Sich unabhängig von der Außenwelt energetisch selbst versorgen können: Dieser Traum macht nicht nur Sinn aufgrund von unsicheren Energieversorgungen und schwankenden Strompreisen. Damit ist auch meist eine umweltfreundliche und effiziente Gebäudegestaltung inbegriffen. In einem kleinen Dorf in der Schweiz wurde genau das umgesetzt. Ein autarkiefähiges Mehrfamilienhaus von erstaunlicher Größe produziert selbst Photovoltaikstrom und speichert Wärme in einem 100 000 Liter fassenden Warmwasserspeicher.
Viel Fläche, viel Nutzen
Das Gebäude, das im Schweizer Kanton Aargau zu finden ist, besteht aus einem sanierten Altbau von 1985 und aus 2021 neu gebauten Erweiterungen. Die eine Hälfte des ursprünglichen Hauses wurde dafür abgerissen und neu gebaut, die andere saniert und mit Außendämmung versehen. Das Gebäude bietet eine Wohnfläche von 921 Quadratmetern, die von zwölf Personen in einem Mehrgenerationenhaushalt bewohnt werden. 250 Quadratmeter gemeinsame Wohnfläche, zwei Küchenbereiche sowie private Zimmer müssen mit ausreichend Wärme versorgt werden. Die Dimensionen und die Komplexität, die das Haus mit sich bringt, erforderte eine genaue und gut durchdachte Abstimmung hinsichtlich der technischen Auslegung.
Energie erzeugt das Haus selbst mithilfe von Photovoltaik. Insgesamt acht Photovoltaik-Flächen bedecken das Gebäude, wozu vier Dachflächen und vier Fassadenflächen zählen. Die Flächen sind nach Nord-Ost, Nord-West, Süd-Ost und Süd-West ausgerichtet. Ebenso sind die gegenüberliegenden Dachflächen mit einer Neigung von 30 Grad nach Norden und Süden und mit 41 Grad nach Nord-Ost und Süd-West gestellt. Die Leistung erreicht einen Wert von 144 Kilowatt.
Der erzeugte Photovoltaikstrom wird nur im geringen Umfang ins Netz eingespeist, sondern zum größten Teil vor Ort verbraucht. Die Leistung der Netzeinspeisung ist begrenzt. Das war wichtig, da es sonst durch die 144 Kilowatt notwendig gewesen wäre, eine stärkere Zuleitung einzurichten. Zusätzliche Kosten für das Gebäudeprojekt wurden daher gespart. Der hohe Eigenverbrauch wird erreicht, indem insgesamt fünf stufenlos geregelte Photovoltaik-Power-Manager eingebaut wurden.
Power-Manager und Wasserspeicher statt Wärmepumpe
Die Power-Managersysteme steuern bis zu drei elektrische Wärmequellen, je nach Verfügbarkeit von Photovoltaikenergie und Wärmebedarf. Dazu gehören sowohl Warmwasser als auch Raumheizungen. Durch die Vollautomatisierung des Po-
wer-Managers kann hiermit konventionelle wassergeführte Haustechnik unterstützt und ersetzt werden. Somit lässt sich das System beispielsweise in Pufferspeicher integrieren. Sollte die Photovoltaik-Leistung nicht ausreichen, wird außerdem fehlende Restenergie aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen. Da das Gebäude in Kooperation mit dem österreichischen Hersteller my-PV geplant und umgesetzt wurde, sind Ac-Thor 9s als Power-Manager verwendet worden. Das Unternehmen hat sich auf Photovoltaik für den Eigenverbrauch spezialisiert.
Als zentrales Element trägt ein Warmwasserspeicher im Inneren des Gebäudes zur Autarkiefähigkeit des Mehrfamilienhauses bei. Mit einer Höhe von zwölf Metern und vier Metern Durchmeter fasst er 100 000 Liter. Die Isolationsdicke beträgt 15 Zentimeter. Aufgrund seiner Ausmaße reicht das Speichergefäß über mehrere Stockwerke. Dem Bauherrn war wichtig, dass das Wasser auf 95 Grad Celsius erhitzt werden kann. Das schafft eine Wärmepumpe nicht, weil der Temperaturhub bei höheren Wassertemperaturen nicht mehr erreicht werden kann. Mithilfe des Power-Managers ist es jedoch möglich. Zusätzlich enthält das Gebäude aber auch einen 500-Liter- und einen 400-Liter-Boiler mit Wärmepumpe.
Geregelt durch das ganze Jahr
Durch sekündlich ausgeregelte Leistung, die nur mit Überschussstrom der Photovoltaikanlagen erzeugt wird, erhitzt der Power-Manager den Warmwasserspeicher. Der Strom steht zu Tageszeiten zur Verfügung, bei denen sowieso ein Überhang für das Haus produziert wird. Somit kann das System wochenlang schwache Photovoltaikleistungen durch geringe Sonneneinstrahlungszeiten überbrücken. Die Wärmespeicherung geht soweit, dass die Sonnenenergie der heißen Jahreszeit für die Wintermonate gepuffert wird. „Wir speichern im Sommer die Energie für den Winter, weil wir damit im Winter nicht mehr Energie benötigen wie im Sommer“, erklärt Bauherr Markus Ursprung die Idee hinter der Anlage. Für die ganzjährige Versorgung besitzt der Warmwasserspeicher seine erheblichen Ausmaße.
Im Gegensatz zu einer Wärmepumpe, die für eine lange Lebenszeit eine möglichst durchgängige Laufzeit aufweisen sollte, kann mithilfe des Power-Managers kurzfristig auf Überschussleistung und fehlende Leistung reagiert werden. Somit wird auch bei unterschiedlichen Sonneneinstrahlungen jederzeit Warmwasser zur Verfügung gestellt und die großen Schwankungsspitzen immer effizient genutzt und Einspeisespitzen reduziert, da der Überschuss im Haus selbst verwendet werden kann. „Damit ich den genauen Energieinhalt des Wassertanks berechnen kann, messe ich auf jeder Höhe die Temperatur. An jeden Ac-Thor 9s habe ich vier Temperaturfühler angeschlossen. Die PV-Leistung schwankt oft zwischen 20 und 60 Kilowatt; und genau diese Schwankungen kann der Ac-Thor 9s übernehmen“, beschreibt Markus Ursprung den Clou der Anlage nach mittlerweile gut über einem Jahr an Betriebserfahrung.

Bild: my-PV GmbH