Springe zum Hauptinhalt Skip to main navigation Skip to site search
Energieautonomie mit dem PEKOHAUS-Konzept

Der Royal Flush im Effizienzpoker?

Auf die Wohngebäude entfällt etwa ein Viertel des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland [1]. Die beiden Energieformen, um die es hierbei geht, sind elektrischer Strom für die verschiedensten Zwecke sowie Wärme für Heizung und Warmwasserbereitung. Bis in die 1990er Jahre wurde der elektrische Strom fast ausschließlich in Kraftwerken erzeugt und über das Stromnetz zu den Gebäuden geleitet. Teilweise trug der Strom auch zur Wärmeerzeugung bei. Den größten Teil der Wärmeversorgung übernahmen indes fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas, deren chemisch gebundene Energie durch Verbrennen in Wärme gewandelt wurde. Ein kleiner Anteil an der Wärmeversorgung übernahm die Biomasse, hauptsächlich Holz in Form von Scheiten und Pellets.

Ausgelöst durch die Ölkrise in den 1970er Jahren begann eine breite Diskussion um die Endlichkeit der fossilen Energieressourcen, was sowohl effizientere Heizanlagen wie Brennwertkessel, Blockheizkraftwerke und Wärmepumpen hervorbrachte als auch eine Reduzierung der Wärmeverluste in den Gebäuden durch Dämmen, bessere Fenster, dichtere Bauweisen und Wärmerückgewinnung durch kontrollierte Lüftung.

Mit den sich entwickelnden Gebäudeenergiestandards, die ab 1977 auch gesetzlich verankert wurden, kam der Dämmung eine immer bedeutendere Rolle zu, bis hin zum Passivhausstandard, dessen Dämmschichten dicker sind als die tragenden Außenwände. Ziel war es, anstatt mit einer klassischen Heizung den dann nur noch sehr geringen Wärmebedarf über eine gut ausgelegte kontrollierte Lüftung zu gewährleisten. Auch bei der Altbausanierung lag die Priorität auf der Dämmung der Gebäudehülle, gemäß dem zweistufigen Verfahren „erst dämmen, dann heizen“ (Abb. 1).

PV trumpft Dämmung?

Seit den 1990er Jahren nehmen die regenerativen Energietechnologien massiv an Bedeutung zu. Von Anfang an wurde wegen der guten Skalierbarkeit der Photovoltaik (PV) auch mit kleinen Anlagen lokal auf den Gebäuden Strom erzeugt und entweder direkt verbraucht oder in den Netzanschluss des Gebäudes eingespeist und im Stromnetz verteilt.

Insbesondere die PV erlebte infolge steigender Wirkungsgrade und starker Kostendegression mit zunehmenden Stückzahlen eine exponentielle Entwicklung am Markt mit durchschnittlich fast 30 Prozent Zuwachs pro Jahr. Die wirtschaftlichen und energetischen Amortisationszeiten sanken stetig. Mittlerweile ist es oftmals bilanztechnisch günstiger, Energie mit PV zu erzeugen, statt Energie durch effiziente Energienutzung und Dämmung einzusparen. Mit weniger als 1,5 Jahren energetischer Amortisationszeit [2] liegt die PV bereits aktuell unter den Amortisationszeiten der meisten Dämmkonzepte inklusive baulichen Anpassungen [3], [4]. Daher ist es wichtig, dass die Energieberatung ihren Fokus verlegt.

Wir leben in einer Welt, die durch und mit dem Klimawandel zunehmend heißer wird, verbunden mit immer mehr Wetter- und Umweltkatastrophen. Dies gilt es zu berücksichtigen, wenn wir Gebäude zukunftsfähig machen und darüber nachdenken, wie wir in der Energieberatung Städte und Häuser klimaschutztauglich gestalten. Im Grunde braucht es eine Hinwendung zu energieautonomen Versorgungsstrukturen – der Schwerpunkt der Konzepte muss also vom Energiesparen zur Energie-Eigenerzeugung wechseln, ohne das bisherige Energiesparen ganz aus den Augen zu verlieren. Schließlich spart eine Dämmung nicht nur Energie ein, sondern trägt auch maßgeblich zum sommerlichen Wärmeschutz bei. Es sind daher immer alle Komponenten zu berücksichtigen: Gebäudehülle, PV (plus Speicher), Wärmepumpe und – Infrarotheizung.

