Berufsbild Energieberatung Die Zahl der Energieberatungen ist 2021 explodiert. Gab es 2020 etwas über 24 600 Energieberatungen für Wohngebäude, waren es vergangenes Jahr bis Ende November bereits 67 000. Auch die Zahl der in der Energieeffizienzexpertenliste eingetragenen Personen steigt. Bei den Wohngebäuden waren es Mitte Dezember mit 11 000 gut 10 Prozent mehr als im Vorjahr, bei den Effizienzexperten für Nichtwohngebäude über 4000 und damit fast 1000 registrierte Fachleute mehr als vor einem Jahr. Pia Grund-Ludwig
„Viele Kunden kamen über die Energieeffizienzexperten-Liste“, berichtet etwa Thomas Kramps. Mit der Auftragslage ist er sehr zufrieden. Er ist seit September 2021 in die EEE-Liste eingetragen und hat dort seine Telefonnummer mittlerweile entfernt. Kunden, die über die Liste auf sein Profil kommen, landen nun zunächst auf seine Homepage, auf der er seine Leistungen beschreibt. Seine Akquise hat eine gute Quote: Zwei Drittel der Erstkontakte sind zu Kunden geworden.
Auch Julian Wiedemann, der wie Thoms Kramps über ein Kamingespräch des Gebäude-Energieberater zur Signal-Gruppe gestoßen ist, berichtet ähnliches. Er habe gut zu tun und fühlt sich wohl im neuen Beruf: „Ich bin superzufrieden und finde es sehr spannend.“ Bei ihm kamen die ersten Aufträge vor allem über Freunde und Bekannte. „Für die ersten Beratungsgespräche war es gut, dass es nicht gleich Fremde waren. Bei Einzelmaßnahmen fühle ich mich sicher, die Effizienzhausplanung ist eher komplex.“ Wiedemann arbeitet deshalb von Fall zu Fall mit Architekten zusammen.
Ich würde mir wünschen, dass in der Weiterbildung mehr Digitalisierung einzieht, Blended Learning, das gemeinsam mit Pädagogen entwickelt wird.
Bild: Angela Graumann
Wenn es in die Praxis gehe, sei man auf sich allein gestellt und müsse ins kalte Wasser springen, bestätigt Thomas Kramps. Er hat viel Respekt vor „der Fülle der Aufgaben in der energetischen Bewertung von Effizienzhäusern, dem Verständnis für Themen wie dem Wärmebrückennachweis und den technischen Anforderungen von KfW und BAFA, die teilweise nicht mit der Bundesförderung übereinzubringen sind.“
Für Kramps war der Start 2021 unter den Vorzeichen der neuen Bundesförderung für effiziente Gebäude ein Vorteil: „Ich habe nicht erst mit Vor-Ort-Beratungen angefangen, sondern gleich mit dem iSFP. Genauso habe ich sofort mit der DIN 18599 gerechnet und nicht mehr mit der DIN 4108.“
Beide Neueinsteiger sehen aber Handlungsbedarf beim Berufsbild: „Es wäre grundsätzlich wichtig das Berufsbild zu stärken, der Wert wird oft nicht erkannt. Und bei der Preisgestaltung würden klare Richtlinien helfen“, betont Julian Wiedemann. „Die Leute wissen, dass die Energieberatung Unterstützung bei der Förderung bringt, aber sie können die Qualität der Arbeit nicht einordnen“, hat auch Thomas Kramps vor allem bei Telefonkontakten erfahren. Der iSFP sei gut, um zu einem ganzheitlichen Vorgehen zu kommen und sinnvolle Schritte aufzuzeigen: „Viele Kunden kommen erst mit einer Maßnahme wie dem Fenstertausch und ich kann sie in der Beratung von mehreren Schritten überzeugen,“ sagt er. Dafür nimmt er sich viel Zeit, drei Termine pro Sanierungsfahrplan. Er habe alle Kunden, die er beraten habe auch in die Baubegleitung bekommen. „Damit binde ich die Kunden langfristig“, ist er sicher.
