Die Luft flimmert über dem Asphalt und die Sonne brennt auf Straßen und Fassaden. In den Häuserschluchten zwischen Glas und Beton gibt es kaum Schatten. Autos und Klimaanlagen pusten nur heiße Luft: ein Stadtdschungel, der sich immer weiter aufheizt. So sieht es jetzt schon in Großstädten aus und diese Zustände werden sich in den kommenden Jahren verschärfen.
Ein Teil der Lösung kann die Bauwerksbegrünung sein – eine Maßnahme zur Klimaanpassung. Von 2008 bis 2023 wurden insgesamt 93.755.235 Quadratmeter Gründachfläche angelegt, und die Zahl begrünter Flächen steigt exponentiell. Der Gründachmarkt wächst jährlich im Durchschnitt um 7,6 Prozent. Das belegen die Zahlen des vom Bundesverband Gebäudegrün (BuGG) veröffentlichten Marktberichts von 2024.
Extensive und intensive Begrünung
„Die Entwicklung ist gut, könnte aber noch besser sein“, erklärt Gunter Mann, Präsident des BuGG. „Förderung ist wichtig und gibt einen finanziellen Anreiz, da freiwillig zu wenig passiert“, ergänzt er. Kommunen, Firmen, aber auch Privatpersonen entschließen sich deshalb häufiger dazu, beispielsweise ein Garagendach zu begrünen (Abb. 2) oder Dachgärten mit Gemüse und Kräutern als städtische Projekte umzusetzen.
Dabei handelt es sich vorwiegend um Extensiv-Begrünungsprojekte. Diese Art der Begrünung ist einfach und „dient der Artenvielfalt, wie zum Beispiel Vögeln als Brutstätte, und der Biodiversität“, erläutert Mann.
Sie zeichnet sich durch dünnere Substratschichten, geringen Pflegeaufwand und trockenheitsresistente Pflanzen aus. Die Pflanzen können auch ohne menschliches Zutun überleben. Für die extensive Begrünung sind alle Pflanzenarten aus dem Stein- und Gewürzgarten geeignet, wie zum Beispiel Thymian, Schnittlauch und Felsennelke.
Der Unterschied zwischen intensiver und extensiver Begrünung liegt in der Pflegeintensität, Substratstärke und Nutzung. Die intensive Begrünung zeichnet sich durch tiefere Substratschichten, höhere Pflegeanforderungen und vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten mit Gehölzen, Bäumen, Rasen- und Nutzflächen aus. Für die Begrünung wählt man am besten Stauden und Gehölze, die nicht trockenheits- und frostempfindlich sind.
Im Vergleich zur extensiven Begrünung, die pro Quadratmeter etwa 60 bis 190 Kilogramm wiegt, ist die intensive Begrünung etwa 350 bis 1300 Kilogramm pro Quadratmeter schwer. Auch bei den Kosten unterscheiden sich die Begrünungen. Die extensive Begrünung kostet etwa zwischen 30 und 70 Euro pro Quadratmeter, während die intensive Begrünung bei etwa 100 Euro pro Quadratmeter liegt. Trotzdem kommt Letztere immer häufiger zum Zuge. Der Anteil von Intensivbegrünungen bei Dachgärten stieg 2023 mit 13,8 Prozent im Vergleich zu 2008 mit 11,4 Prozent leicht an. Einen Trend sieht Mann in der „Regalbauweise und dem Solargründach, einer extensiven Überschneidung zwischen den Modulen.“
Auf der BAU Messe in München Mitte Januar stellten Unternehmen und Verbände zum Thema Bauwerksbegrünung und Solarsysteme ihre Produkte beziehungsweise Inhalte vor. Schwerpunkt war der Trend zum Solargründach.

Bild: BuGG
Eine starke Kombination: PV und Gründach ergänzen sich
Ein Solargründach kombiniert die Begrünung mit einer Photovoltaikanlage und vereint die Vorteile beider Systeme. Das Gründach hält Regenwasser zurück und gleicht Temperaturspitzen in Hitzephasen aus, die Solarpaneele erzeugen Strom. Die kühlere Oberfläche des begrünten Daches erhöht den Wirkungsgrad der PV-Module. Hausbesitzer müssen sich nicht mehr zwischen Gründach und Solaranlage entscheiden. Erste Förderpakete gibt es. In Hamburg können alle von einer Förderung profitieren, die bis Ende 2026 ihr Dach begrünen und mit Solarmodulen ausrüsten, bevor ab 2027 dort die verpflichtende Solargründach-Pflicht für Neubauten in Kraft tritt.
Damit das Solargründach funktioniert, gilt es einiges zu beachten. Dazu gehört, dass die Solarmodule nicht verschattet sind und eine regelmäßige und fachgerechte Instandhaltung gewährleistet ist.
Bei der Wahl der Pflanzen ist es wichtig, auf einen niedrigen Wuchs zu achten und einen dichten Flächenschluss auszuwählen. Das bedeutet, dass die Pflanzen die Bodenoberfläche schnell bedecken und eine geschlossene Pflanzendecke bilden. Dadurch gibt es weniger offene Bodenstellen und somit auch weniger Unkraut. Außerdem verdunstet weniger Wasser. Auch das Substrat hält dadurch besser zusammen. Wichtig ist ein Abstand zwischen Substratoberfläche und Modulunterkante von mindestens 20 bis 30 Zentimetern (Abb. 5) Dabei ist mit einer Substrathöhe von acht bis zehn Zentimetern zu rechnen. Zu beachten ist, dass die Dachstatik die zusätzliche Last der Module tragen muss. Das spielt bei bestehenden Gründächern gleichermaßen eine Rolle.
Leichte PV-Module und geneigte Gründächer
„Gar kein Problem“, sagt Joost de Gier der Vertriebsleiter Dach bei Sempergreen zum Thema Dachstatik. Auf der BAU stellte sein Unternehmen das Over Easy-Solardach vor. „Es ist die einfachste Lösung. Da kann der Dachdecker nicht sagen: ’Das kann ich nicht.’ Er braucht dann nur einen Elektromonteur, der das System anschließt.“ Denn die Solarmodule können ohne mechanische Befestigung und ohne Beschädigung der Dacheindeckung auf bestehenden Gründächern nachgerüstet werden. Es ist somit besonders für bestehende Gründächer geeignet. Zudem wiegt das Solarsystem mit elf Kilogramm pro Quadratmeter sehr wenig. Die Module haben laut Sempergreen eine 25-jährige Leistungs- und 15-jährige Produktgarantie. Eine Palette mit 33 Modulen deckt 80 Quadratmeter ab und liefert 6,6 Kilowatt. Eine Investition in das Solargründach lohne sich. „Es nützt wirklich, wenn wir quantifizieren: Man bekommt das Dreifache raus und dann ist der Preis eigentlich nicht mehr das Thema“, betont de Gier.
Zukunftsweisend ist auch der Ansatz von Sempergreen zur Begrünung von geneigten Dächern. Durch spezielle Sedummatten hat das Unternehmen eine Lösung für Dächer mit einer Neigung von bis zu 45 Grad entwickelt – ein Vorteil gegenüber anderen Systemen, die bereits ab einem Winkel von 35 Grad nicht mehr begrünen. Das gilt allerdings nur für normale Gründächer und keine Retentionsdächer. Ein Retentionsdach ist ein Gründach mit zusätzlichem Retentionsvolumen in Kombination mit einer Anstaudrossel, das größere Mengen an Niederschlagswasser speichern kann. Da kann das Schwammdach-Konzept von Sempergreen helfen. Das kann auf Dächer mit einer Neigung von bis zu fünf Grad angebracht werden. Im Allgemeinen werden Retentionsdächer nur bei einer Neigung von Null Grad eingesetzt.