2 Entwicklung des Energiestandards für Gebäude

Bild: Peter Kosack

2 Entwicklung des Energiestandards für Gebäude

Neue Karten im Spiel

Bis in die 2010er Jahre spielten Wärmepumpe und Infrarotheizung für die Wirtschaftlichkeit noch keine große Rolle. Man wählte entweder zwischen Dämmen der Gebäudehülle oder PV-Installation plus Speicher, und bis Mitte/Ende der 2010er Jahre kam am häufigsten die Dämmung der Gebäudehülle zum Zuge. Danach kippte die Entscheidung allmählich in Richtung PV plus Speicher, was die Hinzunahme von Wärmepumpe und Infrarotheizung attraktiv gemacht hat.

Bei Neubauten ist eine gute Dämmung auf jeden Fall sinnvoll, wenngleich die hohen gesetzlichen Vorgaben für die Dämmung im Neubau wirtschaftlich mehr und mehr in Zweifel gezogen werden. Indes stellt sich bei vielen Bestandsbauten die Erkenntnis heraus, dass es in energetischer und wirtschaftlicher Hinsicht nicht zwingend sinnvoll ist, diese komplett zu dämmen. Oftmals reicht es, die oberste Geschossdecke und die Kellerdecke anzugehen, Wärmebrücken zu beseitigen und statt der Fassadendämmung eine gebäudeintegrierte Photovoltaik in Betracht zu ziehen. Müssen Teile der Gebäudehülle aus bautechnischen Gründen ersetzt werden, sind natürlich die Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) einzuhalten.

Diese Schwerpunktverlagerung bedeutet keineswegs, dass es keine Grenzen gibt. Diese betreffen aber nicht in erster Linie den Energiebedarf, sondern beispielsweise den Flächenbedarf oder den Rohstoffbedarf für das Gebäude selbst. Unter Einbeziehung der grauen Energie war es prinzipiell schon immer besser, Energie mittels PV zu erzeugen, anstatt die Gebäudehülle zusätzlich zu dämmen. Oder anders ausgedrückt: Wenn die gesamte benötigte elektrische Energie für die Heizung mittels Wärmepumpe und/oder Infrarotheizung von der PV erzeugt wird, gibt es kein Potenzial mehr für die Energieeinsparung durch Dämmung. Behauptungen, wonach die PV in ihrer Betriebsdauer die graue Energie nicht würde kompensieren können, gehören schlicht in den Bereich der Ammenmärchen.

3 Optimale Gebäudetechnik für die (autonome) Energieversorgung von Gebäuden

Bild: Peter Kosack

3 Optimale Gebäudetechnik für die (autonome) Energieversorgung von Gebäuden

Full House mit Pekohaus

Bislang allerdings berücksichtigen Gesetze und Verordnungen sowie die Förderrichtlinien diesen Perspektivwechsel hin zur Energie-Eigenerzeugung kaum bis gar nicht. Dabei wäre es so erstmals möglich, zu einer positiven Energiebilanz bei Gebäuden zu kommen – das Pekohaus-Konzept (Plus-Energie-komplett-optimiert-Haus) geht genau in diese Richtung. Erste Ideen diesbezüglich kamen bereits mit der Entwicklung des Plusenergiehauskonzepts auf. Auf der Basis des reinen Energiesparens hatte man mit dem sogenannten Nullheizenergiehaus, einer extremen Form des Passivhauses, eine physikalische Grenze erreicht. Die Gesamtenergiebilanz war dabei aber immer noch negativ, und der am Lebenszyklusende hinterlassene Energieschuldenberg ist noch viel größer als beim energieautarken Gebäude.

