Die Transformation des Gebäudebestands mit dem Ziel einer nachhaltigen Wirtschaftsweise hat einige Eigenschaften mit der Forstwirtschaft gemeinsam. Dort ist der Gedanke der nachhaltigen Bewirtschaftung entstanden. Sie bedeutet, über lange Zeiträume in die Zukunft zu denken, und das gewünschte Resultat durch heutige Handlungen zu ermöglichen. Dabei werden langsame, aber recht verlässlich vorhersehbare Prozesse gesteuert. Der Schlüssel liegt darin, heute zu säen, was zwei Jahrhunderte später genutzt werden soll.
Bäume wachsen über mehrere Menschen-Generationen heran und Gebäudebestände werden in ähnlichen Zeiträumen weiterentwickelt. Sie sind sehr langlebige Güter, die große Werte binden. Jegliche Veränderung erfolgt daher nur sehr langsam und in der Regel anlassbezogen. Sie erfordert hohe Investitionen und das Überwinden von Beharrungskräften, wie wir in der aktuellen Gaskrise deutlich beobachten können. Umso wichtiger ist es, heute so zu planen und zu bauen, wie es für eine erfolgreiche Energiewende erforderlich ist. Vom Ende her denken und danach handeln – das wäre die Haltung des Gebäudeförsters.
Denn gerade in der Gebäudesanierung ist eine Erkenntnis zentral: Jedes heute sanierte Gebäude wird in den kommenden fünf bis zehn Dekaden nicht erneut saniert. Eine Wirtschaftsweise ohne fossile CO2-Emissionen wollen wir bis 2050 erreicht haben – das sind nur noch gut 25 Jahre. Daher muss heute jede Sanierung so ausgeführt werden, dass das Gebäude in dem vollständig erneuerbaren Energiesystem dieser nahen Zukunft gut funktioniert. Es wird keine zweite Möglichkeit dafür geben.
Gebäude müssen so rasch wie möglich nachhaltig betrieben werden. Das stellt Anforderungen an die verwendeten Baumaterialien. Der dominierende Faktor ist dennoch die Energieversorgung in der Nutzungsphase. Diese Energie muss nachhaltig zur Verfügung gestellt werden, ohne CO2 oder andere problematische Emissionen und ohne Nutzungskonflikte, Stichwort: Tank oder Teller.
Dabei haben auch die erneuerbaren Energien eine Gemeinsamkeit mit der Landwirtschaft, man kann sie sogar als moderne, technische Form der Landwirtschaft verstehen: Ihr Potenzial ist in geringer Dichte über die Landesfläche verteilt verfügbar. Da das Potenzial an die Fläche gekoppelt ist, ist es wie die Fläche selbst natürlich begrenzt. Soll nun die Frage nach Nullenergie-Gebäudekonzepten beantwortet werden, muss zuerst ein angemessener Maßstab gefunden werden. Erst dann kann eine Planungsentscheidung in die richtige Richtung getroffen werden.

Bild: Passivhaus Institut
Energie und Ressourcen
In den zurückliegenden zehn Jahren wurden verschiedene Net-Zero-Bewertungskonzepte für Gebäude vorgeschlagen, um eine praktikable Nachhaltigkeitsbewertung vorzunehmen. Dabei wird in Gebäuden des 21. Jahrhunderts immer technisch aufbereitete Energie genutzt, ein Nullenergie-Gebäude im absoluten Sinn kommt also gar nicht in Frage. Im Folgenden sollen daher einige konkurrierende Ansätze grob skizziert und wesentliche Merkmale herausgearbeitet werden.
Zuerst braucht es jedoch einen Blick auf die absehbaren Umrisse des gerade entstehenden erneuerbaren Energiesystems. Dieser Blick ist in Ermangelung einer Kristallkugel naturgemäß unscharf. Er wird dennoch ausreichen, um einige zentrale Anforderungen und Wechselwirkungen aufzuzeigen, die in Physik und Klima unserer Welt begründet liegen.
Es besteht große Einigkeit in der Frage, dass die Einhegung des Klimawandels eine rasche Abkehr von der Nutzung fossiler Energierohstoffe erfordert und diese durch andere Energiequellen ersetzt werden müssen. Klammert man Kernenergie aufgrund inhärenter Risiken, Proliferation für militärische Zwecke und ungeklärter Entsorgungsfragen aus, bleiben erneuerbare Energiequellen wie Windkraft und Solarenergie als zentrale Bausteine eines zu 100 Prozent erneuerbar versorgten Energiesystems.
