Springe zum Hauptinhalt Skip to main navigation Skip to site search
Speicherauslegung in Gewerbebetrieben

PV-Eigenverbrauch steigern

Je nach Gewerbebetrieb unterscheidet sich der zeitliche Verlauf des Stromverbrauchsprofils im Tages-, Wochen- und Monatsverlauf. Sind Zähler zur registrierenden Leistungsmessung (RLM-Zähler) vorhanden, können 15-minütlich aufgelöste Messdaten des Stromverbrauchs zur simulationsbasierten Analyse des solaren Eigenverbrauchs verwendet werden. Auf Basis von 150 elektrischen Lastprofilen hat die Forschungsgruppe Solarspeichersysteme der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin) typische Lastprofile für sechs Branchen identifiziert, die sie für weitergehende Simulationsanalysen verwendet hat [1]. Zu den näher betrachteten Wirtschaftszweigen gehören Bäckereien, Hotels, Lebensmittelmärkte, Milchvieh- und Produktionsbetriebe sowie Speditionen.

Die Lastprofile haben die Wissenschaftler:innen in den Jahren 2017 oder 2019 erfasst. Der jährliche Stromverbrauch der betrachteten Betriebe lag zwischen 38 und 317 Megawattstunden. Abb. 1 stellt den mittleren Tagesverlauf der einzelnen Gewerbelastprofile dar. Für jede Viertelstunde hat die Forschendengruppe den Anteil am jährlichen Stromverbrauch ermittelt.

Die resultierenden mittleren Tageslastgänge machen die ­Unterschiede zwischen den verschiedenen Gewerbetypen deutlich sichtbar. Lebensmittelmärkte und Produktionsbetriebe haben tagsüber einen höheren Strombedarf als in den Nachtstunden. In dem betrachteten Hotel ist die Stromnachfrage in den späten Abendstunden am höchsten. Bedingt durch die Melkzeiten am Vormittag und Abend unterscheidet sich das Stromverbrauchsprofil von Milchviehbetrieben deutlich von dem der anderen Gewerbebetriebe. Bäckereien haben produktionsbedingt in den Nachtstunden den größten Strombedarf.

Deutliche Unterschiede zwischen den Lastprofilen werden auch bei der Analyse der Lastgänge im wöchentlichen Verlauf sichtbar. Bei Hotel- und Milchviehbetrieben sind häufig nur geringe Unterschiede zwischen den einzelnen Wochentagen zu erkennen. Der Strombedarf von Speditionen und produzierenden Gewerbebetrieben fällt in der Regel an den Wochenenden im Vergleich zu den Werktagen geringer aus. Bei Lebensmittelmärkten ist zudem die geringe Stromnachfrage an Sonn- und Feiertagen deutlich erkennbar.

Große saisonale Schwankungen im Stromverbrauch konnten für die Lastprofile nicht identifiziert werden. Aufgrund des höheren Kühlbedarfs in den Sommermonaten steigt auch der Stromverbrauch der Lebensmittelmärkte in dieser Jahreszeit an [2]. In den Lastgängen von Produktionsbetrieben treten Abweichungen häufig während der Betriebsferien im Sommer ­sowie zum Jahreswechsel auf.

1 Jahresmittlerer Tagesverlauf von verschiedenen Gewerbelastprofilen

Bild: HTW Berlin

1 Jahresmittlerer Tagesverlauf von verschiedenen Gewerbelastprofilen

Wie sich die Eigenversorgung innerhalb eines Gewerbetyps unterscheidet

Die Unterschiede in der solaren Eigenversorgung innerhalb eines Gewerbetyps hat die HTW Berlin durch Simulationsanalysen für 35 Lebensmittelmärkte analysiert. Der jährliche Stromverbrauch der Lebensmittelmärkte variiert zwischen 169 und 519 Megawattstunden. Unter Berücksichtigung der individuellen Lastprofile wurden die Energieflüsse in den Lebensmittelmärkten bei Einsatz einer PV-Anlage mit einer Nennleistung von 100 und 200 Kilowatt simuliert.

