Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung unterscheidet sich von bisherigen Modellen. Was sind die Vor- und Nachteile gegenüber Mieterstrom?
Elisa Förster: Die GGV ist einfacher umzusetzen, besonders für kleinere WEG, bei denen sich Mieterstrom nicht rechnet. Außerdem behalten die einzelnen Wohnparteien die Möglichkeit, ihren bisherigen Versorger zu behalten und frei zu wählen. Dies ist beim Mieterstrom anders. Denn dann haben alle Wohneinheiten, die daran teilnehmen, den gleichen Versorger auch für den Reststrom. Der Mieterstrom bietet hingegen mehr Erlösoptionen für die Betreiber. Denn dann kann er den Solarstrom kalkulatorisch mit dem Netzstrom verknüpfen und als einen Tarif verkaufen. Dann sorgt die Reststrombeschaffung für zusätzliche Umsätze. Dazu kommt noch die Mieterstromförderung, die es bei der GGV nicht gibt.
Jessica Grunert: Zudem entfallen bei GGV einige Lieferantenpflichten. Und die Nutzer müssen ihren bestehenden Stromvertrag nicht kündigen, sondern bekommen einfach günstigen Zusatzstrom vom Dach. Dies ist vor allem im Bestand und bei WEG ein Vorteil der GGV gegenüber dem Mieterstrom. Wirtschaftlich kann das sehr attraktiv sein, wenn die Abrechnung in Eigenregie erfolgt. Ein Nachteil der GGV ist, dass die Parteien jeweils zwei Abrechnungen bekommen und intelligente Messsysteme verfügbar sein müssen.
Wie sieht es mit dem technischen Aufwand aus?
Jessica Grunert: Bei Mieterstrom kann ein physischer oder virtueller Summenzähler eingesetzt werden. Bei der GGV ist das immer ein virtuelles Modell. Da ist die Installation eines physischen Summenzählers nicht mehr notwendig. Dieser braucht schließlich viel Platz und ist auch noch teuer. Wobei es in Berlin dafür etwa eine Förderung gibt.
Mieterstrom wird in der Regel mit einem externen Dienstleister umgesetzt. Ist für die GGV auch ein solcher Dienstleister notwendig?
Jessica Grunert: Momentan oftmals leider ja. Denn viele grundzuständige Messstellenbetreiber bieten die Messung und notwendige Bilanzierung bisher nicht selbst an. In solchen Fällen muss entweder auf einen wettbewerblichen Messstellenbetreiber zurückgegriffen werden oder es ist beispielsweise ein Bilanzierungsdienstleister notwendig, der die Zuordnung der einzelnen Strommengen übernimmt und an den Netzbetreiber meldet. Für die Abrechnung selbst wird nicht zwingend ein Dienstleister benötigt, diese ist weniger komplex als beim Mieterstrom.
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Welche Lösung – GGV oder Mieterstrom – ist für die Nutzer günstiger?
Jessica Grunert: Das hängt immer von den Rahmenbedingungen ab: In einem Pilotprojekt in Berlin ist die GGV für die Nutzer zum Beispiel sehr preiswert: Der PV-Strom kann für 17 Cent pro Kilowattstunde angeboten werden.
Elisa Förster: Bei Mieterstrom hängt der Preis stark davon ab, ob ein Drittanbieter beteiligt ist. In der Regel handelt es sich dann um eine Mischkalkulation, bei der die Nutzer den Gesamtstrom für beispielsweise etwa 30 Cent pro Kilowattstunde bekommen. Doch bei der GGV ist ebenfalls noch eine Reststromlieferung notwendig, die teurer ist als der Solarstrom vom Dach. Wenn eine WEG ein Mieterstromkonzept selbst ohne einen Dienstleister umsetzt, wird es vermutlich auf einen ähnlichen Preis hinauslaufen, wie bei einer GGV.
Wie sieht die steuerrechtliche Einordnung von Solarstrom aus, der im Rahmen einer GGV geliefert wird?
Jessica Grunert: Im Kern gelten dieselben Befreiungen und Grenzwerte wie bei Mieterstrom – etwa der Nullsteuersatz für PV-Anlagen auf Wohngebäuden oder die Einkommenssteuerbefreiung bis 30 Kilowatt pro Einheit und maximal 100 Kilowatt pro Betreiber. Bei der Gewerbesteuer gelten ebenfalls die gleichen Freibeträge wie für den Mieterstrom in Höhe von 24.500 Euro Gewinn pro Jahr. Im Einzelfall sollte hier aber immer eine steuerliche Beratung in Anspruch genommen werden.
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Gibt es noch andere Modelle neben Mieterstrom und GGV?
Elisa Förster: Ja, zum Beispiel kollektive Selbstversorgung, das sogenannte Ein-Zähler-Modell. Dabei betreibt die WEG die Solaranlage und kauft den gesamten Reststrom gemeinsam ein. Gegenüber dem Netzbetreiber ist das gesamte Gebäude nur ein einziger Verbraucher, der abgerechnet wird. Die WEG rechnet dann den Stromverbrauch der einzelnen Wohnungen untereinander ab. Das funktioniert wie eine Zentralheizung: ein gemeinsamer Lieferant, interne Verteilung, keine Stromlieferverträge. Es setzt aber voraus, dass alle mitmachen. Und es ist ein Modell vor allem für kleinere WEG. Und alle Bewohner haben den gleichen Stromlieferanten.
Das Interview führte Sven Ullrich.
Im ersten Teil des Interviews erklärt Elisa Förster, wie die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung funktioniert und welche technischen Voraussetzungen dafür notwendig sind.
Das SolarZentrum hat einen Flyer zum Thema gemeinschaftliche Gebäudeversorgung erstellt, der zum Download auf der Webseite der Beratungsstelle zur Verfügung steht. Das SolarZentrum ist eine produkt- und herstellerneutrale Informations- und Beratungsstelle rund um das Thema Solarenergie – gefördert durch die Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe und umgesetzt durch den Landesverband Berlin-Brandenburg der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie.