Einen Tag, nachdem Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche das Montoring zum Stand der Energiewende vorgelegt hat, werden die besorgten Stimmen in der Windbranche lauter. „Wir brauchen Planungssicherheit“, sagte Hartmut Brösamle, Geschäftsführer der WPD AG, auf der Husum Wind. „Die Unsicherheit, die jetzt von der Ministerin in den Markt getragen wird, ist Gift für die Branche."
Energiemonitoring zeigt: Starker Ausbau der Erneuerbaren weiterhin notwendig
Schlechtere Standorte, weniger Strom
Zwar hatte Katherina Reiche betont, am Ziel von 80 Prozent erneuerbarem Strom 2030 festzuhalten. Doch das Monitoring liefert eine reduzierte Prognose: Während das EEG 2023 von einem Strombedarf von 750 TWh zu diesem Zeitpunkt ausgeht, rechnen die Autoren des Monitorings mit 600 bis 700 TWh. Ministerin Reiche sagte bei der Vorstellung des Berichts, sie halte einen Verbrauch am unteren Ende der Spanne für wahrscheinlich. In der Windbranche dies als Zeichen gedeutet, die geplanten Zubaumengen zu reduzieren.
„Wir werden aber auch bei einem niedrigeren Strombedarf 2030 den gleichen Zubau brauchen“, betonte hingegen Hartmut Brösamle. Der Grund sei, dass die Annahmen zum Stromertrag pro installiertem Megawatt, die das EEG 2023 annimmt, nicht erfüllt werden könnten. „Die besten Standorte sind bereits bebaut, wir gehen mehr in den Süden. Dazu kommen Abschaltungen aufgrund von Netzengpässen oder Fledermäusen“, so Brösamle. Würde der Ausbaupfad des EEG beibehalten, komme man am Ende auf 520 bis 540 TWh. „Und das sind dann 80 Prozent von 600 TWh."
Energiewende-Monitoring: Der Kampf um die Deutungshoheit
Monitoring: Fokus zu eng?
Der VDMA und die IG Metall wiederum sehen wichtige volkswirtschaftliche Aspekte im Montoring vernachlässigt. „Ein Realitätscheck zum Beginn der Legislaturperiode ist sinnvoll, um getroffene Annahmen zu überprüfen“, sagte Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer VDMA Power Systems. „Doch ist diese Metastudie sehr stark energiewirtschaftlich und kostenorientiert. Das greift zu kurz.“
Der VDMA hat daher gemeinsam mit der IG Metall eine eigene Studie erstellen lassen, um volkswirtschaftliche Aspekte wie die Schaffung von Arbeitsplätzen oder Wertschöpfung, in die Debatte einzubeziehen – und plädiert für ein Szenario, das in der Studie „Verstetigung der Energiewende" heißt. „Wir hängen derzeit beim Ausbau der Erneuerbaren hinterher“, so Rendschmidt. „Wenn wir aber die langfristigen Ziele beibehalten und vor allem in den 2030er Jahren Tempo aufnehmen, hätte das deutlich höhere positive Effekte als eine dauerhafte Reduktion des Ausbaus, die jetzt im Raum steht.“ Gleichzeitig bedeute ein Festhalten an den Ausbauzielen auch eine stärkere Resilienz des Energiesystems, in dem Importabhängigkeiten verringert würden.
„Wir brauchen mehr Markt im System“
Ulrich Schulze Südhoff, CCO des Windenergieanlagenherstellers Enercon, betonte, es sei gut, dass Reiche am 80-Prozent-Ziel festhalte. „Aber wir merken, dass sich der Schwerpunkt verändert hat, hin zu einer effizienteren Nutzung des Stroms und Kostensenkung.“ Schulze Südhoff sieht hier die Hersteller als Teil der Lösung: „Wir können dafür sorgen, dass die Strompreise sinken, aber wir brauchen von der Gesetzgebung mehr Markt im System.“ Er forderte unter anderem eine Priorisierung bei der Genehmigung von Batteriespeicher, die an Windparks oder Photovoltaikanlagen errichtet werden, einen Rechtsanspruch auf Überbauung des Netzanschlusses sowie die proaktive Nutzung von Speichern, auch um Versorgungssicherheit zu gewährleisten.