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Energy Sharing im EnWG-Referentenentwurf: Fortschritt mit Hürden

Die Bundesregierung will mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) die gemeinschaftliche Nutzung von Strom aus Erneuerbaren Energien – das sogenannte Energy Sharing – gesetzlich verankern. Der gerade erschienene Referentenentwurf sieht dazu die Einführung eines neuen § 42c EnWG vor. Die Reaktionen aus der Branche fallen gemischt aus. Während der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) die grundsätzliche Einführung begrüßen, kritisieren sie zahlreiche Details der Ausgestaltung.

Demokratisierung und Dezentralisierung der Energiewende

Beide Verbände betonen die große Bedeutung des Energy Sharing für eine dezentrale, bürgernahe und sozial gerechte Energiewende. Der SFV hebt hervor, dass Energy Sharing die aktive Teilhabe von Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen am Strommarkt stärkt, bislang ungenutzte Flächenpotenziale erschließt und zur Netzentlastung beitragen kann. In einer Studie der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) vom Dezember 2024 wurde gezeigt, dass lokale Stromgemeinschaften netzdienliches Verhalten fördern, wenn Erzeugung und Verbrauch regional besser aufeinander abgestimmt werden.

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Auch der BEE sieht in Energy Sharing ein wichtiges Instrument zur Steigerung der Akzeptanz der Energiewende. Die Möglichkeit, Strom gemeinschaftlich zu nutzen, könne lokale Wertschöpfung fördern und die Versorgungssicherheit erhöhen. Besonders positiv bewertet der Verband, dass der Betrieb von Energiespeicheranlagen ausdrücklich einbezogen wird. Dies ermögliche etwa Quartierspeicherprojekte, die durch gemeinschaftliche Nutzung effizienter betrieben werden können.

Komplexität, Ausschlüsse und fehlende Wirtschaftlichkeit

Trotz der positiven Grundhaltung kritisieren BEE und SFV zahlreiche Punkte im Gesetzentwurf. So bemängeln beide, dass die Regelungen zu komplex und bürokratisch seien. Der SFV schlägt vor, die im Entwurf vorgesehenen zwei Verträge – einen Liefervertrag und einen Vertrag zur gemeinsamen Nutzung – zu einem einzigen Vertrag zusammenzufassen, um den Aufwand zu reduzieren.

Ein zentraler Kritikpunkt ist der Ausschluss bestimmter Akteure. Nach § 42c Abs. 1 Nr. 5 EnWG dürfen Anlagen nicht überwiegend der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit dienen. Dies schließt größere Unternehmen, Projektierer und Grünstromhändler vom Energy Sharing aus. Der BEE sieht darin eine ungerechtfertigte Einschränkung, die engagierte Akteure der Energiewende benachteiligt. Auch der SFV fordert, Bürgerenergiegemeinschaften von dieser Regelung auszunehmen, da sie wirtschaftliche Tätigkeit mit gemeinwohlorientierten Zielen verbinden.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die geografische Begrenzung. Der Gesetzentwurf erlaubt Energy Sharing zunächst nur innerhalb eines Verteilnetzes und ab dem 1. Juni 2028 auch in angrenzenden Bilanzierungsgebieten. Der BEE schlägt stattdessen einen flexibleren Radius von 50 Kilometern um die Erzeugungsanlage vor, um Ungleichbehandlungen und Akzeptanzprobleme zu vermeiden. Der SFV warnt vor einem „Zuständigkeits-Wirrwarr“ bei mehreren angrenzenden Netzbetreibern und fordert klare Zuständigkeiten.

Auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Modells wird infrage gestellt. Weder sind Netzentgeltreduzierungen noch finanzielle Anreize wie Prämien vorgesehen. Der SFV betont, dass ohne wirtschaftliche Attraktivität Energy Sharing ein Nischenmodell bleiben werde. Er fordert unter anderem eine Reduktion der Netzentgelte, eine Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 3 StromStG sowie klare Regelungen zu Messgebühren. Der BEE weist zudem auf fehlende Informationspflichten zwischen Direktvermarktern, Energy-Sharing-Lieferanten und Reststromlieferanten hin, was zu Bilanzierungsproblemen und Systemrisiken führen könne.

Guter Ansatz, aber noch nicht praxistauglich

Der Referentenentwurf zum Energy Sharing ist ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2018/2001 (RED II) in nationales Recht. Die Grundidee, gemeinschaftlich erzeugten Strom aus Erneuerbaren Energien lokal zu nutzen, wird von der Branche ausdrücklich begrüßt. Doch die konkrete Ausgestaltung lässt viele Fragen offen und erschwert die praktische Umsetzung.

Damit Energy Sharing sein Potenzial entfalten kann, fordern BEE und SFV eine Vereinfachung der Regelungen, die Einbeziehung aller relevanten Akteure und wirtschaftliche Anreize. Nur so kann das Modell zu einem echten Motor der Energiewende werden – sozial gerecht, dezentral und demokratisch.

„Je einfacher, bürokratieärmer und wirtschaftlich tragfähiger Energy-Sharing-Lösungen angeboten werden, umso umfangreicher und erfolgreicher können sie werden“, heißt es in der SFV-Stellungnahme vom 18. Juli 2025. Dem ist wenig hinzuzufügen.