Durch bauliche Veränderungen werden Energieverbräuche nachhaltiger und effizienter. Potenzielle Kosten und Nutzen werden verglichen, ein konkreter Plan aufgesetzt und das Projekt in Angriff genommen. Dass nicht alles klappt wie geplant, ist eine Binsenweisheit. Gebäudeprojekte laufen nun einmal häufig anders als geplant ab, wobei die Abweichungsrichtung eindeutig ist: teurer und länger. Man denke nur an die Elbphilharmonie, den Berliner Flughafen oder an Stuttgart 21 – alles prominente Beispiele, die zeigen, dass die Praxis nicht immer das hergibt, was die Planung vorsieht. Auch wenn kleinere Gebäudeprojekte nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass es hier erfolgreicher zugeht.
Viele Studien setzen Planungen und Realität zueinander in Bezug, wobei die Ergebnisse eindeutig sind [1, S. 309]. Eine Studie aus 2005 betrachtet weltweite Eisenbahn-Neubaustrecken, die zwischen 1969 und 1998 in Betrieb gingen. In 90 Prozent der Fälle wurde die Nutzerzahl zu hoch angesetzt (im Durchschnitt um 106 Prozent), die Kosten dagegen waren um 45 Prozent zu niedrig geplant. Langjährige Untersuchungen zeigen, dass etwa 90 Prozent der weltweiten Infrastrukturprojekte teurer werden als geplant, im Durchschnitt um 28 Prozent.
Auch wenn es um das sprichwörtliche eigene Geld geht, sind die Ergebnisse nicht besser: Eine Studie zu Hausbesitzern in den USA ergab 2002, dass diese für die Renovierung ihrer Küche durchschnittlich 18 656 Dollar einplanten, die tatsächlichen Kosten sich jedoch auf 38 769 Dollar beliefen [2, S. 110].
Maßnahmen zur Projekterfüllung
Die oben aufgeführten Erkenntnisse sind für die wenigsten Energieberater echte Neuigkeiten. Dass Projekte zur Energieeinsparung teuer werden und mehr Zeit bis zum Abschluss benötigen, deckt sich mit den eigenen Erfahrungen. Die Reaktion darauf allerdings auch: mehr vom Gleichen, d.h. man versucht, den Planabweichungen durch noch engmaschigere Vorgaben zu begegnen. Will heißen, man sucht das Heil in mehr und mehr Planungsparametern, es werden immer ausgefeiltere Verträge mit Partnern abgeschlossen, man kontrolliert die Parameter in kürzeren Abständen, eine spezielle Planungssoftware kommt ins Boot. Energieberater kennen die grünen, gelben und roten Ampeln, die bei den häufigen, regelmäßigen Baufortschrittstreffen präsentiert werden. Dass dieser Mehraufwand zu realistischeren Planungen, zur besseren Zielerreichung führt, behaupten vor allem die Anbieter entsprechender Tools, eine praktische Bestätigung steht aus.
So notwendig und berechtigt eine saubere Dokumentation auch ist, tendieren die etablierten Abläufe bisweilen zur Übertreibung. Mehr vom Gleichen steigert den Aufwand, nicht jedoch den Erfolg. Nicht selten entsteht der Eindruck, dass es weniger darum geht, ein Projekt erfolgreich abzuschließen, als vielmehr den Schuldigen für den Misserfolg zu ermitteln, der selbstverständlich immer ein anderer ist.
Die Blamage des Nobelpreisträgers
Das Scheitern komplexer Projekte hat nichts mit der Intelligenz, dem persönlichen Einsatz oder der beruflichen Erfahrung zu tun. Der in Tel Aviv geborene Daniel Kahneman, Nobelpreisträger für Wirtschaft, machte diese Erfahrung, die er selbst als „Blamage“ bezeichnete [1, S. 303-305]. Der ausgebildete Psychologe sollte einen Lehrplan über Urteils- und Entscheidungstheorie für das israelische Bildungsministerium ent-
wickeln. Er stellte hierzu ein Team aus seinen Studenten, einigen Lehrern und einem Experten für die Curriculum-Entwicklung zusammen. Die Gruppe traf sich einmal wöchentlich, und alle Teilnehmer hatten das Gefühl, gute Fortschritte zu machen. Die Projektlampen schienen „Grün“ zu leuchten.