Mit dem Pekohaus-Konzept hingegen lässt sich jeder Energiestandard bezüglich der Energiebilanz entweder durch Energiesparen, durch Energie-Eigenerzeugung oder durch eine Kombination von beidem erreichen. Wichtig bei diesem Sichtwechsel ist es, die Energieimporte zu vermeiden, anstatt den Energieverbrauch zu minimieren. Nur der Energieimport lässt sich auf null reduzieren oder sogar zum Energieexport umkehren – der Energieverbrauch dagegen nicht. Die Energiebilanzen der Energiestandards zeigt Abb. 2.

Auf das Plusenergiehaus folgte dann das Energie-Amortisationshaus, dessen exportierter Energieüberschuss so groß ist, dass in typischerweise 25 Jahren die Energiehypothek an grauer Energie vollständig kompensiert ist [5]. Werden Energie-Eigenerzeugung und lokale Speicherung beim Energie-Amortisationshaus so dimensioniert, dass die Versorgung des Gebäudes jederzeit zu hundert Prozent gewährleistet ist, gelangt man schließlich zum Energie-Autonomiehaus [6].

4 Die vier Pekohaus-Konzeptvarianten für Neubau und energetische Bestandssanierung

Bild: Peter Kosack

4 Die vier Pekohaus-Konzeptvarianten für Neubau und energetische Bestandssanierung

Strategiewechsel mit neuem Blatt

Der Wechsel vom Energiesparen zur Energie-Eigenerzeugung wirkt sich zudem stark aus auf

  • die Energie- und Ökobilanz,
  • die betriebswirtschaftlichen und
  • die volkswirtschaftlichen Kosten.
  • Diese werden durch die hier vorgestellte, ganz andere Sichtweise, nämlich den Fokus nicht auf die Energieeinsparung, sondern auf die Energiegewinnung zu legen, optimiert. Das spart enorme Kosten ein und ermöglicht eine energetische Autonomie vor Ort.

    Bereits in den 1970er Jahren wurde geforscht, welche Möglichkeiten es zur Energieversorgung von Gebäuden mit Strom und Wärme gibt, ab den 1990er Jahren speziell unter den Vorgaben aus den Klimakonferenzen.

    An der TU Kaiserslautern wurde dazu im Arbeitskreis Ökologisches Bauen ein allgemeines System-Modell („Energiewandler-Netzmodell“) entwickelt und auf einer internationalen Tagung bereits im Jahr 2002 erstmals präsentiert [7]. Damit war es möglich, alle theoretisch möglichen Energieversorgungsstrukturen zu ermitteln und hinsichtlich der oben genannten Kriterien zu bewerten.

    Die mit diesem Energiewandler-Netzmodell gefundene optimale Struktur für die Gebäudetechnik wurde Pekohaus-Konzept genannt (Abb. 3). Je nachdem, wie man die Komponenten dimensioniert, lässt sich damit jeder Energiestandard aus Abb. 2 erreichen, sogar unabhängig vom Dämmstandard des Gebäudes. Fast alle Komponenten sind am Markt seit vielen Jahren eingeführt und verfügbar. Einzige Ausnahme sind die sogenannten Power-to-X-Speicher für die saisonale Speicherung von elektrischem Strom, die aktuell in den Markt kommen und leider noch sehr teuer sind.

    5 Verteilung von Heizlast und Wärmeenergiebedarf in der Pekohaus-Konzept­variante 3

    Bild: Peter Kosack

    5 Verteilung von Heizlast und Wärmeenergiebedarf in der Pekohaus-Konzept­variante 3

    Vier Asse und eine kontrollierte Lüftung

    In der Praxis haben sich vier Konzeptvarianten (Abb. 4) energetisch und wirtschaftlich sowie hinsichtlich der Behaglichkeit als vorteilhaft herausgestellt, jeweils zwei für den Neubau und zwei für die Altbausanierung:

  • V1 – Neubau mit gesetzlich vorgeschriebener Mindestdämmung: PV plus Speicher, Infrarotheizung und WW-Durchlauferhitzer oder WW-Boiler
  • V2 – Neubau mit gesetzlich vorgeschriebener Mindestdämmung: PV plus Speicher, Infrarotheizung und WW-Wärmepumpe
  • V3 – Bestandssanierung: PV plus Speicher, Infrarotheizung und WW-Wärmepumpe mit Heizungsunterstützung
  • V4 – Bestandssanierung: PV plus Speicher, Wärmepumpe für WW und komplette Raumheizung.
  • Für alle vier Varianten empfehlenswert: kontrollierte Lüftung!

