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 Die Notwendigkeit von Energie­beratung und qualitätsvoller Sanierung

„Wir mussten ein dickes Brett bohren“

Was war Ihre persönliche Motivation, sich vor 20 Jahren an der Gründung des Deutschen Energieberaternetzwerks, des DEN, zu beteiligen?

Ich habe damals einen Kurs gemacht bei der Architektenkammer Baden-Württemberg für die Einführung in die Energieeinsparverordnung, die im Februar 2002 in Kraft getreten ist. Darüber bin ich zur Energieberatung gekommen. Es gab einen Verbund, unter anderem mit Martin Kutschka, der Energieberatung für eine Bausparkasse gemacht hat. 2002 begann die Gründung eines Vereins, und ich wurde mit Martin Kutschka zum Vorsitzenden gewählt.

Wie war das Bild der Energieberatung zu dem Zeitpunkt?

Es war noch nicht wirklich bekannt, was Energieberatung ist und was Energieberater können. Wir mussten ein dickes Brett bohren, um das Thema in die Gesellschaft zu bringen. Wir haben Flyer gedruckt, um den Leuten das Thema näherzubringen und breiter zu streuen. Die Kosten für eine Energieberatung lagen bei 450 Euro. Wärmeschutzverordnung und Heizkostenverordnung wurden zusammengeführt, der Energieausweis wurde im Bestand erst 2008 eingeführt.

Was waren die Themen, die euch wichtig waren?

Uns war die Qualität der Energieberatung wichtig, die wollten wir deutschlandweit sicherstellen. Mittlerweile hat sich die Energieberatung einen guten Ruf erarbeitet, wird gefördert, die Leute haben erkannt, dass man Energie sparen muss. Wir wollen davon wegkommen, Fördermittelberater und Fördermittelbeschaffer zu sein. Für uns ist ein Energieberater ein ganzheitlicher Berater, der wirtschaftlich unabhängig ist, deshalb ist uns die Diskussion um das Berufsbild wichtig. Da gehört mehr dazu, als nur ein Gebäude zu berechnen, da gehört das Umfeld dazu, zum Beispiel Schallschutz oder Brandschutz. Das muss man nicht im Detail beherrschen, aber man muss auf diese Themen hinweisen und gegebenenfalls einen Experten hinzuziehen. Wichtig war für uns auch zu erreichen, dass Ingenieur- und Architektenkammern das Thema der Energieberatung stärker in den Blick nehmen. Dazu war es aber notwendig, einen Verband zu haben, in dem sich Energieberater zu Hause fühlen. Mittlerweile ist die Zusammenarbeit mit den Kammern besser als in der Anfangszeit.

Würdet ihr euch wünschen, dass die Kammern eigene Abteilungen für Energieberaterinnen und Energieberater gründen?

Nein, wir sind als DEN ein Berufsverband, ohne dass wir Kammer sind. Energieberatung ist aus unserer Sicht ein eigenes Fachgebiet, wobei man schauen muss, dass die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen gut funktioniert.

Warum ist dem DEN das Thema Berufsbild Energieberatung so wichtig?

Weil wir wegwollen von dem Klischee, dass es bei Energieberatung nur um die Beschaffung von Fördermitteln geht. Energieberatung ist auch mehr als nur Wärmeverbrauch oder CO2-Ausstoß. Sie erfordert umfangreiche Beratung und Wissen, über Klima, soziale Komponenten, zur Möglichkeit, Grundrisse anzupassen und zu ändern. Energieberatung sollte ein eigener Studiengang sein und nicht nur angelernt als zweites Standbein. Es geht um die Qualität und das Vertrauen in die Energieberatung, auch für junge Leute, die sicher sein müssen, dass sie einen Beruf ergreifen, der einen guten Ruf hat. Das könnte die Bereitschaft erhöhen, etwas in diese Richtung zu studieren.

Das heißt, Ihr Verband ist für eine komplette Akademisierung?

