Herr Schick, tragen Mieterstromprojekte faktisch dazu bei, die CO2-Emissionen und damit auch die Stromkosten generell zu senken, weil weniger Kraftwerke benötigt werden?

Bild: Einhundert Energie
Frederic Schick: Definitiv! Der Zubau von PV-Anlagen erhöht den Anteil erneuerbarer Energien im Strommix und reduziert damit die CO2-Emissionen. Die Vor-Ort-Erzeugung erneuerbarer Energien lohnt sich wirtschaftlich zudem sehr, denn der lokal erzeugte Strom wird ohne Netzentgelte und andere Umlagen geliefert. Allerdings kann der Strom nicht ausschließlich aus der PV-Anlage geliefert werden – es muss zum Teil grüner Reststrom aus dem Netz hinzugekauft werden, zum Beispiel nachts oder an Regentagen. Das führt zu einem Mischpreis aus Solar- und Netzstrom.
Herr Schick, welche Probleme und Hürden müssen beseitigt werden, um das Thema Mieterstrom in der Wohnungswirtschaft stärker etablieren zu können?
Frederic Schick: Leider gibt es nach wie vor technische und regulatorische Hürden, so zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit den Verteilnetzbetreibern (VNB), die eine einfachere Umsetzung aktuell noch nicht möglich machen.
Zudem werden beispielsweise Sanierungen noch nicht konsequent genutzt, um PV-Anlagen auf den Dächern zu installieren – zumindest dort, wo es baulich ohne großen Kostenaufwand möglich ist. Oft herrschen auch noch starke Zögerlichkeit und langwierige Entscheidungsprozesse in der Wohnungswirtschaft vor, obwohl das Interesse und der Wille zur Umsetzung vorhanden sind.
Frau Szablewska, welche Gründe sprechen aus Sicht der Freiburger Stadtbau dafür, ihren Mietern Solarstrom vom Dach zu verkaufen?

Bild: Freiburger Stadtbau
Magdalena Szablewska: Die Wahl des geeigneten Betreibermodells hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Größe und Ausrichtung der Dachfläche, dem Strombedarf in der Wohnanlage, der Höhe der Investitionskosten, aber auch der Wirtschaftlichkeit der Anlage. Wir prüfen bei jedem Projekt, welches Modell – also ob Volleinspeisung, Eigenverbrauch und Teileinspeisung oder Mieterstrommodell im Contracting-Verfahren – für Objekt und Bewohnerschaft den optimalen Nutzen erzielt.
Wir haben bereits 2017 im Quartier Belchenstraße ein erstes Pilotprojekt zum Mieterstrommodell realisiert. Infolge der guten Erfahrungen werden seitdem in allen Neubau- und Sanierungsvorhaben, soweit technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll, Mieterstrommodelle angeboten.
Die Mieterstrommodelle werden grundsätzlich im Contracting-Verfahren ausgeschrieben. Hierbei belegt der Contractor ausgewiesene Flächen mit PV-Anlagen und bietet der Mieterschaft zu vergünstigten Konditionen Stromverträge an – ungefähr zehn Prozent unter den Konditionen des Grundversorgungstarifs.
Wo liegen die Vorteile für Ihre Mieter, wo für Sie als Vermieter?
Szablewska: Alle Mieterinnen und Mieter der Wohnanlage können aktiv und gleichermaßen an der Energiewende partizipieren und von günstigen Stromtarifen profitieren, und zwar unabhängig von der durch die Mietpartei wenig beeinflussbaren Lage ihrer Wohnung.
Die Errichtung, der Betrieb und die Wartung der PV-Anlage sowie die Versorgungsverpflichtung liegen beim Contractor. Weiterhin liegt die Abrechnung des Solarstroms mit den einzelnen Mieterinnen und Mietern in der Obliegenheit des Contractors.
Welche Kosten fallen bei Mieterstromprojekten anteilig für Messtechnik und Abrechnungsgebühren an?
Schick: Wir bieten der Wohnungswirtschaft ein Fullservice-Produkt an, das heißt Einhundert Energie pachtet das Dach, baut die PV-Anlage, liefert die Messtechnik, schließt die Lieferverträge mit den Mieter:innen und liefert den grünen Reststrom.
