Die Europäische Union hat sich dazu verpflichtet, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Deutschland hat sich mit dem nach dem Karlsruher Urteil überarbeiteten Klimaschutzgesetz ehrgeizigere Ziele gesetzt, will bis 2045 klimaneutral sein, muss dazu bis 2030 die CO2-Emissionen um 65 Prozent gesenkt haben, bis 2040 um 88 Prozent. Größter Spielverderber in diesem Projekt ist derzeit nach dem Verkehrs- der Gebäudesektor. Nach Angaben des Umweltbundesamtes wird er mit seinen von 2021 bis 2030 kumulierten Emissionen mit gut 32 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten über der Zielmarke liegen [1].
In diesem Zusammenhang weisen Fachleute nicht nur in Deutschland, sondern europaweit seit längerem darauf hin, dass die größten Spareffekte mit der energetischen Sanierung der ineffizientesten Gebäude erreicht würden. So auch Elisabeth Staudt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegenüber dem Gebäude-Energieberater. Die systematische Modernisierung der Klassenschlechtesten, in der EU-Gebäuderichtlinie von 2018 Worst Performing Buildings oder kurz WPB genannt, sollte Priorität haben: worst first. Hierzulande könnten nach einer 2021 vom ifeu-Institut erstellten Kurzstudie allein mit der Sanierung aller Wohngebäude der G- und H-Klasse zu Effizienzhäusern 55 die Treibhausgasemissionen des kompletten Wohnbestandes auf einen Schlag um 40 bis 49 Prozent gesenkt werden, um 52 bis 64 Millionen Tonnen jährlich [2].
Es zeigt sich hier allerdings schon eine Schwierigkeit im Umgang mit dem Begriff Worst Performing Building. Die der Studie von 2021 zugrunde liegende Definition fußt auf der „Langfristigen Renovierungsstrategie der Bundesregierung“ von 2020. Je nach Wahl der Eckdaten zur Bestimmung wird die Gruppe der WPB mal größer, mal kleiner, sodass sich automatisch unterschiedliche Einsparpotenziale ergeben. Dessen ungeachtet ist jedoch das Prinzip „worst first“ unmittelbar einleuchtend: die dicksten Löcher zuerst stopfen, so wie auf See ja auch die größten Lecks zuerst abgedichtet werden.
Abgeschwächte Gebäuderichtlinie
Nun könnte man erwarten, dass die Institution, die den Begriff geprägt hat, die EU, den dringenden Handlungsbedarf, den er ausdrückt, in entsprechenden Regelungen umsetzt. In den Entwürfen des EU-Parlaments zur novellierten EU-Gebäuderichtlinie, der Energy Performance of Buildings Directive oder EPBD, war der Grundgedanke einer Sanierungspflicht für die Eigentümer:innen von WPB auch enthalten. Sie sahen einen Schwellenwert für die Energieeffizienz vor, einen Wert, ab dem man von einem Worst Performing Building reden kann. Dieser Schwellenwert ist der sogenannte Minimum Energy Performance Standard oder MEPS, der Mindesteffizienzstandard: Die Effizienzklasse G sollte die 15 Prozent an Gebäuden mit den schlechtesten Werten umfassen. Außerdem wollte das Parlament sämtliche Wohngebäude bis 2030 mindestens in der Effizienzklasse E sehen, bis 2033 in der Klasse D, Nichtwohngebäude bis 2027 mindestens in der Klasse E, bis 2030 in Klasse D.
In der am 12. März vom Parlament angenommenen Neufassung der EPBD aber findet man diese Ideen nur noch in stark abgeschwächter Form. Was die Wohngebäude anbelangt, werden die Mitgliedsstaaten nicht etwa zur Festlegung gebäudescharfer Mindestwerte verpflichtet, die ab einem bestimmten Zeitpunkt einzuhalten sind. Die Staaten müssen lediglich dafür sorgen, dass der Wohngebäudebestand als Ganzes ab einem bestimmten Zeitpunkt festgelegte Durchschnittswerte einhält: Der durchschnittliche Primärenergieverbrauch muss bis 2030 um mindestens 16 Prozent und bis 2035 um mindestens 20 bis 22 Prozent gesenkt werden, auf Basis der verfügbaren Gebäudedaten von 2020. 55 Prozent dieser Einsparungen müssen zwar die WPB erbringen – als die jetzt aber die 43 Prozent schlechtesten Wohngebäude gelten. Von „worst first“ ist nicht mehr viel übrig.
