Die Fabrikhalle befindet sich auf einem knapp 1.200 Quadratmeter großen Gelände in Bad Schussenried, „Am Franzenhölzle“ – benannt nach dem direkt angrenzenden Waldstück. Die Lage zeichnet sich durch die Nähe zum Wald, zum Bahnhof und zur Innenstadt von Bad Schussenried aus. Bei dem bis zum Maßnahmenbeginn zweistöckigen, nicht unterkellerten Gebäude handelte es sich um einen Industriebau aus dem Jahr 1972. Hier befand sich einst ein lokal ansässiger Zerspanungsbetrieb, der schließlich in ein neu erschlossenes Industriegebiet umzog. Nach einem weiteren Eigentümerwechsel stand das Gebäude länger leer.
Das hat sich 2020 geändert: Entstanden ist ein attraktives, dreigeschossiges Gebäude mit Anbau für Kellerersatzräume und Technikraum, überwiegend aus Holz, im Kern jedoch mit der ursprünglichen tragenden Struktur aus Stahlbeton. Der spannende Bau wartet nun mit zehn Wohnungen in der Größe von 64 bis 125 Quadratmetern auf. Insgesamt sind 1.044 Quadratmeter Wohnnutzfläche neu geschaffen worden, wo es früher lediglich rund 700 Quadratmeter Industriefläche gab.

Bild: Jochen Frank
Von der tristen Fabrik zum ökologischen Mehrgeschosser
An das Baujahr 1972 erinnerte zum Start des Bauvorhabens eine relativ triste Gestaltung, dem damaligen Zeitgeist entsprechend aus Asphalt, Beton, Stahl und Glas. Heute ist das Gebäude ein vorbildliches Muster für naturnahes Wohnen mit Stadtanbindung – und für nachhaltige Bauweise, gerade im Hinblick auf den vorrangig genutzten Baustoff Holz.
Die für den Holzbau verantwortliche Firma Walser nutzt die ökologischen und ökonomischen Vorteile des Naturbaustoffs verstärkt im Mehrgeschosswohnbau. Ein Spezialgebiet der Experten ist zudem das energetische Modernisieren im Altbestand. Konzipiert und ausgearbeitet wurde die Umwidmung von Jochen Frank, der seit fünf Jahren bei Walser Holzbau für die Planung anspruchsvoller Bauten zuständig ist.
Der Altbau bestand aus einem zweigeschossigen Gebäude mit umlaufenden, einfach verglasten Fensterbändern. Bis auf eine integrierte Wohnung im Obergeschoss, in der ehemals der Betriebsleiter der Fabrik lebte, und einen an der Decke eingelassenen Lastenaufzug für Fabrikwaren stand nahezu leer.
Wichtigster erster Schritt des Projekts war die weitgehende Entkernung des Altbaus. Entfernt wurden der Schacht des Lastenaufzugs, die Trockenbauwände der Betriebsleiterwohnung und die gemauerten Wände einer WC-Anlage. „Das Dach aus Bitumen auf Gipsdielen war teilweise undicht – für unser Vorhaben war dies jedoch nicht relevant, da es ohnehin abgebaut wurde. Viel wichtiger war uns die Tatsache, dass die Betonkonstruktion und die Zwischendecken sehr gut als Grundlage für die Umwidmung dienten“, sagt Jochen Frank.
Rückbauarbeiten dauerten länger als geplant
Die Experten der Firma Walser haben viel Erfahrung mit Neubauten in Holzbauweise und zudem mit der Neustrukturierung und Umwidmung bestehender Bauten. Dennoch waren die energetische Sanierung und die Aufstockung der Fabrikhalle keine kleine Aufgabe. Die erste Herausforderung ergab sich im Zusammenhang mit den Rückbauarbeiten, die länger als geplant dauerten. „Zum Teil ließen sich die Fertigteile nicht so einfach wie erhofft demontieren, da sie vergossen waren. Etliche Betonsägearbeiten wurden notwendig, viele Entwässerungsleitungen mussten beispielsweise nachträglich in die Bodenplatte eingestemmt werden“, berichtet Frank.
Die bestehende Halle mit einer Länge von 36 und einer Breite von elf Metern wurde schließlich binnen acht Monaten umgebaut. Da sich das Tragwerk aus Betonfertigteilen von 1972 als insgesamt intakt erwies, konnte es als Basisstruktur genutzt werden. Es schien dennoch geboten, es sowohl statisch zu entlasten als auch zu verstärken, zumal sich die Bauherren nach Rücksprache mit dem Stadtbauamt Bad Schussenried entschlossen, eine weitere Etage als ein von den Giebelseiten zurückversetztes Staffelgeschoss mit großen Dachterrassen aufzusetzen. Zur Aussteifung und damit Stabilisierung dienten die neuen Wandelemente aus Holz, eine Entlastung für das Traggerüst und ebenso für die Fundamente brachte der Rückbau der alten Stahlbeton-Dachbinder und des Daches selbst, bauzeittypisch aus Gipsdielen und Bitumen. Die Fassade aus Betonfertigteilen wurde demontiert und abgenommen.
Die Planung sah also vor, zusätzlich zu den bestehenden Wohnflächen zwei weitere Wohnungen auf dem Dach und außerdem große Dachterrassen zu schaffen, als statisch günstige Konstruktionen aus dem relativ leichten, dabei robusten Baustoff Holz. Im Endeffekt erhielt der Gebäudekern eine neue, energetisch zeitgemäße Außenhülle, erhielt das Gebäude insgesamt zusätzliche Kubatur und nicht zuletzt auch eine neue Gestaltung. Eine Idee, die es optisch und technisch aufwertet. Alle Dachgeschosswohnungen entstanden in Neubau-Niveau.
Die bestehende Struktur des Gebäudes spiegelt sich auch in der neuen Fassadenrasterung wider, auch die Fensteröffnungen wurden vom Bestand übernommen. Lediglich an den Stellen, an denen Terrassen und Balkone vorgesehen waren, mussten die Brüstungen abgebrochen werden, um bodentiefe Fenster zu ermöglichen. Außerdem wurden nun sämtliche Zugänge auf die Nordseite des Hauses gelegt.

