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Zusatzfaktoren für Außenluft-Wärmepumpen

Energieverbrauch falsch bereinigt

„Und, hat eure neue Dämmung was für eure Wärmepumpe gebracht?“ „Ja, 60 Prozent Einsparung. Aber im letzten Winter gab es ja auch fast keinen Frost.“ Ob der Vergleich wirklich stimmt, können Laien kaum abschätzen. Wenn sie Glück haben, schaltet sich ein Fachmann ins nachbarschaftliche Gespräch ein, der das Schlagwort „Witterungsbereinigung“ einbringt. Wenn sie noch mehr Glück haben, kann er ein Programm wie das kostenfreie Online-Tool Wetter-Cockpit von Zukunft Altbau empfehlen, mit dem sich diese Bereinigung durchführen lässt.

Die Mathematik der Bereinigung

Für die Witterungsbereinigung werden die Gradtagzahlen oder die daraus ermittelten Klimafaktoren des Deutschen Wetterdienstes herangezogen. Entsprechend der VDI 2067 wird dafür an verschiedenen Wetterstationen für jede Stunde ermittelt, um wie viel Kelvin gegenüber der Außentemperatur aufgeheizt werden muss, damit eine Innenraumtemperatur von 20 Grad Celsius erreicht wird.

Als Heizgrenze, ab der nicht mehr geheizt werden muss, sind 15 Grad Celsius angesetzt. Die ermittelten Zahlenwerte für die einzelnen Stunden werden addiert, um auf Werte für den Tag, den Monat und schließlich das ganze Jahr zu kommen. Als mathematische Formel sieht die Berechnung wie folgt aus:

Schweikhardt

Wobei ti die mittlere Innen- und ta die mittlere Außentemperatur eines Tages sowie z die Zahl der betrachteten Tage beschreibt. Bei einer mittleren Außentemperatur von fünf Grad Celsius würden für diesen Tag also 20 °C - 5 °C = 15 K in die Berechnung eingehen.

Die Heizgradtage nach VDI 3807 unterscheiden sich dadurch, dass sowohl eine individuelle Heizgrenze als auch eine individuelle Zieltemperatur für die Beheizung angesetzt wird, also zum Beispiel eine aufgrund von Dämmung niedrigere Heizgrenze von zwölf Grad Celsius und eine Zieltemperatur von 21 Grad Celsius.

Die ermittelten Werte werden dann mit dem langjährigen Mittel der Gradtagzahlen ins Verhältnis gesetzt, sodass ein aktueller Verbrauch mit dem sich ergebenden Faktor multipliziert werden kann. Dadurch erhält man einen bereinigten Wert, der zum Beispiel mit dem bereinigten Wert der Vorjahre verglichen werden kann. Nun erst wird klar, ob eine Verbrauchs­änderung nur an der veränderten Witterung liegt oder sich Klimaschutzmaßnahmen oder ein verändertes Verhalten ausgewirkt haben.

Um Gebäude in verschiedenen Regionen Deutschlands vergleichen zu können, wird beispielsweise bei den für Energieausweise herangezogenen Klimafaktoren seit der EnEV 2013 zudem auf den Referenzstandort Potsdam normiert, indem von dort die Gradtagzahlen des langjährigen Mittels verwendet werden. Wegen der Klimaerwärmung werden die Bereinigungsfaktoren immer größer, wird der Referenzzeitraum nicht permanent angepasst.

Die Schwächen der bisherigen Mathematik

Mit der Formel wird seit Jahrzehnten bereinigt: für Energieausweise, Sanierungsfahrpläne, Wirtschaftlichkeitsrechnungen ebenso wie für Immobilienbewertungen, Interpolationen bei Heizkostenabrechnungen oder Klimaschutzkonzepte sowie in jedem Energiemanagementsystem. Die Witterungsbereinigung kann durchaus gravierende Auswirkungen haben: Mit ihr lässt sich ein Mehrverbrauch von fünf Prozent geschwind in eine zehn-prozentige Einsparung verwandeln.