Abb. 2 stellt den Anteil des jährlichen Strombedarfs dar, der zeitgleich durch die PV-Anlage gedeckt wird. Ist auf den Märkten eine 100-Kilo­watt-PV-Anlage installiert, können 18 bis 34 Prozent des Stromverbrauchs vor Ort zeitgleich erzeugt werden. Dabei wird eine ausgeprägte Abhängigkeit des resultierenden Autarkiegrads von der Höhe des Stromverbrauchs ersichtlich. Bei nahezu identischem Stromverbrauch weichen die Autarkiegrade um maximal 2,5 Prozentpunkte voneinander ab. Ist die PV-Anlage doppelt so groß, steigt die solare Eigenversorgung je nach Stromverbrauch auf 27 bis 43 Prozent. Zudem fällt auf, dass die Unterschiede zwischen den Lastprofilen größer werden. Allerdings unterscheiden sich die Autarkie­grade bei gleichem Stromverbrauch um weniger als vier Prozentpunkte.

Im Gegensatz zu Lebensmittelmärkten, Hotel- und Milchviehbetrieben gibt es aber auch Branchen, innerhalb derer die Unterschiede in der Höhe der solaren ­Eigenversorgung größer ausfallen. Hierzu zählen unter anderem Betriebe der Metall- und Holzverarbeitung sowie der ­Abfallentsorgung.

2 Berechnete Eigenversorgung von 35 unterschiedlichen Lebensmittelmärkten je nach PV-Anlagengröße

Bild: HTW Berlin

2 Berechnete Eigenversorgung von 35 unterschiedlichen Lebensmittelmärkten je nach PV-Anlagengröße

Was Photovoltaik ohne Stromspeicher zur Eigenversorgung beitragen kann

Wie in Abb. 2 aufgezeigt, beeinflusst die Höhe des Stromverbrauchs den resultierenden Autarkiegrad. Um die Berechnungsergebnisse für Betriebe mit einem unterschiedlich hohen Stromverbrauch vergleichbar zu machen, wird im Folgenden die Größe der PV-Anlage als Verhältnis der PV-Leistung zum Stromverbrauch in der Einheit Kilowatt pro Megawattstunde angegeben. Versorgt eine 200-Kilowatt-PV-Anlage die betrachtete Bäckerei mit einem Stromverbrauch von 202 Megawattstunden, beträgt die spezifische PV-Leistung folglich rund ein Kilowatt pro Megawattstunde.

Bei diesem Verhältnis von PV-Leistung zu Stromverbrauch erzeugt die PV-Anlage in der Jahresbilanz genauso viel Strom wie benötigt wird, da der AC-Jahresertrag der PV-Anlage
1.000 Kilowattstunden pro Kilowatt beträgt. In diesem Fall deckt die Photovoltaik zeitgleich 29 Prozent des Stromverbrauchs. Dagegen können der Produktionsbetrieb und der Lebensmittelmarkt bei einer PV-Leistung von einem Kilowatt pro Megawattstunde einen Autarkiegrad von 42 Prozent vorweisen.

Abb. 3 veranschaulicht die Abhängigkeit der solaren Eigenversorgung von der auf den Stromverbrauch normierten PV-Anlagengröße für die sechs unterschiedlichen Gewerbetypen. Die resultierenden Unterschiede im erreichbaren Autarkiegrad können mit der unterschiedlichen Charakteristik der Lastprofile begründet werden. Die Ergebnisse der Bäckerei und des Lebensmittelmarkts markieren nahezu über den gesamten Leistungsbereich bis zwei Kilowatt pro Megawattstunde die Bandbreite der erreichbaren Autarkiegrade.

Wie stark sich die PV-Eigenversorgung mit einem ­Stromspeicher steigern lässt

Nachfolgend wird aufgezeigt, wie sich der Autarkiegrad durch Speicherung der Solarstromüberschüsse in einem Batteriespeicher steigern lässt. Analog zur PV-Leistung wird die nutzbare Speicherkapazität des Batteriespeichers normiert auf den Stromverbrauch angegeben. Der Einfluss der Speicherkapazität auf die Solarstromversorgung der unterschiedlichen Gewerbebetriebe ist in Abb. 4 bei einer PV-Leistung von einem Kilowatt pro Megawattstunde dargestellt.