Was wäre nun zu tun, um Neulingen den Weg zu ebnen, bei den länger Aktiven Hürden aus dem Weg zu räumen und den Wert einer profunden Gebäudeenergieberatung zu vermitteln? Die naheliegendste Aufgabe ist es, mehr junge Menschen zu gewinnen. Die Überalterung ist enorm, das Durchschnittsalter liegt bei 56 Jahren. Ein Weg dahin kann die Quereinsteigerprüfung sein. Deren Qualität ist anerkannt. „Das sind Leute, die sehr motiviert sind. Es gibt eine hohe Durchfallquote bei den Prüfungen, aber wer die schafft, hat eine gute Basis, um als Energieberater erfolgreich zu sein“, so die Erfahrung des GIH-Vorsitzenden Jürgen Leppig.
Es wäre grundsätzlich -wichtig, das Berufsbild des Energie-beraters zu stärken. Der Wert der ganzheitlichen Beratung wird oft nicht -erkannt.
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War es lange schwierig, mit Energieberatung das komplette Einkommen zu erzielen, hat sich das in den vergangenen Jahren gedreht. So haben in der Sommerumfrage 2020 des GEB mehr als 40 Prozent der Befragten angegeben, zwischen 75 und 100 Prozent der Einnahmen aus Energieberatung zu erzielen. Vor zehn Jahren lag diese Quote bei 25 Prozent.
Einer der Gründe ist, dass es weniger Preisdumping gibt: „Es ist so viel Arbeit im Markt, dass sich die Einkommenssituation verbessert hat, aber auch die Akzeptanz der Energieberater bei Architekten, Planern und Kunden“, beobachtet Leppig.
Dem GIH ist es wichtig, die vorhandene Akzeptanz durch ein konkretes Berufsbild zu stärken. Für Gisela Renner, Arbeitsgruppenleiterin Berufsbild und Vorstandsvorsitzende in NRW ist die Kernkompetenz der Energieberatung in der VDI 3922 Blatt 2 beschrieben. Sie hat selbst an diesem Dokument mitgearbeitet. Das sei noch kein Berufsbild, beschreibe aber, was Energieberater machen. In der Richtlinie werden die unterschiedlichen Beratungsmethoden der Energieberatung mit ihren Stärken und Schwächen sowie deren Mehrwert beschrieben. „Kernkompetenz ist der gewerkeübergreifende Blick auf das Gebäude. Man kann darüber diskutieren, ob das auf die Quartiere ausgeweitet werden muss“, fasst sie zusammen.
Renner ist es wichtig, dass es auch Energieberater aus dem Handwerk gibt. Wenn es Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung wie die Energieberatung gebe, würden auch die Handwerksberufe selbst aufgewertet. In der Weiterbildung verweist sie auf den Aspekt, dass die Qualifizierung der Energieberaterinnen und Energieberater höher sei als noch vor ein paar Jahren. „Es geht im Moment auch darum, wie man diese Erfahrung weitervermittelt, zum Beispiel zur wirklich ambitionierten Sanierung in Richtung Effizienzhaus 55 oder 40. “
Es geht weg von den Einzelkämpfern hin zu größeren Büros. Das ist sowohl eine Aufwertung der Akzeptanz als auch der Qualifikation.
Bild: GIH
Wie lassen sich für die zunehmend anspruchsvollere Arbeit gute Stundensätze erzielen? Für den Neubau gibt es ein Leistungsbild in der HOAI, das Leistungen der energetischen Gebäudeplanung definiert. In der bestehenden HOAI sind zudem Leistungen im Kontext der Förderung als „besondere Leistungen“ definiert, die mehrheitlich nach Stundenaufwand abgerechnet werden. Von der Honorarhöhe hängt auch die Haftung ab. „Ich kenne nicht viele, die sich an der HOAI orientieren, aber ich weiß, dass man mit guter Leistung gutes Geld verdienen kann“, sagt GIH-Chef Leppig.
