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Wasserstoff im Heizkonzept

Simulation erlaubt Energiedesign

Bei dem Neubau im BIO-Innovationspark Kottenforst, zwischen Meckenheim und Bonn, handelt es sich um ein Gebäude für Ausstellung, Büro und Lager. Dafür sollte sowohl ein Gebäude- als auch ein Energiekonzept auf Basis erneuerbarer Energien entwickelt werden. Das Gebäude wurde von der Firma Josef Küpper Söhne GmbH im Oktober 2021 in den bestimmungsgemäßen Betrieb übergeben. Erste Monitoring-Ergebnisse zeigen einen energieautarken Betrieb, sodass ein Meilenstein für die Energie- und Wärmewende gesetzt werden konnte. Des Weiteren konnte die erste kaskadierte Brennstoffzellenanlage in Betrieb genommen werden.

Die Anforderungen an Gebäude werden immer komplexer. Die Integration von erneuerbaren Energien in die Gebäudetechnik und letztendlich in das Stromnetz führen zu neuen Herausforderungen für Architekten, Energieberater, Energieversorger, Ingenieure und Planer. Um den neuen Herausforderungen auch planerisch Rechnung zu tragen, bedarf es neuer konzeptioneller Ansätze und Softwaretools. „Energiedesign“ heißt der Überbegriff für das interdisziplinäre Zusammenwirken verschiedenster Fachplaner bereits in der Vorplanung einer energetischen Konzepterstellung für Neu- und Bestandsbauten.

Hochwärmegedämmte Gebäudehüllen und komplexe Anlagenkonfigurationen auf Basis von erneuerbaren Energien mit einem intelligenten Speichermanagement und auf Wetterprognosen basierten Regelungen lassen erahnen, welche Anforderungen an Planer gegenwärtig schon gestellt werden. Das komplexe Zusammenspiel von thermisch aktivierten Bauteilen und verbrauchsoptimierten Erzeugungseinheiten mit diskontinuierlichem Energiebezug lassen eine Bilanzierungssystematik mit einem Monatsbilanzverfahren nicht mehr zu. Daher müssen neue Ansätze entwickelt und anwenderfreundlich implementiert werden.

Die Gebäudesimulation ist hierfür der vielversprechendste Ansatz. Mit einem professionellen Gebäudesimulationsprogramm lassen sich komplette dynamische Wechselwirkungen zwischen Anlage, Außenklima, Gebäude, Nutzerverhalten und Regelungstechnik darstellen. Konzeptionelle Entscheidungen wie das Energiedesign basieren damit auf einer fundierten Abbildung von physikalischen Prozessen. Somit lassen sich belastbare Energiebenchmarks und Lastgänge erzeugen, die in einem späteren Monitoring verifiziert werden können.

Komplexe Anlagenkonfigurationen und immer anspruchsvollere Architekturen erfordern zunehmend eine interdisziplinäre Planung und Ausführung. Hinzu kommt, dass die oftmals sehr technisierten Gebäude die Nutzer überfordern und die Akzeptanz sinkt.

Es braucht eine neue Bilanzierungssystematik

Die Anforderungen der Energie- und Wärmewende und der daraus resultierenden politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Bauschaffende werden fortlaufend angepasst mit dem Resultat, dass es zwar Hochleistungseinzelkomponenten gibt – wie beispielsweise hochwärmedämmende Steine, VIP-Dämmungen, luftdichte Gebäudehüllen, Anlagenkonfigurationen im Kraft-Wärme-Kälte-Verbundsystem und Gebäudeleittechnik, mit der selbst bei Betriebsruhe Licht- und Heizungstechnik aus der Ferne gesteuert werden kann –, die Anforderung jedoch in der Verknüpfung dieser Vielzahl von Einzelkomponenten in dem System „Gebäude“ besteht.

Der Detaillierungsgrad wird immer weiter erhöht und die Anforderung an das ausführende Gewerk und an die planende Zunft immer höher. Es liegt in der Natur der Sache, dass mit der Erhöhung von Detaillierungsgrad und Komplexität auch die Fehlerhäufigkeit zunimmt. Zudem wächst in der Gesellschaft der Wunsch nach modernem Wohnen und Nutzen, in das Aspekte wie Effizienz, Konsistenz und Suffizienz einbezogen werden sollen.