Die Verfügbarkeit von Biomasse ist stark begrenzt und unterliegt Nutzungskonkurrenzen für höherwertige Anwendungen. Sie kann nur wenig zum Energiebedarf in Europa beitragen, hat jedoch den großen Vorteil, von Natur aus lagerbar zu sein. Dies prädestiniert sie zur Nutzung in Zeiten, da andere erneuerbare Energien wenig verfügbar sind (Dunkelflaute). Sie wird jedoch auch stark zur stofflichen Nutzung für chemische Synthesen und Kraftstoffe mit hoher Energiedichte herangezogen werden, wie sie für Flugzeuge und Schiffe unverzichtbar sind. Die Verfügbarkeit für den Gebäudesektor wird dadurch nochmals geringer.
Somit ist die primäre Energie zukünftig in Form von erneuerbar gewonnener Elektrizität verfügbar, hauptsächlich aus Wind und PV. Die Windkraft hat im Sommer ein etwas geringeres Potenzial, verursacht durch erhöhte Turbulenz aus Thermik in Bodennähe. Das wird mehr als ausgeglichen, wenn ausreichend PV-Kapazitäten installiert werden (z. B. ~ 50/50). Zusammen können beide von Frühling bis Herbst reichlich Energie bereitstellen, Pumpspeicher und Batterien gleichen kleinere Schwankungen im Tages- und Wochengang aus. Auch ein weiträumiges Verbundnetz hilft, das regional schwankende Angebot mit der Nachfrage in Einklang zu bringen.
Im Winter ist das PV-Angebot jedoch stark vermindert. Auch ein etwas reicherer Ertrag in der Windkraft gleicht das nicht annähernd aus, will man nicht einen unwirtschaftlich hohen und gesellschaftlich kaum akzeptablen Windkraftausbau zu Grunde legen. Er ist zudem durch die Verfügbarkeit passender Standorte begrenzt.
In der Folge trifft eine strukturell verminderte Verfügbarkeit von Energie im Winter auf einen strukturell erhöhten Bedarf zur Beheizung von Räumen: Die Erde kühlt aus, da weniger Solar-
energie eingestrahlt wird – also derselbe Grund wie bei der Ertragsminderung der PV. Man kann dieser Herausforderung begegnen, indem man sommerliche Überschüsse für den Winter einlagert, ähnlich wie es mit der Biomasse natürlicherweise geschieht. Das gelingt nur, indem Elektrizität in chemische Energieträger umgesetzt wird, die sich dauerhaft lagern lassen; also Wasserstoff und davon abgeleitete Verbindungen. Diese lassen sich später wieder rückverstromen, durch Brennstoffzellen etwa oder thermische Kraftwerke. Abwärme dieser Prozesse kann im Winter genutzt werden, die Elektrizität über die Nutzung in Wärmepumpen ein Mehrfaches an Wärme bereitstellen.
Auch wenn diese Prozesse bekannt und verfügbar sind und keine substanziellen technischen Schwierigkeiten entgegenstehen, ist ihre Gesamteffizienz doch sehr gering. Dazu kommt, dass die Erzeugungskapazität für Elektrizität aus eingelagerten Energieträgern für den Fall der Dunkelflaute quasi die gesamte Netzbelastung vorhalten muss, jedoch nur kurze Betriebszeiten erreicht. Das verteuert diese Energie zusätzlich, eine ernste wirtschaftliche Herausforderung.
Folglich ist es im Winter wesentlich aufwändiger, die Elektrizitätsversorgung zu allen Zeiten zu sichern als im Sommer, und auch wesentlich aufwändiger als heute. Unsere Marktwirtschaft wird dies in Form höherer Preise für Energie im Winter abbilden. Auch hiervon gibt die gegenwärtige Gaskrise einen Eindruck.
Aus diesen Zusammenhängen lassen sich drei offensichtliche Schlüsse ziehen:
Bewertungssysteme für die Nachhaltigkeit von Gebäuden sollten auch mit diesen Schlüssen nicht in Widerspruch geraten und, trotz aller Unsicherheiten, heutige Planungsentscheidungen an Gebäuden in die richtige Richtung lenken.