Unabhängig vom Energieträger kann der Berechnungsmechanismus nicht alle wetterbedingten Unterschiede ausgleichen. Während in manchen Gebäuden oder Wohnungen die Windgeschwindigkeit oder -richtung die wichtigen Faktoren für den Energieverbrauch sind, ist es in anderen die Sonnenscheindauer am Nachmittag. Auch unterjährig stark schwankende Nutzungen und sich ändernde innere Gewinne bildet eine durchgehende Witterungsbereinigung nicht adäquat ab.

Die Besonderheiten bei Luft/Wasser-Wärmepumpen

Bei Außenluft-Wärmepumpen kommt zu diesen Ungenauigkeiten eine erhebliche Abweichung hinzu: Der Stromverbrauch ändert sich bei Temperaturabweichungen nach oben und unten erheblich sensibler als der Brennstoffverbrauch fossiler Heizungen. Denkt man das Prinzip einer Wärmepumpe durch, verwundert das nicht. Denn für den Stromverbrauch einer Wärmepumpe ist neben dem Wärmebedarf eines Gebäudes – dessen Varianz durch die bisherige Bereinigung hinreichend gut berücksichtigt werden kann – auch die Quellentemperatur der Außenluft von entscheidender Bedeutung. Daher beeinflusst eine kalte oder warme Witterung den Stromverbrauch einer Außenluft-Wärmepumpe in doppelter Weise.

Die herkömmliche Bereinigung ignoriert den Einfluss der Quellentemperatur und auch Software-Programme verwenden für Außenluft-Wärmepumpen den gleichen Faktor wie für fossile Heizungen, deren Effizienz jedoch kaum von der Außentemperatur abhängt. Dementsprechend zeigt sich an den gemessenen Monatsverbräuchen von zwei Wärmepumpen, dass die bereinigten Werte sich nicht hinreichend annähern, sondern auch nach der Bereinigung die gleichen Ausschläge bei kalten und warmen Monaten zu sehen sind wie beim realen Verbrauch (Abb. 2 und Abb. 3).

Ganz anders das Bild bei fossilen Heizungen. Abb. 4 und Abb. 5 zeigen für zwei betrachtete Gasheizanlagen zwar ebenso deutliche Ausschläge in den blauen Verbrauchskurven, jedoch besser geglättete orangene bereinigte Kurven, die nicht den Ausschlägen der blauen Kurven folgen. Das verdeutlicht, dass die Witterungsbereinigung entsprechend ausgleichend wirkt, um die Verbräuche bei gleichem Nutzerverhalten auf ein einheitliches Niveau zu bringen. Das sich ergebende Niveau der bereinigten orangenen Kurve, das zwischen vier und sechs Kilowattstunden pro Gradtag liegt, hängt von Größe und Dämmstandard des Gebäudes ab.

Dass das Phänomen nicht nur zufällig bei den oben betrachteten Wärmepumpen auftritt, zeigt die theoretische Überlegung, welche Verbräuche sich in Abhängigkeit der Außentemperatur bei Außenluft-Wärmepumpen ergeben. Ermittelt man den theoretischen Wärmeverbrauch für Tage mit unterschiedlichen Außentemperaturen ergibt sich bei den benötigten Kilowattstunden Wärme ein linearer Verlauf (rote Gerade in Abb. 6). Der notwendige Strominput für die Wärmepumpen folgt jedoch auf einer logistischen Kurve (gelbe Kurve in Abb. 6) und kann durch die herkömmliche Bereinigung lediglich auf die blaue Kurve gebracht werden.

Daher ist die Diagnose klar: Die bisherige Witterungsbereinigung für Außenluft-Wärmepumpen ist zu schwach und führt zu keinen validen Ergebnissen. Somit kann weder der Wärmepumpenbesitzer die durchgeführten Effizienzmaßnahmen monitoren noch der städtische Energiemanager fossil beheizte mit Wärmepumpen-beheizten Gebäuden vergleichen. Da diese Erkenntnis noch nicht verbreitet ist, dürften in den vergangenen Monaten und Jahren zahllose falsche Schlüsse aus den vermeintlich gut bereinigten Werten abgeleitet worden sein. Gleiches gilt natürlich auch für Energieausweise und Heizkostenabrechnungen.