    In den ersten drei Varianten sind PV und Infrarotheizung enthalten. Ergänzt werden sie für die Warmwasserbereitung durch einen Durchlauferhitzer, einen Warmwasserboiler, eine Warmwasser-Wärmepumpe oder eine Wärmepumpe für Warmwasser und zusätzliche Heizungsunterstützung. Die vierte Variante kombiniert die PV mit einer Wärmepumpe für die komplette Raumheizung und Warmwasserbereitung.

    Für den Neubau wurden die Konzeptvarianten 1 und 2 im Forschungsprojekt IR-Bau genau untersucht und nachgewiesen [8]. Es zeigte sich, dass in Kombination mit PV die Infrarot­heizung ökonomisch und ökologisch am besten abschneidet.

    Für die Altbausanierung hat sich die Konzeptvariante 3 als besonders vorteilhaft herauskristallisiert – speziell unter Berück­sichtigung der GEG-Novellierung. Sie enthält eine Hybridheizung aus kleiner Wärmepumpe für die Basiserwärmung, die Spitzenlasten deckt dann die Infrarotheizung ab. Die Verteilung der Heizlast und des Heizenergiebedarfs zeigt Abb. 5. Demnach gewährleisten die Wärmepumpe zusammen mit der PV die Energieeffizienz und die Infrarotheizung sorgt für besonders gute thermische Behaglichkeit [10].

    Die Undichtigkeit der Gebäudehülle spielt für die thermische Behaglichkeit erst dann eine Rolle, wenn der dadurch verursachte Luftwechsel den sowieso benötigten Luftwechsel überschreitet. Tritt so ein Fall ein, kann es ausreichen, die betreffenden Bauteile wie zum Beispiel Fenster oder Rollladenkästen anzugehen, anstatt gleich die gesamte Gebäudehülle zu dämmen. Über all diesen Überlegungen steht immer die örtliche oder projektbezogene Situation.

    6 Sanierung gemäß GEG 2024 mit Konzeptvariante 3 – stufenweise mit Wärmepumpe und Infrarotheizung kostengünstig umsetzbar, da zunächst die vorhandene fossile Heizung bis zu ihrem technischen Aus in Betrieb bleiben kann.

    Bild: Peter Kosack

    6 Sanierung gemäß GEG 2024 mit Konzeptvariante 3 – stufenweise mit Wärmepumpe und Infrarotheizung kostengünstig umsetzbar, da zunächst die vorhandene fossile Heizung bis zu ihrem technischen Aus in Betrieb bleiben kann.

    Showdown in Stufen

    Ersetzt man die Gas- oder Ölheizung im Zuge einer Alt­baussanierung nach GEG 2024 mit der Konzeptvariante 3 kommt der Vorteil zum Tragen, dass das vorhandene Wärmeverteilsystem ohne Abstriche und ohne Änderungen mit wärmepumpentypisch niedrigen Vorlauftemperaturen einfach weiterverwendet werden kann. Es fallen daher nur die Kosten für eine kleine Luft/Wasser-Wärmepumpe, bei Einfamilienhäusern vorzugsweise eine Abluft-Wärmepumpe, für die kostengünstige Infrarotheizung und die anteilige Photovoltaik an (Abb. 6).

    Wie eine Studie der TU Dresden gezeigt hat, lässt sich solch eine Sanierung auch stufenweise durchführen, indem zunächst die Infrarotheizung mit der vorhandenen, aber auf niedrige Vorlauftemperatur gedrosselten Gas- oder Ölheizung verwendet wird [9]. Sobald die Gas- oder Ölheizung gemäß dem GEG 2024 ausgetauscht werden muss, wird diese einfach durch eine kleine Wärmepumpe ersetzt.

