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GIH-Bundeskongress

Wieder Fahrt aufnehmen

Mit einer Mischung aus ungeschönter Bestandsaufnahme und verhaltenem Optimismus begann und endete er in Berlin, der zwölfte Bundeskongress des Energieberatendenverbands GIH. Bundesvorsitzender Stefan Bolln sprach einleitend von der großen Verunsicherung unter den potenziellen Auftraggeber:innen wie unter den Energieberatenden. Ausgelöst nicht zuletzt durch das angekündigte Pausieren der Auszahlungen. Zur Bestandsaufnahme gehörte dabei der Verweis auf den kläglichen Anteil ganzheitlicher Sanierungen an den 2023 betreuten Projekten: vier Prozent [1]. Mindestens zehn Prozent hätten es sein müssen, so Bolln. Doch er habe auch die Hoffnung, dass jetzt „Dampf“ in die Energie-, die Wärme- und Gebäudewende komme. Eben weil es – nur scheinbar ein Widerspruch – ruhiger werde in der Förderpolitik. Auch die Vortragenden aus den zuständigen Ministerien und Förderinstitutionen versicherten der Zuhörerschaft ein ums andere Mal, dass der Zug nun Fahrt aufnehmen werde.

Wenig bekannte Förderoptionen

Das Vortragsprogramm eröffnete Herman Josef Tenhagen, Geschäftsführer von Finanztip, aus Kalkar gebürtig und daher nicht ganz zufällig schon in jungen Jahren Atomkraftgegner. Tenhagen lieferte einige gute Argumente für die energetische Sanierung. Zu Beginn musste er jedoch wie Bolln auf die ernüchternden Fakten hinweisen: die niedrige Zahl installierter Wärmepumpen 2023, die besorgniserregende Sanierungsrate von 0,7 Prozent, die in diesem Jahr weiter auf 0,6 Prozent sinken könne. Für dieses Stocken führte er mehrere Gründe an.

Tatsächlich wisse nur ein Bruchteil der Berechtigten von den sehr guten Förderoptionen. Dann seien immer noch zu wenige SHK-Betriebe für den Einbau von Wärmepumpen qualifiziert, die Fortbildungen würden nicht ausreichend nachgefragt. Außerdem kursierten unter Hauseigentümer:innen generell grundfalsche Vorstellungen über hohe Energiestandards als Kostentreiber, beruhend auf fehlerhaften Berechnungen, die unter anderem die „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen“ in die Welt setze. Der Finanzexperte empfahl, neben den Bundeszuschüssen auch die kommunalen Förderungen zu berücksichtigen. Dazu komme für viele Privatleute auch die Option Wohngeld infrage. Zudem merkte er an, dass die derzeit sinkenden Immobilienpreise interessanterweise nicht die energetisch sanierten Gebäude beträfen.

Stimmen aus den Ministerien

Martin Schöpe, Leiter des Referats Rechtsfragen Gebäudeenergie im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), nahm das Gebäudeenergiegesetz (GEG) gegen den Vorwurf der Überkomplexität in Schutz. Was an einer Stelle hinzugekommen sei, vor allem im § 71, sei anderswo entfallen. Besagter Paragraph 71 listet zahlreiche wirtschaftliche Möglichkeiten auf, die 65-Prozent-Regel zu erfüllen. Wer sich trotzdem für die fossile Heizung entscheide, ginge ein finanzielles Risiko ein: Solche Anlagen werde man sukzessive mit etwa grünem Wasserstoff, seinen Derivaten oder auch Biomethan betreiben müssen, doch die würden knapp und teuer sein.