Jetzt endlich kann die kurze Tour zu den zwei wesentlichen Net-Zero-Ansätzen beginnen.

Nullemissions-Gebäude (Net-Zero-Carbon)
Kernaussage: Die Welt hat ein CO2-Problem, kein Energieproblem. CO2-Emissionen sind daher der angemessene Maßstab. Verschiedene Energieformen können in einen gemeinsamen Kennwert überführt werden, indem man sie mit ihren jeweiligen Emissionsfaktoren multipliziert bevor man sie summiert. Unterschiedliche Treibhausgase können über CO2-Äquivalente berücksichtigt werden.
Pro: Zweifellos ist der Klimawandel vorrangig auf CO2-Emissionen zurückzuführen. Diese möglichst rasch zu mindern bzw. zu beenden ist von größter Bedeutung.
Contra: Der Ansatz verleitet zu der gefährlichen Interpretation, man könne die gegenwärtige, ineffiziente Nutzung fossiler Energierohstoffe einfach durch Erneuerbare ersetzen und im Übrigen weiter machen wie bisher.
Dabei wird die räumlich und zeitlich begrenzte Verfügbarkeit der Erneuerbaren übersehen. Die Welt hat auch ein Energieproblem. Sofern keine weiteren, robusten Kriterien in Ansatz gebracht werden, wird der Net-Zero-Carbon-Ansatz zwei unserer Schlussfolgerungen verletzen: Er begrenzt weder Energieeinsatz noch Leistungsbezug in Abhängigkeit von der Jahreszeit und leitet nicht auf eine verträgliche Einbettung in das erneuerbare Energiesystem hin. Net-Zero-Carbon allein ist mithin unzureichend. Zudem öffnet die Definition über ein Netto-Null Wege zur vermeintlichen Kompensation verbleibender fossiler Emissionen durch Ausgleichsmaßnahmen. Diese werde stark kritisiert für ihre ungesicherte Wirkung und Intransparenz.Zero-Carbon könnte als Zusatzkriterium in einem größeren Zusammenhang nützlich sein, der die Schlussfolgerungen in Bezug auf das zukünftige Energiesystem beherzigt.
Nullenergie-Gebäude (Net-Zero-Energy)
Kernaussage: Das Gebäude gewinnt genauso viel Energie wie es verbraucht oder sogar noch mehr. Ein Primärenergiefaktor für gewonnene und genutzte Energie kann beide vergleichbar machen, in einigen Fällen wird aber auch direkt Endenergie verrechnet. (Dies ist nicht eindeutig durch die Begriffsdefinition abgedeckt und kann zu Verwirrung führen.)
Pro: Gebäude nehmen Land in Anspruch und anstatt neues Land für erneuerbare Energien zu überbauen, sollten bevorzugt die Gebäudeflächen genutzt werden, um Erzeugungskapazitäten zu schaffen. Als Standardmaßnahme kann dies dazu beitragen, die für ein vollständig erneuerbares Energiesystem benötigten Kapazitäten zu schaffen.
Contra: Es ist unsolide, sommerliche Überschüsse mit winterlichem Energiebezug zu verrechnen, ohne die (jahreszeitliche) Energiespeicherung und deren Verlustketten zu berücksichtigen. Hier ergibt sich also ein zusätzlicher Faktor, stets größer als 1, um den die sommerliche Gewinnung den winterlichen Bezug übersteigen muss. Zudem muss das Energiesystem alle sommerlichen Überschüsse aufnehmen können und im Winter entsprechende Erzeugungskapazitäten bereithalten.
Diskussion
Sofern keine robusten Zusatzkriterien formuliert werden, wird auch der Net-Zero-Energy-Ansatz die zwei Anforderungen des zukünftigen Energiesystems verletzen. Es besteht das Risiko, dass große Energiemengen im Rahmen der saisonalen Speicherung umgeschlagen und große Reservekapazitäten für den Winter bereitgehalten werden müssen. Das Gesamtsystem wird dadurch unnötig teuer. Zudem begünstigt der Ansatz Siedlungsformen geringer Dichte, mit ernsten Folgen für Bau- und Grundstückskosten, Städtebau, Verkehrsaufkommen und In-
frastrukturkosten. Faktoren für die nicht erneuerbare Primär-
energie-Bewertung verlieren überdies ihren Nutzen, sobald sie immer wieder an ein sich änderndes Energiesystem angepasst werden müssen. Innerhalb eines Systems auf Basis von 100 Prozent erneurbaren Energien würden sie den Wert null annehmen und jeglichen Steuerungswert verlieren. Net-Zero-Energy allein ist somit ebenfalls unzureichend.