    Als Investitionskosten für die Sanierung nach dem GEG 2024 von beliebigen Einfamilienhäusern aus dem Bestand ergaben sich aus bisherigen Projekten folgende Preisspannen:

  • Wärmepumpe:
    5.000 bis 19.000 Euro (bei der oberen Grenze inklusive kontrollierter Lüftung)
  • Infrarotheizung: 7.000 bis 14.000 Euro
  • Anteilige PV: 1.000 bis 6.000 Euro (maximal etwa 4 kWp)
  • Gesamt: 13.000 bis 39.000 Euro.
  • Nach der Sanierung ist der Weg zur Energie-Autonomie nicht mehr weit: Es bedarf nur noch einer sukzessiven Vergrößerung der PV und des zugehörigen Stromspeichers.

    Literatur und Quellen

    [1] Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V.: Infografik Nr. 07/2020, Berlin 10/2020

    [2] Fraunhofer ISE: Photovoltaics Report, Freiburg, 27. Juli 2021, www.ise.fraunhofer.de

    [3] https://t1p.de/geb230960; zuletzt aufgerufen am 14.06.2022

    [4] King, Marvin; Settembrini, Gianrico: Graue Energie versus Ökonomie – Über die ­Korrelation zwischen der Grauen Energie und den Erstellungskosten der Fassade – 19. Status-Seminar, 8./9. September 2016, ETH-Zürich, https://t1p.de/geb230961, zuletzt aufgerufen am 14.6.2022]

    [5] Kosack, Peter: Das Energie-Amortisationshaus; Tagungsband zum 3. Internationalen Workshop Infrarotheizung: Energetisch richtige Anwendung von Infrarotheizungen im Wohnbau, Technische Universität Kaiserslautern, 2015, ISBN 978-3-95974-163-7, S. 30–39

    [6] Kosack, Peter: Systemkonzepte mit Infrarotheizung – vom Bestand bis zum ­Energie-Autonomiehaus; Tagungsband zum 6. Internationalen Workshop Infrarot­heizung: Planung von Infrarotheizungen - von der Bestandssanierung bis zum ­Energie-Autonomiehaus, TU Kaiserslautern, 2018, ISBN 978-3-95974-166-8, S. 26-52

    [7] Kosack, Peter; Becker, Martin: System Theoretical Analysis of Decentralized Energy Systems for Residential Buildings; Proceedings of RIO 02 – World Climate & Energy Event, Rio de Janeiro (Brasilien), 6.–11. Januar 2002, S. 145-151

    [8] https://t1p.de/geb230962 (Bericht IR-Bau)

    [9] Knorr, M.; Meinzenbach, A.; Schinke, L.; Seifert, J.; Perschk, A.: Potentialbewertung von Infrarotheizungen als Spitzenlastabdeckung, Technische Universität Dresden, ­Institut für Energietechnik, 2023; Download: https://t1p.de/geb230963

    [10] Kosack, Peter: Leitfaden Infrarotheizung, Arbeits-Kreis Infrarot (AKI), TU Kaisers­lautern, 2021, Download: https://t1p.de/geb230964

    Peter Kosack
    Langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent an der TU Kaiserslautern. Zunächst als Leiter der Abteilung Industrieforschung und Weiterbildung im dortigen Zentrum für Mikroelektronik und anschließend als Geschäftsführer einer internationalen und interdisziplinären Graduiertenschule der Universität. Parallel dazu leitete er den Arbeitskreis Ökologisches Bauen (AKÖB), den Arbeitskreis Gebäudesystemtechnik (AGS) und den Arbeitskreis Infrarot (AKI). Seit Beginn seines Ruhestands im Oktober 2021 setzt er die Forschungen im freiberuflich organisierten Forschungsinstitut für Gebäudeenergietechnik fort.

    Bild: Peter Kosack

    Claudia Siegele
    studierte in Karlsruhe Architektur. Sie arbeitete von 1994 bis 2004 als Redakteurin bei der db deutsche bauzeitung und ist Mitherausgeberin des Architekturmagazins www.marlowes.de. Von 2000 bis 2014 führte sie zudem ein eigenes Architekturbüro. 2004 Weiterbildung zur Gutachterin für Schäden an Gebäuden. Von 2006 bis 2023 Redakteurin beim Gebäude-Energieberater. Freie Fachjournalistin, Moderatorin und Buchautorin mit Schwerpunkten Architektur, Technik, Bauphysik und Energieeffizienz.

