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Brandschutz im mehrgeschossigen Holzbau

Eine Klasse für sich

Der mehrgeschossige Holzbau erlebt in Deutschland eine Renaissance – getrieben von Klimazielen, urbaner Nachverdichtung und dem Wunsch nach nachhaltigen Baustoffen. Holz überzeugt durch seine CO₂-Bilanz, kurze Bauzeiten und hohe Vorfertigungsmöglichkeiten, stellt aber besondere Anforderungen an den Brandschutz. Während Massivbauweisen auf nicht brennbaren Materialien wie Beton oder Mauerwerk basieren, die von Natur aus einen hohen Feuerwiderstand bieten, erfordert der Holzbau spezifische Maßnahmen, um ein vergleichbares Sicherheitsniveau zu erreichen.

Moderne Brandschutzkonzepte zeigen jedoch, dass Holzbauweisen – bei entsprechender Planung und Ausführung – den Anforderungen des vorbeugenden Brandschutzes gerecht werden können. Insbesondere in den Gebäudeklassen 4 und 5 darf mit Holz unter Einhaltung bestimmter Auflagen gebaut werden. Der Preis hierfür ist ein hoher Anteil an gipsbasierten Baustoffen und die Hinzunahme nicht brennbarer Dämmstoffe, um das Holz nicht brennbar einzukapseln. Ökologischer wäre es indes, zur Holzsichtigkeit zurückzukehren und auf die Verwendung endlicher Ressourcen wie REA-Gips oder CO₂-intensiver Baustoffe (Mineralwolle) zu verzichten.

Bauordnungsrechtliche Grundlagen: MBO, MHolzBauRL und Landesbauordnungen

Die Musterbauordnung (MBO) bildet die Grundlage für die bauordnungsrechtlichen Anforderungen in Deutschland. Sie erlaubt die Verwendung brennbarer Baustoffe in tragenden und aussteifenden Bauteilen, sofern deren Feuerwiderstandsfähigkeit nachgewiesen ist. Für den Holzbau wurden spezifische Richtlinien entwickelt, um die Anforderungen zu konkretisieren.

Die Musterbauordnung (MBO) unterteilt die Gebäude in die Klassen 1 bis 5. Gebäude in Holzbauweise sind bis zur Gebäudeklasse (GK) 4 möglich.

Bild: Holzbau Deutschland - Institut e.V.

Die Musterbauordnung (MBO) unterteilt die Gebäude in die Klassen 1 bis 5. Gebäude in Holzbauweise sind bis zur Gebäudeklasse (GK) 4 möglich.

Muster-Holzbaurichtlinie (MHolzBauRL)

Die am 23.6.2021 veröffentlichte MHolzBauRL (Fassung vom Oktober 2020) [1] ersetzt die frühere M-HFHHolzR [2] und erweitert die Anwendungsmöglichkeiten für den Holzbau überall dort, wo bauordnungsrechtliche Landesregelungen dies gestatten. Sie definiert Anforderungen an feuerwiderstandsfähige Bauteile in Holzrahmen- und Holztafelbauweise für Standardgebäude der Gebäudeklasse 4 sowie an feuerwiderstandsfähige Bauteile in Massivholzbauweise für Standardgebäude der Gebäudeklassen 4 und 5.

Zudem werden Anforderungen an Außenwandbekleidungen aus Holz und Holzwerkstoffen ergänzt. Desweiteren vereinfacht die Richtlinie die Nachweisführung für Holzbauelemente und deren brandschutztechnische Bekleidungen, erlaubt bewährte Holzbauweisen (Holztafelbau) bis hin zur Hochhausgrenze und gestattet auch Sonderbauten aus Holz. Zudem ist geplant, mit der Fortschreibung die Regelungen zum Nachweis von Fügungen und Anschlüssen auszubauen. Anfang September 2024 hat die Projektgruppe den neuen und überarbeiteten Entwurf fertiggestellt. Diese Fassung hat die 145. Bauministerkonferenz mit Änderungen beschlossen. Nun wird die neue Muster-Holzbau-Richtlinie der Europäischen Kommission zur Notifizierung vorgelegt und kann anschließend in den Bundesländern eingeführt werden.

Mit der neuen Richtlinie wird der Anwendungsbereich für das Bauen mit Holz ausgeweitet. Zukünftig dürfen auch sogenannte Standardgebäude der Gebäudeklasse 5, wie Wohngebäude unterhalb der Hochhausgrenze, in Holztafelbauweise errichtet werden. Bisher war dies nur in Massivholzbauweise möglich. Voraussetzungen sind allerdings brandschutztechnisch abgetrennte Räume oder Raumgruppen bis maximal 400 m², deren bestimmungsgemäße Nutzung für selbstrettungsfähige Personen vorgesehen ist. Außerdem wird der Anwendungsbereich der Richtlinie auf Sonderbauten ausgeweitet. Auch ein höherer Anteil von sichtbaren Holzoberflächen wird zugelassen.

Landesbauordnungen

Die Bundesländer haben die MBO und die MHolzBauRL in unterschiedlichem Maße in ihre Landesbauordnungen integriert. So erlaubt beispielsweise die Landesbauordnung Baden-Württemberg in § 26 (3) die Verwendung von brennbaren Baustoffen in tragenden und raumabschließenden Bauteilen, sofern die geforderte Feuerwiderstandsdauer nachgewiesen wird und die Bauteile so hergestellt und eingebaut werden, dass Feuer und Rauch nicht über Brand- oder Rauchabschnitte hinweg übertragen werden können.

Baurechtliche Grundlagen

Die MHolzBauRL ergänzt die Musterbauordnung (MBO) und legt spezifische Anforderungen für den Brandschutz in Holzbauweisen fest. Für Gebäude der Klassen 4 und 5 sind tragende und aussteifende Bauteile mit einem Feuerwiderstand von mindestens 60 Minuten (REI 60) erforderlich. Die Richtlinie erlaubt das Verwenden von Holz in mehrgeschossigen Bauten, sofern die definierten Schutzziele erreicht werden.

Anforderungen an den Feuerwiderstand bei Bauteilen in der Gebäudeklasse 4

Bild: Holzbau Deutschland - Institut e.V.

Anforderungen an den Feuerwiderstand bei Bauteilen in der Gebäudeklasse 4

Bauteilfügungen

Um im Brandfall die Brand- sowie die Rauchausbreitung ausreichend zu behindern, müssen bei Anschlüssen zwischen raumabschließenden feuerwiderstandsfähigen Bauteilen besondere Vorkehrungen getroffen werden. Hierfür werden sowohl in der DIN 4102-4:2016-05 als auch in der MHolzBauRL Regeln definiert, die eine brandsichere Bauteilfügung gewährleisten sollen:

  • Brandschutzbekleidungen sind so auszubilden, dass keine durch das Bauteil durchgehenden Fugen entstehen (Fugenversatz).
  • Fugen im Bereich von Bauteilanschlüssen sind mit nichtbrennbaren Baustoffen zu verschließen.
  • Ein stumpfer Stoß ist zulässig, wenn in der Bauteilfuge ein Streifen aus nichtbrennbaren Dämmstoffen mit einem Schmelzpunkt ≥ 1.000 °C komprimiert eingebaut wird, der im nicht eingebauten Zustand mindestens 20 mm dick ist. Die Komprimierung über kraftschlüssige Verbindung muss nach den Regeln der MHolzBauRL erfolgen und der üblichen Stoßmethode für
    Massivholzbauteile entsprechen.
  • Die Regelungen der MHolzBauRL zu Schraubenabständen im Anschlussbereich sind einzuhalten.
  • Bauteile müssen kraftschlüssig verschraubt werden, wobei die Verbindungsmittel einen maximalen Abstand von 500 mm nicht überschreiten dürfen. Bei Bauteilanschlüssen an eine Wand aus nichtbrennbaren Baustoffen ohne kraftschlüssige Verbindung ist zusätzlich in die Stoßfuge beidseitig eine mindestens schwerentflammbare Fugendichtmasse mit einer Mindesteindringtiefe von 25 mm einzubringen.
  • Die Brandschutzbekleidung der hochfeuerhemmenden Bauteile darf beim Fügen mit Bauteilen mit niedrigeren Brandschutzanforderungen nicht unterbrochen werden.
  • Fügungen bei Massivholzdecken sind durch geeignete Vorkehrungen rauchdicht auszuführen.
  • Installationen und technische Einbauten

    Die neue MHolzBauRL enthält vor allem für die Holztafelbauweise neue Regelungen hinsichtlich der Brandschutzbekleidungen. Mitunter gibt es Erleichterungen bei den erforderlichen Bekleidungsstärken beziehungsweise der Anzahl an Gipsbekleidungsplatten. Die bewährten Regelungen zum Umgang mit brennbaren Bauteiloberflächen (Deckenuntersichten oder 25 Prozent aller Wandoberflächen) wurden jedoch nicht verändert. Installationen (Leitungs- und Lüftungsanlagen) sind gemäß der MHolzBauRL grundsätzlich in Vorsatzschalen oder in Schächten und Kanälen zu führen. Dafür bietet die Überarbeitung nun mehr Handlungsspielraum. Die Führung von elektrischen Leitungen und Rohrleitungen für nicht brennbare Medien, einzeln oder nebeneinander angeordnet, ist dann unter bestimmten Bedingungen beispielsweise auch auf Rohdecken zulässig. Für Öffnungen in Wänden und Decken zur Durchführung von Schächten, Kanälen und von Installationen ist in den Öffnungslaibungen eine Brandschutzbekleidung anzuordnen.