Ein zusätzlicher Faktor

Um die Witterungsbereinigung für Außenluft-Wärmepumpen zu verbessern, schlägt Zukunft Altbau vor, einen zusätzlichen Faktor einzuführen. Während die bisherige Berechnung den Einfluss der Außentemperatur auf den Wärmebedarf im Innern abdeckt, soll der zusätzliche Faktor den Einfluss der Außentemperatur auf die Effizienz einer Wärmepumpe berücksichtigen. Der Wirkungsgrad drückt das Verhältnis von erzeugter Wärmemenge zu eingesetzter Strommenge aus.

Nun unterscheiden sich die Leistungszahlen (Coefficient of Performance, COP) der Wärmepumpen von Modell zu Modell. Um ein bundesweit einheitliches vereinfachtes Berechnungsverfahren durchführen zu können, sollten den verschiedenen Außentemperaturen jeweils feste COP-Faktoren zugeordnet werden, die näherungsweise für die meisten Modelle gute Ergebnisse produzieren (Abb. 7). Werden sie angewendet, ergibt sich eine hervorragende Bereinigungswirkung auf den Verbrauch bei unterschiedlichen Außentemperaturen (grüne Gerade in Abb. 6).

Die Witterungsbereinigung für Warmwasser …

Galt es bislang als Qualitätskriterium für Energieberater, Energiemanager oder Energiemanagement-Software, dass sie den – oftmals nicht separat messbaren – Warmwasseranteil nicht mit bereinigten, ergibt dies bei Außenluft-Wärmepumpen mit Warmwasserbereitung plötzlich Sinn. Denn es macht einen großen Unterschied aus, ob das Warmwasser bei fünf oder 30 Grad Celsius Außentemperatur produziert werden muss. (Was im Übrigen für Wärmepumpenbesitzer ein Anreiz sein sollte, ihre Warmwasserbereitung – sofern ausreichend – immer in den Mittagsstunden durchzuführen.) Auch wenn dadurch die Bereinigung nochmals komplexer ausfällt, müsste eine saubere Bereinigung für das Warmwasser einen weiteren vom COP-Wert abhängigen Mechanismus einführen.

… und den Heizstab?

Mit dem vorgeschlagenen Verfahren eines zusätzlichen COP-Faktors sollte eine Witterungsbereinigung für Außenluft-Wärmepumpen im Standardmodus gut möglich sein. Ab dem Moment, ab dem sich der Heizstab zuschaltet, passen die ermittelten Werte jedoch nicht, da durch seinen Einsatz kleinere Temperaturabweichungen zu starken Mehrverbräuchen führen können. Aufgrund der Sprunghaftigkeit des Verbrauchsanstiegs, der zudem je nach Gebäude und Gerätefabrikat unterschiedlich ausfallen wird, dürfte eine zufriedenstellende einfache Formellösung nicht möglich sein.

Man könnte sich ihr nur dadurch annähern, dass der COP-Faktor bei kalten Außentemperaturen weiter reduziert wird, was allerdings ohne Heizstab arbeitenden Anlagen nicht gerecht würde. Auf jeden Fall sollten Wärmepumpennutzer den Heizstabverbrauch separat erfassen und möglichst reduzieren.

Das Fazit

Die Witterungsbereinigung war noch nie perfekt, auch wenn viele die Werte bislang vermutlich nie hinterfragt haben. Sie wird auch in Zukunft nicht perfekt sein – Stichwort Heizstab und lokales Mikroklima. Wir können jedoch etwas dafür tun, dass die deutlichen Abweichungen bei Außenluft-Wärmepumpen mittels zusätzlicher Bereinigungsfaktoren zumindest so weit ausgeglichen werden, dass auch bereinigte Werte von Außenluft-Wärmepumpen guten Gewissens verwendet, verglichen und publiziert werden können – sodass sich der interessierte Nachbar auf solider Grundlage für eine umfassende Dämmung entscheiden kann.

Literatur

Deutscher Wetterdienst: Klimafaktoren (KF) für Energieverbrauchsausweise:
https://t1p.de/GEB250760 (Abruf am 30.06.2025).

Halbig, Guido und Joachim Namyslo (2014): Neue Witterungsbereinigung für Energieausweise auf der Basis des Referenzklimas Potsdam. EnEV aktuell, IV, 2014, S. 11-13.

Reese, Karsten (2012): DIN EN ISO 50001 in der Praxis. S. 220 ff. Essen.

GEG-Infoportal: Regelungen zu Energieausweisen. Klimafaktoren:
https://t1p.de/GEB250761 (Abruf am 15.07.2025).

Prognos (2015): Witterungsbereinigung auf Basis von Gradtagen und Solarstrahlung. Aufarbeitung und Dokumentation zuhanden des Bundesamts für Energie. Basel.

Verordnung über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten (HeizkostenV) (zuletzt geändert 2023): https://t1p.de/GEB250762
(Abruf am 28.06.2025)

2 Außenluft-Wärmepumpe 1: gemessene Verbräuche in kWh (blaue Kurve) im Vergleich zu bereinigten Werten in kWh/Kd (orange Kurve)

Bild: Schweikhardt

2 Außenluft-Wärmepumpe 1: gemessene Verbräuche in kWh (blaue Kurve) im Vergleich zu bereinigten Werten in kWh/Kd (orange Kurve)
3 Außenluft-Wärmepumpe 2: gemessene Verbräuche in kWh (blaue Kurve) im Vergleich zu bereinigten Werten in kWh/Kd (orange Kurve)

Bild: Schweikhardt

3 Außenluft-Wärmepumpe 2: gemessene Verbräuche in kWh (blaue Kurve) im Vergleich zu bereinigten Werten in kWh/Kd (orange Kurve)
4 Gasheizung 1: ­gemessene Verbräuche in kWh (blaue Kurve) im Vergleich zu bereinigten Werten in kWh/Kd (orange Kurve)

Bild: Schweikhardt

4 Gasheizung 1: ­gemessene Verbräuche in kWh (blaue Kurve) im Vergleich zu bereinigten Werten in kWh/Kd (orange Kurve)
5 Gasheizung 2: gemessene Verbräuche in kWh (blaue Kurve) im Vergleich zu bereinigten Werten in kWh/Kd (orange Kurve)

Bild: Schweikhardt

5 Gasheizung 2: gemessene Verbräuche in kWh (blaue Kurve) im Vergleich zu bereinigten Werten in kWh/Kd (orange Kurve)
6 Außenluft-Wärmepumpe: reale und witterungsbereinigte Verbräuche in Abhängigkeit von der Außentemperatur

Bild: Schweikhardt

6 Außenluft-Wärmepumpe: reale und witterungsbereinigte Verbräuche in Abhängigkeit von der Außentemperatur
7 Außenluft-Wärmepumpe: COP-Faktoren für Witterungs­bereinigung

Bild: Schweikhardt

7 Außenluft-Wärmepumpe: COP-Faktoren für Witterungs­bereinigung
Felix Schweikhardt
Der Diplom-Geograph ist Projektmanager Nichtwohngebäude und leitet das Projekt Sanierungssprint als Teil des Technik-Teams beim vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderten Informationsprogramm Zukunft Altbau.

Bild: KEA-BW

Das Wettercockpit von Zukunft Altbau

Die wesentliche Idee des Wettercockpits ist es, unterschiedlichste Verbrauchszeiträume miteinander vergleichen zu können. Aufgrund der tagesscharf hinterlegten Wetterdaten können so zum Beispiel vier Tage im März mit elf Tagen im November witterungsbereinigt verglichen werden. Ebenso kann ein Verbrauch je nach Witterung den verschiedenen Tagen eines Zeitraums zugeordnet werden.

https://wettercockpit.zukunftaltbau.de/

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