Bild: Holzbau Walser
Bestehendes Treppenhaus aus dem Bestand übernommen
Zunächst entstanden in Brettsperrholzbauweise der Anbau, der die Kellerersatzräume aufnehmen sollte, und zeitgleich die neu aufgemauerten Treppenhauswände. „Es war sehr gut möglich, das bestehende gemauerte Treppenhaus aus dem Bestand zu übernehmen. Wir haben es ebenfalls mit Mauerwerk ergänzt, um die Wohnungszugänge zu schaffen“, erläutert der Architekt. Parallel dazu fertigte Walser die großflächigen Holzbauelemente in der Zimmerei an. Diese vorproduzierten Holzelemente wurden aus einheimischer Fichte hergestellt. Die wetterfeste Gebäudehülle für den gesamten Komplex konnte dann binnen vier Wochen auf der Baustelle montiert werden.
Das Basisgerüst aus Beton sorgte für eine gewisse Standfestigkeit und bildete die ideale Grundlage für alle hinzugefügten Bauelemente, wurde aber seinerseits noch durch die neuen Innenwände stabilisiert. Dies wurde im Wesentlichen nötig, um das zusätzliche Staffelgeschoss verwirklichen zu können. Die Wohnungstrennwände hat man ebenfalls vorproduziert, als Holzständerwände, anschließend vor Ort eingebaut und mit der Betondecke verschraubt. In den Wohnungen wurde klassischer Trockenbau mit Metallständerwänden ausgeführt.
Wandaufbau und Dämmung
Die neuen Außenwände hat man mit Holzständerkonstruktionen aus Fichte und einem insgesamt 120 Millimeter starken Wärmedämm-Verbundsystem ergänzt. Das außenliegende Wärmedämm-Verbundsystem aus ökologischer Holzfaser ermöglicht hier die durchgehende Dämmung ohne Wärmebrücken und nimmt zugleich die Jalousien und Rollläden auf. Wahlweise kann eine so gebaute Wand verputzt, mit einer Holzfassade oder mit Fassadenplatten bekleidet werden.
Nach innen folgt die Tragkonstruktion als 140 Millimeter dickes Holzständerwerk, ausgedämmt mit Holzfasermatten. Die bauphysikalische Hülle und zugleich Aussteifung übernimmt eine 15 Millimeter starke OSB-Platte, auf der innen direkt eine 60 Millimeter messende Installationsebene vorgesehen ist, in der bereits alle Leitungen und Kabel verlegt werden können. Den inneren Abschluss bildet eine 12,5 Millimeter starke Gipsfaserplatte, die verputzt oder gespachtelt wird.
Die Gesamtstärke der Wand beträgt 35 Zentimeter, bei einem U-Wert von circa 0,15 W/m²K. Die verbliebenen Betonelemente ergänzte man mit einem Wärmedämm-Verbundsystem aus 160 Millimeter starker Mineralwolle. Die Zwischendecken erhielten einen konventionellen Estrichaufbau und abgehängte Gipskartondecken als Unterkonstruktion und Verkleidung.

