Frühmorgens zieht Nebel über die sattgrünen Höhen des Schwarzwaldes, während sich zwischen den Baumwipfeln ein 80 Meter langes Rotorblatt langsam in den Himmel erhebt. Hier entsteht künftig ein Teil der sauberen Energieversorgung für die Region rund um Freiburg, Ettenheim und den Taubenkopf, die sich zum Schrittmacher der Energiewende im Süden entwickelt – und eindrucksvolle Zahlen liefert.
Allein die Ökostromgruppe Freiburg hat in diesem Jahr bereits drei Windkraftprojekte mit einer prognostizierten Stromernte von 37,5 Millionen Kilowattstunden pro Jahr abgeschlossen. Vier weitere Parks mit rund 46,4 Millionen Kilowattstunden sind im Bau. Bis 2027 sollen 20 Windkraftanlagen mit 240 Millionen Kilowattstunden folgen – genug, um 80.000 Haushalte klimafreundlich zu versorgen.
„Wir haben in der Region einen enormen Zuspruch“, sagt Thomas Schuwald, geschäftsführender Gesellschafter der Ökostromgruppe. „Mehr als 25.000 Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich bereits aktiv an Energieprojekten – mit einem Investitionsvolumen von rund 70 Millionen Euro. Das ist echte Teilhabe an der Energiewende.“
Kennen Sie schon unser Magazin? Jetzt ist die neue Ausgabe erschienen, holen Sie sich ein Probeabo.
Technologie, die Projekte überhaupt möglich macht
Ein Schlüssel zum Erfolg liegt in innovativer Montagetechnik. Denn die Windkraftanlagen im Schwarzwald – gebaut vom ostfriesischen Hersteller Enercon – stehen oft in schwer zugänglichem Gelände. Ohne spezialisierte Verfahren wären viele Projekte schlicht nicht umsetzbar.
Mehr über die Rotorblatttraverse lesen Sie hier.
Hier kommt die Ematec AG aus Memmingerberg (Unterallgäu) ins Spiel. Ihr Hightech-Gerät, die Rotorblatt-Traverse RBC-D 50, sorgt dafür, dass Windräder selbst in anspruchsvollen Lagen sicher und effizient montiert werden können. In Kombination mit dem Autonomen Positionierungssystem (APS) des dänischen Partners Seasight Solutions können theoretisch bis zu 110 Meter lange Rotorblätter ohne Führungsseile präzise an die Nabe geführt werden. „Gerade in bewaldeten Höhenlagen ist das ein enormer Vorteil“, betont Norman Huske von Enercon, der weltweit die Installationsteams schult.
Mehr zu den Herausforderungen von Windkraft im Schwarzwald lesen Sie hier.
Die Technik spart Zeit und reduziert Risiken: Rotorblätter können in Winkeln von ±30 Grad montiert werden, und selbst bei Windgeschwindigkeiten bis 10 m/s läuft der Einsatz weiter. „Wir können theoretisch drei Blätter an einem Tag montieren“, so Huske. „Was früher Wochen dauerte, geschieht heute mit höherer Sicherheit und Planbarkeit.“
Erfolgsgeschichte Ettenheim: Bürgerwind und Repowering
Wie diese Technologien und lokale Beteiligung zusammenspielen, zeigt der Windpark Schnürbuck bei Ettenheim, der Ende Oktober eröffnet wurde. Dort wurden sechs Altanlagen durch drei leistungsstarke Enercon E-160 EP5 E3 ersetzt – das bedeutet: weniger Anlagen, aber viermal so viel Leistung.
„Wir reduzieren die Zahl der Windräder, verdoppeln aber den Abstand zur Wohnbebauung – und vervierfachen zugleich die Stromproduktion“, erklärt Jörg Bold, Vorstand der Bürgerenergiegenossenschaft Ettenheim. Finanziert wurde das Projekt unter anderem durch Crowdfunding-Nachrangdarlehen in Höhe von 800.000 Euro, die in nur 36 Minuten vergriffen waren. „Das zeigt, wie stark die Menschen hinter ihren Projekten stehen“, so Bold.
Kommunale Chancen: Von der Versorgung zur Beteiligung
Für Stadtwerke und Kommunen öffnen solche Modelle neue Wege: Sie können als Betreiber, Anteilseigner oder Dienstleister in lokalen Windparks aktiv werden und so nicht nur die eigene Energieversorgung sicherer machen, sondern auch regionale Wertschöpfungsketten stärken. Die Ökostromgruppe rechnet bis 2027 mit 350 Millionen Euro Gesamtinvestitionen, von denen 20 Prozent direkt aus Bürgerhand kommen – Kapital, das sonst an institutionelle Fonds gegangen wäre.
„Wir sehen hier die Blaupause für eine dezentrale Energiewirtschaft“, kommentiert Ematec-CTO Julian Eberhard. „Technologie, Bürgerbeteiligung und lokale Verantwortung greifen ineinander. Nur so kann die Energiewende wirklich gesellschaftlich funktionieren.“
Ein Modell mit Signalwirkung
Die Erfahrungen aus dem Schwarzwald zeigen, dass technische Innovationskraft und regionale Eigeninitiative Hand in Hand gehen müssen. Wenn Kommunen, Hersteller und Technologieanbieter wie ematec zusammenarbeiten, wird die Energiewende mehr als nur ein politisches Ziel – sie wird zum regionalen Erfolgsprojekt.
Die Rotorblätter über den Schwarzwaldhöhen drehen sich also nicht nur für grünen Strom. Sie stehen für einen Wandel im Denken – von zentraler Versorgung hin zu gemeinschaftlicher Verantwortung. Und vielleicht weht der Wind, der hier Energie bringt, bald auch durch viele andere Regionen Deutschlands.
 
     
     
     
     
     
     
    