Die fortschreitende Entwicklung von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) wie Chat GPT hat im vergangenen Jahr zu zahlreichen Diskussionen geführt. Nicht nur in der Industrie, auch im Bereich des Energievertriebs haben Digitalisierung und KI-Nutzung tiefgreifende Veränderungen eingeleitet. Doch welche konkreten Auswirkungen hat sie auf Beratende im Vertrieb von Energieverträgen? Wo besteht Optimierungspotenzial für ihre Dienstleistungen und welche Herausforderungen sowie Grenzen ergeben sich durch die KI-Technologie im Energievertriebs? Frank Bröckl, Geschäftsführer des Energie-Direktvermarkters Teleson, gewährt Einblicke in die Anwendung von KI in der Energieberatung.
Herr Bröckl, wo werden Digitalisierung und KI im Energievertrieb heute bereits eingesetzt?
In sehr vielen Bereichen. Einige Vermarkter haben komplett auch zum Endkunden hin auf digitale Self-Service-Portale umgestellt und die persönliche Beratung damit ersetzt. Bei anderen, wie auch bei uns, werden digitale Tools und KI vor allem dazu genutzt, die Berater zu unterstützen und zu entlasten. Sie arbeiten in der Regel dezentral und greifen dabei immer häufiger auf unsere Apps oder unser Portal zurück. Im Idealfall können sie damit rund um die Uhr auf sämtliche Energieprodukte zugreifen, darunter diverse Strom- und Gastarife, Angebote für Photovoltaikanlagen sowie Informationen zu allen Kooperationspartnern und Lieferanten. Der Vertrieb und auch die Vertragsabwicklung werden also bereits dank Digitalisierung stark vereinfacht. Zusätzlich kommen heute KI-gesteuerte Assistenten zum Einsatz, die Energieberatenden eine Fülle von Möglichkeiten bieten, um ihre Vertriebsprozesse zu rationalisieren, den Kunden besser zu beraten und letztlich ihren eigenen Erfolg zu steigern.
Welche konkreten Vorteile bietet der Einsatz von KI beziehungsweise von maschinellem Lernen für Vertriebspartner?
Der Einsatz von KI bringt im Energievertrieb entscheidende Vorteile mit sich. Erstens optimiert KI administrative Aufgaben, indem sie repetitive Tätigkeiten automatisiert. So wird durch das automatische Auslesen der letzten Rechnung die manuelle Eingabe von Daten wie Adressen, Zählernummer oder Marktlokations-ID überflüssig. Das spart nicht nur Zeit, sondern senkt gleichzeitig die Fehlerquote. Dadurch können sich Vertriebsmitarbeiter mehr auf strategische Aufgaben sowie die Pflege von Kundenbeziehungen konzentrieren, anstatt sich mit verwaltungstechnischen Angelegenheiten abgeben zu müssen.
Zweitens ermöglicht KI eine verbesserte Beratung. Sofern relevante Verbrauchsdaten vorliegen, kann sie daraus Verhaltensmuster und Energieverbrauchsgewohnheiten identifizieren. Besitzt der Kunde also anstelle eines analogen Stromzählers ein intelligentes Messsystem, das diese Daten über eine Kommunikationsschnittstelle – ein Smart-Meter-Gateway – auslesen kann, ermöglicht das den Vertriebsmitarbeitern eine sehr genaue Einschätzung der individuellen Anforderungen und Bedürfnisse, sodass sie in der Lage sind, sehr schnell und präzise maßgeschneiderte Angebote zu erstellen. Kurz: KI ermöglicht den Vertriebspartnern personalisierte Verkaufsgespräche. Sie erkennt und versteht die individuellen Bedürfnisse der Kunden.
Ein weiterer Vorteil ist, dass KI die Vermittlung von Fachwissen unterstützt. In einer sich rasant verändernden Energiewelt hilft sie uns dabei, schnell Schulungsmaterialien anzupassen und zu erstellen. Die Qualifikation sowie kontinuierliche Weiterbildung unserer Vertriebspartner sind ein wichtiger Faktor unseres Erfolgs. KI unterstützt uns dabei, Schritt mit den Entwicklungen zu halten.
Was sind Ihrer Meinung nach mögliche Fallstricke beim Einsatz von KI im Vertrieb und wo sind Grenzen gesetzt?
KI ist ein Werkzeug, das die menschliche Expertise ergänzt. Es sollte nicht dazu führen, dass Kunden mit der KI allein gelassen werden. Bei Teleson setzen wir auf die Integration von KI als effiziente Ergänzung, ohne die persönliche Betreuung durch unsere Berater zu ersetzen. Zuviel Einsatz von Self-Service kann Frustration erzeugen. KI sollte nicht dazu führen, dass Kunden Schwierigkeiten haben, direkte Ansprechpartner zu finden. Die menschliche Komponente ist auf keinen Fall zu vernachlässigen. Daher setzen wir nach wie vor auf menschliche Berater, die von uns bestmöglich unterstützt werden – mit innovativen, selbst entwickelten digitalen Tools. Und KI, dort wo es Sinn macht.
Die Fragen stellte Joachim Berner.