Grundsätzlich ja, aber es sollte möglich sein, auf unterschiedlichen Qualifikationsstufen wie Ingenieur oder Fachhandwerker zu arbeiten. Aber nach außen muss klar sein, welche Kompetenz der Einzelne hat. Es muss auch anderen Berufsständen möglich sein, Energieberatung zu machen, aber es muss klar sein, wer was machen darf. Für mich gehört zum Berufsbild auch die Beurteilung von Industrieprozessen oder das Thema E-Mobilität dazu, in spezialisierten Ausbildungen, ähnlich wie es das bei der Architektur in Richtung Wohnungsbau, Industriebau, Städtebau gibt. So stelle ich mir das auch für Energieberatung vor.

Noch eine Frage zur aktuellen Debatte um die Förderlandschaft. Das Effizienzhaus 55 im Neubau wird abgeschafft, wie positioniert sich das DEN dazu?

Es ist unglücklich gelaufen, da sind wir uns einig. Das Effizienzhaus 55 hätte schon früher, im Oktober 2021, gestrichen werden müssen, weil die Gelder nicht da waren. Ab 2023 sollen Effizienzhäuser 55 Standard werden, das halten wir für richtig. Die Effizienzhäuser 40 und 40 Plus sollten aber weiter gefördert werden. Wichtig wäre aus unserer Sicht auch, das Effizienzhaus 115 in der Sanierung wieder einzuführen.

Das heißt, das DEN ist für weniger Ambition in der Sanierung?

Nein, aber man muss die Eintrittsschwelle niedriger halten. Die finanziellen Möglichkeiten der Hausbesitzer werden geringer, die Möglichkeit auf ein Effizienzhaus 115 zu gehen, ist zumindest der Anreiz, ein bisschen etwas zu tun.

Wie ist die Position des DEN zum individuellen Sanierungsfahrplan? Weiterentwicklung oder Abschaffung?

Wir sind für eine konkrete Weiterentwicklung. Die Vor-Ort-­Beratung war eine gute Sache. Da ist der Sanierungsfahrplan zu oberflächlich, er müsste detaillierter sein. Wir würden es auch für sinnvoll halten, das auf private Bauherren zu beschränken und Immobilienunternehmen auszuschließen, die rein gewinn­optimiert arbeiten.

Aber die Sanierung in Schritten extra zu fördern ist richtig?

Viele können nicht auf einmal 200 000 Euro und mehr investieren. Insofern ist die Aufteilung in Schritte sinnvoll. Aber es muss sichergestellt werden, dass die Pläne wirklich individuell erstellt werden.

Ein Thema, das mit dem Umbau der Bundesförderung mehr Relevanz gewinnt, ist die Nachhaltigkeit. Ergänzt das die Energieberatung oder gibt es Konkurrenz?

Aus unserer Sicht ergänzt sich das. Wir müssen Gesamtlebenszyklen von Gebäuden darstellen, und da ist nicht nur die Nutzung wichtig, sondern auch Fragen wie Erstellung, Entsorgung und Weiternutzung.

Können Energieberaterinnen und Energieberater das leisten?

Im Moment noch nicht, aber da wird es Weiterbildungen ­geben.

Das ist das DEN

Über 700 unabhängig arbeitende Ingenieure, Architekten, Techniker und Handwerksmeister finden im DEN eine Interessenvertretung gegenüber Politik und Wirtschaft. Alle Mitglieder, die ihre Dienstleistungen flächendeckend in ganz Deutschland anbieten, verbindet das gemeinsame Arbeitsgebiet: Beratungs- und Planungsleistungen rund um das Thema Energieeffizienz.

Neue Vorstandssprecherin gewählt

Stefanie Koepsell, bisher DEN-Landessprecherin Sachsen, ist neue Vorstandssprecherin des DEN. Sie will insbesondere die Erfahrungen aus der Praxis der Energieberatung verknüpfen mit den politischen und verwaltungstechnischen Entscheidungen. „Wir müssen unsere alltäglichen Probleme klarmachen und gemeinsam Lösungen finden“, sagt sie. „Außerdem müssen wir die Frage beantworten, wann wir Gebäude endlich ehrlich bewerten. Aus Perspektive des Klimaschutzes ist es keineswegs ausgemacht, dass energiesparende Neubauten unbedingt massiv gebauten älteren Gebäuden vorzuziehen wären – Stichwort graue Energie.“

Bild: DEN

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