Bei Wärmebrücken handelt es sich laut DIN EN ISO 10211 [1] um lokal begrenzte Teile einer Gebäudehülle, an denen sich ein ansonsten gleichförmiger Wärmedurchlasswiderstand signifikant ändert. Die Gründe können eine teilweise oder vollständige Durchdringung der Gebäudehülle durch Baustoffe mit unterschiedlicher Wärmeleitfähigkeit sein, eine Änderung der Bauteildicke und/oder eine Differenz zwischen Innen- und Außenfläche – etwa bei Wand-, Fußboden- und Deckenanschlüssen.
Wärmebrücken können an verschiedenen Stellen eines Gebäudes auftreten: an auskragenden Balkonplatten und Fensterstürzen ebenso wie an Gebäudeecken, Heizkörpernischen oder Rollladenkästen. Um keine der Schwachstellen zu übersehen, hilft es, bevor man sie analysiert und berechnet, sich einen Überblick über Anzahl und Eigenschaften zu verschaffen. Übersichten helfen dabei, etwa die Broschüre „Wärmebrücken in der Bestandssanierung“ (https://t1p.de/geb240362) der Deutschen Energie-Agentur.
Unterscheiden lassen sich ein-, zwei- und dreidimensionale, ferner geometrisch-, konstruktions- und materialbedingte Wärmebrücken, sowie Kombinationen daraus. Fließt der Wärmestrom in eine Richtung – etwa bei einer mehrschaligen Außenwand – spricht man von eindimensionalen Wärmebrücken. Zweidimensionale Wärmebrücken werden von zwei, aus unterschiedlichen Richtungen aufeinandertreffenden Bauteilen gebildet – etwa bei einer Außenwandecke. Treffen drei oder mehr Bauteile aus unterschiedlichen Richtungen aufeinander – etwa zwei Wände und eine Decke wie bei einer Raumecke – entstehen dreidimensionale Wärmebrücken.
Wärmebrücken sind aus mehreren Gründen problematisch: Sie wirken sich nachteilig auf die Behaglichkeit, den Energieverbrauch und die Wohnhygiene aus. Sie können Zugerscheinungen hervorrufen, auf der Bauteilinnenseite zu feuchtigkeitsbedingten Bauschäden führen und die Schimmelpilzbildung begünstigen. Außerdem verschlechtern sie die energetische Qualität von Gebäudehüllen.

Bild: Kern Ingenieurkonzepte
Was Wärmebrücken-Software kann
Wer sich für einen detaillierten Einzelnachweis entscheidet anstelle pauschaler Wärmebrückenzuschläge, kann den rechnerischen Energiebedarf unter Umständen erheblich senken. Ein Gebäude benötigt in diesem Fall weniger dicke Dämmung und man kann eventuell bei den Investitionen für die Haustechnik sparen [2]. Am Ende fallen Dämm- und Baumaßnahmen wirtschaftlicher und nachhaltiger aus. Eine genaue Untersuchung kritischer Bauwerksbereiche steigert schließlich die Planungssicherheit, insbesondere im Hinblick auf tauwasser- und schimmelpilzgefährdete Bereiche.
Doch detaillierte Wärmebrückennachweise lassen sich wirtschaftlich nur mit speziellen Computerprogrammen führen. Sie können beispielsweise Isothermen, Oberflächentemperaturen oder Wärmedurchgangskoeffizienten statisch ermitteln – in Baukonstruktionen beliebiger Form und Materialzusammensetzung. Konkret berechnen sie längenbezogene Wärmedurchgangskoeffizienten (Psi-Werte), beispielsweise für Gleichwertigkeitsnachweise, Oberflächentemperaturfaktoren (f-Werte) für Feuchteanalysen und die Schimmelpilzbetrachtung, teilweise auch punktbezogene Wärmedurchgangskoeffizienten (ψ-Werte) für die Betrachtung punktueller Wärmebrücken. Die Berechnungen und Nachweise erfolgen gemäß DIN EN ISO 10211 und DIN 4108 Beiblatt 2 [3].
Schnittstellen ermöglichen integrale Planungsprozesse, etwa den Import von U-Werten bereits erfasster Schichtaufbauten mit Dicken und bauphysikalischen Kennwerten der Baustoffe oder den Export von Psi-Werten zur Übernahme in Nachweise nach Gebäudeenergiegesetz (GEG) beziehungsweise DIN V 18599 in Heizlast- oder Simulationsberechnungen. Gegenüber der konventionellen Berechnung mit Katalogen, Tabellen und Taschenrechner bieten Wärmebrücken-Berechnungsprogramme einige Vorteile: Datenbanken erübrigen die Tabellenrecherche, Rechenalgorithmen erübrigen manuelle Berechnungen, Automatismen beschleunigen Abläufe, Assistenten und Vorgabewerte vereinfachen die Eingabe, Plausibilitätsprüfungen minimieren Fehlerquellen. Änderungen eines Wandaufbaus, des Materials oder der Dämmstoffdicke erfordern keine manuelle Neuberechnung, sodass sich Alternativen schnell überprüfen und Konstruktionen einfacher optimieren lassen.
Zusätzlich ermitteln einige Programme die Verteilung der Grenzfeuchtigkeit für alle Bauteiloberflächen sowie des Wasserdampfdrucks im Bauteilinneren. Für hygrothermische Wärmebrückenberechnungen, das sind Berechnungen zum Feuchteverhalten von Wärmebrücken unter dynamischen Klimabedingungen, bieten Softwarefirmen spezielle, in diesem Vergleich nicht berücksichtigte Software an, zum Beispiel DELPHIN, HT Flux oder WUFI. Die Programme können den Wärme- und Feuchtetransport in Bauteilen gekoppelt oder separat berechnen und in Zeitschritten simulieren.
Wie Wärmebrücken nachgewiesen werden
Die 2019 veröffentlichte Neufassung der DIN 4108 Beiblatt 2 bietet mehrere Möglichkeiten der Nachweisführung. Neben der pauschalen Berücksichtigung von Wärmebrücken ohne Nachweis über einen Zuschlag ∆UWB von 0,10 W/(m²K) auf die gesamte Hüllfläche oder einen detaillierten Nachweis können auch sogenannte Gleichwertigkeitsnachweise geführt werden.
Dabei werden im Projekt vorhandene Wärmebrücken mit den Bildvorlagen aus der Norm verglichen. Stimmen das konstruktive Grundprinzip, die Bauteilabmessungen und die Baustoffeigenschaften überein, gilt der Nachweis als erbracht. Dazu können die in den Berechnungsprogrammen hinterlegten Beispiele oder – falls verfügbar und relevant – auch Wärmebrückenkataloge von Baustoffherstellern verwendet werden.
Für Gebäude, die unter das GEG fallen, sind mit dem Gleichwertigkeitsnachweis nach DIN 4108 Beiblatt 2 je nach Anschlussqualität folgende pauschale Wärmebrückenzuschläge möglich: Für vollständige Nachweise auf Grundlage der höherwertigen Kategorie B gilt für alle Bauteile eines Gebäudes ein Wärmebrückenzuschlag von 0,03 W/(m²K). Besteht lediglich eine Gleichwertigkeit der Kategorie A beträgt der Wärmebrückenzuschlag 0,05 W/(m²K). Weichen einzelne Wärmebrücken davon ab oder kann keine bildliche Übereinstimmung hergestellt werden, muss der Nachweis rechnerisch erbracht werden. Außerdem kann man das KfW-Wärmebrückenkurzverfahren anwenden, welches Wärmebrückenzuschläge von 0,035 bis 0,025 W/(m²K) erlaubt.
Entsprechen wenige Anschlussdetails nicht den Anforderungen der DIN 4108 Beiblatt 2, kann ein erweiterter Gleichwertigkeitsnachweis Sinn machen. Der zusätzliche Wärmeverlust, der nicht dem Beiblatt 2 entsprechenden Details, wird dabei auf den Wärmebrückenzuschlag hinzugerechnet. Für GEG-Gebäude sind mit dem erweiterten Gleichwertigkeitsnachweis folgende Wärmebrückenzuschläge möglich: 0,05 + x W/(m²K) (Kategorie A) oder 0,03 + x W/(m²K) (Kategorie B).