Bei der Wohnungswirtschaft fallen somit keine Kosten für die Messtechnik oder Abrechnung an. Mieter:innen zahlen eine marktübliche Grundgebühr und einen günstigeren Strompreis, der weit unter dem des örtlichen Grundversorgers liegt.
Stößt so ein Angebot bei den Mietern eher auf Interesse oder überwiegen Vorbehalte und Befürchtungen hinsichtlich Energiekosten und Versorgungssicherheit?
Szablewska: Wir haben naturgemäß keine Einsicht in die einzelnen Abschlüsse zwischen Mietparteien und Contractor, aber wir haben zahlreiche Rückmeldungen erhalten, dass insbesondere bei Neubauprojekten die Bewohner das Mieterstrommodell sehr gerne annehmen.
Wie gewährleisten Sie die Transparenz bei der Abrechnung?
Szablewska: Die Abrechnung der Stromlieferverträge, die Versorgungsverpflichtung sowie die Transparenz obliegen gegenüber der Mieterschaft dem jeweiligen Contractor.
Schick: Wir arbeiten ausschließlich mit intelligenten Messsystemen, also fernausgelesenen, digitalen Stromzählern, sogenannten Smart Metern. Auf Basis der Messwerte führen wir eine monatliche Echtkostenabrechnung durch. Außerdem stellen wir unseren Kund:innen ein Portal zur Verfügung, in dem sie ihren viertelstündlichen Verbrauch und den Solarstromanteil einsehen können.
Herr Schick, kennen Sie in etwa den aktuellen Anteil der vermieteten Wohnungen in Deutschland in Prozent, die Mieterstrom nutzen?
Schick: Nein, wir kennen keine aktuellen genauen Zahlen, aber da ist nach wie vor sehr viel Luft nach oben. Vermutlich liegt der Anteil der vermieteten Wohnungen in Deutschland, die Mieterstrom nutzen, zwischen einem bis drei Prozent, natürlich völlig ohne Gewähr. Allerdings eignen sich auch nicht alle Gebäude für Mieterstromprojekte. Viele fallen raus aufgrund der Dachbeschaffenheit, veralteter Zähler, strengem Denkmalschutz und so fort. In diese Gebäude muss erst investiert werden, um sie „Mieterstrom-ready“ zu gestalten.
Was sind aus Ihrer Erfahrung heraus die besten Voraussetzungen für Mieterstromprojekte, bei denen Vermieter und Mieter gleichermaßen profitieren?
Schick: Mieterstromprojekte im Neubau umzusetzen ist einfach. Ein Großteil der Dachflächen liegt aber im Bestand, und diesen müssen wir mit PV-Anlagen ausstatten, um die Klimaziele zu erreichen. Das bringt aber eine höhere Komplexität mit sich. So muss beispielsweise der Platz für die Installation von Wechselrichtern und der Zählerplatz ausreichen und die Elektroinstallation in einem entsprechenden Zustand sein. Wir setzen Mieterstromprojekte im Bestand dennoch über unseren Portfolioansatz wirtschaftlich gut um: Wir scannen in der Regel das ganze Portfolio der Kund:innen auf relevante Objekte und setzen dann möglichst viele ähnliche Anlagen in einem Netzgebiet um. Dann ist es für uns auch okay, wenn die einzelnen Gebäude und Anlagen kleiner sind. Eine Sanierung ist grundsätzlich natürlich der optimale Zeitpunkt, um Mieterstrom gleich mitzudenken.
Gibt es unterschiedliche Mieterstromkonzepte für Neubau und energetisch zu sanierende Bestandsbauten?
Szablewska: Mieterstrommodelle lassen sich nach unserer Erfahrung sehr gut in Neubauten umsetzen, da die Mietenden ohnehin neue Versorgungverträge abschließen müssen. Bei Bestandsgebäuden ist ein erhöhter Aufwand zur Bewerbung des Modells erforderlich. Technisch bestehen keine Unterschiede zwischen den beiden Modellen.
Sind Mieterstromprojekte inzwischen auch für kleinere Mehrfamilienhäuser und Wohneigentümergemeinschaften (WEG) attraktiv? Wo liegen hier noch Probleme?