Net-Zero-Energy könnte als Zusatzkriterium in einem größeren Zusammenhang nützlich sein, der die Schlussfolgerungen in Bezug auf das zukünftige Energiesystem beherzigt. Es muss ein Zusatzmechanismus gefunden werden, der die einseitige Begünstigung geringer Bebauungsdichte vermeidet und eine fehlgeleitete „Optimierung“ in dieser Richtung vorantreibt.
Für die Zukunft benötigen wir 100 Prozent erneuerbare Energie. Auch wenn sicherlich einige weitere technische Fortschritte erwartet werden dürfen, werden doch immer die Gesetzmäßigkeiten von Physik und Chemie wirken; sie setzen den Rahmen für jedwede Lösung, hin zu einem Energiesystem der Zukunft. Es ist also durchaus klug, von heute verfügbarer Technologie auszugehen und nicht auf zukünftige Entwicklungen zu setzen, die möglicherweise doch nie eintreten.
Eine offensichtliche Beschränkung ist die Verfügbarkeit von Land. Die teilweise heftigen Diskussionen über den Windkraftausbau zeigen das bereits. Der Ausbau hat noch viel Potenzial, erneuerbare Energie wird jedoch nie unbegrenzt zur Verfügung stehen. Zudem unterliegt sie kurzzeitigen und jahreszeitlichen Schwankungen.
Speicherbedarf und Speicherverlust
Je nach Speicherungsdauer kommen unterschiedliche Speicherkonzepte in Frage. Für die kurzzeitige Speicherung zwischen Stunden und wenigen Tagen bestehen bereits konkrete Beispiele wie der mechanische Ansatz mit Pumpspeichern (Wasser oder Druckluft). Dabei ist die klassische Pumpspeicherlösung mit Wasser stark von der Topographie abhängig und man ist bemüht, sie auch auf Seen und künstliche Hohlräume im Untergrund oder unter der Meeresoberfläche zu erweitern. Die Druckluftspeicher werden thermodynamisch optimiert, indem Wärmespeicher hinzugefügt werden. Auch die Speicherung durch Luftverflüssigung wird versucht und besitzt den Vorteil, von topographischen Gegebenheiten unabhängig zu sein. Auch bei ihr stellt sich jedoch das Problem der Wärmespeicherung – es ist für die Effizienz sogar ganz entscheidend. Es handelt sich im Grunde um gut bekannte Techniken, die teilweise neu kombiniert werden.
Batteriespeicher im großen Maßstab für die Netzstabilisierung sind dagegen neu, es gibt jedoch bereits viele Feldversuche und auch einige kommerzielle Anlagen. Die Elektrifizierung im Verkehr wird mit einigen Jahren Verzögerung einen breiten Zustrom von gealterten, jedoch noch gut stationär nutzbaren Traktionsbatterien mit sich bringen. Möglicherweise können sich auch exotische Technologien wie Redox-Flow in diesem Segment etablieren – die Kosten dafür werden den Ausschlag geben. Viele Aspekte der Technologie sind gut bekannt und die intensive Forschung im noch jungen Elektrofahrzeugbereich lässt noch interessante Entwicklungen erwarten.
Beide Kurzzeit-Speicherkonzepte sind mit Verlusten behaftet: Mechanische Reibung und elektrischer Widerstand zehren einen Teil der Nutzenergie auf und setzen entsprechende Wärme frei, die für technische Zwecke nicht mehr nutzbar ist. Sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Abgabe elektrischer Energie fallen solche Verluste an. Eine vorsichtige Annahme lautet auf 70 Prozent Gesamteffizienz. Als Folge davon wird Elektrizität, die den Speicherzyklus durchlaufen hat, etwa 50 Prozent teurer sein als direkt verbrauchter Strom. Da jedoch ein Großteil der erneuerbaren Stromerzeugung über einen großen Teil des Jahres direkt abgenommen werden kann, könnte die Kurzzeitspeicherung innerhalb einer Mischkalkulation abgegolten werden.
Eine gewisse Speicherwirkung kann auch durch Wärme in Gebäuden erreicht werden. Warmwasserspeicher und Gebäudemassen können bei einem Strom-Überangebot auf Vorrat erwärmt werden. Die Effizienz kann bei 90 Prozent liegen. Stets sollten Wärmepumpen zum Einsatz kommen: Strom bleibt zu wertvoll, um sie direkt in Wärme umzusetzen. Die eingespeicherte Wärme kann dann eine verlängerte Zeit ohne Energiebezug ermöglichen und ggfs. helfen, Phasen mit einem geringen Angebot zu überbrücken, insbesondere im Fall von Passivhäusern und EnerPHit-Sanierungen.
Eine saisonale Speicherung von elektrischer Energie ist aus ökonomischen Gründen nur durch die Umwandlung in chemische Energieträger und deren Rückverstromung darstellbar. Die Gewinnung von Wasserstoff durch Elektrolyse stellt den grundlegenden Vorgang dar, das Produkt kann dann nach Wahl zu weiteren Synthesen dienen. Die Fischer-Tropsch-Synthese kann zum Aufbau von Kohlenwasserstoffen dienen (Methan etc.), sie benötigt jedoch eine geeignete Quelle von Kohlendioxid (nicht fossil). Dieses aus der Atmosphäre (~0.04 %) anzureichern ist ein energieintensiver Vorgang für sich. Die Gewinnung aus den Abgasen von Biomassefeuerungen könnte die Basis einer Kreislaufwirtschaft mit Kohlendioxid werden. Methan als Hauptbestandteil des Erdgases kann direkt und in beliebigen Mengen in die bestehende Infrastruktur – Leitungen, Speicher, Kraftwerke – eingespeist werden. Methanol ist ein weiteres Derivat mit dem zusätzlichen Vorteil, bei Normalbedingungen flüssig zu sein.
Ammoniak könnte zur Speicheralternative werden
Ein alternativer Weg ohne Knappheiten bei dem Bindungspartner ist die Ammoniaksynthese. Stickstoff macht gut drei Viertel der Erdatmosphäre aus und ist somit leicht zu gewinnen, großindustrielle Produktionsverfahren sind verfügbar (Haber-Bosch Verfahren). Zudem kann Ammoniak bei vergleichsweise geringem Druck verflüssigt, gespeichert und transportiert werden (vergleichbar Propangas). Eine direkt-elektrolytische Erzeugung von Ammoniak aus Wasser und Luft ist ebenfalls möglich, benötigt jedoch noch weitere Forschung bis zur breiten Anwendung. Schließlich hat Ammoniak auch keine (direkte) Treibhauswirkung. Deutliche Nachteile sind die Giftigkeit und ätzende/korrosive Wirkungen. Es eignet sich also nicht für kleinteilige Nutzungen durch Nicht-Fachleute.
Es ist realistisch, eine Effizienz von 57 Prozent für die Umwandlung von Elektrizität in Methan anzunehmen. Die Rückverstromung in einem Gas- und Dampfkraftwerk kann bis zu 55 Prozent erreichen. Elektrischer Strom aus diesem saisonalen Speicherpfad hat somit eine Gesamteffizienz von nur etwa 31 Prozent. Auch müssen zirka 5 Prozent Netzverluste noch zusätzlich beachtet werden. Folglich wird dieser Strom circa viermal so teuer sein als direkt verbrauchter Strom, was den Rahmen einer Mischkalkulation möglicherweise sprengt und in geeigneter Form verbrauchsbezogen an die Nutzer weitergegeben werden wird.
Die systematische Winterlücke durch deutlich verbesserte Energieeffizienz im Gebäudebestand zu verringern ist ein entscheidender Beitrag zu einem ökonomisch gangbaren Weg hin zu einem 100 Prozent erneuerbaren Energiesystem.

