Die Frage des Monats Juli des Gebäude-Energieberater hat ergeben, dass der sommerliche Wärmeschutznachweis nach DIN 4108-2 für 31 Prozent der Bauherren und Architekten keine Rolle spielt. Von 56 Prozent wird er als lästig wahrgenommen. Nur 13 Prozent sehen ihn als sehr wichtig an. Liegt das an mangelndem Interesse für Überhitzungen in Gebäuden, an der Art der Berechnung oder an der Befürchtung, dass zusätzliche Kosten entstehen könnten?
Jedenfalls bedenkliche Ergebnisse, sind Gebäude in Deutschland doch so zu errichten, dass der Sonneneintrag durch einen ausreichenden baulichen sommerlichen Wärmeschutz begrenzt wird. Das schreibt das Gebäudeenergiegesetz (GEG) [1, § 14 (1)] vor. Der Nachweis erfolgt nach DIN 4108-2 [2] über das Verfahren der Sonneneintragskennwerte oder alternativ über die thermische Gebäudesimulation. Mit der thermischen Gebäudesimulation wird nicht nur der Sonneneintrag, sondern auch dessen Auswirkung auf die operative Innentemperatur ermittelt. Sie berücksichtigt weitere thermische Lasten.
Problem: Für diese Nachweisart sind in der Norm in Tabelle 9 Anforderungswerte der Übertemperaturgradstunden festgelegt, die als Summenwert für das ganze Jahr zu berechnen sind. Spitzenwerte dieser Übertemperatur werden durch die Summenbildung jedoch nicht offenbart. Maximalwerte der operativen Innentemperatur sind aber für eine gesundheitliche Bewertung unverzichtbar. Dagegen wird mit den zulässigen Übertemperaturgradstunden über einer bestimmten Bezugstemperatur ein thermischer Komfort in einer Jahresbetrachtung festgelegt. Inwieweit dieser thermische Komfort einen Mindeststandard, beispielsweise durch die Kategorienzuordnung nach DIN EN 16798-1 [3] darstellt, wird allerdings nicht angegeben.
Um gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Hitze zu vermeiden, sollten daher Anforderungen an die jährlichen Übertemperaturen durch eine Nebenbedingung ergänzt werden. Die hieraus resultierenden Maximalwerte thermischer Indikatoren ergänzen den sommerlichen Wärmeschutznachweis.

Bild: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg
Wie sich Hitze gesundheitlich bewerten lässt
Durch den Klimawandel verändern sich Umweltfaktoren, die zu einer Zunahme gesundheitlicher Beeinträchtigungen führen. Indikator hierfür ist der Anstieg der Mortalitätsrate, die sogenannten Hitzetoten. Das Land Brandenburg erarbeitet gerade einen Hitzeaktionsplan und verwendet speziell aufbereitete Daten des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg (Abb. 1). Dabei wird deutlich, dass nur in einem jahreszeitlichen Abschnitt mit einer Zunahme der Hitzetoten zu rechnen ist. Die Vermutung liegt nahe, dass dieser Zeitabschnitt auf die Hitzewellen übertragbar ist.
Die klimatologischen Kenngrößen „Heiße Tage“ (Tmax > 30 °C“ und „Tropennächte“ (Tmin > 20 °C“ des Deutschen Wetterdienstes werden unter anderem zur Beurteilung von gesundheitlichen Belastungen verwendet. Von besonderer Bedeutung sind Hitzewellen, in denen heiße Tage in Kombination mit Tropennächten über einen längeren Zeitraum vorkommen können [4].
Tropennächte treten vermehrt innerhalb dichter, innerstädtischer Bebauung auf als auf Freiflächen. Im Verbundforschungsprojekt Heat Resilient City [5] wurden Maximaltemperaturen bis zu 35 °C in einem Erfurter Gründerzeitgebäude und 36 °C in einem Dresdener Gebäude der industriellen Wohnungsbauserie WBS 70 gemessen. Diese Erkenntnisse müssen bei der Auswahl der Klimadaten für die thermische Gebäudesimulation zum sommerlichen Wärmeschutznachweis berücksichtigt werden.