Bild: BuGG
Photovoltaik oder gleich ein ganzer Sportplatz
Anwendungstechniker Michael Ruf und Produktmanager Lasse Clausing von Optigrün sehen ebenfalls zahlreiche Möglichkeiten für Dachbegrünungen, da seien der Kreativität keine Grenzen gesetzt. „Je mehr Dächer begrünt werden, umso besser für das Mikroklima“, stellt Ruf klar. Und man müsse viel mehr begrünen, denn selbst „jede Tiefgarage ist letztendlich auch immer ein Dach“, erläutert Clausing.
Undenkbar sei da auch ein Sportplatz auf dem Dach nicht. Schließlich bieten begrünte Flächen nicht nur ökologische Vorteile, sondern können auch genutzt werden. Gerade in dicht bebauten Städten sei es wichtig, verfügbare Flächen optimal auszuschöpfen und neue Konzepte zu denken. Im Trend sieht Ruf das Solargrün- sowie das Retentionsdach. „Das Solar-Gründach ist beliebt, da Strom erzeugt werden kann und das noch mit Gründachvorteilen kombinierbar ist.“
KI für Dach und Pflanzen
Auch Fabian Kaiser von Zinco sieht im Solargründach eine zukunftsweisende Entwicklung: „Dächer bieten enormes Potenzial, um sie multifunktional zu nutzen.“ Das Unternehmen hat eine Solarbasis entwickelt – eine Trägerplatte aus recyceltem Hartkunststoff mit Wasserspeicher- und Verfüllmulden und einem Verfüll-Volumen von 16 Liter pro Quadratmeter. Sie wird in den Systemaufbau Solarvert integriert. Es gibt verschiedene Varianten des Systems, beispielsweise die Variante Schmetterling, bei der die beiden Grundrahmen mit der niedrigen Seite aneinanderstoßen und aufgerichteten Schmetterlingsflügeln gleichen. Abb. 7 zeigt die Sattelvariante.
Dabei spielt auch die digitale Planung eine immer größere Rolle: „KI könnte bei der Planung helfen, etwa durch die Prüfung der Eignung bestimmter Pflanzen oder durch Simulationen von Retentionsräumen.“ Dieser Meinung ist auch Joost de Gier: „Bei den Dächern ist die Technologie inzwischen so weit, dass wir Wasser auf intelligente Weise speichern können. Wir puffern, wenn nötig und drosseln es, wenn wir können. Wenn der Tank nach dem ersten Tag voll ist und wir auf dem Radar weitere Regenfälle sehen, können wir den Tank leeren, um später wieder Wasser zu sammeln.“
Auch Gunter Mann sieht in KI potenzielle Möglichkeiten bei der Pflege von Fassade und Dach. „Man könnte digital die Bauwerksbegrünung vorbereiten, Eigenschaften durchrechnen oder 3D-Bauteile in die Planung integrieren.“ Im Falle des Solargründachs könnte zusätzlich die Ausrichtung der PV-Module sowie eine Änderung des Neigungswinkels den Stromertrag optimieren.
Von der datenbasierten Auswahl geeigneter Pflanzen bis hin zur intelligenten Steuerung von Wassermanagement und PV-Modulen – KI kann dazu beitragen, die Effizienz und Langlebigkeit dieser Systeme weiter zu verbessern. Doch entscheidend bleibt, dass Bauwerksbegrünung nicht nur ein technologisches, sondern vor allem ein ökologisches und gesellschaftliches Thema ist. Städte werden grüner, Dächer und Fassaden übernehmen zunehmend Funktionen des Klimaschutzes, und regenerative Energiequellen wie Photovoltaik lassen sich sinnvoll integrieren. Das Solargründach steht damit für einen Trend, der nachhaltig ist – ein Konzept, das sich in den kommenden Jahren immer weiter durchsetzen wird und sich für Mensch und Umwelt lohnen kann.
Linktipps
BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2024, https://t1p.de/GEB250281
BuGG-Fachinformation: Leitfaden kommunale Förderinstrumente Dach- und Fassadenbegrünung sowie Entsiegelung und Hofbegrünung, https://t1p.de/GEB250282

Bild: BuGG

Bild: BuGG

Bild: Sempergreen

Bild: Zinco © Stadtwerke Weilheim i.OB

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Bild: Optigrün

Bild: Optigrün
GEB Podcast Gebäudewende
Hören Sie zum Thema auch unseren Podcast #26 Klimaanpassung von Städten

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