Seit den 1980er Jahren beschäftigt sich die Wissenschaft intensiver mit Klimamodellen und mit den Folgen der globalen Erwärmung. Eine der schon früh vorhergesagten ist die Zunahme an Starkniederschlägen: Die wärmere Atmosphäre nimmt mehr Wasser auf, das immer öfter in sehr großen Mengen und in sehr kurzer Zeit wieder abregnet. Unsere Gebäude müssen auch auf diese Form des Extremwetters vorbereitet werden. Solche mit Steildächern sind kaum gefährdet, Flachdachgebäude dagegen erheblich. Klimarobustheit heißt in ihrem Fall, dass zum einen die Dachabdichtung widerstandsfähig und langlebig ist, und dass zum anderen die Entwässerung auch mit plötzlichen, heftigen Niederschlägen fertig wird.
Verband hat Merkblatt zur Dachentwässerung veröffentlicht
Dachdeckermeister Bernd Redecker aus Köln, technischer Referent für den Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), sieht jedoch bei der Klimaanpassung von Flachdächern hier und da noch Nachbesserungsbedarf. Technik und Materialien zur Entwässerung auch von großen Objekten seien vorhanden, aber Planung und Auslegung der Systeme seien anspruchsvoll. Eigentlich sollten die Eigentümer:innen von Gebäuden oder Liegenschaften spezialisierte Fachplaner:innen mit der Berechnung der Entwässerungssysteme beauftragen. In der Praxis jedoch sei es dann oft das Dachdeckerhandwerk, das diese Aufgabe übernehme.
Deswegen habe der ZVDH eigens das „Merkblatt zur Bemessung von Entwässerungen“ erstellt, das seit April 2023 in der zweiten, aktualisierten Version vorliegt und Teil der Fachregeln des Deutschen Dachdeckerhandwerks ist. Darin findet man alles Wichtige, alle Grundregeln und Leitlinien, wie sie sich aus den zu beachtenden Normen ergeben. Zu nennen seien die DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“, die ein Entwässerungskonzept fordert und die Verfahren zur Berechnung liefert, außerdem die DIN EN 12056 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden“. Dazu die Flachdachrichtlinie der Fachregeln sowie die DIN 18531 „Abdichtung von Dächern sowie von Balkonen, Loggien und Laubengängen“.
Risikobewusstsein auf der Auftraggeberseite noch nicht vorhanden
Wer ein Konzept zur Notentwässerung erstellt, der muss sich zudem nach den aktuellen Starkniederschlagsdaten des Deutschen Wetterdienstes richten. Der DWD hat das gesamte Bundesgebiet in Raster von 8,15 mal 8,2 Kilometern eingeteilt und hält für jedes Raster die betreffenden Zahlen parat. Man bekommt diese regionalisierten Rasterdatensätze kostenlos. Darüber hinaus bietet der Dienst Starkniederschlagstabellen für einzelne Standorte an, für je 70 Euro (zzgl. MwSt). Gut investiertes Geld, findet Redecker, die Tabellen seien hilfreiche Planungsinstrumente.
Was aber, wenn Auftraggeberinnen und Auftraggeber ihrerseits den Aufwand nicht treiben und nicht bezahlen möchten? Sein Gewerk, sagt Redecker, habe es häufiger mit eher skeptischen Bauherr:innen und Eigentümer:innen zu tun, die es genau erklärt und begründet bekommen wollen, warum sie ihre Objekte gegen Wetterextreme absichern sollen. Seinen Kolleg:innen empfiehlt er, mit diesen Kund:innen eine sondervertragliche Vereinbarung abzuschließen, solle von der geplanten Entwässerungsberechnung abgewichen werden. Schleppende Klimaanpassung hat also offenbar auch mit einem Mangel an Risikobewusstsein zu tun.