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Energetische Sanierung in WEGs (2)

Die Gebäudehülle als Gemeinschaftsprojekt

Eine sanierte Gebäudehülle senkt den Energieverbrauch und verbessert den Wärmeschutz. Technisch bestehen zwischen energetischen Sanierungen in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) und solchen in Mehrfamilienhäusern mit anderen Eigentumsverhältnissen keine Unterschiede. In einer WEG gehören Außenwände, Dach oder oberste Geschossdecke, Kellerdecke, Bodenplatte sowie Fenster und Außentüren allerdings allen. Deshalb entscheidet die WEG stets gemeinsam über deren Sanierung.

Wollen die Eigentümerinnen und Eigentümer die Gebäudehülle dämmen oder Fenster und Außentüren austauschen, stimmen sie darüber in der Eigentümerversammlung ab. Das Wohnungseigentumsgesetz regelt, welche Mehrheit dafür nötig ist und wie die Gemeinschaft die Kosten verteilt. Neben dem Wohnungseigentumsgesetz greift bei der Sanierung der Gebäudehülle das Gebäudeenergiegesetz (GEG).

Was die gesetzlichen Sanierungspflichten fordern

Das GEG schreibt gemäß § 47 die Dämmung der obersten Geschossdecke zu beheizten Wohnräumen oder die Dämmung des darüber liegenden Daches vor, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Für den Mindestwärmeschutz der obersten Geschossdecke sind die in DIN 4108-2:2013‑02, Kapitel 5, insbesondere in Tabelle 3 festgelegten Anforderungen an die Wärmedurchlasswiderstände sowie die ergänzenden Hinweise maßgeblich. Nach der Sanierung darf der U-Wert höchstens 0,24 W/(m²K) betragen, sofern keine Ausnahme gemäß § 47 Abs. 2 aufgrund eingeschränkter Aufbauhöhe oder baulicher Gegebenheiten greift.

Die zweite Anforderung des GEG greift, sobald größere Veränderungen an der Gebäudehülle anstehen. Werden mehr als zehn Prozent einer Außenbauteilgruppe erneuert, verlangt § 48 einen ausreichenden Wärmeschutz. Notwendige und absehbare Erhaltungsmaßnahmen an der Gebäudehülle mit energetischen Verbesserungen zu koppeln, ist demnach nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern in vielen Fällen gesetzlich vorgeschrieben.

Gesetzliche Anforderungen verständlich darzustellen und in Bezug zum konkreten Gebäude zu setzen, zählt zu den Aufgaben der Energieberatung. Genauso wichtig ist es, zu vermitteln, warum es für eine Eigentümergemeinschaft sinnvoll ist, neben der reinen Erhaltung die energetische Sanierung zu initiieren. Dafür braucht eine WEG verständliche Informationen, wie einzelne Maßnahmen den Wärmebedarf und damit die Betriebskosten senken. Zusätzlich sollte sie erfahren, welche Komfortgewinne möglich sind und welche Fördermittel beispielsweise aus der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) zur Verfügung stehen.

Wie sich tragfähige Beschlüsse herbeiführen lassen

Eine energetische Sanierung der Gebäudehülle gilt als bauliche Veränderung nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Für solche Maßnahmen legt es fest, wie die Gemeinschaft entscheidet und wie sie die Kosten verteilt. Die Gemeinschaft kann Arbeiten an Fassade oder Dach mit einfacher Mehrheit beschließen. In diesem Fall tragen jedoch nur die WEG-Mitglieder die Kosten, die der Maßnahme zugestimmt haben. Bei größeren Sanierungen führt dieses Vorgehen häufig zu einer unausgewogenen Kostenverteilung und erschwert eine gemeinsame Umsetzung.

Damit alle Eigentümerinnen und Eigentümer die Kosten übernehmen, muss entweder feststehen, dass sich die Sanierung innerhalb eines vertretbaren Zeitraums wirtschaftlich rechnet, oder es braucht eine doppelt qualifizierte Mehrheit. Sie setzt mehr als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen voraus, die zugleich die Hälfte aller Miteigentumsanteile repräsentieren. Da sich Eigentümergemeinschaften nicht immer auf einen als angemessen geltenden Amortisationszeitraum einigen können, bietet sich die doppelt qualifizierte Mehrheit in der Praxis meist als der verlässlichere Weg an.

Die Energieberatung sollte deshalb das Ziel verfolgen, ein technisch und wirtschaftlich stimmiges Konzept zu entwickeln, das im Idealfall einer doppelt qualifizierten Mehrheit eine klare Entscheidungsgrundlage bietet und die Sanierung für die gesamte Gemeinschaft tragfähig macht.

Vorteile für die Gemeinschaft vermitteln

Die Frage, wie eine energetische Sanierung ablaufen soll und ob sie ohne begleitende Erhaltungsmaßnahmen sinnvoll ist, sorgt in vielen WEGs für Gesprächsbedarf. Damit Eigentümerinnen und Eigentümer zu einer tragfähigen Entscheidung gelangen, ist ein klares Verständnis der persönlichen Auswirkungen hilfreich. Energieberatende stehen vor der Aufgabe, die unterschiedlichen Interessen, finanziellen Spielräume und Erwartungen zu erkennen und ihre Empfehlungen darauf auszurichten.

Eine sanierte Gebäudehülle senkt nachweislich den Energieverbrauch, reduziert Wärmeverluste und führt damit zu geringeren Betriebskosten. Selbstnutzende profitieren unmittelbar von diesen Einsparungen. Vermietende wiederum erhalten eine langfristige Entlastung durch ein für sie vorteilhaftes Aufteilungsverhältnis des CO₂-Preises. Zusätzlich können sie einen Teil der Investitionen über Modernisierungsumlagen decken und den Immobilienwert dank des verbesserten energetischen Zustands steigern. Weiterhin steigern energetische Maßnahmen den Wohnkomfort für alle. Im Regelfall unterstützt die WEG-Verwaltung dabei, verschiedene Perspektiven in der Entscheidungsfindung zusammenzubringen.

Auch scheinbar einseitige Maßnahmen entfalten ihre Wirkung gemeinschaftlich: Eine gedämmte Kellerdecke verringert vor allem im Erdgeschoss den Heizbedarf. Da dadurch jedoch die Gesamtheizkosten sinken, profitieren am Ende alle WEG-Mitglieder aufgrund der Umlageregelung der Heizkostenverordnung. Dieses Beispiel zeigt, wie Energieberatende Vorteile einzelner Maßnahmen für die gesamte Gemeinschaft sichtbar machen können.

Optionen für schrittweises Vorgehen ausloten

Komplettsanierungen kommen in WEGs eher selten vor. Bei umfangreichen Fassaden- oder Dacharbeiten reagieren viele Gemeinschaften zurückhaltend. Zum einen liegt das am hohen Investitionsaufwand, zum anderen greifen die Maßnahmen häufig ineinander: Wird die Außenwand gedämmt, muss oft auch der Dachüberstand angepasst werden. Der Gedanke „Alles oder nichts“ kann für Mitglieder schnell belastend wirken. Eine strukturierte Abstimmung und individuelle Prüfungen helfen, Unsicherheiten zu reduzieren.

Ein zentrales Anliegen der Energieberatung besteht darin, die notwendigen und darüber hinaus sinnvollen Schritte so zu planen, dass überschaubare, finanziell tragbare Pakete entstehen. Je nach Bedarf der WEG lassen sich diese Maßnahmen einzeln oder als Komplettpaket beschließen. Oft bietet sich die Dämmung der obersten Geschossdecke oder der Kellerdecke als erster Schritt an. Sie lässt sich eigenständig umsetzen und erweist sich gleichzeitig als besonders wirtschaftlich.

Darüber hinaus können Energieberatende Schritte zu einer stufenweisen Sanierung aufzeigen. Bei einer Fassadendämmung in Reihenbebauungen bietet es sich etwa an, zuerst die Vorderseite, dann die Rückseite zu bearbeiten. Ein ähnliches Vorgehen funktioniert bei mehreren Gebäudeteilen – etwa Vorderhaus und Seitenflügel – oder bei der Fenstererneuerung. In solchen Fällen erfordert das sukzessive Vorgehen allerdings besondere Sorgfalt und oft zusätzlichen Aufwand an den Übergängen.

Gut finanziert ist halb saniert

In einigen Fällen kann die WEG die Dämmung einer Keller- oder Geschossdecke vollständig aus der Erhaltungsrücklage bezahlen. Geht es jedoch um Fassade oder Dach, reichen die vorhandenen Rücklagen meist nicht mehr aus. Dann hängt der Modernisierungsbeschluss entscheidend vom Finanzierungskonzept ab.

Viele WEGs kombinieren dafür Rücklagen und Sonderumlagen mit einem Kredit oder mit einem WEG-Darlehen. Förderzuschüsse müssen Eigentümerinnen und Eigentümer zunächst vorfinanzieren. Zusätzlich können Selbstnutzende eine steuerliche Förderung in Anspruch nehmen. Vermietende sollten prüfen lassen, ob sie Modernisierungskosten steuerlich geltend machen können. Wichtig ist für Energieberatende eine enge Abstimmung mit der WEG-Verwaltung. So stellen Sie sicher, dass die in der Energieberatung empfohlenen Finanzierungsbausteine zu den konkreten Rahmenbedingungen der WEG passen.