Bild: Holzbau Walser
Hinterlüftete Doppelrhombusfassade aus Weißtanne
Die hinterlüftete Doppelrhombusfassade aus Weißtanne wurde vorvergraut. Die Konstruktion unter der Fassade besteht aus einer 27 Millimeter starken Unterbaulattung, montiert auf den Holzfaserplatten der Wandelemente. Mittels Nut und Feder wurden die einzelnen Fassadenbretter zusammengesteckt. Diese einfach zu bewerkstelligende Montage sorgte für zeitsparendes Arbeiten. Zudem ist die Fassade durch die Nut-und-Feder-Verbindung geschlossen und somit dauerhafter als eine offene Rhombusfassade. Die Holzverkleidung wurde an den Penthousewohnungen verwendet, um sie optisch vom Bestand abzusetzen.
Dachentfernung und Neuaufbau
Das Dach wurde als Holzbalkenlage wieder gänzlich neu aufgebaut. Bevor die produzierten Bauelemente überhaupt montiert werden konnten, musste zunächst das bestehende Dach entfernt werden. Stück für Stück hat man die einzelnen Gipsdielen mit jeweils fünf Metern Länge herabgehoben. Zehn Meter lange Stahlbetonbinder wurden im Anschluss entfernt.
Bei dem neuen Dachsystem mit einem versetzten Pultdach handelt es sich um einen klassischen Aufbau als Pfettendach. Es wurden zunächst 60 Millimeter Aufdachdämmung aus der ökologischen Holzfaser aufgebracht. Darauf folgte liegend die Konterlattung mit acht mal vier Zentimeter starken Latten und schließlich die waagerechte Lattung in den gleichen Abmessungen, welche durch die Dachdeckung mit Trapezblech abgeschlossen wird.

Bild: Holzbau Walser
Nachhaltig (um)bauen: Mehr Kubatur auf gleicher Grundfläche wurde mittels der Aufstockung geschaffen.
Technik in einem Kellerersatzbau untergebracht
Durch den zusätzlichen 120 Quadratmeter großen Anbau an der östlichen Grundstücksgrenze wurden die großzügigen Kellerersatzräume und der Technikraum geschaffen. Angrenzend an das Hauptgebäude hat man zunächst dafür eine Bodenplatte betoniert und den Anbau in Brettsperrholz-Bauweise aufgerichtet. Die Kellerersatzräume dienen als Vorrats- und Wirtschaftsflächen. Praktisch: Auch Fahrräder, Kinderwagen, Gartengeräte und -möbel kann man hier unterbringen. Verkleidet wurde der Anbau wirtschaftlich sinnvoll mit einer optisch ansprechenden Trapezblech-Fassade zum günstigen Preis, innen hat man mit Holzlatten-Abtrennungen zwischen den Räumen für gute Durchlüftung gesorgt.
Drei Geschosse – lichtdurchflutet
Das Gebäude wurde in klaren Strukturen gestaltet. Großformatige, dreifachverglaste Fenster bieten Ausblick in die Landschaft. Die zusätzlichen Terrassenflächen im obersten Staffelgeschoss sind im Dachgartenstil gehalten und bieten ebenfalls sehr gute Aussicht.
Die Grundrisse der Wohnungen, die alle jeweils über einen großen Balkon verfügen, sind funktional und gut durchdacht, unter Maximierung der Wohnflächen, aber in jeweils verschiedenen Größen angelegt. Viele unterschiedliche Wohnbedürfnisse wurden so berücksichtigt: sowohl diejenigen von Senioren oder Singles mit ihrem geringeren, als auch die von Familien mit ihrem größeren Platzbedarf. Offene, helle Räume zeichnen die Eigentumswohnungen aus.

Bild: Holzbau Walser
Gute Umweltwerte
Die kurzen Aufbauzeiten, auch ökologisch vorteilhaft, hat man nur deshalb erreicht, weil der Hauptteil der anspruchsvollen Erstellung der Wandelemente bereits in der Produktionshalle geschehen war. Man hat die längeren Produktionszeiten in der Halle bewusst eingeplant, um die Bauzeit vor Ort und damit das Risiko durch ungünstige Witterung auf ein Minimum zu begrenzen.
Das Energiekonzept entspricht dem eines energieeffizienten KfW-55-Hauses. „Wir konnten das Gebäude so aufwerten, dass es mit einem geringen Primärenergieverbrauch für Heizung, Lüftung und Warmwasserbereitung auskommt“, sagt Zimmermeister und Firmenchef Rainer Walser. Das gelingt nicht zuletzt durch eine Holzpellet-Zentralheizung, die man im Kellerersatzanbau errichtet hat. Die Warmwasserverteilung erfolgt durch ein Zirkulationssystem, die Verteilung der Wärme im Haus über die Leitungen einer Fußbodenheizung.

