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Kaskaden-Wärmepumpe besteht Praxistest im Bestand

Auf Zentralheizung umstellen

Es sind immer wieder die älteren Geschosswohnungsbauten, die Wohnungsunternehmen bei der Wärmewende Kopfzerbrechen machen. So ging es auch dem gemeinnützigen Wohnbauträger GWS aus der Steiermark. Gemeinsam mit dem Forschungsinstitut AEE Intec aus Gleisdorf hat er einen Gebäudeblock in Liezen auf ein neues Heizkonzept umgestellt. Bei den Gebäuden handelt es sich um eine sogenannte Südtiroler-Siedlung. Unter diesem Namen wurden Anfang der 1940er Jahre weitgehend standardisierte Gebäude für deutschsprachige Menschen aus Südtirol gebaut, die wegen des italienischen Nationalismus nach Österreich auswanderten.

Die Gebäude verfügten über keine Zentralheizungen. Stattdessen bezogen die insgesamt 20 Wohnungen ihre Wärme für Heizung und Warmwasser jeweils aus eigenen Systemen, darunter Gaskessel, Elektroheizungen und mit Holz, Kohle oder Öl befeuerte Einzelöfen. Einige der Wohnungen waren mit Radiatorheizungen ausgestattet, andere nicht. Vor der Heizungsmodernisierung war die Gebäudehülle energetisch saniert worden. Der Heizwärmebedarf liegt bei 70,6 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Hinzu kommen 49 Kilowattstunden pro Quadratmeter für die Warmwasserbereitung.

Ziel des Forschungsprojektes war es, eine Lösung zu finden, die sich auch auf andere Häuser übertragen lässt. Dabei stehen zunächst die rund 800 Wohneinheiten der GWS im Fokus, die sich in ähnlichen Siedlungen befinden wie die Gebäude im Projekt. Das neue Heizungssystem sollte Wärmepumpen in einer für Bestandsgebäude tauglichen Form in den Mittelpunkt stellen und dabei auch vor Ort erzeugte Energie nutzen. In 18 der 20 Wohnungen entschlossen sich die Bewohner, an dem Projekt teilzunehmen. Das Pilotprojekt war Teil des von der EU im Rahmen von Horizon 2020 geförderten Projekts „HeAt PumPs in existing multi-family buildings for achieving union’s ENergy and envIroNmental Goals”, kurz Happening.

Die Forschenden von AEE Intec entwickelten ein zweistufiges Konzept mit einem zwischengeschalteten Pufferspeicher. In der ersten Stufe liefern vier zentrale Luft/Wasser-Wärmepumpen eine Temperatur von 18 bis 30 Grad Celsius an einen Zwischenkreis. Bei dieser Temperatur wird die Wärme gespeichert und je nach Bedarf an die einzelnen Gebäude weiter verteilt. Durch die vergleichsweise niedrige Temperatur werden die Wärmeverluste im Speicher und in den Ringleitungen gering gehalten. In den Heizkellern der einzelnen Gebäude befinden sich zudem Wasser/Wasser-Wärmepumpen, die als „Booster“ arbeiten. Sie heben die Temperatur auf das für den Heizkreis oder die Warmwasserbereitung nötige Temperaturniveau. Jede Wohnung verfügt über ihre eigene Booster-Wärmepumpe. Das trägt den individuellen Heizkonzepten der Wohnungen Rechnung.

Bild: AEE intec

Bild: AEE intec

Um im Falle einer Fehlfunktion die vorgeschriebenen Temperaturen für die Warmwasseraufbereitung sicherzustellen, steht ein elektrischer Heizstab als Back-up bereit. Eine Photovoltaikanlage in Ost-West-Ausrichtung mit einer Spitzenleistung von 27,7 Kilowatt liefert Strom für die Wärmepumpen. Nicht vor Ort genutzter Solarstrom wird ins Netz gespeist. Eine umfassende Messtechnik machte es möglich, alle relevanten Energieflüsse zu erfassen und auszuwerten. Der für den Endbericht ausgewertete Pilotbetrieb dauerte von August 2023 bis Juli 2024. Die monatlich gemittelte Außentemperatur lag in diesem Zeitraum zwischen knapp 20 und minus ein Grad Celsius. Um es vorwegzunehmen: Die Ergebnisse sind vielversprechend.

Wärmepumpen funktionieren energieeffizient

Die zentralen Außenluftwärmepumpen hielten ihre Arbeitszahl auch in den Wintermonaten über 3, über das gesamte Jahr gerechnet kamen sie auf einen Arbeitszahl von 3,5. Die dezentralen Booster-Wärmepumpen kamen auf eine Jahresarbeitszahl von 3,8. Das ist auch der energetischen Sanierung zu verdanken, die für vergleichsweise niedrige Temperaturanforderungen in den Wohnungen sorgte. Die monatlich gemittelte Vorlauftemperatur im Heizkreis bewegte sich in der Regel zwischen 40 und 50 Grad Celsius, die Warmwassertemperaturen lagen nur für die Warmwasserbereitstellung über 55 Grad Celsius.

Als Jahresarbeitszahl für das Gesamtsystem ergibt sich ein Wert von 1,8. Dabei sind alle elektrischen Verbräuche in der Wärmeversorgung einbezogen, also auch die Verteilerpumpen und Heizstäbe. Wie bei Pilotprojekten üblich gibt es noch Luft für Verbesserung. Am Projektanfang lief die Regelung nicht optimal, ab Februar 2024 gab es dann Probleme mit einer Außenluftwärmepumpe. Mit einem eingespielten und optimierten System könnten die Werte also noch deutlich besser sein.