Bild: Passivhaus Institut
Primärenergie ERneuerbar (PER)
Unterschiedliche Energiedienstleistungen in Gebäuden weisen verschiedene zeitliche Verteilungen auf Trinkwarmwasser und viele elektrische Anwendungen schwanken im Jahresverlauf nur wenig. Demgegenüber sind Heizung und Kühlung/Entfeuchtung in Europa jeweils nur saisonal erforderlich. Das regionale Klima bestimmt auch über die Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie aus Wind, Photovoltaik und in geringerem Ausmaß auch Wasserkraft im Zeitverlauf. Folglich muss die zeitliche Korrelation aus Verfügbarkeit von und Nachfrage nach Energie berücksichtigt werden, getrennt für jeden Anwendungsbereich und bezogen auf das vorherrschende Klima. Das Passivhaus Institut hat hier umfangreiche Studien für Standorte weltweit durchgeführt.
Die Interaktion fluktuierender erneuerbarer Energiequellen und der Energienachfrage in Gebäuden führt zu Faktoren größer 1, welche alle zusätzlichen Energiebedarfe zur Abdeckung von Speicher- und Netzverlusten abbilden, die zur Deckung der Lastkurve des betreffenden Nachfragesektors erforderlich sind. Diese anwendungsspezifischen Faktoren beschreiben die Größe der Verluste entlang des Pfades von der Quelle zum Endabnehmer, einschließlich der Speicherverluste. Wie sich zeigt, sind sie über größere geographische Räume hinweg sehr ähnlich und können daher vereinheitlicht und sogar auf nationaler Ebene gleichartig angenommen werden.
Es wird deutlich, dass stets der Faktor für die Raumheizung am größten ausfällt, da hier eine systematische Lücke aus gesteigerter Nachfrage und deutlich gemindertem Angebot besteht (Photovoltaik fällt weitgehend aus). Es muss also ein vergleichsweise großer Anteil aus saisonaler Speicherung bezogen werden und somit fallen hohe Verluste an. Es muss in etwa 1.8-mal so viel Energie im Sommer gewonnen und eingelagert werden, um eine Einheit Energie im Winter bereitzustellen. Bei der Raumkühlung ist die Korrelation aus Angebot (PV! Speicherung nur z. B. für die Nacht) und Nachfrage weitaus besser, was sich in einem entsprechend niedrigeren Faktor niederschlägt.
Das PER-System bezieht wichtige Wechselwirkungen innerhalb des Gesamtsystems ein und bietet einen Rahmen, der es ermöglicht, heutige Planungsentscheidungen richtungssicher auf die kommenden Herausforderungen abzustimmen. In Verbindung mit Gebäudestandards wie EnerPHit und Passivhaus, die strikte Ziele für die Energieeffizienz formulieren und aus der Kombination mit dem PER-Grenzwert kann eine optimale Lösung entstehen. Dies gilt in gesondertem Maße für die kritischen Wintermonate. Wenn man davon ausgeht, dass das reale Netz die Wende zu 100 Prozent erneuerbarer Energie mit der Zeit vollziehen wird, werden alle PER-bewerteten Gebäude auch das Nullemissions-Ziel zuverlässig erfüllen. Dieses scheint auf der Ebene von Einzelgebäuden daher verzichtbar.
Auch weist das PER-Konzept bereits die Richtung für einen sinnvollen Nullenergie-Bewertungsmaßstab: Ein Nullenergie-Gebäude müsste also so viel Energie bereitstellen, wie es benötigt, einschließlich aller Speicher- und Systemverluste, die unvermeidlich zur Deckung des Bedarfs anfallen und mit den PER-Faktoren leicht einzurechnen sind.
Doch es gibt noch eine weitere Herausforderung: Bebauungsstrukturen geringer Dichte sollten nicht einseitig bevorzugt werden. Die Integration von erneuerbaren Energiequellen in Gebäuden erfolgt zumeist und sinnvoll über PV-Anlagen auf den vorhandenen Dachflächen. Ein großes Mehrfamilienhaus hat deutlich weniger Dachfläche je Wohneinheit zur Verfügung als ein Einfamilienhaus. Nun ist es sinnvoll, die vollständige Aktivierung dieses Potenzials einzufordern, aber es ist gerechterweise auch sinnvoll, die allgemein ressourcensparende verdichtete Siedlungsform anzuerkennen.
