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Reiche für „kosteneffiziente“ Energiewende und 12 Gigawatt Gaskraft-Ausschreibung sofort

Um eine von der Bundesnetzagentur (BNetzA) ausgemachte Versorgungssicherheitslücke in der Zeitspanne von 2031 bis 2036 beim Strom zu schließen, hat Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche ein schnelles Ausschreiben von Erdgaskraftwerken bis 2026 angedeutet. Bei einer Stadtwerketagung am Mittwoch in Mainz des Verbands kommunaler Unternehmen sagte Reiche als digital zugeschaltete Rednerin, bis Ende dieses Jahres müsse ein Ausschreibungsdesign vorliegen, um die Zuschläge für die fehlenden zwölf Gigawatt (GW) noch 2026 zu ermöglichen. Die Stromerzeugungskapazitäten müssten bis Ende 2030 rechtzeitig für den von der BNetzA ausgemachten kritischen Zeitraum zur Verfügung stehen.

Die Erdgaskraftwerke sollen die gesicherte Stromerzeugungsleistung in Ergänzung zur Stromerzeugung aus meist wetterabhängig verstromenden Erneuerbare-Energien-Anlagen wie Windkraft- und Solarkraftwerken bereitstellen. Das Konzept der seit Frühling regierenden neuen Bundesregierung einer CDU/CSU-SPD-Koalition werde einen Kapazitätsmarkt erfordern, sagte Reiche. Ein Kapazitätsmarkt führt zu Vergütungen von Kraftwerken für deren bloßes Vorhalten von Leistungen, um im Falle von beispielsweise zu wenig Sonneneinstrahlung oder Windaufkommen und deshalb drohender oder eintretender Unterversorgung mit Grünstrom ergänzend Strom zu liefern. Allerdings müsse ein solcher künftiger Kapazitätsmarkt auch grüne Biomasseverstromung, Batterien mit Einspeisung von eingespeichertem überschüssigen Wind- und Sonnenstrom sowie die marktwirtschaftliche Anregung von stromangebotsorientierten Flexibilitäten der Verbraucher einbeziehen, sagte Reiche. Die Bundeswirtschaftsministerin erklärte allerdings nicht, ab wann diese grünen Nicht-Erdgas-Versorgungskapazitäten zur Verfügung stehen sollten. Dass diese die Zahl der benötigten Erdgaskraftwerke reduzieren sollen und um wie viel, sagte Reiche nicht. Sie würden den Ausstoß des Treibhausgases C02 reduzieren, wären aber weiter klimawirksam und Treiber der Erderwärmung.

Reiche, die vor ihrer Videozuschaltung zur Stadtwerketagung in Mainz direkt aus einer Klausur der Bundesregierung kam, berichtete von einer parteiübergreifenden Einigkeit zwischen den Regierungspartnern über die auch die kommunalen Unternehmen betreffenden Ziele. Die Regierung müsse den Staat und das Land effizienter, moderner, digitaler machen – und auch wieder wettbewerbsfähiger. Eine „Fitnesskur“ stehe an.

Weil die Lage der öffentlichen Haushalte „alles andere als rosig“ sei, müsse die Regierung nun kritisch hinterfragen, ob sie Geld in den Klimaschutz geben könne oder mehr in die soziale Sicherung im Land oder in die „Verteidigung“ durch Ausgaben fürs Militär. „Drei wachsende große Blöcke“ zu finanzieren, sei aber nicht möglich, deshalb sei nun eine kosteneffizientere Energiewende vonnöten, erklärte Reiche.

Die Kosten von Klimaschutz und Energiewende über den öffentlichen Haushalt dauerhaft zu stemmen, werde kaum möglich sein, „wenn die Energiewende unkorrigiert weiterläuft“, deutete die Ministerin eine Motivation für rasches Handeln an: angesichts des wachsenden Verteidigungshaushalts und im Gegensatz dazu für Klimaschutz insgesamt nicht unbedingt mehr ausgeben zu wollen. Damit verwies Reiche indirekt auch darauf, den auch mit Stimmen der Opposition zustande gekommenen Bundestagsbeschluss für eine Verschuldung außerhalb des sonstigen Haushalts vor allem für militärische Zwecke, aber auch in deutlicher Milliardenhöhe für den Klimaschutz nicht wie von den Oppositionsparteien Grüne und Linke gefordert unbedingt zusätzlich zu bisherigen Ausgaben investieren zu wollen.

Finanzmittel und auch wohl privates Kapital für den Fortgang der Energiewende ließen sich aber nur dann effizient verwenden, also sparsamer einsetzen, wenn es zu Strukturreformen komme. Daher stehe die Energiepolitik in diesem Herbst „im Fokus“ der Regierungsarbeiten.

Die Ministerin verwies auf wahrscheinliche Strukturänderungen im bisherigen Förderregime der Energiewende, erwähnte eine finanzielle Unterstützung für Colocation – der Anschluss von stromnetzdienlichen Speichern in Photovoltaikparks, aber auch ein Ende der Förderung von PV-Anlagen auf Dächern von Privathäusern. Die in den Häusern lebenden Eigentümer könnten mit Hilfe eines Speichers erzielten auch ohne Förderung künftig „ökonomischen Vorteil“. Reiche kündigte eine „Gesetzeskaskade“ mit Änderungen für viele Einzelgesetze an.

Auch die Begrenzung der Energiepreise für deutsche Stromkunden, aber insbesondere energieintensive Unternehmen und Schlüsselindustrien wie die Stahlbranche hob Katherina Reiche als Regierungsziel hervor. Sie sprach sich dabei für die Nutzung der sogenannten CCS-Technik zur Abscheidung und unterirdischen Lagerung so genannter „nicht-vermeidbarer“ CO2-Emissionen aus, was große Energiekonzerne bereits als zusätzliches Geschäftsfeld in den Augenschein nehmen, sowie einen Wasserstoffhochlauf mit Hilfe eines gerade vom Kabinett beschlossenen Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes. Weil grüner Wasserstoff aus Elektrolyse mittels Nutzung überschüssigen Wind- oder Sonnenstroms zumal in ausreichender Menge nicht zu den benötigten industriefreundlichen Preisen herzustellen sein werde, müssten vor allem auch Wasserstoffimporte und die Nutzung auch grauen Wasserstoffs ohne Grünstromvorgabe möglich sein. Die „Preiselastizität“ sei dann größer.

Die zum VKU gehörende Stadtwerke-Branchenzeitschrift ZFK interpretierte allerdings eine Aussage der Ministerin, die Gaskraftwerke für die Versorgungssicherheit ausschreiben zu wollen, als Hinweis auf eine mögliche Finanzierung nicht aus dem Staatshaushalt, sondern über Umlagen durch die Stromkunden. Während ihr Vorgänger im Amt, der Grünen-Politiker Robert Habeck dieselbe Menge an Gaskraftwerken für den Klimaschutz in Anspruch genommen habe und nicht vor allem zur Versorgungssicherheit, verbunden mit der Vorgabe, die neuen Kraftwerke nach einigen Jahren auf den emissionsfreien Energieträger grünen Wasserstoff umstellen zu können, gehe Reiche den umgekehrten Weg. Doch weil die Europäische Union (EU) eine staatliche Finanzierung der Kraftwerke nur für den Klimaschutz, nicht aber zur Versorgungssicherheit erlaube, setze Reiche offenbar auf eine Beteiligung der Stromkunden durch höhere Umlagen zur Refinanzierung.