Anders sieht es im Fall der Nichtwohngebäude aus, dort hat man sich auf Sanierungsvorgaben für definierte Gruppen von Gebäuden einigen können: Jeder Mitgliedsstaat muss hierfür zwei Mindeststandards der Gesamtenergieeffizienz festlegen, anhand des Primär- oder Endenergieverbrauchs. Der erste, weniger strenge Standard oder Schwellenwert ergibt sich dadurch, dass 16 Prozent der Nichtwohngebäude ihn überschreiten, der zweite, anspruchsvollere, dadurch, dass ihn 26 Prozent überschreiten. 2030 darf jedoch kein Nichtwohngebäude den 16-Prozent-Wert mehr reißen, 2033 dann keines mehr den 26-Prozent-Wert. Nur bei den Nichtwohngebäuden ist also das WPB-Prinzip noch erkennbar [3].
Modernisierungspflichten als Chance
Diese Abschwächung hat indes die Fachleute nicht überrascht. Während Berlin zuerst in Brüssel als Vorreiter agiert habe, sei die Bundesregierung laut der DUH (August 2023) nach den Querelen um das „Heizungsgesetz“ und aus Angst vor dem Gerede über den „EU-Sanierungszwang“ zurückgerudert, zur Verwunderung und Verärgerung der anderen Mitgliedsstaaten [4].
Auch aus Sicht des GIH-Bundesvorsitzenden Stefan Bolln hatte sich das magere Ergebnis angekündigt: „Bereits in den Verhandlungen war erkennbar, dass die vereinbarten Pflichten nicht ausreichen werden, um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen“, so Bolln nach Bekanntwerden der Annahme der Neufassung. „Zudem gibt es kaum Verbindlichkeit. Wie die letzten 20 Jahre bisher gezeigt haben, reichen reine Förderprogramme nicht aus, um nachhaltigen Klimaschutz zu betreiben. Es wäre gut und bezahlbar gewesen, wirtschaftliche Modernisierungspflichten wie zum Beispiel Einblasdämmungen auch für Wohngebäude zu erlassen, um ernsthafte Absichten zu signalisieren. Dies bleibt nun den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen.“ [5] Der GIH-Vorsitzende hatte schon vergangenes Jahr vor dem drohenden „Attentismus“ unter Hausbesitzer:innen gewarnt, als Bundesbauministerin Geywitz den Quartiersansatz lobte und die gebäudescharfen Effizienzvorgaben in Frage stellte [6].