Um die derzeit gültigen und zukünftigen Anforderungen an Gebäude (EU-Gebäuderichtlinie – nZEB) in die heutige Bilanzierungssystematik einzubeziehen, wird in dem Nichtwohngebäude aus dem Forschungsvorhaben ein „energieautarkes
Nichtwohngebäude auf Basis von Wasserstoff“ zugrunde gelegt und vergleichsweise statisch und dynamisch bilanziert. Die weiterzuführenden Untersuchungen sollen dann aufzeigen, dass durch Verbesserungen der Bilanzierungssystematik neben den Betriebskosten sowohl die Planungs- als auch die Investitionskosten reduziert, Behaglichkeit und Nutzerkomfort gesteigert und Gebäude mit komplexer Anlagenkonfiguration und intelligentem Speichermanagement über die Systemgrenze thermische Hüllfläche als aktiver Baustein der Energiewende implementiert werden können.

Hierzu bedarf es zum einen eines interdisziplinären, konzeptionellen Energiedesigns und zum anderen eines einfachen,
anwenderfreundlichen Softwaretools. Derzeit werden energetische Gebäudekonzeptionen vielfach unsystematisch, uneffektiv und ohne Konvergenzkontrolle mittels monatlicher Bilanzierungsverfahren durchgeführt. Diskontinuierlicher Energiebezug und unsichere Randbedingungen werden trotz ihrer großen Relevanz gerade für neue hocheffektive Gebäude nicht beachtet. In weiterführenden Arbeiten werden daher Methoden entwickelt, um Modellverfahren mittels Gebäudesimulation bei der Gebäudekonzeption systematisch zu verwenden, zu dokumentieren und zu verbessern. Des Weiteren sollen verschiedene Methoden zur Gebäudesimulation unter unsicheren Randbedingungen entwickelt und verglichen werden.

Zunächst wird gezeigt, dass eine klassische monatlich basierte Bilanzierungsmethode im Gebäudebereich Konvergenzprobleme aufweisen kann. Im Anschluss werden die Modelle zur Verbesserung von Konzeptionen und zur Optimierung unter unsicheren Randbedingungen an einem Beispiel aus dem o. g. Gebäudebereich demonstriert. An diesem Beispiel können die künftigen energetischen Anforderungsprofile an Neubauten und Bestandsgebäuden abgebildet werden, wodurch eine modellprädiktive Regelung unter differenzierten Randbedingungen für thermoaktive Gebäude in Echtzeit realisiert werden könnte. Dies ist vor allem für die zunehmende Integration erneuerbarer Energien und deren fluktuierender Einspeisecharakteristik notwendig. Daraus lassen sich Bausteine für einen zukünftigen Leitfaden für ein Energiedesign entwickeln.

Damit Gebäude nicht nur in der Planung und in der Simulation funktionieren, müssen diese qualitätsoptimiert und nachhaltig erstellt werden. Hierzu ist es von elementarer Bedeutung, dass bereits in der Frühphase der Planung notwendige Standards festgelegt werden und interdisziplinär geplant wird.

Das Nichtwohngebäude wurde zur Berechnung in acht Zonen eingeteilt. Räume mit ähnlicher Konditionierung und Nutzung sind zu einer Zone zusammengefasst.

Bild: Lars Klitzke

Das Nichtwohngebäude wurde zur Berechnung in acht Zonen eingeteilt. Räume mit ähnlicher Konditionierung und Nutzung sind zu einer Zone zusammengefasst.

Drei Gebäudekonzepte im Vergleich

Das zu untersuchende Gebäude besitzt eine Quaderform mit den Hauptabmessungen 25,66 m x 25,41 m. Es verfügt über zwei Vollgeschosse, schließt mit einem Flachdach ab und wurde in Holz-Hybridbauweise erstellt, wodurch nur die tragenden Bauteile aus Stahlbeton bestehen. Für eine möglichst hohe Tageslichtversorgung wurden große Fensterflächen an der Fassade und ein Lichtband im Flachdach integriert. Um den solaren Wärmeeintrag zu begrenzen, und somit auch den Kühlbedarf, wurden außenliegende Verschattungssysteme an den Fensterfronten angesetzt. An die Gebäudehüllfläche wurden hohe Anforderungen gestellt, sodass der Passivhausstandard eingehalten wird.

Grundvoraussetzung für die Entwicklung eines bilanzierungstechnisch autarken Energiekonzeptes ist die Ermittlung des möglichst realitätsnahen Energiebedarfs des Gebäude. Die Bilanzierung des Energiebedarfs eines Gebäudes nach der DIN V 18599 erfolgt auf Basis eines Mehr-Zonen-Modells, bei dem alle Räume mit ähnlicher Konditionierung, und Nutzung zu einer Zone zusammengefasst werden. Dabei wird in der Praxis der Grundsatz verfolgt: „So viele Zonen wie nötig, so wenig wie möglich“. Drei unterschiedliche Gebäudekonzepte wurden miteinander verglichen:

  • Bilanzierung nach dem öffentlich-rechtlichen Nachweis auf Basis eines 4-Zonen-Modells
  • Bilanzierung einer freien Energieberatung unter Verwendung eines 4-Zonen-Modells
  • Bilanzierung einer freien Energieberatung unter Verwendung eines 8-Zonen-Modells
  • Einfluss auf den Energiebedarf des Gebäudes haben neben der Gebäudehüllfläche die Art der Konditionierung, die Art der Gebäudenutzung und die lokalen Klimabedingungen. Bei der Bilanzierung eines Nichtwohngebäudes auf Basis eines öffentlich-rechtlichen Nachweises (Gebäudekonzept 1) werden diese Randparameter in der DIN V 18599 fest vorgegeben und dürfen i.d.R. auch nicht verändert werden. Zu den Randparametern gehören beispielsweise die Klimadaten, Nutzungszeiten des Gebäudes, Laufzeit der Anlagentechnik, Raumsoll-Temperatur-Heizung, Raum-Soll-Temperatur-Kühlung oder auch die Festlegung der internen Wärmequellen (Personenbelegung, Gerätenutzung). Da diese Kennwerte jedoch nicht der realen Nutzung des Gebäudes entsprechen, wurde in der Leistungsphase 1 eine detaillierte Bedarfsermittlung in Abstimmung mit den Bauherren vorgenommen.

    Im Gebäudekonzept 2 wurden auf Basis der Bedarfsermittlung die Nutzungsprofile des 4-Zonen-Modells so weit wie möglich an die Realität angepasst. Durch die Anpassung der Nutzungsprofile stellt sich eine Einsparung im Bereich der Nutzenergie für Heizen, Kühlen, Beleuchtung und Warmwasser in Höhe von ca. 10,4 % ein. Um jedoch alle Angaben aus der Bedarfsermittlung berücksichtigen zu können, muss das 4-Zonen-Modell erweitert werden. Daher wurde es von 4 auf 8 erweitert. Durch die Möglichkeit einer detaillierteren Erfassung der Nutzungsprofile stellt sich nochmals eine Einsparung der Nutzenergie von ca. 25 % (25,9 %) bezogen auf Konzept 1 ein.

    Damit wird deutlich, dass die Standardwerte nach DIN V 18599 keine reale Abbildung des Gebäudes liefern können. Für die Einsparung ist kein baulicher, sondern ein planerischer Mehraufwand in der Planungsphase erforderlich. Da es die Zielvorgabe des Energiekonzeptes sein soll, eine vollständige autarke Versorgung des Gebäudes zu gewährleisten, muss die Bilanzierungsgrenze der DIN V 18599 erweitert werden. Neben dem Energiebedarf für Beleuchtung, Heizen, Kühlen, Lüften und Warmwasser muss auch der „Strombedarf“ (Nutzerstrombedarf, E-Mobilität) vollständig von der Anlagentechnik gedeckt werden. Dieser konnte auf Grundlage des Vorliegens eines Referenzgebäudes näherungsweise bestimmt werden mit 22 500 kWh/a.

    Die Bilanzierung und Dimensionierung der Anlagentechnik für eine autarke Energieversorgung setzt voraus, dass der reale Energiebedarf zugrunde gelegt wird, was bedeutet, dass eine Berechnung unter strikter Anwendung der DIN V 18599 für diesen Fall unbrauchbar ist. Für die Berechnung und Auslegung der Anlagentechnik wurden daher die Energieströme des Gebäudekonzeptes 3 als Grundlage für eine Technische Gebäudebilanzierung verwendet.

    1 In Ausführung 1 wird ein Anlagensystem mit Brennstoffzellen-KWK und Brennwertkessel verwendet, das den heutigen Stand der Technik dargestellt.

    Bild: Lars Klitzke

    1 In Ausführung 1 wird ein Anlagensystem mit Brennstoffzellen-KWK und Brennwertkessel verwendet, das den heutigen Stand der Technik dargestellt.
    2 In Ausführung 2 wird der Brennwertkessel durch eine reversible Sole-Wasser-Wärmepumpe ausgetauscht.

    Bild: Lars Klitzke

    2 In Ausführung 2 wird der Brennwertkessel durch eine reversible Sole-Wasser-Wärmepumpe ausgetauscht.
    3 In Ausführung 3 erfolgt die Wasserstoffherstellung über Wasserelektrolyse.

    Bild: Lars Klitzke

    3 In Ausführung 3 erfolgt die Wasserstoffherstellung über Wasserelektrolyse.

    Drei Anlagensysteme im Vergleich

    Zur Erfüllung des Ziels, ein vollständig emissionsfreies und autarkes Energiekonzept zu entwickeln, wurden drei verschiedene Anlagensysteme untersucht und miteinander verglichen. Die Bilanzierung erfolgte hierbei mit dem Programm „Energieberater“ von Hottgenroth.

    Die Bereitstellung der Wärme für die Heizung und das Warmwasser erfolgt über einen zentralen Wärmeerzeuger: ein KWK-System bestehend aus einer Brennstoffzelle und einem Spitzenlasterzeuger. Die einzelnen Varianten des KWK-Systems unterschieden sich wie folgt:

  • Brennstoffzelle (Erdgas) + Brennwertkessel
  • Brennstoffzelle (Erdgas) + reversible Sole/Wasser-Wärmepumpe
  • Brennstoffzelle (Wasserstoff) + reversible Sole/Wasser-Wärmepumpe
  • Die Wärmeübergabe und -verteilung erfolgt über eine Fußbodenheizung und die zentrale Lüftungsanlage. Es wird ein Pufferspeicher mit einem Volumen von 300 Liter eingebaut. Die Berechnung der KWK-Anlage erfolgt mit Verfahren A nach DIN V 18599-9, sodass jeder Energiefluss bei der Berechnung berücksichtigt werden kann.

    Die Kälteversorgung erfolgt in der ersten Variante über eine Kompressionskältemaschine und in Variante 2 und 3 über die reversible Sole-Wasser-Wärmepumpe aus dem Heizbereich. Die Kälteübergabe und -verteilung erfolgt über die zentrale Lüftungsanlage. Es wird ein Pufferspeicher mit einem Volumen von 300 Liter eingebaut.

    Die Be- und Entlüftung des Gebäudes erfolgt über eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung von 85 %. Die Lüftungsanlage bleibt in jeder Variante gleich. Die Beleuchtung des Gebäudes erfolgt über ein effizientes LED-Beleuchtungssystem aus Präsenzmeldern und tageslichtabhängigen Sensoren. Die Beleuchtung bleibt in jeder Variante gleich.

    Eine PV-Anlage bildet das Herzstück der Anlagentechnik. Sie wird an der Fassade und auf der Dachfläche integriert. Ihre Leistung beträgt ca. 98 kWp. Durch die Anordnung der Module an der Fassade und auf der Dachfläche erzeugt die Anlage Strom über den ganzen Tag. Es wird ein Akkumulator mit einer Speicherkapazität von 200 kWh installiert. Neben dem KWK-System soll die PV-Anlage die Selbstversorgung gewährleisten.

    Durch die Vorgabe der vollständigen Autarkie muss neben dem Energiebedarf für Belcutung, Heizen, Kühlen, Lüftung und Warmwasser auch der Nutzerstrombedarf vollständig gedeckt werden. Unter der Vorgabe, eine möglichst hohe Selbstversorgung zu erreichen und eine Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Ausführungen herzustellen, erfolgte die Dimensionierung der Brennstoffzellensysteme (Anzahl der Geräte) stromgeführt. Dadurch wird der Strombedarf des Gebäudes in jeder Ausführung zu 100 % gedeckt. Die Bilanzierung der unterschiedlichen Anlagensysteme dagegen erfolgt strom- als auch wärmegeführt.