Nach einem Jahr kam Kahneman die Idee, eine Schätzung der weiteren Projektdauer vornehmen zu lassen. Um eine gegenseitige Beeinflussung auszuschließen, schrieb jeder seine Prognose auf einen Notizzettel und gab diesen ab. Die Schätzungen lagen dicht beieinander, zwischen zwei und zweieinhalb Jahren. Abschließend fragte Kahneman den Curriculum-Experten des Teams nach vergleichbaren Projektgruppen und deren Zeiträume zur Fertigstellung eines entsprechenden Lehrplans.
Die Frage brachte den Angesprochenen in Verlegenheit, so hatte er die Frage noch nie betrachtet. Dann teilte er mit, dass etwa 40 Prozent der Teams ihre Projekte abbrechen würden und diejenigen, die durchhielten, bisher stets zwischen sieben und zehn Jahren benötigt hatten. Kahneman griff nach seinem letzten Strohhalm und bat den Experten, die Fähigkeit und Ressourcen der eigenen Gruppe einzuschätzen, wobei das ernüchternde Urteil „leicht unterdurchschnittlich“ lautete. Der Experte hatte vorab eine Schätzung von zweieinhalb Jahren für das eigene Projekt abgegeben.
Bei diesen Aussichten wäre eigentlich kein Projektmitglied bereit gewesen weiterzuarbeiten, da die Information aber den eigenen, bisherigen Erfahrungen widersprach, entschieden sich die Beteiligten, dennoch am Projekt festzuhalten. Schlussendlich wurde das Projekt nach acht Jahren abgeschlossen. Kahneman selbst hatte die Arbeitsgruppe längst verlassen und lebt seither in den Vereinigten Staaten …

Bild: Christian Wiediger - stock.adobe.com
Innen- und Außensicht
Wissen und Erfahrung, sorgfältige Planung und konsequentes Projektmanagement schützen nicht vor dem einen entscheidenden, systematischen Fehler: der ausschließlichen Einnahme einer Innensicht, verbunden mit dem Ausblenden der Außensicht. Im von Kahneman geschilderten Beispiel hatte auch das erfahrenste Gruppenmitglied bei seiner Einschätzung völlig falsch gelegen, nicht aufgrund mangelnden Wissens, sondern der falschen Perspektive wegen.
Fast kein Energieprojekt ist völlig neuartig, praktisch immer gab es bereits vergleichbare Projekte, die als Referenz, als Basiswert, herangezogen werden können. Mag ein Projekt aus Kundensicht neuartig sein, wird der Energieberater dennoch über entsprechende Erfahrung aus anderen Aufträgen verfügen.
Um diesen systematischen Fehler zu vermeiden, zumindest zu relativieren, hat Dan Lovallo von der University of Sydney ein Verfahren zur Vorsorge entwickelt [1, S. 109]. 2010 wurden australische Immobilieninvestoren um eine detaillierte Erfolgseinschätzung ihrer aktuellen Projekte gebeten, wozu der Return on Investment (ROI) prognostiziert wurde. In einem weiteren Schritt wurden die Investoren dazu aufgefordert, andere, ihnen bekannte Projekte anderer Investoren zu beurteilen und deren möglichen ROI zu schätzen. Als Investoren kannten sie ausreichend Vergleichsprojekte.
Damit kam beim ersten Schritt die Innensicht, beim zweiten die Außensicht zum Einsatz. Das Ergebnis war eindeutig: Der ROI der eigenen Projekte wurde um 50 Prozent höher beurteilt als der der fremden, aber vergleichbaren Projekte. Die Versuchsteilnehmer waren vom Ergebnis sichtlich beeindruckt, teilweise geschockt. Wurde ihnen dann die Möglichkeit bzw. Chance eingeräumt, die eigenen Projekterwartungen anzupassen, wurde diese genutzt. Das führte zu deutlich reduzierten, realistischeren Prognosen.
Die unterschiedlichen Perspektiven kennt der Kunde eines Energieberaters häufig aus eigener Erfahrung: Aus dessen Sicht scheitern zahlreiche Ehen, die eigene wird aber ewig halten; fast jedes Bauprojekt, insbesondere die Renovierung alter Häuser, wird fast immer teuer als geplant, nur beim eigenen Projekt wird alles glatt laufen – so die Innensicht.

Bild: Christian Wiediger - stock.adobe.com
Mehr Informationen, größere Gewissheit?
Die Kenntnisse zu den eigenen Projekten werden beim Energieberater stets größer sein als jene zu fremden Projekten. Dies sollte bei einer Planung grundsätzlich vorteilhaft sein, ist es doch unmittelbar ersichtlich, dass mehr Wissen vielleicht wenig relevant, vielleicht unnütz ist, aber keinen schädlichen Einfluss besitzen sollte. Schließlich entscheidet ein Energieberater, welche Informationen er bei der Entwicklung von Projekten nutzt, welche er verwirft oder ignoriert. Dass die menschliche Psyche fast allen Entscheidern einen Streich spielt ist wenig bekannt.