Energiearmut und Gesundheitsgefährdung
Worst Performing Buildings belasten nicht nur das Klima und schädigen damit die Allgemeinheit, sie belasten ebenso ihre Eigentümer:innen und Mieter:innen finanziell, durch hohe und in Zukunft weiter steigende Energiekosten. Am stärksten dort, wo die Wärmeversorgung nach wie vor rein fossil erfolgt, mit Gas oder Öl. Gemäß des DUH-Faktenpapiers „Mindestenergieeffizienzstandards für Gebäude“ vom 10.10. 2023 gelten Haushalte, die mehr als zehn Prozent ihres Nettoeinkommens für Energiekosten ausgeben, „als von Energiearmut betroffen oder energiearmutsgefährdet. Ohne die Berücksichtigung staatlicher Hilfszahlungen traf das im Mai 2022 auf jeden vierten Haushalt in Deutschland zu.“ [7]
2022 kam eine Kurzstudie des Öko-Instituts zu dem Ergebnis, dass die gezielte Unterstützung sozial schwacher Haushalte, „vulnerable(r) Haushalte“, zumal Rentner:innen, die häufig in WPB wohnen, diese wirksam vor hohen Energiekosten schützt und dass für die „ambitionierte Sanierung auf EH 55-Standard“ der Förderbedarf nicht wesentlich über dem des Effizienzhaus-70-Standards liege. Diese höhere Effizienzstufe diene dafür jedoch „deutlich stärker der Erreichung der Klimaziele.“ [8]
WPB können überdies die Gesundheit ihrer Bewohner:innen oder Nutzer:innen gefährden, nicht nur durch Kälte und Schimmelbefall, sondern auch durch Hitze, denn mangelhafter Wärmeschutz ist zugleich mangelhafter sommerlicher Hitzeschutz. In einer Pressemeldung vom August 2023 ging die DUH auf die bedenkliche Situation in hoch ineffizienten Gebäuden ein: „Insbesondere ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen wie Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen, Diabetes und neurologischen Erkrankungen sind damit einem besonders hohen Risiko durch extreme Hitze ausgesetzt.“ [9] Angesichts der Klimaentwicklung ein alarmierender Befund.
Förderung mittels WPB-Bonus
Immerhin aber werden die WPB von der Bundesförderung für effiziente Gebäude adressiert, und zwar in Form des WPB-Bonus, eines Extra-Tilgungszuschusses von zehn Prozent. Die KfW hat hierfür eine eigene Definition eines WPB geschaffen, besser: zwei Arten der Definition. Als Bewertungskriterien können entweder die zentralen Daten im Energieausweis gewählt werden, das heißt: Effizienzklasse oder Energiebedarf beziehungsweise Energieverbrauch, oder das Baujahr in Kombination mit dem Zustand der Gebäudehülle.
KfW-Definition über den Energieausweis
Wählt man den Energieausweis als Grundlage, sind Wohngebäude der Effizienzklasse H automatisch Worst Performing Buildings. Es muss sich selbstverständlich um einen gültigen Ausweis handeln. Hier gilt es im Vorfeld zu prüfen, ob der des zu sanierenden Objekts nicht schon älter als zehn Jahre ist und deswegen erneuert werden muss. (In Ausweisen aus der Zeit vor 2014 wird das Gebäude ohnehin noch keiner Effizienzklasse zugeordnet.)
Bei Nichtwohngebäuden ist der Energieverbrauch beziehungsweise -bedarf maßgeblich: Ist im Bedarfsausweis der Primärenergiebedarf gleich dem rechten Ende der Skala oder größer, handeltes es sich um ein WPB; ist im Verbrauchsausweis der Endenergieverbrauch Wärme gleich dem rechten Ende der Skala oder größer, hat man es ebenfalls mit einem WPB zu tun.
KfW-Definition über Baujahr und Gebäudehülle
Entscheidet man sich stattdessen für die zweite Variante, die Definition über Baujahr und Gebäudehülle, muss das Gebäude erstens im Jahre 1957 oder früher errichtet worden sein und es dürfen zweitens höchstens 25 Prozent der Außenwand energetisch saniert worden sein. Zu beachten ist, dass eine nach dem 31.12. 1983 aufgebrachte Dämmung als energetische Sanierung gewertet wird, selbst wenn sie nach heutigen Maßstäben unzureichend ist, weil zum Beispiel zu dünn. Eine vor diesem Datum durchgeführte entsprechende Maßnahme dagegen lässt die Bonusoption offen. Grundsätzlich nicht als energetische Sanierungen gelten Erneuerung oder Instandsetzung des Außenputzes und das Aufbringen von Dämmputz.