Betreffs der Wasserstoffproduktion und der H2-Netze verwies er darauf, dass in vielen Fällen die Alternative Strom bereits angedacht und um einiges wahrscheinlicher sei. Abschließend bat Schöpe die Anwesenden um Feedback zu Umsetzungsproblemen bei der Erfüllung von GEG-Anforderungen. Die Vertreter des Bundes bekamen bei aller Zurückhaltung den Frust des Auditoriums über die verzögerte Auszahlung der Fördermittel sowie die zähe und wenig transparente Antragsbearbeitung zu spüren. Tenor im Publikum: „Es geht zu langsam.“ Tenor auf der Bühne: „Es geht leider nicht schneller.“

Jens Acker, BMWK-Referatsleiter Förderung Gebäudeenergie, zog in seinem Vortrag eine Zwischenbilanz zur Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) und warb um Verständnis für die Förderinstitutionen: „Die Umstellung auf Automatisierung der Antragsbearbeitung ist anspruchsvoll und erfordert Sorgfalt.“ Er betonte den Aspekt der Fördergerechtigkeit, der Fokus beim Heizungstausch liege auf selbstnutzenden Eigentümer:innen. Gut 30 Prozent der Antragstellenden hätten bisher den Einkommensbonus in Anspruch genommen.

Marcus Kaufmann, bei der KfW zuständig für Mittelstand und private Kunden, ging auf die Kombinationen von Bafa- und KfW-Heizungsförderung ein und verwies auf die Wichtigkeit des Lieferungs- oder Leistungsvertrags mit auflösender oder aufschiebender Bedingung. Innerhalb der KfW-Programme gebe es Details bezüglich möglicher Kombinationen zu beachten: Etwa müsse man bei der Kombination von Effizienzhaus- und Heizungsförderung auf die EE-Klasse verzichten.

Tobias Fresenius, BMWK-Referatsleiter Kommunikation, berichtete zur Bundesförderung der Energieberatung für Wohn- und Nichtwohngebäude (EBW und EBN). Er bat um Verständnis für die schwerfällig erscheinenden Förderinstitutionen, die abgesehen von der Umstellung auf die automatisierte Antragsbearbeitung mit den Nachwirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds und der Haushaltssperre umzugehen hätten. Zugleich hob er hervor, dass die Förderung des Heizungstausches noch nie so üppig gewesen
sei wie zurzeit.

Auch er zeigte sich zuversichtlich, was die weitere Entwicklung anging. Von Januar bis April seien 55.000 Anträge zur EBW eingegangen. Fresenius riet, sich auf der vom BMWK unterhaltenen Internetseite www.energiewechsel.de zu informieren, dort könnten sogar Effizienz-Expert:innen noch Neues erfahren. Die immer wieder angemahnte Entbürokratisierung finde statt, in kleinen Schritten. So sei inzwischen die „Bestätigung der wahrheitsgemäßen Angaben“ im Rahmen der EBW nicht mehr erforderlich. Alles in allem, meinte Fresenius, gebe es keinen Grund zur Skepsis und Besorgnis.

Geplante Förderprogramme

Neben den Statusberichten zu laufenden Förderprogrammen wurden zwei noch in der Planungsphase befindliche vorgestellt. Barbara Krämer-Zain, Referatsleiterin Energieeffizientes Bauen und Sanieren im Bundesbauministerium, berichtete vom Programm „Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment“. Hier werde der im bestehenden KFN-Programm eingeforderte, teure Nachweis für das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude voraussichtlich nicht enthalten sein.

Manuela Zimmermann, im Bauministerium Leiterin des Referats Wohneigentumsförderung, informierte zum geplanten Programm „Jung kauft alt“, das jungen Familien mit Kindern unter 18 Jahren den Erwerb und die Sanierung von Bestandsgebäuden erleichtern soll. Es werde mit anderen BEG-Maßnahmen kombinierbar sein.

Ungeliebte DIN V 18599 und unverstandene Wärmeplanung

Auch Simon Wössner war in der Defensive und in der Offensive zugleich. Wössner leitet im Fraunhofer IBP die Gruppe Planungswerkzeuge und brach eine Lanze für die oft kritisierte DIN V 18599, auf deren Basis seit Anfang 2023 der Energiebedarf von Gebäuden für die BEG ermittelt werden muss: „Die Norm erlaubt die detaillierte Abbildung aller Techniken zur Versorgung mit erneuerbarer Wärme, wie vom GEG vorgesehen.“ Ein Grund für die Unbeliebtheit der DIN 18599 sind bekanntlich die fixen Randbedingungen, die regelmäßig zu übermäßig hohen Energiebedarfen führen und in der Folge die Kund:innen irritieren.