Es ist deshalb sinnvoll, die Erzeugung erneuerbarer Energie an der überbauten Fläche des Gebäudes festzumachen, die im Wesentlichen die verfügbare Dachfläche bestimmt – egal, wie hoch das Gebäude ist, welches umbaute Volumen besteht oder wie viele Wohneinheiten es umfasst. Ob also das verfügbare PV-Potenzial auch ausgeschöpft wurde, kann mit dem Bezug auf die überbaute Fläche leicht geprüft werden.
Es ist nur begrenzt sinnvoll und ermutigt zu teuren und fehlgeleiteten Artefakten, wenn noch deutlich höhere erneuerbare Erträge verlangt würden als auf der gewöhnlichen Dachfläche Raum finden, insbesondere in der alles entscheidenden Gebäudesanierung. Sofern an den Fassaden weitere Potenziale bestehen, die kostengünstig mit aktiviert werden können, kann dies durch eine Premium-Bewertung hervorgehoben werden.
Ausblick
Die Kombination der effizienzorientierten Baustandards Passivhaus und EnerPHit mit dem PER-Bewertungsansatz für Energiebedarf und Energiegewinnung vermeidet die Schwächen anderer Nullemissions- und Nullenergie-Definitionen.
Der Energiebedarf in der kritischen Winterperiode wird durch bauliche Maßnahmen minimiert, auch der Leistungsbedarf reduziert sich entsprechend. Das Netz wird entlastet und Reservekapazitäten können geringer sein. Wie wichtig das sein kann, zeigt uns der Mangelwinter 2022/2023 deutlich. Schließlich wird auch der saisonale Speicherbedarf minimiert, was die damit assoziierten Verluste ebenso vermeidet – es muss also auch im Sommer nicht so viel Energie für den Gebäudesektor gewonnen werden. Die nach solchen Maßstäben geplanten Gebäude werden in dem Energiesystem der Zukunft perfekt funktionieren und entfalten bereits heute ihre netzentlastende Wirkung.
Fossile CO2-Emissionen werden sofort wirksam gemindert, da deutlich weniger Energie benötigt wird: Die Heizenergie eines hoch energieeffizienten EnerPHit-Gebäudes entspricht typischerweise nur 15 bis 20 Prozent des unsanierten Zustands. Im Zuge der Energiewende wird ein Null-Emissionsstandard erreicht und mit erneuerbarer Energiegewinnung am Gebäude auch aktiv zum Fortschritt der Energiewende beigetragen.
Die Verfahren mit einfachen Faktoren knüpfen an bekannte Vorgehensweisen an (analog zu CO2-Faktoren oder PE nicht erneuerbar) und sind in der Planungspraxis leicht umzusetzen. Eine angemessene Einschätzung zur Realisierung von Energiegewinnungspotenzialen am Gebäude wird angeboten, mit Bezug zur überbauten Fläche. Dieses Vorgehen ist neutral hinsichtlich der Siedlungsdichte und begünstigt freistehende Einfamilienhäuser nicht einseitig. Neu installierte Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie am Gebäude nach den Plus- und Premium-Gebäudeklassen vergrößern das Angebot an grünem Strom und bringen die Energiewende zusätzlich in Schwung.

Bild: Passivhaus Institut
Für schnelle Leserinnen und Leser
Nullenergie-Gebäude lassen sich mit unterschiedlichen Konzepten umsetzen. Der Beitrag stellt unterschiedliche Herangehensweisen vor. Entscheidend sollte aber sein, dass der Energieverbrauch gesenkt wird.
Projekt baut Hindernisse für Sanierung ab
Das EU-Projekt outPHit verbindet serielle Ansätze mit der Stringenz des Passivhaus-Konzepts. Anhand von Beispielgebäuden in ganz Europa wird in Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren daran gearbeitet, die Hindernisse für umfassende Gebäudesanierungen abzubauen. Dazu gehören Sanierungssysteme, Rechenwerkzeuge und Qualitätssicherungsmethoden. Ein Verzeichnis von Fallstudien ergänzt das Angebot. Das Projekt wird aus Mitteln des Horizon 2020 research and innovation programme der Europäischen Union unter der Nummer 957175 gefördert. Die dargestellten Inhalte sind allein von den jeweiligen Autoren zu verantworten und entsprechen nicht notwendigerweise den Positionen der Europäischen Union. Weder die CINEA noch die Europäische Kommission sind für Folgen der Nutzung der hier dargestellten Informationen verantwortlich.
outphit.eu