Es braucht mehr und bessere Daten
Laut der KfW repräsentieren WPB nach diesen Kriterien die „schlechtesten 25 % der Gebäude in Deutschland“. Solche Aussagen sind jedoch mit Unsicherheiten behaftet, da die Datengrundlage bezüglich der Energieeffizienz des Gebäudebestands noch zu wünschen übriglässt. Wie auch Sibylle Braungardt und Malte Bei der Wieden vom Öko-Institut feststellen, die 2023 das Potenzial von Mindesteffizienzstandards (MEPS) für Nichtwohngebäude untersucht haben. In diesem Teilsektor müsse zudem berücksichtigt werden, dass es sich um viele verschiedene Gebäudetypen mit ganz unterschiedlichen Nutzungsarten handele. Ein Krankenhaus habe selbstverständlich einen völlig anderen Energieverbrauch als etwa ein Bürogebäude [10].
Um die tatsächlichen Energie- und CO2-Schleudern identifizieren und die notwendigen Maßnahmen in Zukunft besser planen zu können, müssten Datendichte und -qualität erheblich verbessert werden. Deswegen fordert die DUH in ihrem MEPS-Faktenpapier unter anderem „flächendeckende Digitalisierung von Gebäudedaten inkl. Einführung eines Gebäudeenergiekatasters und verpflichtende Energiebedarfsausweise für alle Gebäude.“ [11]
Braungardt und Bei der Wieden haben in ihrer Arbeit die erforderlichen Schritte bei der Implementierung von MEPS aufgelistet, die man mit gewissen Einschränkungen auf Wohngebäude übertragen kann: Daten sammeln, MEPS definieren, Berücksichtigung der verschiedenen Gebäudetypen und Bedarfsprofile, Erbringung des Nachweises der MEPS-Erfüllung durch die Eigentümer, Überprüfung der Angaben der Eigentümer durch die Behörden [12].
Von Seiten der Deutschen Umwelthilfe wird nicht zuletzt die Bedeutung des Timings hervorgehoben. Dazu gehöre die Einführung der Regelung mehrere Jahre vor dem Ablaufen der Frist zur Umsetzung. Dann hätte man ausreichend Zeit, sich beraten zu lassen, zu planen und Ausführende zu finden [13]. Auch die Möglichkeit von Sanktionen bei Nichteinhaltung der Vorgaben sollte es geben, so wie derzeit im flämischen Teil Belgiens und in den Niederlanden, wo den Eigentümer:innen sogar verboten werden kann, ihr Gebäude weiterhin zu vermieten [14].
Aufgabe für Energieberatende
Es wird weiterhin fleißig investiert in Gebäude, nur offensichtlich nicht auf die nachhaltige Art. Im vergangenen Jahr handelte es sich von zirka 1,3 Millionen verkauften Wärmeerzeugern nur bei jeder vierten um eine Wärmepumpe, dagegen wurden gut 790.500 gasbetriebene Brennwert- und Niedertemperaturgeräte abgesetzt. Zugleich ließ das Interesse an Solarthermie weiter nach [15], ebenso das an Wärmedämmverbundsystemen [16]. Das spricht umso mehr für MEPS und das Konzept des WPB als dringend erforderliche Werkzeuge der Gebäude- und Wärmewende.
Aufgabe der Energieberatenden wäre es angesichts dieser Zahlen, einerseits die bonusfähigen WPB zu identifizieren, andererseits aber auch, wo nach KfW-Kriterien kein Worst Performing Building vorliegt, über die positiven Effekte einer Sanierung zu informieren. Und damit auch die zweit- und drittschlechtesten Gebäude aus der Energiefalle zu holen.
Quellen
[1] https://t1p.de/GEB240332
[2] https://t1p.de/GEB240333
[3] https://t1p.de/GEB240334
[4] https://t1p.de/GEB240335
[5] https://t1p.de/GEB240336
[6] https://t1p.de/GEB240337
[7] https://t1p.de/GEB240338
[8] https://t1p.de/GEB240339
[9] siehe [4]
[10] https://t1p.de/GEB240340
[11] https://t1p.de/GEB240341
[12] https://t1p.de/GEB240342
[13] siehe [11], S. 2
[14] siehe [11], S. 5
[15] https://t1p.de/GEB240343
[16] https://t1p.de/GEB240344

Bild: DUH / Klein