Springe zum Hauptinhalt Skip to main navigation Skip to site search
Die Verbände zur Entwicklung im Energieberatungsmarkt

Verhalten optimistisch

In seiner Untersuchung [1] wollte das Kölner Forschungs- und Beratungsunternehmen Sirius Campus vor allem wissen, auf welche Widerstände Energieberatende in ihrem Berufsalltag stoßen, wie ihre wirtschaftliche Lage ist, was ihre Erwartungen und Hoffnungen für die Zukunft sind, was sich an ihren Arbeitsbedingungen schnellstens ändern sollte. Sie hat sie in Zusammenarbeit mit dem Energieberatendenverband GIH, dem Deutschen Energieberater-Netzwerk (DEN) und dem Zentralverband Deutscher Schornsteinfeger (ZDS) durchgeführt. Am Ende konnten 799 Kandidat:innen gewonnen werden, die bereit waren, den recht umfangreichen Online-Fragebogen zu beantworten. Sie gaben in der Regel an, dass die Zahl ihrer realisierten Beratungsprojekte im Jahr 2023 gegenüber 2022 zurückgegangen ist. Als Durchschnittswert errechnete Sirius Campus für 2022 eine Anzahl von 89 Projekten, für 2023 dagegen nur eine von 54 pro Beratenden.

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass zum Jahr 2022 nur GIH-Mitglieder befragt wurden, für 2023 dagegen auch DEN- und ZDS-Mitglieder. Betreffs der Anzahl der Energieberatenden für 2022 geht die Untersuchung von 13.000 aus, zählt dagegen für das vergangenen Jahr 17.000 registrierte Energie-Effizienz-Experten. Dieser enorme Zuwachs hat zur Folge, dass die ermittelte absolute Zahl der realisierten Projekte insgesamt nicht in allzu starkem Ausmaß gesunken ist, sondern nur um gut 18 Prozent. Von den durchschnittlich 54 Beratungen bezogen sich 23 auf Einzelmaßnahmen in der Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) und 19 Projekte auf die Erstellung individueller Sanierungsfahrpläne für Wohngebäude. Lediglich sechs Projekte hatten die Förderung gemäß BEG Wohngebäude zum Inhalt, nur zwei Energieberatungen zu Nichtwohngebäuden.

Die Ursache für den Rückgang sehen die Teilnehmer:innen zum einen in der Verunsicherung der potenziellen Auftraggeber:innen, ausgelöst durch die Debatte um das fälschlich „Heizungsgesetz“ genannte Gebäudeenergiegesetz (GEG). Auch die unzuverlässige Förderpolitik habe ihren Teil dazu beigetragen. Weiterhin berichten viele von der Angst vor dem organisatorischen Aufwand einer Sanierung.

Aufgefallen ist den Befragten darüber hinaus eine zunehmende Orientierungslosigkeit der Ratsuchenden, eine mangelnde Informiertheit, nicht zuletzt bezüglich der Fördermöglichkeiten. Und abgesehen von dem Eindruck der Volatilität, der durch Förderstopps oder die Verzögerung der Auszahlungen entstehen muss, schrecke der bürokratische Aufwand ab, die als unnötig kompliziert empfundenen Antragsverfahren. Vor diesem Hintergrund verwundert es erst einmal, wenn die Energieberatenden gemäß Sirius Campus trotzdem ziemlich optimistisch in die Zukunft blicken und ihre Tätigkeit ausbauen wollen.

GEG vernachlässigt Gebäudehülle

Den Optimismus als solchen, gerade der Neueinsteiger unter den Energieberatenden, bestätigt Stefanie Koepsell, Vorstandssprecherin des DEN. Den bekommt sie zum Beispiel in den Seminaren mit, die sie leitet. Dort sitzen junge Leute, aber auch ältere, die mit Begeisterung bei der Sache seien. Die allerdings auch schnell merkten, dass der Lehrstoff und das Pensum anspruchsvoll sind. Zum Lehrplan gehören schließlich nicht nur Haus- und Anlagentechnik samt einschlägiger Normen, sondern auch die Bauphysik. Energieberatende müssen bis zu einem gewissen Grad Generalisten sein.