Die raumseitigen Temperaturspitzen an heißen Tagen und Tropennächten werden durch die Angabe der jährlichen Übertemperaturgradstunden jedoch nicht erfasst. Man erhält keine Aussage darüber, ob das geplante Gebäude gesundheitlichen Anforderungen bezüglich Hitze genügt. Sie sollten in einem öffentlich-rechtlichen Nachweis allerdings Vorrang haben.
Die Arbeitsstättenverordnung [6, Anhang 3.5] beispielsweise schreibt vor, dass die Räume für Beschäftigte eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur aufweisen müssen. Das gilt während der Nutzungsdauer auch für die Nebenzimmer wie Bereitschafts-, Pausen- oder Sanitärräume sowie für Kantinen. Außerdem müssen Fenster, Oberlichter und Glaswände eine Abschirmung gegen übermäßige Sonneneinstrahlung ermöglichen.
Um für Gebäude einen Mindeststandard sicherzustellen, können in einem zweiten Schritt auch Anforderungen an den thermischen Komfort gestellt werden, zusätzlich zur gesundheitlichen Bewertung, beispielsweise: „Nur in maximal zehn Prozent der jährlichen Nutzungszeit eines Aufenthaltsraumes darf eine operative Innentemperatur von 26 °C überschritten werden. Maximal darf sie aber nicht mehr als 32 °C betragen.“ Über den Mindeststandard zum thermischen Komfort hinausgehende Anforderungen sind mit dem Auftraggeber zu vereinbaren.
Bei der Festsetzung der Übertemperaturgradstunden wird nur zwischen Nichtwohngebäude und Wohngebäude unterschieden. Dient als Basis der Anforderungen jedoch die gesundheitliche Bewertung, so muss eine Norm nach den besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen unterscheiden, das heißt für Gebäude, in denen sich ältere oder kranke Personen aufhalten können, müssen erhöhte Anforderungen gelten. Hierzu zählen Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser und Wohnungen. Als weitere für Hitze vulnerable Gruppe sind Kinder in Kindetagesstätten anzusehen.
Ebenso ist die Aktivität der Personen bei der Einteilung der Gebäudenutzungsart zu berücksichtigen. So unterscheidet sich die Betätigung in einem Büro von der in einem Fitnesscenter oder Warenhaus. Mit steigender Aktivität ergeben sich sowohl bei den gesundheitlichen Anforderungen als auch beim thermischen Komfort andere einzuhaltende Grenzwerte.
Hitzeintensive Betriebe sollten vom sommerlichen Wärmeschutznachweis nach einer solchen Norm ausgenommen bleiben. Hierfür gibt es andere Richtlinien, die es zu beachten gilt.
![2 Einfluss der relativen Luftfeuchte auf den PMV-Index nach [8] und [11] (CE-Mittel = 0,39 K, CE-Standardabweichung = 0,01 K)](/sites/default/files/styles/aurora_default/public/aurora/2024/10/230429.jpeg?itok=xlHtZ7zT)
Bild: Nadler
Berechnungsgrundlagen für thermischen Komfort
Der Bezugswert der Innentemperatur, ab dem die Übertemperaturgradstunden gezählt werden, ist eine Konstante, die für drei verschiedene Sommerklimaregionen ganzjährig festgelegt wurde (25, 26 oder 27 °C). Die Adaption der Personen an wärmere Außentemperaturen innerhalb eines Jahres bleibt dabei außer Acht. Das widerspricht zwar dem zulässigen Anstieg der operativen Innentemperatur mit dem gleitenden Mittelwert der Außenlufttemperatur nach DIN EN 16798-1 [3, Bild B.1], der aber nur sieben zurückliegende Tage umfasst.