Die folgende Denkaufgabe von Kahneman erklärt diese Systematik [2, S. 184]: Tom W. ist Student einer großen Universität. Ordnen Sie die folgenden Fachrichtungen nach der wahrscheinlichsten Fachrichtung an, die Tom studiert:
Die Aufgabe erschien relativ einfach. Die Versuchsteilnehmer schätzen ein, wie häufig die jeweiligen Fächer studiert werden und bildeten die entsprechende Reihenfolge, in der beispielsweise Geisteswissenschaften vor Physik und Betriebswirtschaftslehre vor Bibliothekswissenschaften angeführt wurden.
Einer zweiten Testgruppe wurden weitere Informationen über Tom W. bereitgestellt, die auf einer Persönlichkeitsskizze seiner High-School basieren: Tom ist hochintelligent, es mangelt ihm aber an Kreativität. Er hat ein Bedürfnis nach Klarheit und Ordnung, sein Schreibstil ist mechanisch und fade, allerdings mag er kauzige Wortspiele. Er ist kontaktscheu und hat wenig Einfühlungsvermögen, besitzt allerdings ein ausgeprägtes moralisches Bewusstsein. Erneut sollte die Reihenfolge der möglichen Studienfächer erstellt werden. Diese sah wie folgt aus:
Die Beschreibung von Tom entspricht bestimmten Stereotypen, die einen Einfluss auf die Studienwahl besitzen. Eine Information ist allerdings noch wichtiger: die sogenannte Basisrate, also wie viele Menschen überhaupt ein gewisses Fach studieren. Den Testteilnehmern lagen diese Daten vor. Bei einer Gegenüberstellung der Eigenschaften von Tom und den Stereotypen der Studienfächer fällt auf, dass Tom eher einer kleineren Gruppe entspricht. Obwohl die Basisdaten das entscheidendere Kriterium bleiben sollte, stürzten sich die Teilnehmer bildlich gesprochen auf dessen persönliche Eigenschaften und gewichteten diese sehr viel höher. Daraus erklärt sich zum Beispiel die relativ hohe Einordnung der Bibliothekswissenschaften, die ein kaum studiertes Orchideenfach sind.
Je informativer und detailreicher ein Szenario ist, umso realistischer wird dies wahrgenommen. Dass Plausibilität die Wahrscheinlichkeit schlägt, zeigt das abschließende Beispiel in [2, S. 199]. Die beiden folgenden Szenarien wurden zwei Gruppen vorgelegt, die deren Wahrscheinlichkeit einschätzen sollten:
Die Wahrscheinlichkeit des zweiten Szenarios wurde höher als die des ersten eingeschätzt, obwohl offensichtlich ist, dass diese einen Unterfall des ersten Szenarios darstellt und deshalb weniger wahrscheinlich sein muss.
Umsetzung der Erkenntnisse
Der Bezug zum Projektmanagement lässt sich unschwer herstellen. Mehr Wissen führt nicht zwangsläufig zu besseren Entscheidungen. Vielmehr gilt es, insbesondere in der Planungsphase immer wieder einen gedanklichen Schritt zurück zu machen und die Außensicht einzunehmen. In fast allen Fällen schlägt die Wahrscheinlichkeit der Mehrzahl der Projekte die (scheinbare) Plausibilität der eigenen Planung, des speziellen Projektes, bei dem diesmal alles anders sein soll.
Oftmals kann dabei ein Kollege helfen, der nicht in das Projekt involviert ist, der keine Innensicht besitzt und diese auch nicht bewusst aufgeben muss, als vielmehr seine Einschätzung sofort aus der Außensicht abgeben kann. Dabei reicht es nicht aus, dass nur der Energieberater diesen Perspektivwechsel vornimmt – er muss vielmehr auch den Kunden dazu aufzufordern. Dieser kennt vergleichbare Projekte aus seinen bisherigen Berufs- und Lebenserfahrungen, und diese dauerten meist länger und kosteten mehr als ursprünglich geplant.
Literatur
[1] Epstein, David: Range, New York, 2019
[2] Kahneman, Daniel: Schnelles Denken, langsames Denken, München, 2012

Bild: Jürgen Fälchle - stock.adobe.com
GEB Dossier
Grundlegende Informationen zum -Thema -finden Sie auch in -unserem Dossier Energieberatung mit -Beiträgen und News aus dem GEB: