Installation der Großwärmepumpe am Heizkraftwerk Berlin-Neukölln
Das Potenzial für Großwärmepumpen als Fernwärmequelle ist groß. Ein Reallabor untersucht die technischen und wirtschaftlichen Spielräume.
Fabian Kauschke
Photovoltaikanlage auf dem Dach und Wärmepumpe im Vorgarten: Den Weg zum klimafreundlichen Heizen in einem Einfamilienhaus legen Eigentümer mit gewissen finanziellen Mitteln schnell zurück. In dicht besiedelten Städten ist dieses Modell jedoch nicht auf großen Flächen umsetzbar. Zwar stellen Quartiersprojekte mit dezentralen Wärmepumpen eine Möglichkeit dar, Gebäude mit Erneuerbaren-Wärme zu beheizen, doch werden Bestandsgebäude in Ballungsräumen vor allem von Fernwärme versorgt. Spitzenreiter in Deutschland sind dabei Berlin mit rund 38 Prozent und Hamburg mit ungefähr 31 Prozent Fernwärmeanteil in den Heizungsarten. Damit die Wärmeversorgung in Städten ebenso ihre Dekarbonisierungsziele in Zukunft erreichen kann, rücken Großwärmepumpen in den Fokus. Wie die Technologie in Zukunft in Fernwärmenetze eingebunden werden kann, untersucht ein Reallabor unter Leitung des Energieeffizienzverbands für Wärme, Kälte und Kraft-Wärme-Kopplung (AGFW).
20 Megawatt thermische Leistung besitzen aktuell die größten Großwärmepumpen in Deutschland.
Energiemarkt ist Herausforderung
Großwärmepumpen unterscheiden sich von herkömmlichen Wärmepumpen lediglich durch ihre Größe. Mit rund 20 Megawatt thermischer Leistung erreichen die Wärmeerzeugungsanlagen in Stuttgart und Mannheim, die Teil des Reallabors sind, die bislang höchste Leistung in Deutschland. Das Reallabor Großwärmepumpe, das durch das Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, startete 2021 mit dem Ziel, wirtschaftliche und regulatorische Rahmenbedingungen sowie effiziente Betriebskonzepte für den Einsatz von Großwärmepumpen zu erproben. In Kooperation mit fünf Liegenschaften in Stuttgart, Mannheim, Rosenheim, Berlin-Köpenick und Berlin-Neukölln wurden Beheizungskonzepte entwickelt, die den Einsatz von Großwärmepumpen mit unterschiedlichen Wärmequellen in der Praxis testen. Neben Kühlwasser dienen auch Ladeluftkühlung, Solarthermie und Abwärme von Gasturbinen als Wärmequellen für die Beheizungsanlagen. Projektpartner sind die regionalen Betreiber EnBW, der Mannheimer Energieversorger MVV, die Stadtwerke Rosenheim, Vattenfall Wärme Berlin und das Fernheizwerk Neukölln.
Die wissenschaftliche und messtechnische Betreuung übernimmt das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). „Sobald die Anlagen in Betrieb genommen wurden, ist es unser Ziel, sie in einem hydraulischen Verbund der Kraftwerke zu analysieren. Wie effizient arbeiten sie, wie laufen Start-Stopp-Vorgänge ab und wie entwickeln sich die Kennzahlen?“, sagt Axel Oliva, der das Projekt aufseiten des Fraunhofer ISE verantwortet. Dies sei insbesondere aufgrund des Leuchtturmcharakters des Projekts von Bedeutung, um Daten für zukünftige Anwendungen von Großwärmepumpen in der Fernwärme zu sammeln. „Die Anlagen erreichen die Kennwerte, die in der Planung angelegt worden sind. Eine besondere Herausforderung ist sicherlich der Energiemarkt, der in Teilen anders ist als in der Planung angenommen“, erkennt Oliva. Die Betriebsführung müsse darauf vorbereitet sein, dass vor allem die tagesrhythmischen Volatilitäten und nicht, wie zuvor vermutet, die saisonale Dynamik von Bedeutung für die Energieversorgung sind. Großwärmepumpen sind bislang vom Energiemix abhängig. Das bedeutet, dass der Betrieb mit erneuerbaren Energien nur dann einen hohen Betrag erreicht, wenn dieser auch in der übergreifenden Stromerzeugung geschaffen wird.
