Die Energiewende braucht Daten. Damit Städte und Gemeinden wissen, wo zum Beispiel in ihrem Gebiet Potenziale für Photovoltaikanlagen liegen, in welchen Bereichen Wärmenetze ausgebaut werden oder um die energetischen Zustände von Gebäuden zu bestimmen, benötigen sie eine Vielzahl von verschiedenen Informationen. Und diese müssen zusammengebracht und analysiert werden – keine triviale Aufgabe.
Das Startup Greenventory verspricht dabei Unterstützung. Die Ausgründung des Karlsruher Instituts für Technologie und des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme bietet verschiedene digitale Werkzeuge, mit denen die Kunden Erkenntnisse aus ihren Daten ziehen können. „Unsere Zielgruppe sind vor allem Städte, Energieversorger, Netzbetreiber und Planungsbüros“, sagt David Fischer, einer der Gründer und technischer Leiter von Greenventory. Diese nutzen die Dienste von Greenventory selbst oder geben ihren eigenen Kunden die Möglichkeit dazu.
Mit den Software-Programmen, die das Unternehmen als Service bereitstellt, können sich Nutzer Energiedaten auf einer digitalen Landkarte darstellen lassen. Auf dieser Basis können die Anwender dann Energiekonzepte erstellen – vom Einzelgebäude bis zur gesamten Gemeinde oder Stadt.
Solarfind zeigt Möglichkeiten für den PV-Ausbau
Mit dem Programm Solarfind etwa können Kommunen und Stadtwerke die Photovoltaikpotenziale von Gebäudedächern analysieren. Sie sehen, wo bereits PV-Anlagen existieren und wo nicht. Dadurch können sie ungenutzte Möglichkeiten für den PV-Ausbau ermitteln und anschließend diese Informationen an Gebäudeeigentümer weitergeben. Dank der entsprechenden Datenbasis machen sich diese dann im Idealfall daran, eine Solarstromanlage zu installieren.
Mit dem digitalen Werkzeug Heatfind, das Greenventory ebenfalls im Angebot hat, können private und gewerbliche Gebäudeeigentümer den energetischen Zustand ihres Hauses analysieren, die geeignetsten Sanierungsmöglichkeiten ermitteln und danach das Angebot einer Energieberatung einholen. Kommunen und Energieversorger erhalten so eine Übersicht über die Wärmewende vor Ort. Neben den bereits sanierten Gebäuden sehen sie, wo noch Bedarf besteht. So können sie zielgerichtet Maßnahmen entwickeln, um dort aktiv zu werden. Damit biete Greenventory auch Unterstützung in der kommunalen Wärmeplanung, so Fischer.
Datenauswertung ist Mammutaufgabe
Ein entscheidender Faktor in den digitalen Lösungen ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Sie hilft dabei, die vielen unterschiedlichen Daten zusammenzuführen, deren Qualität zu überprüfen und dann auszuwerten. Und dies kann in vielen Fällen eine Mammutaufgabe darstellen, die ohne KI nur schwer zu bewältigen wäre. Denn die Informationen können etwa aus öffentlichen Karten, von Schornsteigerfegern oder aus Datenbanken zu Energieverbräuchen stammen. Hinzu kommen Klima- sowie Satellitendaten, die Greenventory bereitstellt. Dafür arbeitet das Unternehmen mit der europäischen Weltraumorganisation ESA zusammen.
Für die Stadt Staufen beispielsweise analysierte das Startup über 4.000 Gebäude per Satellitenaufnahmen und weiteren Parameter hinsichtlich ihrer Photovoltaikpotenziale. Herausgekommen ist eine digitale Karte, auf der zu sehen ist, auf welchen Gebäuden Solarpanels für die effizienteste Energiegewinnung angebracht werden können. Für die Berechnung wurden nicht nur die Größe und Ausrichtung der Dächer berücksichtigt, sondern auch die Position der Sonne.
Die Nutzer erhalten mit Greenventory laut Fischer auch einen digitalen Zwilling – also ein elektronisches Abbild einer Stadt oder eines Quartiers, das für Simulationen genutzt werden kann. „Man kann interaktiv verschiedene Maßnahmen durchspielen und erhält Vorschläge von der Software“, erklärt Fischer. Kommunen erhalten so zum Beispiel Empfehlungen, in welchen Gebieten sie Wärmenetze ausbauen oder wo sie eher auf eine andere Energieversorgung setzen sollten. Auch für die Unterbreitung der Vorschläge wird KI genutzt.
Maßnahmen für klimafreundliche Wärmeversorgung
Die Stadt Schwäbisch Hall beispielsweise leitete acht gezielte Maßnahmen aus der Zusammenarbeit mit Greenventory ab, um die Wärmeversorgung zu transformieren. Für die kommunale Wärmeplanung wurden verschiedene Informationsquellen angezapft. Dazu gehörten etwa Verbrauchsdaten auf Gebäudeebene, die von den Stadtwerken bereitgestellt wurden. Der Bezirksschornsteinfeger lieferte die elektronischen Kehrbücher und das Bau- sowie das Stadtplanungsamt stellten weitere Plan- und Geodaten zur Verfügung. Diese führte Greenventory mit eigenen Energiemodellen zusammen.
Die Analyse der Informationen legte verschiedene Möglichkeiten offen, den Wärmebedarf in Schwäbisch Hall zukünftig klimafreundlicher zu decken. So wurden unter anderem Abwärmequellen in lokalen Unternehmen sowie Potenziale für Solarthermie und Flusswasserwärme identifiziert. Außerdem sollen Wärmenetze ausgebaut werden. Dafür erfasste die Stadt die entsprechende Infrastruktur und legte anschließend Eignungsgebiete für die Erschließung der Fernwärme fest.
Laut Fischer ist Greenventory aktuell in über 500 Gemeinden in Projekten aktiv. Und dabei gehe es nicht immer nur darum, die richtige Software bereitzustellen. „Wir sehen uns als Full Solution Provider und unterstützen Kommunen auch mit Ingenieuren sowie Projektmanagern beziehungsweise -managerinnen.“
Daneben sollen die Funktionen der digitalen Werkzeuge weiter ausgebaut werden. Laut Fischer gibt es Pläne, noch stärker Bilddaten zu nutzen, die etwa auf einfache Weise von Anwendern mit dem Mobiltelefon gemacht werden. Damit könnten sich neue Möglichkeiten für Analysen ergeben. Außerdem sollen die Fähigkeiten der KI noch weiter erschlossen werden. „Wir probieren gerade sehr, sehr viel aus“, so Fischer.

Bild: Stadt Schwäbisch Hall/Nico Kurth
KI-Serie
Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie, welche die vielfältigen Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz im Berufsfeld Energieberatung darstellt.