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Photovoltaik in Gewerbe und Industrie

Sonnenkraft ohne Kraftaufwand bekommen

Das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 eine installierte PV-Leistung von 215 Gigawatt zu erreichen, bekommt mit dem Solarpaket 1 einen ordentlichen Schub, vorausgesetzt die beschlossenen Erleichterungen werden im großen Maßstab genutzt. Vor allem gilt das für den Gewerbe- und Industriesektor, der über große, noch ungenutzte Flächen verfügt. So schätzte zum Beispiel das Solarcluster BW in seinem 2021 veröffentlichten Leitfaden „Photovoltaik in Gewerbe und Industrie“, dass allein in Baden-Württemberg ein Photovoltaik-Dachflächenpotenzial von rund 36 Milliarden Kilowattstunden im Jahr besteht, wovon rund 30,6 Prozent auf Gewerbe und Industrie entfallen [1].

Mit dem kommenden Solarpaket 1 dürfte sich der Photovoltaikboom fortsetzen, schließlich bringt die neue Gesetzgebung einige Erleichterungen mit sich. So sollen unter anderem die bürokratischen Hürden bei der Anmeldung einer Photovoltaikanlage beim Netzbetreiber deutlich sinken und die technischen Netzanschlussbedingungen vereinheitlicht werden. Auch die Grenze zur Pflicht einer Anlagenzertifizierung wurde von bisher 135 Kilowatt auf mehr als 270 Kilowatt Einspeiseleistung oder mehr als 500 Kilowatt Anlagenleistung angehoben. Damit entfällt für die Betreiber kleinerer Anlagen künftig der aufwendige Zertifizierungsprozess.

Auch die Grenze zur verpflichtenden Direktvermarktung von bislang 100 Kilowatt soll angehoben werden. Betreiber größerer PV-Anlagen mit Eigenverbrauch können ihre Reststrommengen dann auch ohne Vergütung in das Netz einspeisen. Schneller und einfacher soll es auch bei der Installation und Genehmigung von Balkonkraftwerken und innovativen Solaranlagen wie schwimmenden Solargeneratoren (Floating-PV), solaren Parkplatzüberdachungen und Solar­anlagen auf Landwirtschaftsflächen, der sogenannten Agri-PV, gehen. Der Photovoltaikausbau in Deutschland bekommt somit einen ordentlichen Rückenwind seitens der Politik. Nun liegt es an den Verbrauchern und Unternehmen, das zur Verfügung stehende Potenzial auszuschöpfen.

Aber auch für Betreiber bestehender Anlagen hat das Solarpaket 1 positive Konsequenzen. Der Austausch von Altmodulen bei PV-Dachanlagen gegen leistungsstärkere Module, das sogenannte Repowering, wird deutlich vereinfacht. Bisher musste für den Modultausch ein Nachweis über einen technischen Defekt, eine Beschädigung oder einen Diebstahl erbracht werden, auch um weiterhin Anspruch auf die Zahlung der Einspeisevergütung erheben zu können. Diese Pflicht soll mit der Verabschiedung der Repoweringmaßnahmen im Solarpaket 1 entfallen. Anlagenbetreiber können dann ihre alten Module ohne Nachweis gegen leistungsstärkere tauschen und müssen nicht auf die Einspeisevergütung verzichten.

Gewerbe und Industrie zögern häufig

Während die Nachfrage nach Solarstrom insbesondere im privaten Sektor zuletzt deutlich zunahm, blieb das Interesse an PV-Anlagen bei Gewerbe- und Industrieunternehmen bisher eher verhalten. Dabei ist der Industriesektor mit 43 Prozent der größte Stromverbraucher in Deutschland [2] und verursacht rund ein Viertel der CO2-Emissionen. Die Projekt- und Markt­erfahrung des auf Immobilien spezialisierten Planungs- und Beratungsunternehmens Drees & Sommer zeigt, dass vor allem kleinere bis mittelständische Unternehmen oft noch zögern, Solaranlagen zu installieren. Als die häufigsten Gründe werden dabei die hohen bürokratischen Hürden sowie die regulatorischen Vorgaben genannt – und das sowohl in der planerischen Hinsicht als auch in der Umsetzung.