Happening-System spart Primärenergie

Zusätzlich hat das Team von AEE Intec den Anteil erneuerbarer Energien in der Jahresbilanz des Systems betrachtet (Abb. 1). Als erneuerbare Energien gelten nicht nur der vor Ort erzeugte Solarstrom, sondern auch die von der Luftwärmepumpe aus der Umgebung entzogene Energie. Als Erneuerbare angesetzt wurden auch der Ökostromanteil im Strommix aus dem Netz sowie der ins Netz gespeiste Solarstrom in dem Maße, wie er im österreichischen Strommix fossile Primärenergie ersetzt.

Im Vergleich zum Referenzsystem, das den Zustand vor der Installation des Happening-Systems widerspiegelt, konnte der Anteil erneuerbarer Energien von 42 auf 76 Prozent gesteigert werden. Gleichzeitig sank der Gesamtbedarf nicht-erneuerbarer Primärenergie im Vergleich zum Referenzsystem um 68 Prozent. In Bezug auf die Treibhausgasemissionen fällt der Rechenansatz ähnlich aus. Auch hier gilt: Strom, der durch die PV-Einspeisung aus dem allgemeinen Strommix verdrängt wird, kommt der Bilanz des Happening-Systems zugute. So erzielte dieses gegenüber dem Referenzsystem eine CO2-Einsparung von 82 Prozent.

Günstiger heizen, vor allem komfortabler

Auch bei Wirtschaftlichkeit und Komfort bildet das bisherige System den Vergleichsmaßstab. Die Kalkulation ist auf eine Reihe von Annahmen gestützt. Das beginnt damit, dass der Wärmepumpenhersteller und Projektpartner Innova seine Prototypen für das Pilotprojekt zur Verfügung stellte. Einen Marktpreis gibt es daher nicht. Das Projektteam behalf sich mit dem Listenpreis und kalkulierte einen marktüblichen Nachlass von 40 Prozent ein. Zudem trieben zwei Faktoren die Installationskosten in die Höhe: die Engpässe bei den Fachkräften während der Corona-Pandemie und die umfangreiche Mess­technik. So kommt unterm Strich eine Brutto-Investition von rund 782.000 Euro zusammen. Mit 289.000 Euro entfällt der größte Posten auf die hydraulische Installation.

Hinzu kommen die Kosten für den Betrieb und Energiebezug. Der eingekaufte Strom kostet 34,4 Cent pro Kilowattstunde und schlägt mit knapp 17.000 Euro jährlich zu Buche. Für die immerhin gut 6.800 Kilowattstunden eingespeisten Solarstrom gibt es bei einer Einspeisevergütung von 4,5 Cent lediglich 307 Euro jährlich. Sie fällt in der Gesamtbetrachtung also kaum ins Gewicht. Zu den Betriebskosten gehören verschiedene Dienstleistungen: das Betriebsmanagement, die Heizkostenabrechnung, die Notdienstbereitschaft sowie die Wartung. In Summe machen sie 7.700 Euro aus.

Für den Vergleich mit dem Referenzsystem holte das Projektteam Angebote von Herstellern für ähnliche Produkte ein und schätzte die Installationskosten. Die Investition liegt nach dieser Schätzung bei gut 78.000 Euro. Die Kosten für Betrieb und Wartung liegen mit knapp 36.000 Euro bei dem alten System deutlich höher. Vergleicht man die Systeme über einen Lebenszyklus von 20 Jahren, dauert es etwa 13 Jahre, bis sich das Happening-System gegenüber der Referenzanlage amortisiert hat (Abb. 2).

Der größte Posten ist allerdings der Zeitaufwand für den Betrieb der Einzelöfen in den Wohnungen. Für jeweils 40 Minuten Einheizen und Säubern an 200 Tagen und in acht Wohnungen setzte das Projektteam einen fiktiven Stundensatz von 30 Euro an. In der Praxis ist dieses Thema allerdings vor allem eine Komfortfrage – ohne die Einzelöfen spart man sich viel Aufwand und reduziert Staub und Geruchsemissionen. Die Energiekosten lagen beim Referenzsystem bei 28.819 Euro, wobei Strom für elektrische Heizkörper und die Warmwasserbereitung ebenfalls den größten Posten ausmachten.

Einige Gebäude der GWS benötigen Vorlauftemperaturen bis 70 Grad Celsius. Doch auch sie lassen sich mit dem Happening-Konzept erreichen. Allerdings sind dafür noch einige Vereinfachungen am System nötig, denn selbst ohne die aufwändige Messtechnik fällt die Investition bislang deutlich höher aus als für andere Heizsysteme. Auch im Betrieb sind noch Verbesserungen nötig – aber auch zu erwarten. Ein reibungsloser Betrieb würde die Effizienz verbessern und damit die Energiekosten senken. Das Happening-System stellt daher grundsätzlich ein Konzept dar, das sich für den Einsatz in älteren Mehrparteienhäusern eignet.

Ein Video zum Gesamtprojekt finden Sie unter https://t1p.de/GEB250560

Jakob Hütter
studierte Environmental System Sciences/Climate Change and Environmental Technologies an der TU Graz und erstellte seine Masterarbeit bei AEE Intec.

Bild: AEE Intec

Franz Hengel
leitet die Gruppe Thermische Energiespeicher bei AEE Intec. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Großwärmespeicher, Kompaktwärmespeicher mit Sorptionstechnologie, Hochtemperaturspeicher und die Systemintegration von Speichertechnologien.

Bild: AEE Intec

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