    Selbstversorgungsgrad der Anlagenvarianten

    In Ausführung 1 wird ein Anlagensystem verwendet, das den heutigen Stand der Technik dargestellt. Das Kraft-Wärme-Kopplungs-System besteht dabei aus mehreren Brennstoffzellen und einem Brennwertkessel als Spitzenlasterzeuger. Im Bereich der Wärmeversorgung wird die Grundlast von der Brennstoffzelle und die Spitzenlast des Brennwertkessels gedeckt. Der Wasserstoff, der für den Betrieb der Brennstoffzelle erforderlich ist, wird mittels Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen. Der Dampfreformer ist hierbei in der Brennstoffzelle integriert.

    Auf Grundlage der geringen Wärmeleistung der Brennstoffzelle und der wärmegeführten Betriebsweise, die in der DIN V 18599 vorgeschrieben ist, beträgt die Laufzeit der Brennstoffzelle neun Monate (Stillstandszeit: drei Monate). Der Strombedarf kann gesamthaft gedeckt werden, für die Wasserstoffherstellung als auch den Betrieb des Brennwertkessels wird Erdgas benötigt Dies führt zu einer Selbstversorgung von 47 %.

    In Ausführung 2 erfolgt ein Austausch des Spitzenlasterzeugers. Der Brennwertkessel wird durch eine reversible Sole-Wasser-Wärmepumpe ausgetauscht. Es wird ebenfalls eine erdgasbasierte Brennstoffzelle verwendet. Die Bilanzierung erfolgt wie in Ausführung 1 für eine wärmegeführte Betriebsweise. Die Laufzeit der Brennstoffzelle beträgt hierbei wie in Ausführung 1 neun Monate (Stillstandszeit: drei Monate). Durch die Verwendung einer Wärmepumpe wird der Erdgasbedarf reduziert, der Strombedarf sowie der Wärmebedarf können über die PV-Anlage und die Brennstoffzelle komplett gedeckt werden. Dies führt zu einem Selbstversorgungsgrad von 55 %.

    In Ausführung 3 erfolgt die Wasserstoffherstellung nicht über eine Dampfreformierung, sondern über die Wasserelektrolyse (grüner Wasserstoff). Hierbei muss zwischen zwei Betriebsarten unterschieden werden. Im Sommer soll der Energiebedarf des Gebäudes über die PV-Anlage gedeckt werden. Die sommerliche Wärmeversorgung erfolgt nur über die Wärmepumpe. Der überschüssige Stromertrag der PV-Anlage wird für die Wasserstoffherstellung genutzt. Dieser wird in einem Druckgasspeicher saisonal für den Winter gespeichert. Im Winter soll der Energiebedarf des Gebäudes über die PV-Anlage und die Brennstoffzelle gedeckt werden. Die winterliche Wärmeversorgung erfolgt über die Wärmepumpe und die Brennstoffzelle. Der Wasserstoff, den die Brennstoffzelle benötigt, kann aus dem Druckgasspeicher verwendet werden, sodass eine vollständige Selbstversorgung gewährleistet wird.

    Das Anlagensystem wird um einen Wasserstoffspeicher und einen Elektrolyseur erweitert. Das Anlagenkonzept Brennstoffzelle mit Elektrolyseur und Wasserstoffspeicher wird über das Picea-System von Home Power Solutions bereitgestellt. Durch fehlende Angaben im Bereich der thermischen Leistung der Brennstoffzelle wird das System stromgeführt berechnet und nicht wärmegeführt wie in Ausführung 1 und 2. Somit wird das Anlagensystem in der Bilanzierung als saisonaler Stromspeicher berechnet. Die Laufzeit der Brennstoffzelle beträgt in diesem Fall drei Monate. Somit wird ein wesentlich effizienterer Betrieb der Brennstoffzelle berücksichtigt.

