Was sich hinter einer Fernwärmeversorgung vertraglich alles verbirgt, halten manche Anbieter unter dem Deckel.
Fernwärmeverordnung braucht dringend eine Reform Sind Kunden einer Fernwärmeversorgung nicht zufrieden, können sie im Regelfall nicht einfach den Anbieter wechseln. Umso wichtiger wären im Streitfall allgemein gültige rechtliche Bestimmungen. Um sie wird aber seit Jahren ergebnislos gerungen. Desto mehr kommt es auf eine seriöse Energieberatung an. Werner Dorß
In den allermeisten Bereichen sehen das EU-Recht und insbesondere die Vorschriften in Deutschland – Gesetze, Verordnungen und technische Regelwerke – sehr detaillierte Vorgaben vor, die sich in Einzelfällen sogar widersprechen und hohe bürokratische Anforderungen zur Folge haben. Dies gilt nicht zuletzt auch für die leitungsgebundene Energieversorgung von Liegenschaften mit Elektrizität und Gas. Auf dem Sektor der Fernwärmeversorgung bestehen jedoch seit Jahrzehnten erhebliche Regelungslücken.
Vorgaben – soweit überhaupt vorhanden – sind oftmals veraltet beziehungsweise nicht mehr zeitgemäß. Dies gilt unter anderem für eine neutrale staatliche Aufsicht. Die Zuständigkeit der Regulierungsbehörden – auf Bundesebene die Bundesnetzagentur – wird verbindlich im Energiewirtschaftsgesetz geregelt. Da auch dort die Fernwärmeversorgung im Unterschied zur leitungsgebundenen Versorgung mit Strom und Gas nicht einmal erwähnt wird, sind die Regulierungsbehörden sachlich unzuständig und dürfen nicht einschreiten, sogar wenn dort der dringende Handlungsbedarf erkannt wird und zahlreiche Kundenbeschwerden vorliegen. Vergleichbares gilt auch im Kartellrecht – etwa im Kontext der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht.
Aufgrund der föderalen Strukturen in Deutschland ist das Bundeskartellamt von wenigen Ausnahmen abgesehen nur dann zuständig, wenn der fragliche Sachverhalt die Grenzen eines Bundeslandes überschreitet. Wärmenetze, bei denen dies der Fall ist, sind in Deutschland jedoch faktisch nicht vorhanden. Somit liegt im Regelfall die kartellrechtliche Zuständigkeit bei den jeweiligen Landeskartellbehörden, die je nach Bundesland wiederum unterschiedlichen Ministerien zugeordnet sind und zudem oftmals eine abweichende Vorgehensweise verfolgen.
Erschwerend kommt hinzu, dass im Unterschied zu Strom und Gas bisher keine allgemein anerkannten Schlichtungsstellen existieren. Der dringende Handlungs- und Reformbedarf wird seit vielen Jahren angemahnt und diskutiert – etwa von den Immobilienverbänden, dem Mieterbund, den Verbraucherzentralen und nicht zuletzt von der Monopolkommission und dem Bundeskartellamt.
Als Verbraucherzentrale Bundesverband setzen wir uns für die verbraucherfreundliche Ausgestaltung des Fernwärmemarktes ein. Dazu gehören für uns auch eine Schlichtungsstelle und eine behördliche Preisaufsicht.
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Im Wärmenetz gefangen
Fernwärme heißt meist immer und ausschließlich Fernwärme. Denn im Regelfall verfügen langjährig fernwärmeversorgte Immobilien weder über einen Schornstein noch über einen geeigneten Heizungskeller oder einen Brennstofflagerraum. Hinzu kommt der Umstand, dass in traditionell fernwärmeversorgten Quartieren oftmals keine Gasleitungen in den Straßen vorhanden sind und die Hausstromanschlüsse ursprünglich so schwach dimensioniert wurden, dass nicht kurzfristig auf elektrisch betriebene Heizungsanlagen – etwa Wärmepumpen – umgestellt werden kann.