So ist es zwar grundsätzlich geregelt, wie die Anmeldung und die Inbetriebnahme einer Solaranlage ablaufen sollen, dennoch hat jeder Netzbetreiber in der Regel seine eigenen Formulare und sein eigenes Online-Tool. Beides ist für Laien oft nicht verständlich und die Anmeldeprozesse sind langwierig. Das macht es für die Bauherren unheimlich kompliziert, die Anlagen entsprechend zu installieren. Auch wenn freie Flächen und finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, bedeutet eine Photovoltaikanlage für sie einen zusätzlichen zeitlichen und personellen Aufwand. Gerade bei größeren Anlagen, die die oben genannte Grenze zur Anlagenzertifizierung überschreiten, gibt es in der Planungsphase und während der Ausführung viel Abstimmungs- und Koordinationsbedarf.

Hinzu kommen das fehlende fachliche Know-how im eigenen Betrieb und die Vielzahl an Fragen, die es zu beantworten gilt: von verfügbaren Förderprogrammen über die Suche nach einem erfahrenen und geeigneten Installationsbetrieb bis hin zu dem passenden Betreibermodell. So kommt es nicht selten vor, dass Unternehmen eine Machbarkeitsstudie zur Installation von PV-Anlagen durchführen lassen, eine konkrete Umsetzung aus genannten Gründen jedoch nicht weiterverfolgen.

Technologische Innovationen verbessern Wirtschaftlichkeit

Fest steht: Mit Photovoltaikanlagen können Gewerbe- und Industrieunternehmen auf lange Sicht hohe Stromkosten sparen und unabhängiger von ihrem Energieversorger werden. Vor allem bei hohen Grundlasten ist der Eigenverbrauch des vor Ort produzierten Solarstroms attraktiv. Für Unternehmen, die auch nachts hohe Grundlasten haben, zum Beispiel aufgrund von Schichtbetrieb, kann sich der Einsatz eines Batteriespeichers lohnen. Die Kombination einer Photovoltaikanlage mit einem Batteriespeicher erhöht den Eigenverbrauch deutlich. Aber auch die Kombination mit Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge – seien es private von Mitarbeiter:innen oder firmeneigene – ist sinnvoll und trägt zu einer effizienten Nutzung der PV-Anlage bei.

Dass eigener Strom besonders in Krisenzeiten für Sicherheit und Unabhängigkeit sorgt, haben der Angriffskrieg auf die Ukraine und die darauffolgende Energiepreiskrise mehr als deutlich gemacht. Auch wenn der Strommarkt sich inzwischen etwas entspannt hat und das geplante Strompreispaket der Ampelkoalition den Industrie­unternehmen einiges an Entlastungen verspricht, so gehört die Zukunft den erneuerbaren Energien. Wer damit zu lange wartet, setzt seine Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit aufs Spiel.

Die Wirtschaftlichkeit von Photovoltaikanlagen hängt von vielen Faktoren wie beispielsweise der Anlagengröße, den Investitionskosten und dem Eigenverbrauch ab. Die Amortisationsdauer variiert entsprechend, jedoch ist der Return of Invest für PV-Anlagen auf gewerblichen Dächern bei guter Planung und Ausführung bereits nach sieben bis zehn Jahren erreicht. Die Stromgestehungskosten bewegen sich dabei meist in einem Bereich von sechs bis zehn Cent pro Kilowattstunde.

Im Hinblick auf die Preisentwicklungen auf dem Energiemarkt und die Dekarbonisierung der gesamten Strom- und Wärmeversorgung ist die Nutzung der Solarenergie also attraktiv und zukunftsentscheidend. Zudem sorgen der zunehmende Wettbewerb und die technologischen Neuerungen dafür, dass das Angebot wächst, Preise für die Komponenten sinken und ihre Leistungsfähigkeit immer besser wird, was sich wiederum positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt.

So fand beispielsweise eine im August 2022 von der Universität Mannheim veröffentlichte Studie heraus, dass die Investitionen in Photovoltaikanlagen so wirtschaftlich wie nie zuvor sind. Als Grund dafür nennen die Studienmacher die Kostenreduktionen durch technologische Innovationen, die unter anderem auf Lerneffekten beruhen. Staatliche und kommunale Förderungen, Zuschüsse und Subventionen schaffen weitere Anreize und tragen ebenfalls dazu bei, dass der Ausbau von Photovoltaikanlagen noch attraktiver wird.