Bild: Holzbau Walser
Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung
Ergänzt hat man das System durch eine komfortable, wohnungszentrale Lüftungsanlage mit energiesparender Wärmerückgewinnung im Erdgeschoss und im Obergeschoss. Beim neu hinzugesetzten Dachgeschoss wählte man die Variante mit Einzellüftern, ebenfalls mit Wärmerückgewinnung.
Durch die vorherige Fabriknutzung war eine groß dimensionierte elektrische Anschlussleistung bereits vorhanden, dadurch konnten alle Stellplätze unkompliziert mit Anschlüssen für E-Autos realisiert werden. Die heutigen Eigentümer sparen durch diese Maßnahmen – und ebenso durch den guten Wärmeschutz sowie die Lüftung mit effizienter Wärmerückgewinnung – auf lange Sicht Energie und somit bares Geld. „Die Kombination dieser Maßnahmen bietet das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis bei einer Bestands-Umwidmung dieser Art“, stellt Walser fest.
Potenzial voll ausgenutzt
Auf diese Weise konnte man das Potenzial des attraktiven Umfelds und der Bausubstanz nutzen, kompletter Abriss und Ersatzneubau waren nicht nötig. Trotz Einschränkungen durch die bestehende Grundfläche konnten attraktive Wohnungen von hoher Qualität, vergleichbar mit einem Neubau, realisiert werden. Dank der Verwendung des Werkstoffs Holz, eines natürlichen CO2-Speichers, wurde überdies eine wichtige Komponente des nachhaltigen Bauens umgesetzt, dazu ist das Ergebnis kostengünstig und langlebig. Eine attraktive KfW-Förderung machte das Projekt noch wirtschaftlicher.
„Wir wollen immer einen möglichst guten Energiestandard erreichen“, betont Walser. Wichtig ist das vor allem im Zusammenhang mit den Zuschüssen der KfW. Sie mindern die Kosten für den Kauf. Die mit der Förderung verbundenen Effizienzvorgaben führen darüber hinaus zu geringen Energie- und Betriebskosten. In diesem Fall hat man – das Vorhaben wurde 2019 begonnen – die Programme 151 und 430 durch eine Projektierung als KfW-55-Haus in Anspruch genommen.

Bild: Holzbau Walser

Bild: Holzbau Walser

Bild: Holzbau Walser

Bild: Fährmann Fotografie

Bild: Holzbau Walser
Daten und Fakten/Bautafel
Bauaufgabe: Mehrfamilien-Wohnhaus, 3-geschossig, in Holzrahmenbauweise
Baujahr: 2019/2020, Konstruktion eingegliedert in eine attraktive gewachsene Wohnsiedlung von Bad Schussenried – ehemaliges Fabrikgebäude
Bauherr: Britsch-Walser GbR
Architekt: Franz Walser Holzbau GmbH, M.Sc. Jochen Frank
Generalunternehmer: Franz Walser Holzbau GmbH, Bad Schussenried
www.walser-holzbau.de
Dämmung: BestWood Schneider, Eberhardzell
Wohnflächen: Penthouse 2 × 125 m²
EG/OG 2 × 91 m², 2 × 79 m², 2 × 64 m², 2 × 99 m²
U-Werte:
Außenwand Holzständer mit Holzfaserdämmung: 0,15 W/m²K Aufstockung und EG/OG Holzwände
Außenwand Massiv: 0,143 W/m²K
U-Wert Dach mit Wärmedämmung: 0,159 W/m²K
U-Wert Flachdach: 0,124 W/m²K
U-Wert Boden: 0,187 W/m²K
Lüftung: EG/OG: Wohnungszentrale Lüftungsanlage mit Kreuzgegenstromwärmetauscher und Bypass,
DG: Einzel-Pendellüfter mit Wärmerückgewinnung über Keramikwärmespeicher
Heizungs- und Kühlsystem: Holzpelletheizung für Heizung und Warmwasser, Verteilung mittels Fußbodenheizung, Zirkulationsleitung für Warmwasserhygiene
Daten gemäß Energieausweis
Kennwerte: Beheizte Fläche: 845 m², Heizwärmebedarf (berechnet nach EnEV): 26 kWh/m²a, Endenergiebedarf: 50,9 kWh/m²a, Primärenergiebedarf: 20,7 kWh/m²a
Fenster: Kunststofffenster, 3fach-Wärmeschutzverglasung mit Argonfüllung, Ug = 0,50 W/m²K, g-Wert = 53 %
Heizung: Verbrauch einst und jetzt
Heizung/Warmwasser: Heizkosten für beides zusammen ca. 3.300 Euro
(durchschnittlich 330 Euro/Wohnung und Jahr)
10 Tonnen Pellets / 50.000 kWh
vorher Ölheizung im unsanierten Gebäude 17.000 Liter, also 170.000 kWh
Spezielle Extras:
Entkalkungsanlage, Heizstab für Notbetrieb im Heizungspuffer und im Brauchwasserpuffer, automatische Entaschung und Leerung der Asche circa im Zweimonatsrhythmus notwendig