Schick: Einzelne, kleine Mehrfamilienhäuser und WEG bringen einen hohen Projektierungsaufwand pro Objekt mit sich. Es gibt Anbieter, die auch in diesem Segment Mieterstrom anbieten. Allerdings in einem reduzierten Serviceumfang, sodass die WEG sich beispielsweise selbst um eine Reststromlieferung kümmern muss. Alternativ hat der Gesetzgeber mit dem Solarpaket I das neue Modell der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung (GGV) eingeführt. Dieses Modell eignet sich insbesondere für kleinere Objekte, da hier nur der PV-Strom an die Teilnehmer:innen geliefert wird und so die Komplexität der Vollversorgung wegfällt. Für den flächendeckenden Einsatz scheint die GGV aktuell jedoch nicht geeignet zu sein, da insbesondere die Kommunikationsprozesse zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber noch nicht standardisiert sind. Unklar ist auch, ob die Netzbetreiber die Bilanzierung schon umsetzen können, sodass hier mit Klärungsfällen zu rechnen ist.
Welches Potenzial sehen Sie in technischen Entwicklungen wie zum Beispiel virtuellen Summenzählern (Smart Meter) und Künstlicher Intelligenz (KI)?
Schick: Der virtuelle Summenzähler stellt eine massive Vereinfachung dar, insbesondere für Mieterstrom im Bestand. Wir sparen dadurch nicht nur rund 8.000 Euro pro Objekt für den Wandlermessplatz des Summenzählers, wir benötigen auch weniger Platz im Keller. Gerade setzen wir schon die nächste Generation virtueller Messkonzepte ein, die eine Abgrenzung steuerbarer Verbrauchseinrichtungen nach § 14a EnWG (siehe Seite 39 in dieser Ausgabe, Anm. d. Red.) und damit günstigen Wärmepumpenstrom ermöglichen.
Der gerade entstehende Markt für Home Energy Management Systems (HEMS) wird eine Eigenverbrauchsoptimierung durch eine Steuerung von Batterien und Wärmepumpen auch mithilfe von KI ermöglichen. Auch bei der Technik der intelligenten Messsysteme tut sich gerade viel: Es werden aktuell Zähler und Smart-Meter-Gateways eingeführt, die kabellos sicher kommunizieren und den Installationsaufwand reduzieren. Langfristig bieten sich durch KI viele Potenziale entlang der Wertschöpfungskette: bei der Anlagenplanung und Installation bis zur Unterstützung der energiewirtschaftlichen Marktprozesse. Wichtig sind aktuell aber auch regulatorische Anpassungen: So findet gerade eine Standardisierung der Wechselprozesse in die und aus der Mieterstromversorgung statt. Das kann die Prozesse bei Mieterstromanbietern massiv vereinfachen und einen noch schnelleren Mieterstrom-Rollout ermöglichen.
Finanzieren, installieren, warten und betreiben Sie als Freiburger Stadtbau GmbH die Solaranlagen selbst oder arbeiten Sie mit Dienstleistern zusammen? Wie sind Ihre Erfahrungen in der Praxis?
Szablewska: Unsere guten Erfahrungen aus der Installation der ersten Mieterstrommodell-Anlagen konnten in die Folgeprojekte einfließen. Zum Beispiel wurde die Verbindung der extensiven Dachbegrünung mit der Solartromanlage stetig verbessert und kann somit heute die höchste Effizienz der Dachanlagen bei gleichzeitiger Pflege der Gründächer gewährleisten.
Auf welche Fragen und Vorbehalte treffen Sie als Contractingunternehmen bei Neukunden? Welche sind es bei den Mietern, die vom Mieterstrom profitieren?
Schick: Seitens der Unternehmen kommen Fragen wie:
Die Mieter:innen wiederum wollen wissen:
Ist das Mieterstromkonzept ein solitäres Angebot oder fester Bestandteil der klimaneutralen Energiezukunft im Immobilienportfolio der Freiburger Stadtbau?
Szablewska: Das Mieterstromkonzept ist ein wichtiger Baustein unserer Strategie zur Solarstromerzeugung und somit zur Erreichung der Klimaschutzziele.
Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf, um Mieterstromkonzepte breiter zu etablieren?
Szablewska: Durch eine Verbesserung der Förderung und eine Attraktivierung der Tarife für die Mieterschaft würden sich Mieterstrommodelle deutlich wettbewerbsfähiger darstellen lassen.
Herr Schick, was sind Ihre Erfahrungen als Dienstleister mit Kunden aus der Wohnungswirtschaft? Nimmt das Interesse an Mieterstromkonzepten zu?
Frederic Schick: Ja, das Interesse hat insbesondere in den vergangenen zwei Jahren spürbar zugenommen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ich möchte ein paar davon aufzählen:
Die Fragen stellte Claudia Siegele.
Freiburger Stadtbau GmbH
Die Freiburger Stadtbau (FSB) unterstützt die Stadt Freiburg beim Erreichen ihrer Klimaschutzziele. Demnach soll bis zum Jahr 2030 eine Reduktion der CO₂-Emissionen in der Gesamtstadt um 60 Prozent und die Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 erreicht werden. Einen wesentlichen Schwerpunkt dieser Bestrebungen stellt der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung mit Photovoltaikanlagen dar.
Im Rahmen des vom Gemeinderat im Jahr 2020 verabschiedeten Konzepts FSB 2030 wurde auch die Realisierung einer Wohnbau- und Klimaschutzoffensive durch die FSB beschlossen. Wesentliche Zielsetzung neben der Erweiterung des Wohnungsbestands stellt die Reduktion der CO₂-Emissionen allein in ihrem Bestand um 70 Prozent bis zum Jahr 2030 dar. Dies soll im Wesentlichen durch energieeffiziente Gebäude, die energetische Sanierung von Bestandswohnungen, den Ausbau von Wärmeversorgungsnetzen und den Wechsel der Versorgungsmedien erreicht werden.
Einen weiteren Schwerpunkt stellt der Ausbau von PV-Anlagen im FSB-Bestand dar. Schon frühzeitig vor der Rechtsverordnung zur PV-Pflicht im Jahr 2021 und des neuen Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes Baden-Württemberg hat die FSB die Dächer bei Neubauten mit PV-Anlagen belegt und die Realisierung von PV-Anlageninstallationen bei Dachsanierungen überprüft. Bereits im Jahr 2020, also zu Beginn der Wohnbau- und Klimaschutzoffensive, waren somit PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1,4 Megawatt auf Dachflächen im FSB-Bestand installiert. Nach nur vier Jahren der Konzeptrealisierung konnte diese Leistung mit 2,6 Megawatt nahezu verdoppelt werden.
Die FSB implementiert bis Ende 2024 eine EDV-basierte Datenbank, in der die Bestände technisch erfasst werden. Somit können künftig Dachflächen leichter identifiziert werden, deren Ausrichtung, Baukonstruktion und Lage sich für die Solarstromerzeugung eignen. Anhand der Auswertung soll ein PV-Ausbauplan unter Berücksichtigung der vorhandenen Kapazitäten und finanziellen Ressourcen erarbeitet werden.
Für erste konkrete Projekte im Bestand mit einer Gesamtleistung von rund einem Megawatt wurden bereits Fördermittel beim städtischen Zukunftsfonds Klimaschutz 2025/26 beantragt. www.freiburger-stadtbau.de

Einhundert Energie GmbH
Die Einhundert Energie GmbH ist ein Anbieter für skalierbaren Mieterstrom in Deutschland und treibt die Elektrifizierung und Dekarbonisierung von Mehrparteiengebäuden voran. Dafür entwickelt sie smarte Services rund um eine konsequent grüne, digitale und urbane Energieversorgung.
Das Unternehmen unterstützt Immobilien und Energieunternehmen mit einem Komplettpaket aus solarem Mieterstrom, digitaler Abwicklung und Software sowie skalierbaren Services beim Mieterstrom-Rollout für das gesamte Gebäudeportfolio. Einhundert installiert und betreibt Solaranlagen, Wärmepumpen und E-Ladesäulen mit zertifizierten Partnern und nutzt dafür ausschließlich digitale Stromzähler (Smart Meter).
Über die eigene Software-Plattform visualisiert Einhundert Energieflüsse in Gebäuden und rechnet Verbräuche von Mietern monatlich in Echtzeit ab – für die volle Transparenz über Verbrauch und Kosten. www.einhundert.de