Seine Kollegin Renner sieht beim GIH keine Ambitionen, so etwas wie die HOAI zu etablieren. Es gehe eher in Richtung Stundensätze, weil die Aufgabestellungen sehr unterschiedlich seien. Die Honorare, so Renner, entwickelten sich aber auch ohne Orientierung an der HOAI nach oben, „schon deswegen, weil wir Extrarunden mit dem BAFA drehen. Ich rechne die Baubegleitung nach Stunden ab, weil es da immer wieder Überraschungen gibt, zum Beispiel bei Dämmstoffen, die plötzlich nicht beschaffbar sind.“
Die Wartezeiten auf Geld vom Bafa können existenzgefährdend sein.
Bild: Privat
Einen großen Stellenwert haben beim GIH derzeit Projekte in der Aus- und Weiterbildung. Im kommenden Jahr starten fünfmonatige Kurse in einer Kombination aus Online-Lernen und Präsenzausbildung mit Weiterbildungen zum Gebäudeenergieberater und Grundausbildungen zum Energieberater in Baden-Württemberg und Bayern. „Wir waren mit dem, was wir am Markt an Ausbildung für Energieberater gesehen haben, nicht glücklich“, erläutert Leppig die Motivation, sich zu engagieren. „Wir wollen ein einheitliches Konzept etablieren mit zentralen Unterlagen, die auf dem neuesten Stand sind für eine Ausbildung mit hoher Qualität“, beschreibt er den Ansatz. Zielgruppe sind alle, die neu in die Energieberatung einsteigen wollen, Regeleinsteiger und Quereinsteiger, die in Vollzeit Energieberatung machen wollen.
Berufseinsteiger Thomas Kramps würde sich wünschen, dass Weiterbildung auch nach dem Berufsstart an konkreten eigenen Projekten und parallel zur eigenen Arbeit erfolgt. „Die Idee eines bezahlten Coachings von Energieberatern für Energieberater fände ich gut. Das ist ehrenamtlich und allein von den Verbänden nicht zu stemmen, dafür müsste es Förderung geben.“ Gisela Renner fände generell eine Weiterbildung mit mehr Digitalisierung und Blended Learning gut, die gemeinsam mit Pädagogen entwickelt wird. „Ich träume von einem virtuellen Gebäude, in dem ich als Dozentin Aufgaben verstecke. Das ist die Situation, die ein Energieberater auch vor Ort vorfindet“, beschreibt sie ihren Ansatz.
Als weiteres Thema betrenffen die teilweise immer noch schleppende Bearbeitung von Anträgen und die vielen Nachfragen aufgrund unklarer Regelungen das Bild der Berufs, weil dies bei den Beraterinnen und Beratern viele Kapazitäten bindet. „Ich sehe mit großer Sorge, wie das mit dem BAFA läuft. Möglicherweise kann man da als Energieberater nur noch in Zusammenschlüssen als GmbH reagieren, weil die Risiken deutlich größer werden, auch durch die Art und Weise, wie Änderungen nicht kommuniziert werden und nicht nachvollziehbar und managebar sind. Da geht viel Geld in Bürokratie und nicht mehr in den Klimaschutz“, ärgert sich Gisela Renner. Auch Berufseinsteiger Thomas Kramps hat keine gute Erfahrungen mit der Behörde aus Weißwasser gemacht: „Ich habe seit Monaten keine Überweisung vom BAFA gesehen. Diese Wartezeiten können sogar existenzgefährdend sein.“
Wir haben auch den Vorstand des Deutschen Energieberaternetzwerks als zweiten Energieberaterverband um eine Stellungnahme zum Thema Berufsbild und Aus- und Weiterbildung gebeten. Zu unserem Bedauern hat der Vorstand seine Äußerungen und Zitate zu diesem Thema kurz vor Redaktionsschluss zurückgezogen.
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