    In Ausführung 3 wird das gesamte Gebäude über eine Anlagentechnik versorgt, die nur Strom als Energieträger nutzt. Im Sommer wird der gesamte Strombedarf über die Photovoltaik inklusive Akkumulator gedeckt. Im Winter wird der Strombedarf über die PV-Anlage und die Brennstoffzelle gesamthaft gedeckt. Dies führt zu einer Selbstversorgung von 100 %.

    Die Auslegung und die Dimensionierung der KWK-Anlage und die Bilanzierung des anrechenbaren Stromertrages durch Photovoltaik und KWK erfolgen nach DIN V 18599. Dabei werden der Energiebedarf und Energieertrag eines Monats gegenübergestellt. Da bei der Dimensionierung der KWK-Anlage und der Anrechnung des Stromertrages die Leistung zeitpunktbezogen (kW) maßgeblich ist, kann die monatliche Berechnung nach Norm (kWh) die Realität nicht abbilden. Aus diesem Grund lassen sich Energiesysteme, die auf erneuerbaren Energien aufbauen, mittels der DIN V 18599 nicht realitätsnah bilanzieren, da sie nur monatlich abbildbar sind. Die Berechnung von innovativer Anlagentechnik auf Basis von erneuerbaren Energien benötigt daher eine wesentlich detailliertere Betrachtungsweise, um der Realität zu entsprechen.

    Die ausgeführte Anlagenkonfiguration wird nachfolgend in Kurzform dargestellt. Es sind fünf Wechselrichter eingebaut von der Firma SMA Sunny Tripower. Ein eigener Kurzzeitspeicher (Akku) für die PV-Anlage wurde nicht installiert. Es wird der Akkumulator der Picea Systeme verwendet (40 kWh/ Picea = 200 kWh). Nutzbar sind dabei 20 kWh je Picea System = 100 kWh.

    Bilanzierung muss Energieströme schon in der Planungsphase detailgenau erfassen

    Es konnte mit dem vorliegenden Gebäude- und Energiekonzept die Komplexität eines Energiekonzeptes für ein energieautarkes Nichtwohngebäude dargestellt werden. Dieses wurde anhand der politischen und gesellschaftlichen sowie gesetzlichen Anforderungen entwickelt und wurde geleitet von den bauphysikalischen Gesetzmäßigkeiten sowie der fluktuierenden Einspeisecharakteristik der erneuerbaren Energien.
    Heutige und zukünftige Gebäude- und Energiekonzepte müssen energetisch bewertet werden und die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorgaben nachweisen.

    Für den öffentlich-rechtlichen Nachweis von Wohngebäuden stehen vorrangig zwei Bilanzierungsverfahren – DIN 4108-6/4701-10 und DIN V 18599 – nach dem derzeitig gültigen GEG zur Verfügung. Das Verfahren nach DIN 4108-6 und DIN 4701-10 wurde hier nicht weiter thematisiert, da es bereits bei einfacher Anlagenkonfiguration seine Grenzen erreicht.

    Die untersuchte Bilanzierung auf Grundlage der DIN V 18599 hat aufgezeigt, dass energieautarke Nichtwohnkonzepte mit komplexen Anlagenkonfigurationen bilanziell erfasst werden können, jedoch keine optimierte Auslegung erfolgen kann. Die Bewertung nach DIN V 18599 ist jedoch nur eine erste grobe Annäherung an den energieautarken Gebäudestandard: Die aktive Nutzung von Solarenergie zur Stromgewinnung im optimalen Eigenverbrauchsstadium über das gesamte Jahr respektive über den gesamten Lebenszyklus ist oberste Prämisse für Planer und Bauherren.

    Aus wirtschaftlichen Aspekten und der Versorgungssicherheit müssen Gebäude netzunabhängig betrieben werden und im idealisierten Prozess sogar in der Lage sein, überschüssigen Strom aus dem Netz zwischenzulagern. Daraus entsteht wechselweise ein Quellen-Senken-Verhältnis von Gebäude und elektrischem Netz. Diesem Umstand ist es geschuldet, dass bereits in der Frühphase der Planung eine Bilanzierungsmethode gewählt wird, welche die unterschiedlichen Energieströme stunden- oder sogar minuten- bzw. sekundengenau darstellen kann.