Ab einer Speicherkapazität von 0,5 Kilowatt pro Megawattstunde lassen sich Unterschiede in der Steigerung der Eigenversorgung zwischen den Betrieben beobachten. Auffällig ist, dass der Sättigungseffekt bei einer weiteren Vergrößerung des Batteriespeichers zuerst bei den Betrieben auftritt, die sowohl samstags als auch sonntags deutlich weniger Strom verbrauchen als an Werktagen. Bei Milchviehbetrieben und Lebensmittelmärkten tritt die Sättigung erst bei Speicherkapazitäten oberhalb von 1,5 Kilowatt pro Megawattstunde auf. Das trifft auch auf Bäckereien zu. Sie erreichen aufgrund des hohen nächtlichen Stromverbrauchs die größte Steigerung der Eigenversorgung durch einen Batteriespeicher.

Wie viel Speicherleistung es braucht

Neben der Speicherkapazität beeinflusst auch die Nennleistung des Batteriewechselrichters das Betriebsverhalten des ­Batteriesystems. Die in Abb. 4 dargestellten Berechnungsergebnisse wurden bei einem Verhältnis von Speicherleistung zu Speicherkapazität von 0,5 Kilowatt pro Kilowattstunde ermittelt. Abb. 5 veranschaulicht für den betrachteten Lebensmittelmarkt den Einfluss der Speicherleistung auf den Autarkiegrad. Ist die Lade- und Entladeleistung des Batteriesystems auf 0,3 Kilowatt pro Kilowattstunde beschränkt, wird der Energiedurchsatz durch das Batteriesystem nur wenig beeinträchtigt.

Erst ab einer Speicherleistung unterhalb von 0,2 Kilowatt pro Kilowattstunde fällt der Autarkiegrad und damit der Nutzen des Batteriespeichers deutlich ab. Dieser Zusammenhang konnte auch für die anderen Gewerbetypen nachgewiesen werden. Daher reicht ein Verhältnis von Speicherleistung zu Speicherkapazität von 0,3 Kilowatt pro Kilowattstunde zur Steigerung der Solarstromversorgung von Gewerbebetrieben in der Regel aus.

3 Einfluss der Größe des PV-Systems auf die zeitgleiche Deckung des Stromverbrauchs für unterschiedliche Gewerbetypen (Normierung der PV-​Leistung auf den jährlichen Stromverbrauch in Megawattstunden)

Bild: HTW Berlin

3 Einfluss der Größe des PV-Systems auf die zeitgleiche Deckung des Stromverbrauchs für unterschiedliche Gewerbetypen (Normierung der PV-​Leistung auf den jährlichen Stromverbrauch in Megawattstunden)

Empfehlungen zur Speicherauslegung

Im Gegensatz zu privaten Eigenheimen können Gewerbebetriebe tagsüber häufig deutlich mehr Solarstrom vor Ort verbrauchen. Produktionsbetriebe und Lebensmittelmärkte können mehr als 40 Prozent ihres Stromverbrauchs durch eine PV-Anlage decken, wenn die installierte PV-Leistung den Wert von 0,8 Kilowatt pro Megawattstunde Jahresstromverbrauch übersteigt (vgl. Abb. 3).

In Bäckereien und Milchviehbetrieben kann durch die Speicherung des Solarstroms mit Batteriesystemen die größte Steigerung der solaren Eigenversorgung erreicht werden (vgl. Abb. 4). In Gewerbebetrieben steigt der erzielbare Autarkiegrad nur noch wenig, sobald die Speicherleistung den Wert von 0,3 Kilowatt pro Kilowattstunde überschreitet. Entgegen der weitverbreiteten Aussage besteht daher bei Gewerbespeichersystemen zur Eigenversorgungsoptimierung kein erhöhter Leistungsbedarf.