Die Adaption ist differenziert zu betrachten, ist doch zwischen der physiologischen und der psychologischen zu unterscheiden. Die physiologische Adaption beschreibt eine Akklimatisierung innerhalb von wenigen Tagen bis zu mehreren Wochen. Sie darf nicht unterbrochen werden, zum Beispiel durch stark wechselndes Wetter, Urlaub oder den täglichen Gang in ein gekühltes Büro. Auch bei Hitzewellen im Frühsommer wie im Juni 2022 kann man noch nicht von einer Anpassung an steigenden Temperaturen ausgehen.
Bei der psychologischen Adaption handelt es sich um ein Erwartungsmodell, das bestimmte Verhaltensanpassungen annimmt. Dazu zählt beispielsweise die Anpassung der Bekleidung an die thermischen Bedingungen in einem gewissen Rahmen. Hier wird sogar von einer stündlichen Anpassung der Bekleidung ausgegangen, um hohe Kühllasten zu vermeiden. Für Gebäudenutzungen, die einen festen Dresscode verlangen, zum Beispiel in Banken, kann eine Bekleidungsanpassung nur sehr begrenzt angesetzt werden.
Aufgrund dieser Unsicherheiten in der Planungsphase begründet sich der Verzicht auf die Berücksichtigung einer Adaption bei der Festlegung zulässiger Temperaturen, wie sie in der DIN EN 16798-1 [3, Bild B.1] erfolgt. Ausgenommen hiervon ist die stündliche Anpassung der Bekleidung, was im nationalen Anhang DIN EN 16798-1/NA [7, Bild NA.2] umgesetzt ist. Als Eingangswert dient allerdings die aktuelle Außenlufttemperatur und nicht der Stundenmittelwert der Außenlufttemperatur, wie er in den TRYs angegeben ist.
Die zulässigen Anforderungswerte für die Übertemperaturgradstunden 1200 Kh für Wohngebäude und 500 Kh für Nichtwohngebäude stellen scharfe Grenzwerte dar. Mit verschiedenen Simulationsprogrammen, die unterschiedlich detailliert rechnen, wird es jedoch eine Streuung von Ergebnissen geben. Begünstigt wird das durch Eingabedaten, die von der Norm nicht genau vorgegeben sind, ob zum Beispiel der Albedo für die kurzwellige Sonnenstrahlung, der kurzwellige Strahlungsverlust von innen nach außen oder die Luftfeuchte zu berücksichtigen sind. Damit gibt es Manipulationsmöglichkeiten, die an die finanziellen Interessen des Auftraggebers angepasst werden könnten.
Berechnungsgrundlagen für gesundheitliche Bewertung
Die Berechnungsgrundlagen für den thermischen Komfort gehen von einem Bereich der thermischen Behaglichkeit aus. Der PMV-Index (Predicted Mean Vote, deutsch: erwartete durchschnittliche Empfindung) nach DIN EN ISO 7730 [8] sollte nur für Werte von ±2 (kühl bis warm) angewendet werden. Da die gesundheitlichen Anforderungen in einem Bereich außerhalb der thermischen Behaglichkeit liegen, müssen hierfür eventuell andere Algorithmen zum Einsatz kommen.
Bei hohen Innentemperaturen spielt auch die Raumluftfeuchte eine stärkere Rolle. Es müsste somit auch näherungsweise die Raumluftfeuchte ermittelt werden, die sich in Abhängigkeit der Feuchtelast und Lüftung einstellt.
![3 Einfluss der relativen Luftfeuchte auf den PMV-Index nach [8] und [11] bei einer erhöhten Raumluftgeschwindigkeit von 0,6 m/s (CE-Mittel = 3,14 K, CE-Standardabweichung = 0,325 K). Zum Vergleich ist in Grau der Feuchtebereich aus Abb. 2 für ISO 7730 hinterlegt.](/sites/default/files/styles/aurora_default/public/aurora/2024/10/230430.jpeg?itok=QUnd458O)
Bild: Nadler
Hitzeindizes
Es existieren gibt mehrere Indizes, mit denen sich die gesundheitliche Bewertung allgemeinverständlich darstellen lässt. Eine Übersicht bietet die VDI 3787 Blatt 2 [9]. Quellcodes dieser Indizes sind in verschiedenen Programmiersprachen frei verfügbar. In der Regel finden sich hier Angaben für eine fiktive Temperatur, auf die sich die meisten auf die thermische Beurteilung einflussnehmenden Größen beziehen (Aktivität, Bekleidung, Feuchte, Luftgeschwindigkeit, Temperatur, …).