Dass in vielen Fernwärmeverträgen durch den Versorger einseitig eine „Gesamtbedarfsdeckungsverpflichtung“ vorgegeben wird, erschwert die Situation. In der Konsequenz sollen Nutzer von Gebäuden daran gehindert werden, einen bestehenden Kaminofen zu Heizzwecken zu nutzen, da der Gesamtwärmebedarf ausschließlich durch die Fernwärme gedeckt werden soll. Zur Lösung dieser Problematik haben sich in den vergangenen Jahren verstärkt Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften von betroffenen Kunden gegründet.
Zudem gibt es kommunale Satzungen, welche ausdrücklich nicht nur einen Anschluss-, sondern auch einen Benutzungszwang für die Fernwärme vorsehen. Nicht zufällig spricht daher auch das Bundeskartellamt seit vielen Jahren im Zusammenhang mit der Fernwärmeversorgung von „gefangenen Kunden“.
Infolge der signifikanten Regelungslücken und der Energiepreisentwicklung der vergangenen Jahre erreicht die Thematik die Breite der Bevölkerung – betroffen sind Immobilien unterschiedlicher Nutzung in Planung, Neubau und Bestand und neben selbstnutzenden Eigentümern auch die Mieter. Die Konflikte vor Ort führten dazu, dass das höchste deutsche Zivilgericht – der Bundesgerichtshof – in den vergangenen sieben Jahren mehr Fernwärmeentscheidungen getroffen hat, als in den Jahrzehnten zuvor zusammen.
Eigentlich entscheidet ein Gericht einen konkreten Streitfall auf der Grundlage bestehender verbindlicher rechtlicher Rahmenbedingungen. In zahlreichen Entscheidungen zur Fernwärme aus der letzten Zeit finden sich zum Teil deutliche Hinweise auf Regelungslücken und veraltete Vorgaben. Es fehlen somit im Rahmen des „Fernwärmerechts“ weiterhin allgemein gültige rechtliche Rahmenbedingungen, welche dann im Konfliktfall von den Gerichten auch angewendet und umgesetzt werden können. Dies gilt beispielsweise für die Zusammensetzung der Gesamtfernwärmepreise und daher für die anteilige Gewichtung zwischen Grundpreis und Arbeitspreis sowie für die Berücksichtigung des sogenannten Marktelements. Fernwärmeversorger müssen bei der Preisgestaltung neben der Kostenentwicklung auch die „jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt“ angemessen berücksichtigen.
Die Wärmewende kostet viel Geld und kann nur gelingen, wenn endlich ein stabiler Rechtsrahmen die Refinanzierbarkeit der immensen Investitionen in Netzausbau und Dekarbonisierung ermöglicht. Im Gegenzug schafft natürlich nur eine entsprechende Transparenz die erforderliche Akzeptanz im Markt. Wir bemühen uns ernsthaft um Offenheit in den Verträgen und auf unseren Internetseiten. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht.
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Die Reform ist vorerst gescheitert
Gegenwärtig steht die lange angekündigte und überfällige Reform der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) im Fokus der Berichterstattung und des Interesses der Öffentlichkeit. Jedoch zeigen bereits die genannten Beispiele einer fehlenden staatlichen Aufsicht über Preise und Konditionen, dass eine derartige Reform einer Verordnung allein nicht ausreicht. Auf einer höheren Ebene bedarf es somit zusätzlich der Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf Gesetzesebene – etwa des Energiewirtschaftsgesetzes EnWG und/oder des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz).
Die Probleme und Spannungen der letzten Regierungskoalition, welche schließlich zum Bruch der Ampelkoalition führten, dürften hinlänglich bekannt sein. Rechtshistorisch dürfte es im Zeitfenster seit Gründung der Bundesrepublik nur sehr wenige vergleichbare Fälle gegeben haben. Federführend lag die Aufgabe der Novellierung im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Seine Fachabteilungen beschäftigten sich damit über viele Monate. Der einseitige Lobbyeinfluss führte im Ergebnis zu einer deutlichen Benachteiligung der Kunden- und Verbraucherseite.