Auf Basis der Analysen lassen sich folgende Empfehlungen zur Auslegung von Batteriesystemen in Gewerbebetrieben ableiten:

  • Der Batteriespeicher sollte nur installiert werden, wenn ausreichend Solarstromüberschüsse anfallen. Je nach Gewerbe­typ ist hierzu eine PV-Leistung von 0,4 bis 0,6 Kilowatt je Megawattstunde Stromverbrauch pro Jahr erforderlich.
  • Der Batteriespeicher sollte im Verhältnis zur PV-Anlage nicht zu groß sein. Die nutzbare Speicherkapazität sollte in den meisten Gewerbebetrieben maximal eine Kilowattstunde je Kilowatt PV-Leistung betragen.
  • Der Batteriespeicher sollte unter Berücksichtigung des individuellen Stromverbrauchs ausgelegt werden. Je nach Gewerbetyp sollte die nutzbare Speicherkapazität 0,75 bis 1,5 Kilowattstunden je Megawattstunde Stromverbrauch pro Jahr nicht überschreiten.
  • Die präsentierten Ergebnisse sind im Vorhaben „Digitale Werkzeuge für solarstrom­basierte Energieversorgungskonzepte (PVplusX)“ entstanden. Die Autoren danken der Dobeneck-Technologie-Stiftung für die finanzielle Unterstützung des Projekts.

    Literatur

    [1] Weniger, J., Zoll, M., Buhr Sepúlveda, G., Quaschning, V.: Photovoltaik und ­Stromspeicher im Gewerbe. In: PV-Symposium 2021, Online (2021)

    [2] Merei, G., Moshövel, J., Magnor, D., Sauer, D.U.: Optimization of self-consumption and techno-economic analysis of PV-battery systems in commercial applications. ­Applied Energy. 168, 171–178 (2016). www.t1p.de/geb230662

    4 Steigerung der solaren Eigenversorgung von unterschiedlichen Gewerbetypen durch den Einsatz von Batteriesystemen bei einer PV-Leistung von einem Kilowatt pro Megawattstunde Stromverbrauch und einer Speicherleistung von 0,5 Kilowatt pro Kilowattstunde (Normierung der Speicherkapazität auf den Jahresstromverbrauch in Megawattstunden)

    Bild: HTW Berlin

    4 Steigerung der solaren Eigenversorgung von unterschiedlichen Gewerbetypen durch den Einsatz von Batteriesystemen bei einer PV-Leistung von einem Kilowatt pro Megawattstunde Stromverbrauch und einer Speicherleistung von 0,5 Kilowatt pro Kilowattstunde (Normierung der Speicherkapazität auf den Jahresstromverbrauch in Megawattstunden)
    5 Einfluss der Nennleistung und Speicherkapazität der Batteriesysteme auf die solare Eigenversorgung eines Lebensmittelmarkts bei einer PV-Leistung von einem Kilowatt pro Megawattstunde Stromverbrauch (Normierung der Speicherkapazität auf den Jahresstromverbrauch in Megawattstunden, Normierung der Speicherleistung auf die Speicher­kapazität in Kilowattstunden)

    Bild: HTW Berlin

    5 Einfluss der Nennleistung und Speicherkapazität der Batteriesysteme auf die solare Eigenversorgung eines Lebensmittelmarkts bei einer PV-Leistung von einem Kilowatt pro Megawattstunde Stromverbrauch (Normierung der Speicherkapazität auf den Jahresstromverbrauch in Megawattstunden, Normierung der Speicherleistung auf die Speicher­kapazität in Kilowattstunden)

    Johannes Weniger, Michaela Zoll, Volker Quaschning

    forschen zur simulationsbasierten Bewertung von PV-Anlagen und Batterie­systemen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin.

    https://solar.htw-berlin.de

    Johannes Weniger

    Bild: HTW Berlin

    Johannes Weniger
    Michaela Zoll

    Bild: HTW Berlin

    Michaela Zoll
    Prof. Dr. Volker Quaschning

    Bild: HTW Berlin

    Prof. Dr.
    Volker Quaschning

    Jetzt weiterlesen und profitieren.

    Mit unserer Future Watt Firmenlizenz top informiert und immer auf dem neuesten Wissenstand in ihrem Fachgebiet.

    + Unbegrenzter Zugang zu allen Future Watt Inhalten
    + Vergünstigte Webinarteilnahme
    + E-Paper Ausgaben
    + Sonderhefte zu speziellen Themen
    + uvm.

    Wir haben die passende Lizenz für Ihre Unternehmensgröße!

    Mehr erfahren