Aktuell haben wir noch keine Power Purchase Agreements, durch die wir 100 Prozent Grünstrom garantieren könnten. Ich denke, das wird kommen.
Großwärmepumpe in Neukölln errichtet
Eine Möglichkeit, dem allgemeinen Strombezug aus dem Energiemix zu entgehen, wären direkte Stromlieferverträge. „Aktuell haben wir noch keine Power Purchase Agreements, durch die wir 100 Prozent Grünstrom garantieren könnten. Ich denke, das wird kommen, aber es ist natürlich von der weiteren Entwicklung der Regulatorik abhängig“, sagt Tim Fiedler, der als Projektverantwortlicher in der Fernheizwerk Neukölln AG (FHW) tätig ist. Im Zuge des Reallabors wurde für die Mitversorgung der Berliner Stadtteile Neukölln und Kreuzberg eine Großwärmepumpe mit einer thermischen Leistung von einem Megawatt errichtet. Die 8.500 Kilogramm schwere Anlage nutzt Abwärme, die bei der Motorenkühlung der Blockheizkraftwerke am Standort des Wärmeversorgers entsteht und sonst ungenutzt verpuffen würde. Durch die Einbindung der Großwärmepumpe steigt der Wirkungsgrad des Kraftwerks um rund fünf Prozent. Zudem können zusätzlich rund 4.000 Megawattstunden Wärme pro Jahr erzeugt werden, das entspricht dem Jahresverbrauch von mehreren Hundert Haushalten.
Zu bemerken sei in Berlin aktuell eine hohe Belastung des Stromnetzes, die sich besonders auf die Neuzulassung von Netzanschlüssen auswirke. FHW sieht darin einen Engpass für den flächendeckenden Einsatz von Großwärmepumpen: „Wir gehen davon aus, dass wir dieses Jahr noch einen neuen Anschluss bekommen. Danach sieht es allerdings so aus, als könnten bis 2030 gar keine Anschlüsse mehr realisiert werden“, so Fiedler. Gleichzeitig sei es notwendig und gewollt, weitere Großwärmepumpen in Städten zu installieren. Dennoch erzeugen die knappen Netzanschlüsse Unsicherheit. „Es ist ein hohes Risiko, jetzt eine Großwärmepumpe für die nächsten Jahre zu projektieren und zu installieren, wenn erst im Folgejahr klar ist, ob wir überhaupt einen Anschluss bekommen“, betont Tim Fiedler.
Förderanpassungen benötigt
Herausforderungen wie diese werden innerhalb der Liegenschaften des Reallabors zusammengetragen, um die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Großwärmepumpen zu verbessern. Dabei rücken auch Finanzierungs- und Förderfragen in den Vordergrund. Der AGFW veröffentlicht dazu regelmäßig Verbesserungsvorschläge des Fördermittelrechts, die sich aus den Erkenntnissen des Reallabors ergeben. Demnach bedarf der Technologiewechsel von fossilen Wärmeerzeugern zu Großwärmepumpen neben ökologischen Gründen einer Unterstützung, um Wärme für Haushalte bezahlbar zu halten. Die aktuelle Förderlandschaft würde dem nicht gerecht werden. Vor allem die begrenzte Höhe und die schlechte Vorhersehbarkeit von Zuschüssen im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze würden Unsicherheitsfaktoren darstellen. Andere Finanzierungsmöglichkeiten sieht der Verband über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, das eine Erhöhung des Ausschreibungsvolumens, der Förderhöhe sowie eine Ausweitung des Anwendungsbereiches benötige, oder den Emissionshandel.