    Bild: Wilhelm Mierendorf

    Claudia Siegele sprach zum Thema Pekohaus mit Co-Autor Peter Kosack sowie mit Dirk ­Bornhorst, Vorstand der IG Infrarot und Geschäftsführer des Planungs­büros IR Integration

    Herr Kosack, die Bauminister der Länder wollen die Gebäudedämmung als Einzelmaßnahme aufgeben. Es brauche eine Erweiterung des Instrumentariums, um die Wärmewende zu schaffen. Lassen sich unsere Gebäude allein mit dem Fokus auf erneuerbare Energien respektive einem darauf abgestimmten Heizkonzept klimaneutral versorgen und so die Klimaschutzziele in diesem Sektor umsetzen?

    Peter Kosack: Das Thema Einzelmaßnahmen sehe ich ebenso kritisch wie die Fokussierung auf die Wärmewende. Was wir brauchen, ist eine Energiewende, und dazu ist das Gebäude als System zu betrachten. Infolge der einseitigen Ausrichtung auf die Dämmung hat man zum Beispiel in der Vergangenheit die Möglichkeiten der Solarthermie sträflich vernachlässigt. Wobei diese inzwischen gegenüber der Kombination PV plus Wärmepumpe im Nachteil ist. Entscheidend ist doch, welche Komponenten sich eignen und ob sie wirtschaftlich sind.

    Beziehen Sie das vorwiegend auf den Bestand?

    Auf beides – Neubau und Bestand, wobei unterschiedliche Schwerpunkte zu beachten sind. Grundsätzlich muss man sich überlegen, wie man ein Gebäude mit Energie versorgen will und nicht, wie und wo man durch Einzelmaßnahmen Energie einsparen kann oder was für den Moment vielleicht besonders wirtschaftlich sein mag. Das gesamte System muss wirtschaftlich sein.

    Aber geht es nicht darum, einerseits den Verbrauch eines Gebäudes zu minimieren, um anderseits den verbleibenden minimierten Bedarf möglichst komplett mit erneuerbaren Energien versorgen zu können?

    Das ist eine Frage der Dimensionierung und der Wirtschaftlichkeit. Bei einer klassischen, südorientierten PV-Anlage auf dem Dach unterscheiden sich die Erträge zwischen Sommer und Winter im Verhältnis von etwa 75 zu 25 Prozent. Würde ich nun aber die gesamte Oberfläche des Gebäudes mit PV-Modulen versehen, verschieben sich die Anteile des Solarertrags auf 60 zu 40, sie sind also übers Jahr betrachtet fast ausgeglichen. Und was die Wirtschaftlichkeit angeht, gilt die PV aktuell als der große Game-
    Changer. PV-Module sind so günstig wie nie zuvor, und diese Preissenkung setzt sich weiter fort. In zehn oder 20 Jahren wird es kostenneutral sein, die gesamte Oberfläche eines Gebäudes mit PV zu belegen. Die Kosten für PV-Strom gehen dann quasi gegen Null. Somit gehört schon heute die PV zwingend zum Systemkonzept, so es denn für die Zukunft ausgerichtet sein soll.

    Also spielt nach Ihrer Auffassung die Dämmung überhaupt keine Rolle mehr für ein energieautonomes Gebäudekonzept? Die Dämmung spart ja nicht nur im Winter Energie ein, sondern trägt ja auch zum sommerlichen Wärmeschutz bei – sowohl hinsichtlich der Klimatisierung als auch des Komforts!

    Hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Energiebilanz spielt die Dämmung eine immer geringere Rolle, aber man kann und soll natürlich nicht komplett darauf verzichten. Deshalb empfehlen wir bei der Altbausanierung die nachträgliche Dämmung der obersten Geschossdecke, vorwiegend um dem sommerlichen Wärmeschutz gerecht zu werden, und das Dämmen der Kellerdecke sowie das Eliminieren vorhandener Wärmebrücken wie zum Beispiel den Rollladenkästen. Was dagegen in den Hintergrund tritt, ist das Dämmen der kompletten Gebäudehülle, weil die Kosten für PV und andere Komponenten immer weiter sinken.