Diese Parameter müssten jedoch nur für Nachweise gemäß GEG angewendet werden, erläuterte Wössner, für die Beratung könne man dagegen mit den tatsächlichen Nutzungs- und Klimabedingungen vor Ort bilanzieren und so der Realität recht nahekommen. Darüber hinaus seien auf der Norm basierende Programme ideal zum Durchspielen unterschiedlicher Varianten in Konstruktion und technischer Ausstattung.

Eric Eigendorf vom Kompetenzzentrum Kommunale Wärmeplanung bestätigte, dass das Wärmeplanungsgesetz (WPG) mit eine Ursache für die Zögerlichkeit vieler potenzieller Auftraggeber:innen ist. Doch mit der Entscheidung für Sanierung oder Heizungstausch nur wegen einer noch anstehenden Wärmeplanung am Ort zu warten, sei „das Unschlaueste, was man machen kann“, so der Experte diplomatisch. Denn wenn es 2026 oder 2028 doch plötzlich losgehe, werde es hektisch werden und sicher „nicht vergnügungssteuerpflichtig“. Überdies werde niemand, der sich heute für eine Wärmepumpe entscheide, später zum Anschluss ans Wärmenetz gezwungen werden. Daneben machte Eigendorf auf einen oft übersehenen Aspekt der Wärmeplanung aufmerksam: die Gebäudeeffizienz. Verbrauchssenkende Maßnahmen, wie die Dämmung der Gebäudehülle, seien immer einzubeziehen.

Fragen, Vorschläge und klare Worte auf dem Podium

Nach den Vorträgen und in den Pausen hatte man Gele­genheit, Fragen zu stellen, Vorschläge zu machen, zu diskutieren. So gab es zum Beispiel die dringende Bitte, die Baubegleitung wieder zu fördern und außerdem die eingereichten individuellen Sanierungsfahrpläne wieder zu prüfen. Viele zu Dumpingpreisen und ohne Vor-Ort-Termin erstellte Sanierungsfahrpläne seien das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt seien. Gerhard Holzapfel vom GIH ­merkte an, dass nicht wenige der Kund:innen im fort­geschrittenen Alter weder Internetzugang noch E-Mail-Adresse hätten, sodass sich die Antragstellung kompliziert gestalte.

In der abschließenden Podiumsdiskussion zwischen Vertretern der Energieberatenden, der Politik und dem Auditorium ging es höflich, aber bestimmt zur Sache. Daniel Föst von der FDP polemisierte gegen Sanierungszwang und starke Effizienzvorgaben. Christian Noll, Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz erinnerte ihn daran, dass diese Vorgaben seit 2014 nicht mehr angehoben worden seien. Mit Bezug auf die etwas schwache EU-Gebäuderichtlinie forderte er, dass das Prinzip „worst first“ endlich auch für Wohngebäude gelten müsse. Thomas Heilman, CDU, der mit seiner Klage vor dem Verfassungsgericht das Inkrafttreten des GEG verzögert hatte, wurde gefragt, wie es denn eine eventuelle Unions-Regierung mit dem Gesetz halten würde. Werde man alles wieder rückgängig machen? Nein, so Heilmann, nur die „Regelungsdichte“ werde man zurückschrauben. Grünen-Politiker Stefan Wenzel, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWK, gab auch der Desinformation aus Russland die Schuld an der schleppenden Energiewende. Er bat alle Anwesenden, ihm ihre Best-Practice-Beispiele zu schicken, damit man mehr Menschen Lust aufs energetische Sanieren machen könne.

In seinem Schlusswort appellierte Stefan Bolln an die Politik, es den Energieberatenden („allesamt Überzeugungstäter“) nicht zu schwer zu machen und ihnen nicht nur zuzuhören, sondern ihre Anregungen auch umzusetzen. Das Geld sei vorhanden, aber man könne es derzeit schlicht nicht „auf die Straße bringen“, und das trage zur abwartenden Haltung in der Bevölkerung bei. An das Plenum im Saal gerichtet sagte Bolln, die meisten Menschen draußen wüssten, wie bedeutend die gesellschaftliche Aufgabe der Effizienzexpertinnen und -experten sei. Diesen Rückenwind gelte es zu nutzen.

Quelle

[1] Reporting zur BEG-Förderung für das Gesamtjahr 2023: https://t1p.de/geb240541

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