    Außenwandbekleidungen

    Außenwandbekleidungen aus Holz und Holzwerkstoffen sind grundsätzlich für alle Gebäudeklassen (GK) erlaubt. Während für Fassaden in Gebäudeklasse 3 keine erhöhten Anforderungen gelten, sind für die Gebäudeklassen 4 und 5 die Vorgaben aus Kapitel 6 der MHolzBauRL einzuhalten. Demnach dürfen in GK 4 und GK 5 Außenwandbekleidungen aus Holz und Holzwerkstoffen nur auf einer nicht brennbaren, mindestens 15 mm dicken Trägerplatte angebracht werden. In der Praxis haben sich hierfür Gipsfaser- oder Zementfaserplatten bewährt. Die gängigen Wetterschutzfolien (winddichte Ebene) sind hinsichtlich ihrer geringen Brandlast vernachlässigbar und dürfen daher in allen Gebäudeklassen genutzt werden. Zudem schreibt die MHolzBauRL vor, dass alle Dämmstoffe, die außerhalb der tragenden Außenwand angebracht werden, nichtbrennbar sein müssen. Um die Brandausbreitung und den in hinterlüfteten Fassaden entstehenden Kamineffekt zu begrenzen, darf der Hinterlüftungsspalt nicht breiter als 50 mm sein, was mit einer Kreuz- oder Konterlattung (max. 2 × 25 mm) problemlos herstellbar ist. Zudem muss bei Kreuzlattungen der Lüftungsspalt in bestimmten Abständen durch Aufdopplung geschlossen werden, wodurch vertikale Brandsperren entstehen. Details hierzu sind den Kapiteln 6.2.3 und 6.2.5 der MHolzBauRL zu entnehmen.

    Neben diesen vertikalen Brandsperren müssen geschossweise horizontale Brandsperren aus Stahlblech in die Fassade integriert werden. In Kapitel 6.2.4 der MHolzBauRL sind die Einzelheiten nachzulesen und jeweils der verwendeten Konstruktion entsprechend auszuführen. Des Weiteren muss jede Gebäudeseite mit einer Außenwandbekleidung aus Holz oder Holzwerkstoffen für die Feuerwehr für wirksame Löscharbeiten zugänglich sein.

    Einzuhaltende brandschutztechnische Anforderungen an tragende Wände und Stützen ohne Abweichungen zur Musterbauordnung.

    Bild: Holzbau Deutschland - Institut e.V.

    Einzuhaltende brandschutztechnische Anforderungen an tragende Wände und Stützen ohne Abweichungen zur Musterbauordnung.

    Mehrgeschossige Holzbauten sind brandsicher

    Die MHolzBauRL ist eine Erfolgsgeschichte für den modernen Holzbau – schon die im Jahre 2004 veröffentlichte Richtlinie für brandschutztechnische Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise (M-HFHHolzR) hat in Kombination mit der Musterbauordnung 2002 (MBO) der modernen Holzbauweise den Massenmarkt des mehrgeschossigen Bauens geöffnet. Bedenken der Bauaufsichten und der Feuerwehren gegenüber der Holzbauweise ließen sich mit Hilfe von theoretischen und experimentellen Grundlagenuntersuchungen weitgehend ausräumen. 20 Jahre nach Veröffentlichung der MBO 2002 und der M-HFHHolzR haben alle Bundesländer die Regelungen in das jeweilige Landesrecht übertragen.

    Die Verbindung von Brandschutz und nachhaltigen Energiekonzepten erfordert insbesondere beim Holzbau eine sorgfältige Planung. Das Holzbau Handbuch Reihe 3 Teil 5 Folge 1 [3] des Informationsdienstes Holz ist dafür ein profunder Ratgeber und enthält Praxisbeispiele, die Brandschutzkonzepte für den mehrgeschossigen Holzbau im Detail veranschaulichen. Die empfehlenswerte Broschüre erläutert, wie sich im Holzbau bauordnungsrechtliche Anforderungen erfüllen beziehungsweise bei Abweichungen vom Baurecht kompensieren lassen.

    Die Planungshilfe mehrgeschossiger Holzbau [4] des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen, die mit Hilfe des Lehrstuhls für Holzbau und Baukonstruktion der TU München erarbeitet wurde, ist ein empfehlenswertes Nachschlagewerk mit Standardaufbauten für gängige Bauteile in Gebäuden der Gebäudeklasse 3 bis 5.

    Literatur und Quellen

    [1] Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise (MHolzBauRL), Fassung Oktober 2020

    [2] Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise – M-HFHHolzR (Fassung Juli 2004)

    [3] Brandschutzkonzete für mehrgeschossige Gebäude und Aufstockungen, Holzbau Handbuch, Reihe 3, Teil 5, Folge 1, Informationsdienst Holz, Holzbau Deutschland - Institut e.V. (Hrsg.), Berlin, Januar 2019

    [4] Winter, Stefan, et al., Planungshilfe mehrgeschossiger Holzbau, Empfehlung für klimaverträgliches Bauen mit Holz, Informationsdienst Holz spezial, Verband bayerischer Wohnungsunternehmen e.V. (Hrsg.), Düsseldorf, September 2024

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