    Für den Komfort in einem Gebäude oder einem Raum spielt aber doch die Oberflächentemperatur der Außenwände eine entscheidende Rolle.

    Beim Pekohaus-Konzept wird die PV mit Wärmepumpe oder Infrarotheizung kombiniert. Oder man favorisiert die Dreierkombination, vorzugsweise im Bestand. Eine Infrarotheizung gewährleistet die thermische Behaglichkeit, weil sie direkt die Oberflächen des Raumes anstrahlt und diese erwärmt, viel mehr als eine Konvektionsheizung das kann. Ich habe also zwei Möglichkeiten, komfortable Oberflächentemperaturen im Raum zu erreichen: Entweder ich dämme oder entschließe mich für eine Infrarotheizung. Das ist eine simple Rechenaufgabe: Ist die Kombi aus PV und Infrarotheizung günstiger als eine komplette Fassadendämmung – warum soll ich dann die Fassade dämmen? Mit der Dreierkombination liege ich in Altbauten bei einer Größenordnung von rund 50.000 Euro – mit diesem Betrag schaffen Sie es nicht selbstverständlich, die gesamte Gebäudehülle zu sanieren, um auf den gleichen energetischen Standard zu kommen, Und dann ist ganz klar, welche Lösung zu bevorzugen ist.

    Würden Sie das Pekohaus-Konzept als ausgereift bezeichnen und gibt es Referenzgebäude?

    Ich könnte Ihnen unzählige Projekte nennen – wir haben das Konzept ja bereits in den 1990er Jahren entwickelt und im Prinzip findet es sich in der Praxis bei all jenen Gebäuden mit PV und Wärmepumpe oder der Dreierkombination mit Infrarot. Auch wenn solche Kombinationen nicht so oder anders genannt werden, erfüllen sie dennoch das Pekohaus-Konzept. Die spannende Frage ist jedoch, ob sie bezüglich der Energiebilanz und der Wirtschaftlichkeit optimal dimensioniert worden sind. Wir erkennen keine prinzipiellen technischen Probleme mehr, aber es gibt Fehler in der Umsetzung und Dimensionierung.

    Wenn das so bewährt und eindeutig ist – warum setzen dann viele Bauherren immer noch auf eine möglichst dicke Dämmung á la Passivhaus mit schlanker Gebäudetechnik in Form einer Lüftungsanlage?

    Das Passivhauskonzept war vor 30 Jahren der richtige Weg – damals war die PV noch deutlich teurer als Dämmung. Die ersten Plusenergiehäuser waren im Prinzip nichts anderes als Passivhäuser mit einer zusätzlichen PV-Anlage. Inzwischen hat sich aufgrund des Preisverfalls die Wirtschaftlichkeit zugunsten der PV-Module verschoben – vor 30 Jahren bekam die Dämmung den Vorzug, heute ist es umgekehrt. Beide Konzepte gegenüberzustellen im Sinne von „das eine ist besser als das andere“ ist nicht der Punkt. Es sind zwei grundverschiedene Konzepte, von denen das eine inzwischen weitaus wirtschaftlicher geworden ist als das andere. Darauf läuft es raus.

    Welche Rolle spielt beim Pekohaus-Konzept die Dichtheit der Gebäudehülle?

    Wir favorisieren ein Lüftungskonzept mit dezentraler Zuluft und zentraler Abluft. Das heißt, solange die Undichtigkeiten nicht über den normalen Luftwechsel hinausgehen, sind sie tolerierbar. Im anderen Fall muss man zum Beispiel die Fenster und Rollladenkästen abdichten.

    Herr Bornhorst, wie bewerten Sie energetisch miserable Altbauten bezüglich ihrer Resilienz beim Energiebedarf bzw. Raumklima bei frostigen Wintern und extremen Hitzeperioden? Ist für solche Fälle eine Infrarotheizung verantwortbar?

    Dirk Bornhorst: Zuglufterscheinungen sind ein bauphysikalisches Problem und müssen angegangen werden. Es geht uns nicht um einzelne Extreme, sondern um den gesamthaften Bestand. Hier müssen wir sowohl eine ökologische als auch wirtschaftlich Antwort geben, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die den kommenden Generationen gerecht wird.

    Wie sieht es mit Übergangslösungen aus, also wenn die Gastherme im Altbau noch funktioniert?

    Mit der Studie der TU Dresden „Potentialbewertung von Infrarotheizungen als Spitzenlastabdeckung“ haben wir den kombinierten Betrieb für ein Bestandsgebäude Baujahr 1995 simuliert. Zuerst die Infrarotheizung in Kombination mit der alten Gastherme für die Grundlast mit niedriger Vorlauftemperatur 40/30 und dann den Austausch hin zu einer kleinen Wärmepumpe für 30 % der Heizlast, die Infrarotheizung bleibt für die Spitzenlast.

    Herr Kosack, wie funktioniert das Pekohaus-Konzept im verdichteten städtischen Raum, also zum Beispiel bei Blockrändern oder Gründerzeithäusern, deren Fassaden nicht mit PV belegt werden können?

    Kosack: Beim derzeitigen Stand der Technik kann es im Geschosswohnungsbau tatsächlich eng werden. Liegt das A/V-Verhältnis unter 0,4, bekomme ich hinsichtlich Energieautonomie Probleme, aber für den Plusenergie-Standard reicht es immer noch. Ungeachtet dessen bleibt die technologische Entwicklung der PV nicht stehen – der Wirkungsgrad von heute knapp mehr als 20 Prozent wird noch deutlich steigen, womöglich bis auf 60 Prozent. Somit lässt sich künftig auch im Geschosswohnungsbau problemlos genügend Solarstrom am Gebäude erzeugen, um es mit Energie zu versorgen.

    Und wie lösen Sie das bei Gründerzeithäuser mit strukturierten Fassaden und vielen kleinen Gäubchen auf den Dächern?

    Auch hierfür gibt es PV-Lösungen, zum Beispiel Solardachziegel. Was die denkmalgeschützte Fassade angeht, wären PV-Anstriche denkbar, an denen derzeit intensiv geforscht wird. Eine andere Lösung wäre die gebäudeintegrierte PV, auch wenn diese noch vergleichsweise teuer ist. Sinnvoll ist es in jedem Fall, das Quartier als Ganzes zu betrachten. Einzelne Gebäude, an denen die Installation von PV-Modulen nicht möglich ist, könnten einfach von den umgebenden Gebäuden im Quartier mitversorgt werden. Das Entscheidende ist doch immer die Wirtschaftlichkeit. Man kann nicht sagen, das ist grundsätzlich unmöglich, sondern es ist unter Umständen zu teuer – danach richtet sich letzten Endes alles.

    Welche Energiekonzepte verfolgen wir künftig überhaupt?

    Wir müssen radikal umdenken – weg von dem Primat des Energiesparens, hin zur Energieversorgung. Die Unterschiede zwischen einem Energiesparkonzept und einem Energieversorgungskonzept sind fundamental, und doch werden diese beiden Strategien immer wieder in einen Topf geworfen. Wir müssen unsere Gebäude mit Energie versorgen – umweltfreundlich und wirtschaftlich. Die Energiewende kann man nicht herbeisparen, wie es ein Kollege von mir mal formuliert hat.

    Jetzt weiterlesen und profitieren.

    Mit unserer Future Watt Firmenlizenz top informiert und immer auf dem neuesten Wissenstand in ihrem Fachgebiet.

    + Unbegrenzter Zugang zu allen Future Watt Inhalten
    + Vergünstigte Webinarteilnahme
    + E-Paper Ausgaben
    + Sonderhefte zu speziellen Themen
    + uvm.

    Wir haben die passende Lizenz für Ihre Unternehmensgröße!

    Mehr erfahren

    Tags