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Berufsbild und Qualität der Energieberatung

Kompetenz kenntlich machen

Von wirklicher Wertschätzung ihrer Arbeit spüren Energieberatende nach wie vor wenig – weder von Seiten der Politik oder der Förderinstitutionen noch von Seiten der Auftraggebenden. Wo sie zaudernde Eigentümerinnen oder Eigentümer von einer umfassenden energetischen Sanierung oder wenigstens vom Einbau einer Wärmepumpe überzeugen wollen, werden sie gelegentlich verdächtigt, Handlanger der Grünen zu sein, weiß Lennart Feldmann, beim Energieberatendenverband GIH für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Zu schaffen machen ihnen aber auch die häufigen Änderungen der Förderbedingungen. Anfang August sorgte etwa die Kürzung des geförderten Anteils der Energieberatung von 80 auf 50 Prozent für erneute Unruhe und setzte ein weiteres verheerendes Signal. Plötzliche Förderstopps oder nur Zahlungsverzögerungen bringen Soloselbstständige und kleinere Büros nicht nur in Erklärungsnot gegenüber verunsicherten Kund:innen, sondern auch in finanzielle Schwierigkeiten.

Hinzu kommt die Konkurrenz durch Dumpinganbieter, die zum Beispiel einen individuellen Sanierungsfahrplan (iSFP) zum Spottpreis liefern können, weil sie ihn einfach mittels Ferndiagnose erstellen – ohne Vor-Ort-Termin, ohne Begehung und Inaugenscheinnahme des Gebäudes. Sie locken mit dem iSFP-Bonus und der Erhöhung der förderfähigen Ausgaben bei Einreichung. Doch sieht man sich einen solchen Sanierungsfahrplan aus der Serienfertigung genauer an, kann vom kleinen i für „individuell“ häufig keine Rede sein, so Benjamin Weismann, Geschäftsführer des GIH. (Dem GIH ist der Fall eines Stellensuchenden bekannt, der bei einem Bewerbungsgespräch erfuhr, dass man drei iSFPs am Tag von ihm erwarte.)

Dann gibt es beispielsweise ein Unternehmen, das für kleines Geld eine „energetische Hausanalyse“ bastelt, die dem iSFP angeblich ebenbürtig sein soll, die jedoch von den Förderinstitutionen nicht als gleichwertig akzeptiert wird. Ebenfalls tummeln sich auf dem Markt Rundum-Dienstleister, die Solaranlagen oder Wärmepumpen verkaufen und montieren wollen, neben Energieversorgern, die ihre Stromtarife an die Frau und an den Mann bringen wollen, alle mit ihren eigenen, aber eben nicht unabhängigen Energieberater:innen.

Laien fällt es schwer, echte Expert:innen mit dem entsprechenden Fachwissen von solchen zu unterscheiden, die es nur dem Namen nach sind. Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt, jede und jeder kann sich Energieberaterin, Energieberater nennen. Fatalerweise schaden jedoch diese vermeintlichen Fachleute durch ihre Tätigkeit dem Ruf der gesamten Beraterbranche.

Energieberatende habe eine eigenständige Aufgaben­stellung

Bisher können sich Auftraggebende auf der Suche nach kompetenten Fachleuten lediglich an der Energieeffizienz-Expertenliste der Deutschen Energie-Agentur (Dena) orientieren. Bei den dort aufgeführten Fachleuten dürfen sie die erforderlichen Kenntnisse voraussetzen. Die Gelisteten müssen eine entsprechende Grundqualifikation nachgewiesen haben, dazu eine Zusatzqualifikation – jeweils abhängig von der gewählten Kategorie ihres Listeneintrags, also beispielsweise „Bundesförderung Energieberatung für Wohngebäude“ oder „Energieberatung für Nichtwohngebäude, Anlagen und Systeme - Energieberatung DIN V 18599“.

Art und Nachweise der erforderlichen Ausbildungen legt das Regelheft der Dena fest. Diese erste Definition eines qualifizierten Energieberatenden durch die Förderinstitutionen war laut dem GIH-Bundesvorsitzenden Stefan Bolln ein „hervorragender Beginn“. Doch ersetze sie kein Berufsbild und keine geschützte Berufsbezeichnung.

Auch beim Deutschen Energieberater-Netzwerk (DEN) findet man, dass der Schritt hin zu einer eigenen Ausbildung überfällig ist. Vorstandsprecherin Stefanie Koepsell formuliert es selbstbewusst: „Wir halten für die Fördermittelgeber die Qualitätsanforderungen hoch, sind am Baubesprechungstisch eine anerkannte Kategorie neben Architekten, Haustechnikplanern, Statikern, Akustikern, Brandschützern und so weiter. Dabei wird klar, dass wir eine komplett eigenständige Aufgabenstellung haben und nicht als Unterkategorie der klassischen Bauberufe angesehen werden können.“

Auch die reine Fördermittelbeschaffung sei nicht das Ziel der Kollegen Energieberater. Ihnen gehe es vorrangig um den Klimaschutz, das sei ihre Hauptmotivation. „Als Interessenvertreter der Energieberater wollen und müssen wir die Entwicklung an dieser Stelle voranbringen, indem wir ein geschütztes Berufsbild – losgelöst von den Listungen durch Fördermittelgeber – schaffen.“ In diesem Rahmen müssten unter anderem die Qualitätsmerkmale und Leistungsbilder und nicht zuletzt eine Honorarordnung ausgearbeitet werden.

Welchen Ausbildungsweg braucht es?

