. Diese Heterogenität kann eine Einigung erschweren. Gerade in diesem Fall kann eine gut aufbereitete Energieberatung Brücken bauen, indem sie technische, wirtschaftliche und soziale Argumente verbindet.

Viele WEGs verfügen nur über geringe Rücklagen, sodass Sonderumlagen oder Kredite erforderlich sind. Energieberatende sollten daher finanzielle Aspekte und Fördermöglichkeiten frühzeitig ansprechen – idealerweise mit plausiblen Szenarien, die die unterschiedlichen finanziellen Spielräume der WEG-Mitglieder adressieren.

Orientierung durch Energieberatung bieten

Eine qualifizierte Energieberatung ist häufig der entscheidende Impuls für eine energetische Sanierung. Sie bietet der Gemeinschaft neutrale, fachlich fundierte Informationen und macht Sanierungsoptionen und Kosten transparent. Die Neutralität der Energieberatenden ist von großem Mehrwert für die WEG-Mitglieder. Anders als Hersteller oder ausführende Firmen verfolgen sie kein wirtschaftliches Interesse. Energieberatende, die in der Energieeffizienz-Expertenliste gelistet sind, sind durch eine Eintragung ihrer WEG-Kompetenz für Verwaltungen und Wohnungseigentümergemeinschaften besser zu finden.

Die größte Herausforderung für Energieberatende ist der Umgang mit den individuellen Gegebenheiten der Gemeinschaft. Nur wenn eine möglichst große Mehrheit der WEG-Mitglieder den Mehrwert und den Nutzen der energetischen Sanierungsmaßnahmen erkennt, gibt es eine Chance, dass sie beschlossen und umgesetzt werden.

Je mehr die Energieberatenden über die konkrete WEG, die Wünsche und finanziellen Ressourcen der einzelnen Mitglieder wissen, umso eher kann ein tragfähiges Konzept erarbeitet werden. Es lohnt sich, frühzeitig wichtige Ansprechpersonen, mögliche Konflikte und die Rollenverteilung in der Eigentümergemeinschaft kennenzulernen. Für Energieberatende eröffnet sich mit der WEG-Beratung ein großes Tätigkeitsfeld. Gemeinsam mit WEG-Verwaltungen nehmen sie eine Schlüsselrolle im Sanierungsprozess ein.

iSFP als unterstützendes Instrument einsetzen

In der Eigentümerversammlung sollten Energieberatende komplexe Zusammenhänge klar und visuell nachvollziehbar darstellen, sodass sie von jedem einzelnen WEG-Mitglied verstanden werden können. Das Ziel ist, alle Beteiligten mitzunehmen, Vertrauen in den Prozess zu schaffen und für das Sanierungsvorhaben zu gewinnen.

Der individuelle Sanierungsfahrplan (iSFP) ist für WEGs ein wertvolles Werkzeug, um langfristige Modernisierungsprojekte planbar zu machen. Er dient nicht nur als technisches Konzept, sondern auch als Kommunikationsgrundlage in der Versammlung und kann als erste Orientierung zur finanziellen Planung dienen. Die Verwaltung kann ihn nutzen, um Rücklagen anzupassen oder künftige Maßnahmen in die Jahresplanung aufzunehmen.

Die im iSFP enthaltenen Angaben zu Investitionskosten, Fördermitteln und Auswirkungen auf Betriebskosten beziehen sich auf die einzelnen Maßnahmenpakete in Bezug auf das gesamte Gebäude, nicht auf einzelne Wohneinheiten. Daher können Energieberatende für WEGs ergänzend erläutern, wie sich Investitionskosten, Förderungen und Einsparungen auf einzelne Wohnungen umrechnen lassen. Beispielhafte Aufstellungen für Selbstnutzende und Vermietende können die Entscheidungsfindung erheblich erleichtern.

Dieser Beitrag ist Teil der fünfteiligen Artikelserie „Energetische Sanierung in WEGs“. In der nächsten Ausgabe geht es um die Sanierung der Gebäudehülle in einer WEG.

WEG-Praxisguide des Gebäudeforums klimaneutral hilft

Mit dem WEG-Praxisguide stellt das Gebäudeforum klimaneutral ein umfangreiches Angebot an Informationen und Arbeitshilfen bereit, das Energieberatende, Immobilienverwaltungen sowie Eigentümerinnen und Eigentümer bei der energetischen Sanierung unterstützt. Er enthält praxisorientierte Checklisten, Factsheets, Präsentationen und Vorlagen für wichtige Schritte im Modernisierungsprozess.

Die Materialien sind leicht verständlich aufbereitet und frei zugänglich verfügbar. Entstanden ist der WEG-Praxisguide im Rahmen des Dena-Projekts „Energetische Modernisierung in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs)”, das das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert.

Den WEG-Praxisguide finden Sie unter
www.gebäudeforum.de/weg-praxisguide

Martin Fischer
ist Teamleiter im Fachbereich Klimaneutrale Gebäude bei der Deutschen Energie-Agentur. Gemeinsam mit seinem Team erarbeitet er fachliche Impulse und praxisorientierte Handlungsempfehlungen, um die Transformation des Gebäudesektors hin zur Klimaneutralität mitzugestalten.

Bild: Hoffotografen

GEB Dossier

Grundlegende Informationen zum ­Thema ­finden Sie auch in ­unserem Dossier Energieberatung mit ­Beiträgen und News aus dem GEB:

GEB Podcast Gebäudewende

Hören Sie zum Thema auch unseren Podcast #37: Gesprächsstrategien in der Energieberatung

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