Beispiele aus der Praxis liefern Erfahrungswerte

Dass die Umsetzung von Photovoltaikanlagen auch auf großen Flächen durchaus möglich und wirtschaftlich attraktiv ist, haben in den vergangenen Jahren bereits einige Gewerbe- und Industrie­unternehmen bewiesen. Damit liefern sie den noch zögernden Bauherren wertvolle Beispiele und Erfahrungen, die den Weg zu einer eigenen PV-Anlage erleichtern. Mit einem Best-Practice-Beispiel geht beispielsweise die Pfalzmarkt für Obst und Gemüse voran, ein Zusammenschluss von Obst- und Gemüseerzeugern.

Um den Energiebedarf seines Logistikzentrums in Mutterstadt aus erneuerbaren Energiequellen zu decken, setzt das Unternehmen auf rund 20.000 Quadratmetern eine Aufdach-Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 3,2 Megawatt in der Spitze um. Zum Vergleich: Auf Einfamilienhäusern werden durchschnittlich 10-Kilowatt-Anlagen errichtet, auf Gewerbegebäuden sind die PV-Anlagen im Durchschnitt 100 Kilowatt groß.

Welche Möglichkeiten es für eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Logistikzentrums gibt und wie die Versorgung der Liegenschaft mit PV-Strom erfolgen kann, hat das Beratungs- und Planungsunternehmen Drees & Sommer für die Pfalzmarkt für Obst und Gemüse in einer Machbarkeitsstudie untersucht. Als wirtschaftlichste Variante hat das Expertenteam die Anlagengröße von 3,2 Megawatt ermittelt. Die Eigenverbrauchsquote dieser Anlage liegt bei 96 Prozent. Sie reduziert den bisherigen Netzbezug um 19 Prozent. Nach Schätzungen der Experten soll die PV-Anlage, deren Netzanschluss für Anfang 2024 geplant war, dem Auftraggeber künftig bis zu 300.000 Euro im Jahr einsparen.

Auf die Kraft der Sonne setzt auch die international agierende Vertriebsgesellschaft Heo. Alle Gebäude, darunter ein großes Logistikzentrum, sowie Anlagen und die E-Ladeinfrastruktur auf seinem neuen Campusgelände im rheinland-pfälzischen Herxheim betreibt der Großhändler ausschließlich mit grünem Strom. Den Großteil dieser Energie erzeugt das Unternehmen selbst mit einer 1,1-Megawatt-Aufdach-Photovoltaikanlage. Heo produziert deutlich mehr Strom als es selbst verbraucht und trägt somit zu einer positiven CO2-Bilanz bei. Auch bei diesem Projekt hat das Drees & Sommer-Expertenteam den Kunden umfassend beraten und unter anderem die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, die funktionale Leistungsbeschreibung und den Vergabeprozess durchgeführt. Um den positiven Effekt der Photovoltaik-Kraft weiter auszubauen, plant der Großhändler eine Erweiterung der PV-Anlage bis zu einer Endleistung von 1,6 Megawatt.

Was bei einzelnen Gebäuden und Standorten funktioniert, kann auch für ganze Portfolios umgesetzt werden. Für einen globalen Eigentümer, Entwickler und Betreiber von Logistikimmobilien übernimmt Drees & Sommer in Sachen Photovoltaik das Portfoliomanagement der Standorte in Deutschland. Ziel des Unternehmens ist es, PV-Anlagen auf allen Logistikhallen in Deutschland zu betreiben. Das aktuelle Projektportfolio umfasst 50 Megawatt auf 800.000 Quadratmetern Dachfläche. Und es kommen weitere Flächen hinzu. Die ersten Anlagen sind bereits im Sommer 2023 in Betrieb gegangen.

Dass auch Fassaden sich sehr gut für die PV-Nutzung eignen können, beweist Drees & Sommer mit seinem eigenen Neubau an den Oberen Waldplätzen 12 in Stuttgart. Der aufgrund seiner Adresse „OWP12“ genannte Büroneubau ist ein Plusenergiehaus mit Vorbildfunktion. Insbesondere die Gebäudehülle hat es in sich: Eine neuartige modulare Fassade erzeugt Energie und erfüllt zugleich hohe Ansprüche an den Schallschutz. Für eine positive Energiebilanz wurden – neben einer Erdwärme- und einer Luft/Wasser-Wärmepumpe – nicht nur Photovoltaikelemente auf dem Dach eingesetzt, sondern auch in den Fassadenflächen. Sie sind in die Süd- und Westfassade des Gebäudes integriert.