In Sachen einer gesetzlichen Verankerung des rechtlichen Schutzes aber seien „dicke Bretter zu bohren“, berichtete Bolln bereits im GEB-Podcast Gebäudewende #24: Berufsbild Energie­beratung im Dezember vergangenen Jahres. Denn es seien unter anderem Akteure in der Politik einzubinden. Um dennoch jetzt schon den Engagierten unter den Energieberatenden die Möglichkeit zu geben, über den Eintrag auf die Dena-Liste hinaus auf die eigenen Kenntnisse aufmerksam zu machen, könne man eine Art Zertifikat ins Leben rufen. Mit ihm könnten Interessierte insbesondere die Spezialisierungen hervorheben, die nicht in das Schema des Listeneintrags passen würden. Das DEN seinerseits hat schon vor Jahren ein eigenes Qualitätssiegel geschaffen, mit dem Energieberatende ihre Qualifikationen nach außen besser kenntlich machen können.

Recht ähnlich sieht man bei den beiden Verbänden derzeit den Punkt eines eigenen Ausbildungsweges. Anke Schwark, im Vorstand des GIH zuständig für die Themen Weiterbildung und Berufsbild: „Jeder Energieberater hat schon eine Ausbildung hinter sich sowie weiterführende Fort- und Weiterbildungen. Aus diesem Grund ist es nicht unser Gedanke, hier noch eine dreijährige Berufsausbildung draufzusatteln, sondern die sowieso schon durchgeführten Bildungswege anzuerkennen.“ Die erforderlichen Qualifikationen gemäß der Energieeffizienz-Experten-Liste setzten schließlich eine Meisterprüfung im Handwerk oder ein Studium voraus – ausreichende Grundlagen.

Natürlich müssten die möglichen Inhalte auf die immer komplizierteren Anforderungen des Berateralltags antworten. Das Regelheft stelle zwar den Kanon dar. „Nur dreht sich die Welt weiter und so müssen auch wir uns thematisch weiterentwickeln. Hier ist die Herausforderung für die Berater in der Kategorie Nichtwohngebäude sicher noch größer als für diejenigen in der Kategorie Wohngebäude, da der Anlagenbereich deutlich komplexer und über die Gebäudetechnik hinaus je nach Branche noch spezieller ist.“ Beim DEN gibt es allerdings auch Überlegungen, zumindest für junge Leute ohne Meisterbrief, Architektur- oder Bauingenieurstudium, die genau diesen Beruf von der Pike auf lernen wollen, einen neuen Ausbildungsweg zu schaffen.

Feedback für die Ausbildungsträger

Effektivität und Qualität der Ausbildung müssen ebenso stimmen. Schwark betont in diesem Zusammenhang den Wert von Präsenzveranstaltungen: „Schon jetzt zeigt sich, dass alleine Online-Schulung keine zufriedenstellende Ausbildung mit sich bringt, wie unsere Dozenten aus den Landesverbänden Bayern und Baden-Württemberg mitteilen. Aus eigener Erfahrung als Referentin kann ich dies bestätigen. Sicher ist für einzelne Teilnehmer die reine Online-Beschulung gut – für diejenigen, die hier sehr diszipliniert sind und gut im Selbststudium lernen können.“ Doch es gebe nicht nur diesen Lerntyp. Für viele Teilnehmer sei die Präsenzzeit ein wichtiger Baustein, um gelerntes Wissen prüfen, einordnen und anwenden zu können.

Außerdem braucht es eine gewisse Kontrolle der Weiterbildungsträger, um die Qualität in einem solch komplexem Themengebiet aufrecht zu erhalten. „Niemand hat etwas von einem neuen Fenster, wenn im Jahr darauf Schimmelpilz an den Anschlussstellen zu finden ist aufgrund unsachgemäßen Einbaus.“ Dazu entstünden durch zentralisierte Prüfungen Möglichkeiten für jeden Weiterbildungsträger, sich selbst zu prüfen: „Wie gut vermittele ich Wissen? Lege ich den Fokus zu sehr auf den einen oder anderen Inhalt? Können die Teilnehmenden das Wissen in den Teilprüfungen gut anwenden? Wo zeigen sich Lücken?“ Damit ergebe sich für die Weiterbildungsträger selbst die Chance, „sich weiter zu qualifizieren.“

Umsetzung auch im Sinne der EU-Gebäuderichtlinie

GIH wie DEN wissen, dass ihre Mitglieder mit Ernst und teils auch mit Idealismus bei der Sache sind, dass diese ihren Kund:innen erzählen, wie es um ihre Immobilie steht, und nicht, was diese gerne hören wollen. Mit einem geschützten Berufsbild wäre eine solche unabhängige und kompetente Beratung endlich „leichter und besser“ zu erkennen, ist sich Schwark mit anderen aus ihrem Verband sicher. Es hätte darüber hinaus weitere Vorteile: „Versicherungen können die Absicherung erhöhen, eine berufsständische Versorgung könnte entstehen.“

DEN-Vorständin Jutta Maria Betz sieht allerdings noch eine Menge Arbeit vor sich. „Unsere Zwischenergebnisse müssen weiter vertieft und mit den Mitgliedern abgestimmt werden. Dann werden wir mit unseren Vorschlägen das Gespräch mit allen relevanten Verbänden, staatlichen und förderrelevanten Stellen und mit den Ausbildungsinstitutionen suchen.“

Zurücklehnen dürfe man sich jetzt nicht. Die im Mai veröffentlichte EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) gebe den Takt vor. „In Paragraph 25 der EPBD wird gefordert, dass die Erstellung von Energieausweisen und Renovierungspässen in unabhängiger Weise durch qualifizierte und zertifizierte Fachleute erfolgen muss und auch öffentlich Informationen bezüglich der Zertifizierung und Ausbildung dieser Fachleute zugänglich sein sollen. Diese Vorgaben sind innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen.“ Nicht mehr viel Zeit, um das Berufsbild der Energieberater in der Praxis zu verwirklichen.

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