    Somit wird der Planer in die Lage versetzt, intelligente Speichermanagementsysteme zu entwickeln und Anlagenkonfigurationen optimiert auszulegen und aufeinander abzustimmen. In einer weiteren Betrachtung können dann real gemessene Verbrauchswerte in das Simulationsmodell einfließen und im realen Nutzerprofil fortgeschrieben werden.

    Das Bilanzierungsverfahren nach DIN V 18599 ist für die öffentliche Nachweisführung, für welches es konzipiert wurde, sehr gut geeignet, weil es einfach und zielführend eine Bilanzierung ermöglicht. Der derzeitige Stand der Gebäudesimulation ist ein erster guter Ansatz zur gesamtheitlichen Betrachtung komplexer Wechselwirkungen im Gebäude.

    Künftige Beäudekonzeptionen erfordern frühzeitige Implementierung eines Energiedesigns

    Die verwendeten Rechenalgorithmen und Systemparameter eröffnen derzeitig jedoch noch nicht die Möglichkeit der vollständigen Abbildung von Simulationen mit erneuerbaren Energien und Speichermanagement einschließlich deren Optimierungen. Diese Erweiterung bzw. die Abbildung dieser Wechselwirkung ist notwendig, um eine belastbare Planung vorzunehmen, aus der der Planer nachvollziehbare und überprüfbare Kennwerte gewinnen kann, die in einem nachfolgenden Monitoring validiert werden können.

    Gute Ergebnisse liefert die Gebäudesimulation bei der Darstellung von Behaglichkeitsparametern, aus denen Optimierungen unter ingenieursmäßigen Beurteilungskriterien abgeleitet werden können. Restriktionen ergeben sich aus den Berechnungsalgorithmen, die jeweils nur einen Raum- bzw. Temperaturknoten abbilden. Für die detaillierte Darstellung von beispielsweise Temperaturverteilungen auf den Bauteiloberflächen und/oder in den einzelnen Raumlufttemperaturschichten können erweiterte Aussagen über das Wirkungsgefüge von Wärmeübertragungsflächen und realen Temperaturtatbeständen erzeugt werden. Hieraus können Einstellparameter und Energieeinflüsse dargestellt werden, die messtechnisch im realen Betrieb validiert werden können und somit prüfbar sind.

    Zukünftige Gebäude im Neu- und im Bestandsbau werden u.a. mit dem vorgestellten Energiekonzept gebaut bzw. energetisch modernisiert. Mit dem derzeitigen Stand der Gebäudesimulation lassen Optimierungen sich noch nicht in dem Maße generieren, um einen bestmöglichen Deckungsgrad von Gebäudelast und Erzeugung zu erzielen. Inwieweit die Ergebnisse dem Real-Verbrauch entsprechen, lässt sich erst nach einer Validierung mit den gemessenen Verbrauchswerten abschließend beurteilen.

    Aufgrund der komplexeren Anforderungen an zukünftige Energie- und Gebäudekonzeptionen ist die Implementierung eines Energiedesigners in die frühe Planungsphase nahezu unerlässlich. Die dynamische Gebäudesimulation unterstützt den Planer frühzeitig im Planungsprozess und zwingt alle Baubeteiligte aufgrund der hohen Eingabeparametrierung dazu, rechtzeitig interdisziplinär zu agieren.

    Die Brennstoffzellenkasakade in dem Projekt hat den Betrieb schon aufgenommen. Nach ersten Daten konnte die Energieautarkie erreicht werden.

    Bild: Lars Klitzke

    Die Brennstoffzellenkasakade in dem Projekt hat den Betrieb schon aufgenommen. Nach ersten Daten konnte die Energieautarkie erreicht werden.

    Lars Klitzke M. Eng., M. Eng., MAS

    ist einer von drei Gründern des Weiterbildungsinstituts für nachhaltiges energieeffizientes Bauen und Bauphysik (WINaBa, https://winaba.de/). Er lehrt an der Hochschule Koblenz energetische Planung / Technische Gebäudeausrüstung sowie an der Hochschule Mainz Bauphysik/ energieoptimiertes Bauen und dynamische Gebäudesimulation. Er ist Referent und Autor für die Thematiken TGA, Bauphysik und nachhaltiges Energiedesign.

    Bild: Nicole Bouillon Fotografie

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