Die Fassaden im Foyer enthalten ebenfalls eine Isolierverglasung mit integrierten PV-Wafern, welche die Stromerzeugung der Gebäudehülle auch im Innenraum erlebbar machen. Die Photovoltaikelemente in der Fassade erreichen etwa 100 Kilowatt Leistung, die Gesamtleistung der PV-Anlage inklusive Dach beträgt circa 260 Kilowatt. Damit decken die auf rund 670 Quadratmetern Fläche verbauten Solarmodule der Fassade etwa ein Drittel des Strombedarfs des Gebäudes ab. Der Rest wird auf dem Dach erzeugt.

Gefragt: Handeln aus Überzeugung

Um die Solarenergie in Deutschland in dem Umfang auszubauen, der zum Erreichen des für 2030 gesetzten Ziels von 215 Gigawatt erforderlich ist, braucht es deutlich mehr Beispiele wie diese. Gewerbe- und Industrieunternehmen sollten viel stärker in Photovoltaik investieren und verfügbare Flächen ausschöpfen. Dabei geht es nicht darum, freie Bodenflächen zu versiegeln, obwohl mit Agri-PV auch dafür schon Alternativen bereitstehen. Gemeint sind vielmehr Flächen auf Büroimmobilen, Industriegebäuden, Lagerhallen und Logistikzentren. Dabei lässt sich Photovoltaik längst nicht nur auf Dächern flächendeckend anbringen, sondern auch an Gebäudefassaden. Bislang wird dieses Potenzial kaum genutzt.

Neben klaren Vorteilen in Sachen Klimaschutz und Energiekosten wirkt sich die Installation einer PV-Anlage auch positiv auf das ESG-Konto eines Unternehmens aus (ESG steht für Environmental, Social and Governance, deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Damit der Photovoltaikausbau an Tempo gewinnt und Deutschland seinen Klimazielen näher kommt, braucht es neben dem gesetzlichen Rahmen und Förderungen aber auch Eigeninitiative. Vor allem die deutsche Industrie als zweitgrößter Verursacher von CO2-Emissionen trägt dabei eine besondere Verantwortung. Wichtig ist jedoch, dass Unternehmen nicht nur aus Pflicht oder Handlungsdruck, sondern aus Überzeugung handeln. Denn nur dann wird auch der größtmögliche Nutzen für das eigene Unternehmen und die Umwelt erreicht.

Literatur

[1] Solar Cluster Baden-Württemberg: Photovoltaik in Gewerbe und Industrie – Solar­energie erfolgreich einsetzen, https://t1p.de/geb240462

[2] Statista: Verteilung des Stromverbrauchs in Deutschland nach Verbrauchergruppen in den Jahren 2013 und 2023, https://t1p.de/geb240463

[3] Mannheim Institute for Sustainable Energy Studies (MISES): The economic dynamics of competing power generation sources, https://t1p.de/geb240464

Der Neubau OWP12 am Stammsitz von Drees & Sommer in Stuttgart wurde im Dezember 2021 bezogen. Damit das an eine Autobahn angrenzende Gebäude nicht zu sehr spiegelt, wurde bei der Fassade ein mit Mikro-Prismen mattiertes Deckglas eingesetzt. Interessanter Nebeneffekt: Das Spezialglas steigert den PV-Ertrag um bis zu drei Prozent.

Bild: Juergen Pollak

Der Neubau OWP12 am Stammsitz von Drees & Sommer in Stuttgart wurde im Dezember 2021 bezogen. Damit das an eine Autobahn angrenzende Gebäude nicht zu sehr spiegelt, wurde bei der Fassade ein mit Mikro-Prismen mattiertes Deckglas eingesetzt. Interessanter Nebeneffekt: Das Spezialglas steigert den PV-Ertrag um bis zu drei Prozent.
Frederik Setz
absolvierte eine Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Danach folgte eine Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker (Elektrotechnik). Seit 2022 arbeitet er als Consultant und Experte für Photovoltaikanlagen bei Drees & Sommer. Seine weiteren Schwerpunkte liegen im Bereich Ladeinfrastruktur für Elektromobilität und bei KGR-440-Starkstromanlagen.

Bild: Drees & Sommer

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