Wärmebrücken detailliert nachweisen
Ist für mehrere Konstruktionsdetails des Gebäudes der Nachweis der Gleichwertigkeit nicht möglich oder führt der höhere Wärmebrückenzuschlag eines erweiterten Gleichwertigkeitsnachweises nicht zum gewünschten Ziel, ist ein detaillierter Wärmebrückennachweis gemäß DIN EN ISO 10211 und entsprechend der im DIN 4108 Beiblatt 2 vorgegebenen Randbedingungen erforderlich. Im Bestand kann damit ein reduzierter Wärmebrückenzuschlag nachgewiesen werden, im Neubau sind Wärmebrückenzuschläge unter 0,05 W/(m²K) möglich. Häufig können durch den verminderten Wärmebrückenzuschlag ein höherer KfW-Effizienzhausstandard erreicht oder aufwändige Kompensationsmaßnahmen vermieden werden.
Bei detaillierten Wärmebrückennachweisen muss man jedoch darauf achten, dass sämtliche Wärmebrücken erfasst und berechnet werden. Die detaillierte Wärmebrückenberechnung ist eine Planungsleistung, durch die Bau- und Feuchteschäden verhindert und Baukosten eingespart werden können. In der Praxis werden für detaillierte Wärmebrückenberechnungen Preise zwischen 60 und 100 Euro pro Wärmebrücke berechnet, je nach Aufwand und Projekt.
Software vereinfacht zwar den Aufwand, erfordert aber dennoch mehrere Arbeitsschritte: passende Wärmebrücke aus dem Katalog wählen und eventuell anpassen oder DXF/DWG-/PDF-Schnittstelle anpassen oder manuell neu erstellen. Eine Neueingabe gestaltet sich etwas aufwendiger und setzt beim Computerprogramm grundlegende Zeichen- und Editierfunktionen beispielsweise für Hilfslinien, Polygonelemente oder Rechtecke voraus sowie Bemaßungs-, Beschriftungs- und Markierungsfunktionen. Anschließend müssen den Flächen noch Materialien aus einer Datenbank zugewiesen und alle Randbedingungen definiert werden können.
Das für die Berechnung erforderliche FEM/FDM-Netz (siehe unten) wird danach in der Regel automatisch erstellt und gegebenenfalls optimiert. Anschließend können die Wärmebrücke berechnet, Temperaturen und Wärmeströme angezeigt und Isothermen dargestellt werden. Ob die jeweiligen Ergebnisse realistisch ausgefallen sind, sollte man in jedem Fall überschlägig prüfen, denn Fehleingaben oder Berechnungsfehler können zu falschen Ergebnissen führen.

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Wie sich die Programme unterscheiden
Zwölf Anbieter sind in dem tabellarischen Produktvergleich vertreten, doch fällt die Zahl der vorgestellten Wärmebrückenprogramme geringer aus. Denn verschiedene Firmen bieten identische oder in Details adaptierte und unter gleichem oder anderem Namen vertriebene Lösungen der von First In Vision Software stammenden Programme an. Unterschiede gibt es dennoch in vielen Details, etwa im Berechnungsverfahren.
Wärmebrücken-Berechnungsprogramme nutzen zwei numerische Berechnungsverfahren, um die Wärmeleitung innerhalb von Bauteilen analysieren zu können: die Finite-Differenzen-Methode (FDM) und die Finite-Elemente-Methode (FEM). Beide Verfahren unterteilen die zu untersuchende Struktur durch ein imaginäres Netz rechteckiger, respektive dreieckiger Flächen, „finite Elemente“. Dadurch lässt sich deren Strukturverhalten mathematisch besser beschreiben. Während FDM-Netze einfacher zu handhaben sind, bieten FEM-Netze den Vorteil, beliebige Formen exakter abbilden und berechnen zu können, beispielsweise runde Wandecken oder Dachschrägen.
Auch die von einem Programm vorgegebene maximale Anzahl der Netzknoten spielt im Hinblick auf die Komplexität und den Detaillierungsgrad der zu berechnenden Strukturen sowie die Rechengenauigkeit eine wichtige Rolle. Komplexe Details oder Randbedingungen stellen für manche Programme eine Herausforderung dar, etwa versetzte Geschossdecken, erdberührende Bauteile, Raumecken unter dem Flachdach, punktuelle Wärmebrücken oder Wärmeströme innerhalb von Fassaden-, Fenster- oder Türprofilen.
Die Programme unterscheiden sich auch bei der Berücksichtigung von mehreren Randbedingungen und Lufthohlräumen sowie bei der Berechnung der Dampfdiffusion oder von Taupunkten.
Berechnungen von Psi- und f-Werten erfolgen gemäß der jeweils aktuellen Fassungen der DIN 4108 Beiblatt 2 und DIN EN ISO 10211. Welche weiteren Regelwerke den Programmen zugrunde liegen, listet die Tabellenzeile „Regelwerke“ auf. Ob die jeweiligen Programme über die in den Richtlinien DIN EN ISO 10077-2 [4] und DIN EN ISO 10211 geforderte Rechengenauigkeit verfügen, respektive ein Validierungsnachweis vorliegt, sollte im Einzelnen geprüft werden.
Weitere Infos
www.kfw.de (Suche: Wärmebrücken)
www.wärmebrücken-online.de
www.wikipedia.de (Suche: Wärmebrücke)
Regelwerke, Quellen und Literaturhinweise
[1] DIN EN ISO 10211: Wärmebrücken im Hochbau - Wärmeströme und Oberflächentemperaturen – Detaillierte Berechnungen, Beuth/Berlin, März 2018
[2] Akarcay, A.: Warum sich eine detaillierte Wärmebrückenberechnung lohnt, aus: Gebäude-Energieberater 9/2020, Gentner, Stuttgart
[3] DIN 4108 Beiblatt 2: Wärmeschutz und Energie-Einsparungen in Gebäuden – Wärmebrücken – Planungs- und Ausführungsbeispiele, Beuth/Berlin, Juni 2019
[4] DIN EN ISO 10077-2: Wärmetechnisches Verhalten von Fenstern, Türen und Anschlüssen – Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten – Teil 2: Numerisches Verfahren für Rahmen, Beuth/Berlin, Januar 2018
[5] DIN 4108-2: Wärmeschutz und Energie-Einsparungen in Gebäuden. Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz, Beuth/Berlin, Februar 2013
[6] DIN V 4108-4: Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 4: Wärme- und feuchteschutztechnische Bemessungswerte, Beuth/Berlin, November 2020
[7] DIN EN ISO 6946: Bauteile - Wärmedurchlasswiderstand und Wärmedurchgangskoeffizient – Berechnungsverfahren, Beuth/Berlin, März 2018
[8] DIN EN ISO 10456: Baustoffe und Bauprodukte - Wärme- und feuchtetechnische Eigenschaften – Tabellierte Bemessungswerte und Verfahren zur Bestimmung der wärmeschutztechnischen Nenn- und Bemessungswerte, Beuth/Berlin, Mai 2010
[9] DIN EN ISO 13786: Wärmetechnisches Verhalten von Bauteilen – Dynamisch-thermische Kenngrößen – Berechnungsverfahren, Beuth/Berlin, April 2018
[10] DIN EN ISO 14683: Wärmebrücken im Hochbau - Längenbezogener Wärmedurchgangskoeffizient – Vereinfachte Verfahren und Standardwerte, Beuth/Berlin, März 2018
[11] DIN/TS 18599-12: Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung - Teil 12: Tabellenverfahren für Wohngebäude, Beuth/Berlin, April 2021
[12] Müller, M.C.: Vergleich von Software zur Analyse von zweidimensionalen Wärmebrücken (Bachelor Thesis), TU Darmstadt / Energie & Haus B.Sc., Darmstadt 2013
[13] Volland, J./Pils, M./Skora, T.: Wärmebrücken erkennen, optimieren, berechnen, vermeiden, Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln 2023

Bild: Sommer Informatik


GEB Dossier
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