Da der sommerliche Wärmeschutznachweis von Fachleuten angefertigt wird, ist eine allgemeinverständliche Größe als Beurteilungskriterium nicht notwendig. D.h., man kann für ein Grenzkriterium bei der Simulation z. B. auf den bekannten PMV-Index zurückgreifen. Für die Akzeptanz eines neuen Kriteriums ist es in der Fachwelt sicherlich leichter, eine bereits bekannte Größe zu verwenden.
PMV-Index nach DIN EN ISO 7730
Der PMV-Index von Fanger hat sich für den Bereich der thermischen Behaglichkeit seit über 50 Jahren bewährt. Es ist zu prüfen, ob sich dieser Index für den Hitzebereich erweitern lässt. Beim Fangerschen Modell handelt es sich um ein stationäres Wärmebilanzmodell für den menschlichen Körper. Die Differenz zwischen innerer Wärmeproduktion durch Stoffwechselvorgänge und äußerer Wärmeabgabe steht in Relation zum PMV-Index.
PMV-Index nach ASHRAE Standard 55-2020
Gagge et al. [10] haben ein Zwei-Knoten-Modell der menschlichen Thermoregulation entwickelt, das aus zwei konzentrischen Zylindern – dem inneren Kern und der äußeren Hülle – besteht. Die Dynamik des Modells wird durch die Bedingungen der Schale und des Kerns zu jedem Zeitpunkt über die Wärmeübertragung zum und vom Körper bestimmt. Das Modell kann wechselnde Bedingungen simulieren, da sich die Endergebnisse der ersten Exposition als Anfangsbedingungen der nächsten verwenden lassen. Damit eignet es sich für eine Simulation in praktischen Zeitschrittweiten.
Als Ergebnis weist es unter anderem die Standard-Effektivtemperatur SET aus. Sie ist für typische Innenraumverhältnisse mit der Möglichkeit der Bekleidungsanpassung an die thermische Umgebung geeignet. Der ASHRAE Standard 55-2020 gibt im Anhang D4 ein Computerprogramm zur Berechnung von SET an. Für die Ermittlung des PMV-Index wird SET nur benutzt, um den Cooling Effect (CE) aufgrund erhöhter Luftgeschwindigkeiten zu ermitteln. Dazu wird die Nullstelle für die Bedingung gesucht:
f(CE) = SET(ta, tr, velev, …) – SET(ta–CE, tr–CE, vstill, …)
SET Standard-Effektivtemperatur in °C
CE Cooling Effect in K
ta Lufttemperatur in °C
tr mittlere Strahlungstemperatur in °C
velev erhöhte Luftgeschwindigkeit in m/s
vstill Luftgeschwindigkeit in fast ruhender Luft (= 0,1 m/s)
Das heißt die erhöhte konvektive Wärmeabgabe durch eine Luftgeschwindigkeit größer 0,1 m/s wird umgeformt in eine abgesenkte Luft- und Strahlungstemperatur. Der PMV-Index wird anschließend entsprechend ISO 7730 mit den Parametern ta-CE, tr-CE, vstill, … berechnet. Das CBE Thermal Comfort Tool [12] bietet die Onlineberechnung nach dieser Methode an.