Mit dem umfassenden Wissen, das sie nach einigen Berufsjahren besitzen, erklärt sich eventuell auch, warum ein Großteil der an der Marktuntersuchung Mitwirkenden das GEG recht deutlich kritisiert: es sei zu einseitig, sei zu sehr auf die Heizung ausgerichtet, vernachlässige andere Formen der Energieeinsparung und Energiegewinnung. Koepsell fällt diesbezüglich das Passivhaus ein, das Energie durch konsequenten Wärmeschutz der Gebäudehülle spart. Beim Passivhausbau werde im Zuge des Bauprozesses sehr auf Qualitätssicherung geachtet, eines der zentralen Anliegen des DEN. Die energetische Sanierung des Bestandes wiederum bringe Energieeinsparung und erhöhten Wohnkomfort, stelle aber auch bauphysikalische Herausforderungen.

Kritik am Bafa

Zu der Unwucht im GEG komme die in der Förderpolitik, ebenfalls zu Ungunsten der Gebäudedämmung, sagt GIH-Geschäftsführer Benjamin Weismann. Hier maximal 70 Prozent für den Heizungstausch, dort maximal 20 für die Nachbesserung des Wärmeschutzes, das sei schwer zu rechtfertigen.

Was das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) angeht, das anders als die KfW schlechte Noten bekam, sieht Weismann in Sachen Abwicklungszeiten und Digitalisierung noch deutlich Luft nach oben. Nicht erst seit diesem März beklagen Energieberater:innen teils falsche Auskünfte, schleppende Bearbeitung, schlechte Erreichbarkeit sowie gelegentlich nicht nachvollbare Entscheidungen. Der GIH stehe jedoch im ständigen Austausch mit der Behörde und freue sich, dass einige kleine Verfahrensverbesserungen schon umgesetzt worden seien.

Sanierungsfahrplan – online erstellt

Schon in der BfEE-Markterhebung, die das Jahr 2022 abdeckte (siehe Eine Milliarde Euro für ­Energie­beratungen in GEB 04-2024), kamen Befürchtungen zur Sprache, dass neben der Unruhe in der Förderpolitik und genereller Unsicherheit der potenziellen Kund:innen auch Dumpingpreise, die die Realisierung sinnvoller Projekte verhindern, zu einem Markthemmnis werden könnten. Ein Beispiel wären die individuellen Sanierungsfahrpläne, die ab 300 Euro Eigenanteil per Ferndiagnose erstellt werden, nach Eingabe einiger Eckdaten, online, ohne dass jemals eine Beraterin, ein Berater vor Ort war. Koepsell wie auch Weismann fordern wie viele ihrer Verbandsmitglieder, dass der Vor-Ort-Termin zur Datenaufnahme wieder zur Förderbedingung wird. Damit könnte endlich auch wieder die Qualität der Sanierungsfahrpläne angehoben werden.

Oliver Gaedeke, Geschäftsführer von Sirius Campus, hält ohnehin den persönlichen und direkten Kontakt für eines der wichtigsten Mittel, um Beratungserfolge zu erzielen. Nur in der Face-to-face-Kommunikation gelinge es, Vertrauen zu schaffen und zu überzeugen. Daneben gelte es, die Auftraggeber:innen in spe dort abzuholen, wo sie stehen. Mit komplizierten Amortisationsrechnungen würde man die meisten Sanierungswilligen überfordern. Die besten Ergebnisse erziele man, indem man mit Wertsteigerung der Immobile, erhöhtem Wohnkomfort und Energieeinsparung argumentiere.

Sinnstiftende Tätigkeit

Eine Erfolgsgarantie ist das natürlich nicht. Und ob der Optimismus der zahlreichen Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger berechtigt ist, muss sich noch zeigen. Doch ihre positive Grundeinstellung, im Bewusstsein, Energiewende und Klimaschutz voranzubringen, ist es sicher – und auch die, die schon länger dabei sind, so Weismann, würden ihre Arbeit gleichfalls als „sinnstiftend“ erleben. So wie er selber. Mit einer anderen Einstellung wäre die Dauerauseinandersetzung mit Förderpolitik, Bürokratie und mit immer neuen, komplexen Wissensgebieten wohl auch gar nicht möglich.

Quelle:

[1] Sirius Campus: Marktuntersuchung „Monitor zur Energiewende – Perspektive der Energieberater“, https://t1p.de/geb240540

Jetzt weiterlesen und profitieren.

Mit unserer Future Watt Firmenlizenz top informiert und immer auf dem neuesten Wissenstand in ihrem Fachgebiet.

+ Unbegrenzter Zugang zu allen Future Watt Inhalten
+ Vergünstigte Webinarteilnahme
+ E-Paper Ausgaben
+ Sonderhefte zu speziellen Themen
+ uvm.

Wir haben die passende Lizenz für Ihre Unternehmensgröße!

Mehr erfahren