Die AVBFernwärmeV stammt ursprünglich aus dem Jahr 1980 und wurde in ihren wesentlichen Rahmenbedingungen über 40 Jahre nicht reformiert. Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass in Deutschland die vielzitierte Energie- und Wärmewende bei der Fernwärme mit Vorgaben umgesetzt werden sollte, welche den zeitlichen Anforderungen und Gegebenheiten nicht mehr näherungsweise entsprachen. So hatte eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands zum Ziel, die Verpflichtung von Fernwärmeversorgungsunternehmen, ihre Preise und Daten frei zugänglich im Internet zu veröffentlichen, festzustellen beziehungsweise zu bestätigen. Da jedoch der Begriff „Internet“ in der AVBFernwärmeV aus dem Jahr 1980 nicht vorkommt, konnte das Gericht diese Verpflichtung nicht bestätigen.
Die erste grundlegende Reform erfolgte zum 5. Oktober 2021 in der Endphase der damaligen „Großen Koalition“. Eine Änderung betraf das Recht des Kunden, eine Anpassung der vertraglich vereinbarten Wärmeleistung während der Vertragslaufzeit vorzunehmen. Kunden können seitdem eine Anpassung der Leistung – ohne konkreten Nachweis – verbindlich einfordern, sofern sich die Anschlussleistung in der Folge nicht mehr als um 50 Prozent reduziert.
Diese weitreichende Regelung und die damit verbundene Stärkung der Kundenrechte wurden im Referentenentwurf der Novellierung am 25. Juli 2024 in ihren wesentlichen Teilen wieder zurückgenommen beziehungsweise signifikant eingeschränkt. Der vom BMWK veröffentlichte Referentenentwurf war offensichtlich mit anderen Ministerien – namentlich dem Bundesbauministerium – im Detail nicht hinreichend abgestimmt.
In der Folge wurde die geplante Verabschiedung des Entwurfs durch das Bundeskabinett in den Monaten August bis Oktober 2024 immer wieder verschoben oder kurzfristig von der bereits öffentlich kommunizierten Tagesordnung gestrichen. Schließlich hat das BMWK am 28. November 2024 einen erneut überarbeiteten Entwurf zur AVBFernwärmeV-Novelle vorgelegt. Nach dem Bruch der Ampelkoalition wurde dieser jedoch nicht weiterverfolgt.
Über diese Vorgänge berichteten unter anderem die ARD im Sendeformat Plusminus am 2. Oktober 2024 und der Hessische Rundfunk im Sendeformat der Hessenschau am 13. November 2024 (Fernwärme ist erwünscht, aber aus Sicht von Mietern zu teuer). Wegen der Bedeutung der Thematik hat die ARD die Beiträge am 4. Oktober 2024 auf tagesschau.de angeboten, wo sie noch abrufbar sind (Immer mehr Fernwärme-Kunden sind wütend). Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stellte ein gut einminütiges Video in das Internet (Bundesminister Habeck zur Fernwärmeverordnung). Hierin verwies er auf die vielen Beschwerden von Fernwärmekunden, die ihn erreicht hätten und gestand bemerkenswert offen Fehler bei der Ausgestaltung der AVBFernwärmeV-Reform ein. Die ARD kommunizierte den Abbruch der Novelle im Sendeformat der Tagesschau am 13. Dezember 2024 um 20 Uhr (Bundesregierung kippt Fernwärme-Pläne).
Somit bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass die letzten Reformbemühungen gescheitert sind und diese Aufgabe nunmehr der künftigen Bundesregierung zufallen wird. Der dringende Reformbedarf im Zusammenhang mit der Energie- und Wärmewende ist in weiten Teilen der Marktteilnehmer unbestritten und bedarf möglichst kurzfristig der Klärung, um möglichst sichere und verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen zu definieren. Zu wünschen wäre eine derartige Reform unter angemessener Berücksichtigung der Interessen sämtlicher Marktteilnehmer: Kunden/Verbraucher, Fernwärmeversorgungsunternehmen und Dienstleister. Und das nach Möglichkeit vor Beginn der kommenden Heizperiode 2025/2026.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die berechtigten Interessen der Versorgungsunternehmen ausdrücklich hinzuweisen. Die verbindlich zu erfolgende kommunale Wärmeplanung – und somit der gewünschte Ausbau der Fernwärme – erfordert hohe Milliardensummen und bedarf verlässlicher rechtlicher Rahmenbedingungen und einer Planungssicherheit – nicht zuletzt hinsichtlich der erforderlichen Investitionen. Gegebenenfalls bedarf es hierzu neuer und verlässlicher staatlicher Förderung.
In der Immobilienwirtschaft besteht ein großer Nachholbedarf im Bereich der Fernwärme. Mit einer bedarfsgerechten Anpassung von Anschlussleistungen nach § 3 AVB FernwärmeV können zusätzliche Einsparpotenziale erschlossen und die Nebenkosten ganzer Port-folios signifikant und nachhaltig reduziert werden. Dazu bedarf es -jedoch eines verlässlichen rechtlichen Rahmens, der es uns Beratern ermöglicht, dies im Interesse unserer Kunden umzusetzen.
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Wie Energieberatung helfen kann
Die AVBFernwärmeV mit den wesentlichen Änderungen aus dem Jahr 2021, zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. Juli 2022, ist entgegen der zahlreichen Reformankündigungen nach wie vor in Kraft. Es besteht ein wesentliches Beratungspotenzial auf Seiten seriöser Energieexperten und damit korrespondierend ein Beratungsbedarf auf Seiten der Kunden und Verbraucher. Die noch bestehende Möglichkeit der Anschlusswertoptimierung sollte möglichst zeitnah umgesetzt werden.
Zahlreiche Beispiele aus der Praxis zeigen, dass es einer fachlich fundierten Beratung bedarf und Unterdimensionierungen vermieden werden sollten. Insbesondere in hochverdichteten Abnahmegebieten werden durch innovative Fernwärmeversorgungsunternehmen freiwerdende Leistungskapazitäten zeitnah angeboten mit der Folge, dass bei einer Unterdimensionierung der bestehenden Altanschlussleistungen eine erneute Erhöhung dann nicht oder nur eingeschränkt möglich ist.
Überprüft werden sollten vor Ort auch die Eigentums- und Liefergrenzen, verbunden mit der Frage, welche Komponenten der Fernwärmeversorgung im Gebäude im Eigentum des Versorgungsunternehmens stehen. Hieraus folgt im Rahmen der Energieberatung unter anderem die Feststellung, wer die Verantwortung für Reparaturen und Austausch trägt und wer gegebenenfalls Einfluss auf relevante Betriebsparameter nehmen darf. Zum Teil verlaufen die Eigentumsgrenzen sogar quer durch die Hausanschlussstationen mit der Folge, dass die Trinkwarmwasserhygiene im Verantwortungsbereich des Immobilieneigentümers liegt.
Weiterhin bedarf es der sorgfältigen Prüfung der Verträge und der technischen Anschlussbedingungen. Oftmals werden in der Praxis veraltete Vereinbarungen getroffen, welche der aktuellen Realität vor Ort nicht mehr entsprechen (unter anderem der Einsatz der Brennstoffe und Energieträger oder die Absenkung der Vorlauftemperaturen im Wärmenetz). Bei einer traditionellen Zentralheizung hat im Regelfall jeder Gebäudeeigentümer detaillierte Kenntnisse, welche Brennstoffe beziehungsweise Energieträger anteilig zum Einsatz kommen. In fernwärmeversorgten Liegenschaften verfügen die Gebäudeeigentümer oftmals jedoch nicht über zutreffende oder aktualisierte Auskünfte hinsichtlich der eingesetzten Brennstoffe beziehungsweise der Herkunft der Wärme. So finden sich leider in der Praxis konkrete Fälle, bei denen in Quartiersversorgungen die Nahwärme ausschließlich durch Geothermie gewonnen wird und die Kunden in ihren Preisformeln bis zu 100 Prozent Importsteinkohle finden.
Ein weiteres Aufgabenfeld für die Gebäudeenergieberatung vor Ort ist somit die Analyse der anteilig verwendeten Brennstoffe und Energieträger und nicht zuletzt auch die Überprüfung der sogenannten Primärenergiefaktoren. Es besteht aus den genannten Gründen bereits aktuell erheblicher Handlungs- und Beratungsbedarf – er wird in Zukunft mit dem Ausbau der Nah- und Fernwärme an Relevanz gewinnen.