Spezialfall: Mehrhausanlagen

Eine Mehrhausanlage – also eine WEG mit mehreren Gebäuden, den sogenannten Untergemeinschaften – gilt grundsätzlich als reguläre WEG. Deshalb greifen alle Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes. Die Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung kann jedoch zusätzliche Bestimmungen enthalten, die die Besonderheiten einer solchen Anlage berücksichtigen. So kann sie zum Beispiel festlegen, dass die Eigentümergemeinschaft nur über Themen des eigenen Gebäudes abstimmt. Auch eine objektbezogene Verteilung der Kosten ist möglich.

Je nachdem, wie eigenständig die Untergemeinschaften organisiert sind, kann die WEG sogar jedes Gebäude einzeln modernisieren. Oft dient dabei die engagierteste Untergemeinschaft als Vorbild und zeigt, wie die Sanierung erfolgreich gelingen kann.

Engagierte Mitglieder mit Vorbildfunktion finden

Viele WEGs tun sich anfangs schwer, ein gemeinsames Vorgehen zu vereinbaren. Bei bestimmten Teilen der Gebäudehülle können einzelne Eigentümerinnen und Eigentümer selbst aktiv werden. Fenster gehören – abgesehen von den Innenfensterbänken – zum Gemeinschaftseigentum. Dennoch kann die Eigentümerversammlung mit einfacher Mehrheit beschließen, dass einzelne Mitglieder ihre Fenster erneuern und die Kosten allein übernehmen. Auf diese Weise können alle WEG-Mitglieder nach und nach ihre Fenster austauschen – den Zeitpunkt bestimmen sie selbst.

Das gleiche Prinzip funktioniert bei einer Innendämmung der Außenwände. Darüber hinaus kann ein Mitglied, das über oder unter der Keller- oder Geschossdecke wohnt, diese von oben oder unten dämmen, sofern die Raumhöhe ausreicht. Allerdings sollten WEGs mögliche Folgen solcher Einzellösungen im Blick behalten: Was passiert, wenn die Gemeinschaft später ein Gesamtkonzept für die Gebäudehülle beschließt? Unterschiedliche energetische Zustände können zudem die Planung und Umsetzung eines Heizungstauschs erschweren.

Tipps zum Vorgehen

Für Energieberatende gilt es herauszufinden, welches Sanierungskonzept am besten zu einem Gebäude und seiner WEG passt. Dabei geht es nicht nur um die passenden Maßnahmen, sondern auch um den richtigen Zeitplan. Die Beratung sollte berücksichtigen, wann welche finanziellen Mittel zur Verfügung stehen und wie aufwendig die Beschlussfassung für jede einzelne Maßnahme ist; dazu zählen auch organisatorische Details wie die Termine der Eigentümerversammlung oder die Fristen für die Ankündigung einer Modernisierungsmieterhöhung.

Eine erfolgreiche Energieberatung in der WEG beginnt mit ausführlichen Vorgesprächen – sowohl mit der Verwaltung als auch mit der Eigentümergemeinschaft. Bei der Präsentation der Ergebnisse brauchen Energieberatende neben Fachkompetenz auch kommunikative Stärke. Erhalten die Beteiligten klare, gut verständliche Informationen zu mehreren Handlungsoptionen und ihren Vor- und Nachteilen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die WEG einen entsprechenden Beschluss fasst.

Dieser Beitrag ist Teil der Artikelserie „Energetische Sanierung in WEGs“. Die nächste Ausgabe behandelt die Gebäudetechnik.

WEG-Praxisguide des Gebäudeforums ­klimaneutral hilft

Mit dem WEG-Praxisguide stellt das Gebäudeforum klimaneutral ein umfangreiches Angebot an Informationen und Arbeitshilfen bereit, das Energieberatende, Immobilienverwaltungen sowie Eigentümerinnen und Eigentümer bei der energetischen Sanierung unterstützt. Er enthält praxisorientierte Checklisten, Factsheets, Präsentationen und Vorlagen für wichtige Schritte im Modernisierungsprozess.

Die Materialien sind leicht verständlich aufbereitet und frei zugänglich verfügbar. Entstanden ist der WEG-Praxisguide im Rahmen des Dena-Projekts „Energetische Modernisierung in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs)”, das das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert.

Den WEG-Praxisguide finden Sie unter
www.gebäudeforum.de/weg-praxisguide

Martin Fischer
ist Teamleiter im Fachbereich Klimaneutrale Gebäude bei der Deutschen Energie-Agentur. Gemeinsam mit seinem Team erarbeitet er fachliche Impulse und praxisorientierte Handlungsempfehlungen, um die Transformation des Gebäudesektors hin zur Klimaneutralität mitzugestalten.

Bild: Hoffotografen

GEB Dossier

Grundlegende Informationen zum Thema finden Sie auch in unserem Dossier Energieberatung mit Beiträgen und News aus dem GEB:

www.geb-info.de/energieberatung

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