![4 Einfluss der relativen Luftfeuchte auf den PMV-Index nach [8] und [11] bei einer erhöhten Aktivität und Raumluftgeschwindigkeit (Grafik links: CE-Mittel = 3,65 K, CE-Standardabweichung = 0,556 K, Grafik rechts: CE-Mittel = 5,78 K, CE-Standardabweichung = 0,731 K)](/sites/default/files/styles/aurora_default/public/aurora/2024/10/230434.jpeg?itok=B4LihqhB)
Bilder: Nadler
(Grafik links: CE-Mittel = 3,65 K, CE-Standardabweichung = 0,556 K, Grafik rechts: CE-Mittel = 5,78 K, CE-Standardabweichung = 0,731 K)
Vergleich der PMV-Indizes
Für die folgenden Beispiele wird davon ausgegangen, dass sich die Person durch Änderung der Bekleidung an die thermische Umgebung derart anpasst, dass der Betrag von PMV den niedrigsten Wert annimmt. Dazu wird ein Bekleidungsgradbereich clovon … clobis eingegeben, in dem die Anpassung der Bekleidung zumutbar ist. Das hat den Vorteil, dass der Bekleidungsgrad in clo als Untersuchungsparameter entfällt.
Zu den Unterschieden beider Berechnungsverfahren kommt noch erschwerend hinzu, dass es automatische Vorabkorrekturen gibt:
In Abb. 2 ist der PMV-Index nach ISO 7730 und ASHRAE 55-2020 über einen großen warmen bis heißen Temperaturbereich aufgetragen. Parameter ist die relative Raumluftfeuchte (RH) im Bereich 30 bis 70 %. Die gestrichelten Kurven für die ASHRAE 55-2020 grenzen den Bereich 30 bis 70 % ein. Die durchgezogenen Kurven nach ISO 7730 geben auch Zwischenwerte an.
Ab 25 °C gibt es keine Anpassungsmöglichkeit der Bekleidung mehr, das heißt es kommt nur noch der clovon-Wert von 0,62 clo zum Einsatz. Ab dieser Temperatur verlaufen die Linien linear.
Der Einfluss der relativen Luftfeuchte auf den PMV-Index nach ISO 7730 bei 35 °C beträgt 0,50 PMV als Differenz im angegebenen Luftfeuchtebereich. Bei 26 °C ist der Einfluss der relativen Luftfeuchte geringer und beträgt nur 0,30 PMV. Vergleicht man diese Differenzen mit den Kategorien der DIN EN 16798-1 so kann die relative Luftfeuchte schon einen Kategorienwechsel bewirken, wenn keine Be- und Entfeuchtung vorhanden ist.
![5 Einfluss der relativen Luftfeuchte auf den PMV-Index nach [8] und [11] bei einer erhöhten Strahlungstemperatur (Grafik links: CE-Mittel = 0,47 K, CE-Standardabweichung = 0,112 K, Grafik rechts: CE-Mittel = 3,89 K, CE-Standardabweichung = 0,414 K, Grafik nächste Seite links: CE-Mittel = 4,09 K, CE-Standardabweichung = 0,675 K, Grafik nächste Seite rechts: CE-Mittel = 6,52 K, CE-Standardabweichung = 0,892 K)](/sites/default/files/styles/aurora_default/public/aurora/2024/10/230435.jpeg?itok=NDMMPA52)
Bilder: Nadler
(Grafik links: CE-Mittel = 0,47 K, CE-Standardabweichung = 0,112 K, Grafik rechts: CE-Mittel = 3,89 K, CE-Standardabweichung = 0,414 K,
Grafik nächste Seite links: CE-Mittel = 4,09 K, CE-Standardabweichung = 0,675 K, Grafik nächste Seite rechts: CE-Mittel = 6,52 K, CE-Standardabweichung = 0,892 K)
Die PMV-Werte der ASHRAE 55-2020 liegen aufgrund des Cooling Effects immer etwas niedriger. Die Abweichungen zum Verlauf nach ISO 7730 sind gering. Deshalb wird der Fall einer höheren Raumluftgeschwindigkeit untersucht (s. Abb. 3). Eine erhöhte Raumluftgeschwindigkeit von 0,6 m/s ist nach EN 16798-1:2019-05 im informativen Anhang Tabelle B.4 zulässig, wenn diese Maßnahme einer persönlichen Kontrolle unterliegt. Höhere Raumluftgeschwindigkeiten könnten auch durch die Fensterlüftung entstehen.
Es ergeben sich erwartungsgemäß deutliche Abweichungen von der ISO 7730 die dazu führen, dass ein möglicher Grenzwert für den PMV-Index erst bei höheren operativen Temperaturen erreicht wird. Die CE-Werte liegen für den gesamten Untersuchungsbereich in Abb. 3 im Mittel bei 3,14 K mit einer Standardabweichung von 0,325 K. Der Korrekturwert der operativen Innentemperatur bei einer mittleren Luftgeschwindigkeit von 0, 6 m/s nach DIN EN 16798-1 [3, Tab. B.4] beträgt dagegen nur 1,2 K, wird also deutlich unterschätzt.
Bei einer bestimmten Parameterkombination für eine hohe thermische Belastung kommt es bei ASHRAE 55-2020 zu einem Abweichen vom linearen Verlauf (in Abb. 3 ab 34 °C und 70 % RH). Trotzdem kann man aus den Verläufen prognostizieren, dass die PMV-Berechnung auch für PMV > 2,0 anwendbar ist.
Der Vergleich der ISO 7730-Linien in Abb. 3 und Abb. 2 zeigt durch den Geradenanstieg, dass bei hohen Temperaturen der PMV-Index bei erhöhter Luftgeschwindigkeit sogar zunimmt. Dies entspricht der Meinung der Weltgesundheitsorganisation WHO [13], die davon ausgeht, dass bei einer Lufttemperatur größer der Hauttemperatur der Körper erwärmt wird. Es wird sogar empfohlen, Ventilatoren bei über 35 °C Lufttemperatur abzuschalten. Der US-amerikanische Berufsverband der HKL-Branche ASHRAE entgegnet, dass die höhere Luftgeschwindigkeit zu einer höheren Verdunstung führt und der Einsatzbereich der konvektiven Kühlung in Abhängigkeit der relativen Luftfeuchte erweitert werden muss [13, Reiter „Fans & Heat“]). Er empfiehlt zum Beispiel bei ca. 70 % RH noch den Einsatz von Ventilatoren bis 36 °C. Ab ca. 43 °C nicht mehr. Dazwischen ist ein Ventilator immer noch nützlich.
Um die PMV-Berechnung auch für andere Gebäudenutzungen zu testen, werden in Abb. 4 die Verläufe für eine Aktivität von 2,0 met dargestellt. Aufgrund der o.g. Vorabkorrekturen wird die relative Luftgeschwindigkeit größer und der dynamische Bekleidungsgrad kleiner. Daher ergibt sich nicht grundsätzlich ein Ansteigen des PMV-Wertes mit höherer Aktivität. Bei höheren Temperaturen werden die PMV-Werte sogar geringer gegenüber dem Fall in Abb. 2.
In Räumen mit hohem Glasanteil und ohne Kühldecken ist die mittlere Strahlungstemperatur höher als die Lufttemperatur. In Abb. 5 sind die untersuchten Randbedingungen für den Fall dargestellt, dass die Strahlungstemperatur um 4 K größer ist als die Raumlufttemperatur. Der Einfluss einer erhöhten Raumluftgeschwindigkeit auf den PMV-Index fällt hier geringer aus. Trotz hoher Werte für den Cooling Effect sind die Unterschiede zwischen den Normen ISO 7730 und ASHRAE 55-2020 vor allem im sehr warmen Bereich deutlich geringer. Eine konvektive Kühlung ist bei dieser Raumart weniger erfolgreich.
Im zweiten Teil des Beitrags berechnet der Autor einen Grenzwert für den sommerlichen Wärmeschutz, der die gesundheitliche Beinträchtigung durch Hitze berücksichtigt, vergleicht ihn mit anderen Indizes und erläutert seine Anwendbarkeit anhand eines Beispiels.